12.47

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Es geht um die Frage der Gleichberechtigung und ihre Zukunft. Das ist nicht nur eine Frage der Frauen, sondern eine Frage der Frauen und der Männer und ihrer Zukunft, nämlich im Carebereich und in der Karenz, also in der Carearbeit die Kinder betreffend.

In Österreich gehen kaum Männer, Väter also, in Karenz, und wenn, dann nur ein bis drei Monate. Die Frauen gehen alle in Karenz, und zwar durchschnittlich eineinhalb bis zwei Jahre. Die Aufteilung, wer in Karenz geht, erfolgt meines Erachtens nur scheinbar freiwillig. Es sind nämlich patriarchale Strukturen und Rollenbilder – wir kennen sie alle zur Genüge – mit dem Bild des Mannes als erwerbstätigen Ernährer und der sorgenden Mutter, die diese Entscheidung, wer in Karenz geht, beeinflussen, und natürlich ist es auch der Gehaltsunter­schied zwischen Männern und Frauen, der eine entscheidende Rolle dafür spielt, wer in Karenz geht.

Es sind aber auch weichere Faktoren, die dabei ausschlaggebend sind. Ein Mann, der zu Hause bei den Kindern bleibt, wird immer noch schief angesehen oder gering geschätzt, genauso wie eine Frau, die nach dem Mutterschutz arbeiten geht, als Rabenmutter oder gar karrieregeil bezeichnet wird.

Sorgearbeit und Pflege werden immer noch als geringwertige Dienstleis­tungen angesehen, und meistens sollen solche Dienstleistungen auch bei den ja dafür geschaffenen Frauen bleiben. Wir wissen aber auch, ohne sie würde alles zusammenbrechen. Man spricht von vielen, vielen Milliarden Euro – einem großen Anteil des BIP –, auf die sich diese unbezahlte Carearbeit, die Frauen leisten, beläuft.

Nicht nur die Carearbeit für Kinder, sondern auch für ältere oder pflege­bedürftige Menschen gehört dazu. Es gibt eine Million pflegende Angehörige, auch das sind meistens Frauen.

Wir beschließen heute – Kollegin Schumann hat es schon ausgeführt – die Pflegefreistellung, und das ist sehr gut, nämlich für Leute, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben oder, wenn sie im gemeinsamen Haushalt leben, keine Angehörigen sind. Das war eine Lücke, und die wird heute geschlossen.

Ich frage mich immer, warum wir glauben – um wieder zu Karenz, Sorge- und Carearbeit zurückzukommen –, in einer fortschrittlichen und gerechten Zivilisation zu leben, denn wir behandeln Menschen, die sich um uns, unser Leben und unsere Nachkommen sorgen, immer noch mit ziemlicher Geringschätzung. Ich sehe es als Aufgabe von uns Gesetzgeber:innen und der Verwaltung, also von uns Organisator:innen des Zusammenlebens, dass wir bei der Carearbeit und – so kann man sagen – dem ganzen Ratten­schwanz an Ungerechtigkeiten, den diese Carearbeit mit sich bringt, endlich zu mehr Gleichberechtigung kommen.

Daher braucht es Anstöße, es braucht Anreize für mehr und längere Väterkarenz, und das machen wir heute. Da Frauen so viel und so lange Karenzzeit in Anspruch nehmen, wollen wir nun Väter indirekt dazu verpflichten, für zwei Monate in bezahlte Karenz zu gehen. Diesen Anspruch nicht zu ver­lieren wird ein Anreiz sein, nicht nur aufgrund des Geldes, sondern auch auf Druck der Frauen. Väter bekommen ab nun auch doppelt so viel Geld beim Familienzeitbonus, ohne Abzug, wenn sie gleich nach der Geburt bei der Familie bleiben.

