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Plenarsitzung

des Bundesrates

Stenographisches Protokoll

 

958. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 5. Oktober 2023

 

 

 

 

Bundesratssaal


Stenographisches Protokoll

958. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 5. Oktober 2023

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. Oktober 2023: 9.03 – 17.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer 1. Vizepräsidentin für den Rest des 2. Halbjahres 2023

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder zur Finanzierung einer Gebührenbremse

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energie­krisen­beitrag-fossile Energieträger (EKBFG) geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das


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Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird

10. Punkt: Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen Bundesratspräsidenten Dr. Dr. h. c. mult. Herbert Schambeck ..........................     14

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betref­fend Mandatsverzichte sowie Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates .....................................................................................................     57

Angelobung der Bundesrätinnen Bernadette Geieregger, BA und Margit Göll .....     16

Schreiben des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitglieds ..............................................................................................     64

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über


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ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Andorra zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ...................................................     66

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhin­derung der Steuerverkürzung und ‑umgehung ..................................................     68

Mitteilung der Präsidentin Mag.a Claudia Arpa betreffend Verhinderung des Bundeskanzlers und der Staatssekretärin im Bundeskanzleramt ....................     70

1. Punkt: Wahl einer 1. Vizepräsidentin für den Rest des 2. Halbjahres 2023 .........................................................................................................................     72

Antrag des Bundesrates Christoph Steiner im Sinne des § 37 Abs. 2 GO-BR auf Anwesenheit des Vizekanzlers – Ablehnung ..............................  121, 125

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung:

Korinna Schumann ..................................................................................................  123

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  124

Christoph Steiner .....................................................................................................  124

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................  140

Ordnungsrufe ................................................................................  145, 198, 243

Aktuelle Stunde (109.)

Thema: „Gewaltschutz als gesellschaftlicher Auftrag: Wie wir die Gewalt­spirale durchbrechen.“ ...........................................................................................     16


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Redner:innen:

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................     17

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler .................................................................................     22

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................     25

Mag. Isabella Theuermann ......................................................................................     29

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ...................................................  33, 51

Marco Schreuder ......................................................................................................     38

Mag. Christine Schwarz-Fuchs ...............................................................................     41

Dr. Manfred Mertel ..................................................................................................     43

Marlies Doppler ........................................................................................................     45

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     48

Bundesregierung

Vertretungsschreiben .........................................................................  70, 70, 70

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ...................................................................     70

Ausschüsse

Zuweisungen ............................................................................................  52, 278

10. Punkt: Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 .......................................  197

Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanzler?“ (4123/J-BR/2023) ...............................................  198

Begründung: Andreas Arthur Spanring .................................................................  199


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Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ....................................................................  216

Debatte:

Markus Leinfellner ...................................................................................................  222

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  226

Korinna Schumann ..................................................................................................  235

Marco Schreuder ....................................................................................  243, 276

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  248

Matthias Zauner ......................................................................................................  253

Marlies Doppler ........................................................................................................  258

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................  263

Christoph Steiner .....................................................................................................  267

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ – Ablehnung ..  224, 278

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 30. August 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (3521/A sowie 11297/BR d.B.) ...................................................     72

Berichterstatterin: Sandra Lassnig ........................................................................     73

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................     73

Christoph Stillebacher .............................................................................................     76

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................     78

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................     80

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................     81

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................     82


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3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (3520/A und 2192 d.B. sowie 11298/BR d.B.) .........................     83

Berichterstatter: Christoph Stillebacher ...............................................................     83

Redner:innen:

Markus Leinfellner ...................................................................................................     84

Silvester Gfrerer .......................................................................................................     86

Mag.a Claudia Arpa ..................................................................................................     88

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) .........................................     89

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber ......................................................................................     90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................     92

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder zur Finanzierung einer Gebührenbremse (3545/A und 2193 d.B. sowie 11299/BR d.B.) .........     92

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ..................................................................     92

Redner:innen:

Markus Stotter, BA ..................................................................................................     93

Dominik Reisinger ....................................................................................................     94

Günter Pröller ...........................................................................................................     97

Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber .......................................................................................  100

Staatssekretär Florian Tursky, MBA MSc ..............................................................  102

