10.23

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In einem sind sich alle Parteien einig: Kampagnen gegen Gewalt an Frauen, vor allem sexuelle Gewalt, sind wichtig, die große Frage ist aber, wie Gewalt­schutz ausschauen soll.

Sieht man sich das Budget an, gibt es dafür nur eine Antwort: Gewaltschutz passiert, wenn Gewalt bereits passiert ist, denn die Bundesregierung erhöht jedes Jahr das Budget für Gewaltschutz, aber Prävention kommt nach wie vor nicht vor. So ist zwar für heuer vorgesehen, dass knapp 20 Millionen Euro mindestens drei Ministerien zur Verfügung stehen, gemeinsam haben diese Maßnahmen aber nur eines: Sie setzen an, wenn es bereits zu Gewalt gekommen ist.

Speziell im Frauenbudget sieht man, dass es Geld für Gewaltschutzeinrich­tungen, für Beratungs- und Betreuungseinrichtungen gibt, darunter spezifisch Schutz- und Übergangswohnungen, also Anlaufstellen, an die Frauen sich wenden können, wenn ihr Partner gewalttätig wurde. An diesem Punkt arbeiten Polizei und Frauenhäuser zusammen, um betroffenen Frauen Sicherheit zu geben, je nach Situation eine Beziehung zu beenden und selbstständig zu werden, damit Gewaltspiralen enden, oder auch daran, dass Täter nicht noch einmal gewalttätig werden.

Beides ist gut für die betroffenen Frauen, hilft aber nicht gegen die gesellschaft­liche Problematik, dass, wie es fast immer der Fall ist, Männer gegenüber Frauen gewalttätig werden. Gewalt gegen Frauen geht nicht auf individuelle – unter Anführungszeichen – „Beziehungsdramen“ zurück, sondern basiert auf gesellschaftlichen Ursachen. Für die kann man Ausreden und Sündenböcke suchen oder sich die Ursachen genauer anschauen.

Die Fallkonferenzen zwischen Polizei und Gewaltschutzeinrichtungen wurden jahrelang auf Sparflamme betrieben, obwohl eine umfassende Betreuung betroffenen Frauen besser hilft, aus Gewaltbeziehungen auszubrechen. Auch psychosoziale Gerichtsbegleitung hilft Opfern dabei, nicht lebenslang in Traumaspiralen gefangen zu bleiben, sondern wieder ein selbstbestimmtes Leben in Unabhängigkeit zu führen.

Die Budgeterhöhung aus dem Sozialministerium und die Sensibilisierungs­kam­pagne setzen da noch am frühesten an und sollen Männer darauf aufmerksam machen, dass Gewalt gegen Frauen kein Kavaliersdelikt ist. Die große Frage dabei ist: Wie kann das Verständnis für ein – unter Anführungszeichen – „Kavaliers­delikt“ zu einer gesellschaftlichen Verurteilung von Gewalt werden? Frauen­ministerin Raab hat beispielsweise beim Gewaltschutzgipfel davon gesprochen, dass patriarchale Rollen wieder an der Wurzel gepackt werden müssen. In der Praxis würde das bedeuten, Frauen werden nicht als Mütter, Haushälte­rin­nen und Pflegekräfte gesehen, sondern als Innovationstreiberinnen, Fachkräfte, berufstätige Mütter und gleichberechtigte Partnerinnen im Haushalt.

Als Familienministerin könnte Raab ja da auch ansetzen und den Ausbau der Kinderbetreuung weiter vorantreiben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Kindergartenmilliarde, 4,5 Milliarden, Finanzausgleich! Sie sollten die Zeitung lesen! – Bundesrätin Schumann: Ihr seid gescheitert in der Kinderbetreuung ohne Ende!) So hätten Frauen echte Wahlfreiheit und könnten sich selbst aussuchen, wann sie nach einer Geburt ins Arbeitsleben zurückkehren. (Bundesrat Kornhäusl: 1,1 Milliarden Zukunftsfonds! – Bundesrätin Schumann: Zu spät! Ihr habt das ver­hindert! Wirklich zu spät! – Bundesrat Kornhäusl: Ja, ja! Ihr wart nie verant­wortlich!) In vielen Gebieten Österreichs geht das aber nicht; in manchen gibt es sogar noch monatliche Prämien, wenn eine Frau daheimbleibt und auf den Kindergartenplatz verzichtet. Das Problem dabei: Diese Prämien sind erstens weitaus niedriger als ein Monatsgehalt, und der Bezug wird auch nicht auf die Pension angerechnet. Die Empfängerinnen von solchen Prämien machen sich dadurch also finanziell von ihren Partnern abhängig.

Noch problematischer ist aber der Zugang der Frauenministerin zu diesem gesellschaftlichen Wandel. Abseits der Selbstermächtigung und Bildung von Frauen, für die aus dem Frauenministerium ein Budget von 1,8 Millionen Euro vorgesehen ist, ist das Frauenbudget nämlich ausnahmslos für Gewaltschutz vorgesehen. (Bundesrat Kornhäusl: Ja, aber so hoch wie noch nie zuvor! Du musst zu Ende erzählen: So hoch wie noch nie zuvor!) In der Diskussion über dieses Budget und warum keine Täterarbeit vorgesehen ist, meinte die Frauenministerin lediglich, sie mache Frauenpolitik für Frauen. Dass diese Politik über Gewaltschutz hinausgehen könnte und eben tatsächlich bei der Wurzel ansetzen müsste, schien keine Option zu sein. Im Gegenteil: Auch die Gewaltschutzkampagne des Bundeskanzleramts hat lediglich drei Sujets, die auf Anlaufstellen für Gewalt­opfer hinweisen und damit Frauen in Opferrollen stilisieren. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist hilfreich als Information für Betroffene, aber einen gesellschaftlichen Wandel wird das nicht vorantreiben.

Viele der gesellschaftlichen Punkte – wie Männer und Frauen sich gegenseitig sehen, wo es ein Anspruchsdenken und eine Besitzhaltung gibt oder inwiefern Belästigung, sexuelle und körperliche Gewalt alltäglich sind – können nur schlecht von der Politik gesteuert werden.

Es braucht viele politische Rädchen – im Bildungssystem, damit Kinder mit moderneren Rollenverständnissen aufwachsen, in der Kinderbetreuung, damit kein Bürgermeister mehr eine Prämie für die Kinderbetreuung zu Hause anbietet, im Sozialsystem, damit Kinderbetreuung und Pflegearbeiten nicht mehr als billige Frauenarbeit gesehen werden, sondern als kompetente Facharbeit, und im Gesundheitssystem, indem Frauen ernster genommen werden und Ärzten auch stärker bewusst ist, dass Symptome oft nach Geschlecht unterschied­lich aussehen –, und an all diesen Rädchen muss gedreht werden, damit Gewalt gegen Frauen nicht nur kein Kavaliersdelikt ist, sondern auf breites gesellschaftliches Unverständnis stößt.

Die Kampagne des Sozialministeriums zeigt, dass es zumindest irgendwo lang­sam ein Bewusstsein für echte Gleichstellungspolitik gibt; sieht man sich aber den Handlungsbedarf an, wird klar, dass definitiv noch mehr Tempo gemacht werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin für Justiz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.