Mehr und längere Väterkarenz – das haben uns andere Länder schon vorgezeigt – hat eindeutig das Potenzial, alte Rollenbilder und Denkweisen zu durch­brechen. Wenn der überwiegende Teil der Väter in Karenz geht, wie das in den skandinavischen Ländern schon der Fall ist, wird sich einerseits der Blick auf Carearbeit ändern, aber genauso wird sich das Männerbild zu einem sorgenden und sozialen verändern. Mehr männliche Carearbeit wird aber auch Auswirkungen auf den Wiedereinstieg in den Beruf haben, denn Karenzzeiten sind heute meist verlorene Zeit für Frauen. Sie werden nach der Karenz in ihren Aufgabenbereichen und bei ihrem Gehalt im Unternehmen zurückge­stuft, vor allem auch dann, wenn sie noch nicht Vollzeit arbeiten.

Dass die Karenz aber eigentlich eine Zeit ist, in der Menschen so einiges an Fähigkeiten dazulernen – wie 24 Stunden für jemanden verantwortlich zu sein, umsichtig und permanent gefordert zu sein –, wird in den Unternehmen, die leider meist von diesbezüglich unerfahrenen Männern geleitet werden, verges­sen. Eigentlich sollte man sich um diese Frauen, um diese Menschen, die in Karenz gehen und sich um Kinder sorgen, reißen und ihnen nach der Karenz bessere Jobs anbieten. Sie kennen noch dazu das Unternehmen, sie haben Abstand dazu bekommen, können es objektiver betrachten, bemerken andere Dinge und sind um viele Erfahrungen mit der eigenen Organisations­fähig­keit und Belastung reicher geworden. Genau das Gegenteil ist aber leider der Fall, und das ist frustrierend und demotivierend. Am schnellsten aber würden sich Rollen und Wertschätzung wohl ändern, wenn alle Männer in Führungsposi­tionen mindestens ein halbes Jahr in Karenz gingen.

Eine isländische Stadträtin – Island wird da immer gerne als Beispiel genom­men – berichtete schon vor vielen Jahren – es sind, glaube ich, knapp zehn Jahre –, dass nach der Einführung der verpflichtenden Väterkarenz in Island immer mehr Männer in Karenz gingen. Heute sind es in Island fast alle Väter, die in Karenz gehen. Das klingt, finde ich, angesichts unserer Zahlen, die unter 10 Prozent liegen, fast wie eine Mär, ist es aber nicht.

Was man natürlich dazusagen muss, ist, dass in Island die Bezahlung, wenn man in Karenz geht, höher ist. Was man aber auch dazusagen muss, ist, dass die Karenzzeiten mit in etwa der Hälfte der Länge von unseren weitaus kürzer sind.

Ja, um ein solch radikales, aber meiner Meinung nach Gleichberechtigung weit mehr förderndes Modell umzusetzen, braucht es natürlich ein Recht auf einen Kindergartenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Sie wissen, auch Sie, liebe Kollegin Schumann, es liegt in der Kompetenz der Länder, so etwas einzuführen (die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Nein, nein, nein!), und Sie wissen auch, hoffentlich zumindest seit gestern, dass der Bund das finanziell unterstützen wird. (Bundesrätin Grimling: Das werden wir erst sehen!)

Ich möchte hier aber auch allen Bundesländern danken, die jetzt schon für ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsnetz und damit auch für mehr Gleichberechtigung sorgen.

Ein letzter wichtiger Punkt: Mit der heutigen Novelle des Gleichbehandlungs­gesetzes dürfen Menschen, die sich um Kinder oder andere Menschen kümmern, deswegen im Job nicht benachteiligt werden. (Bundesrat Spanring: Das ist in der Praxis so leicht umgesetzt!) Da wird das Diskriminierungsverbot sehr sinnvoll erweitert.

All das sind gute Maßnahmen für eine bessere Work-Life- oder eigentlich besser gesagt für eine Work-Family-Balance von Frauen und Männern. Sie werden auch von der Gleichbehandlungsanwaltschaft, den Frauenberatungs­stellen und sogar von der Arbeiterkammer begrüßt. Daher finde ich es sehr schade, dass die SPÖ, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, hier nicht zustimmt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.55

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: An dieser Stelle darf ich noch eine Begrüßung nachholen, inzwischen ist nämlich Frau Staatssekretärin Mag.a Susanne Kraus-Winkler bei uns eingetroffen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte schön.