Michael Wanner .......................................................................................................  104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  106


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5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisen­beitrag-fossile Energieträger (EKBFG) geändert wird (3546/A und 2194 d.B. sowie 11300/BR d.B.) ..........................................................................  106

Berichterstatter: Mag. Franz Ebner .......................................................................  106

Redner:innen:

Mag. Bettina Lancaster ...........................................................................................  107

Sandra Lassnig .........................................................................................................  109

Markus Steinmaurer ................................................................................................  111

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ............................................................................................  113

Michael Bernard .......................................................................................................  116

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  120

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das Kinder­betreu­ungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (3478/A und 2181 d.B. sowie 11296/BR d.B. und 11301/BR d.B.) ...............  125

Berichterstatter: Bernhard Hirczy .........................................................................  125

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (2182 d.B. sowie 11302/BR d.B.) ................................................................  125

Berichterstatter: Bernhard Hirczy .........................................................................  125


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Redner:innen:

Korinna Schumann .................................................................................  127, 148

Heike Eder, BSc MBA ...............................................................................................  131

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  133

MMag. Elisabeth Kittl, BA .......................................................................................  136

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................  140

Sandra Böhmwalder ................................................................................................  143

Klemens Kofler .........................................................................................................  145

Mag. Elisabeth Grossmann (tatsächliche Berichtigung) ......................................  148

Marco Schreuder .....................................................................................................  149

Johanna Miesenberger (tatsächliche Berichtigung) .............................................  150

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“ – Ablehnung ..  134, 151

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  151

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ......  152

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (3159/A und 2183 d.B. sowie 11303/BR d.B.) .........................  152

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA .............................................................  152

Redner:innen:

Horst Schachner .......................................................................................................  153

Margit Göll ...............................................................................................................  155

Andrea Michaela Schartel .......................................................................................  158

Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................................................  161

Ernest Schwindsackl ................................................................................................  164

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  169


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Christoph Steiner .....................................................................................................  171

Matthias Zauner ......................................................................................................  175

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Altersteilzeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ – Ableh­nung ........................................................................................................  160, 176

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  176

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird (3547/A und 2187 d.B. sowie 11304/BR d.B.) .......................................................................................................  177

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ...........................................  177

Redner:innen:

Mag. Sascha Obrecht ..............................................................................................  178

Simone Jagl ...............................................................................................................  180

Mag. Franz Ebner .....................................................................................................  182

Günter Pröller ...........................................................................................................  187

Klemens Kofler .........................................................................................................  190

Bernhard Hirczy .......................................................................................................  191

Marco Schreuder ......................................................................................................  194

Korinna Schumann ..................................................................................................  195

Dr. Karlheinz Kornhäusl ..........................................................................................  195

Christoph Steiner .....................................................................................................  196

Entschließungsantrag der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ – Ablehnung ..............................................................................................  189, 197


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..............................  197

Eingebracht wurden

Petition ....................................................................................................................     55

Petition betreffend „Nein zu Schließungen von Postgeschäftsstellen im Bezirk Tulln“ (Ordnungsnummer 54) (überreicht von Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA)

Anträge der Bundesrät:innen

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt vorlegen – Kritik des Rechnungshofes ernst nehmen! (394/A(E)-BR/2023)

Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rettung der österreichischen Wirtschaft durch Preiseingriffe (395/A(E)-BR/2023)

Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderschutz an Schulen und elementarpädagogischen Einrichtungen (396/A(E)-BR/2023)

Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderschutzpaket (397/A(E)-BR/2023)

Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Privilegien, Parteipolitik, Spitzengagen und Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiter- und Wirtschaftskammer! (398/A(E)-BR/2023)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderschutz­paket (399/A(E)-BR/2023)

Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Altersteil­zeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (400/A(E)-BR/2023)


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Anfragen der Bundesrät:innen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Versprochen, gebrochen – das Ende der Wiener Zeitung und die unrichtigen Ankündigungen der Medienministerin (4115/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Studie des Landes Steiermark zum dreispurigen Ausbau der A9 Pyhrnautobahn (4116/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auwiesen müssen als echtes Naherholungsgebiet wiederhergestellt werden! (4117/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ausdünnung des Fachbereichs „Österreichische Geschichte“ an der Universität Graz (4118/J-BR/2023)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Leerstände in Gebäuden des Bundes (4119/J-BR/2023)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Leerstände in Gebäuden des Bundes (4120/J-BR/2023)

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kolle­gen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Gesetzeswidrige Sachspenden an die Regierungsfraktionen? (4121/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 12

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Gesetzes­widrige Sachspenden an die Regierungsfraktionen? (4122/J-BR/2023)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanzler? (4123/J-BR/2023)

Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sachbeschädigungen und Diebstähle auf Österreichs Friedhöfen (4124/J-BR/2023)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Behinderte werden ausgesperrt – Schließung von EuroKey-Anlagen (4125/J-BR/2023)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen (3807/AB-BR/2023 zu 4110/J-BR/2023)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen (3808/AB-BR/2023 zu 4108/J-BR/2023)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundes­rät:innen Daniel Schmid, Kolleginnen und Kollegen (3809/AB-BR/2023 zu 4109/J-BR/2023)

des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft auf die Anfrage der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen (3810/AB-BR/2023 zu 4111/J-BR/2023)


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 13

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen (3811/AB-BR/2023 zu 4114/J-BR/2023)

der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen (3812/AB-BR/2023 zu 4115/J-BR/2023)


 


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 14

09.03.15Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag.a Claudia Arpa, Vizepräsidentin Margit Göll, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA.

09.03.16*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich eröffne die 958. Sitzung des Bundesrates.

Die Amtlichen Protokolle der 956. und der 957. Sitzung des Bundesrates vom 12. und vom 13. Juli 2023 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Stefan Schennach und Andreas Babler, MSc.

09.03.39Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen Bundesratspräsidenten Dr. Dr. h. c. mult. Herbert Schambeck


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Demokratie erweist sich als ein anstrengendes politisches Ordnungsprinzip, setzt sie doch Verantwortung voraus. – Dieser Spruch des profilierten Parlamentariers und brillanten Rechtslehrers Herbert Schambeck stand für sein gesamtes Wollen und Handeln und kennzeichnete sowohl seine Auffas­sung von Politik als auch sein Verständnis von den akademischen Aufgaben in unserer Zeit.

Die Nachricht über das Ableben des langjährigen Vizepräsidenten und mehr­maligen Präsidenten des Bundesrates em. Univ.- Prof. Dr. h. c. mult. Dr. Herbert Schambeck hat uns tief betroffen gemacht. Herbert Schambeck gehörte zu jenen wenigen herausragenden Wissenschaftern unserer Republik, die bereit waren, auch selbst in der Politik Verantwortung zu übernehmen. So hat Herbert Schambeck in all den Jahren den österreichischen Bundesrat in ent­schei­dender Weise nachhaltig geprägt und sich jahrzehntelang für die Durchsetzung des Föderalismus in Österreich engagiert.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 15

Er war zudem ein national und international hoch angesehener Wissenschafter und Rechtsphilosoph, der sich als Autor und Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Bücher und Beiträge und als leidenschaftlicher Anwalt einer zeitgemäßen parlamentarischen Demokratie einen Namen gemacht hat.

Dem EU-Beitritt Österreichs vorgreifend hat er sich konsequent dafür einge­setzt, dass der Nationalstaat Kompetenzen nicht nur nach oben, zur Europäischen Union, sondern auch nach unten, an die österreichischen Bundesländer, abgibt.

Der österreichische Bundesrat verliert mit Herbert Schambeck einen über alle Parteigrenzen hinweg äußerst geachteten und verdienstvollen Politiker und Wissenschafter, der maßgeblich zum europaorientierten Umbau unseres Verfassungsgebäudes beigetragen hat. Dabei hat er sich stets in seinem großen Ziel, der Länderkammer wachsendes politisches Gewicht zu verleihen, auch durch Hindernisse und Rückschläge nie entmutigen lassen.

Der österreichische Bundesrat dankt, der österreichische Bundesrat gedenkt seiner.

Ich darf Sie bitten, sich im stillen Gedenken an den ehemaligen Präsidenten des Bundesrates Herbert Schambeck zu einer Schweigeminute zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitzplätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.) – Ich danke Ihnen für das Zeichen der Trauer. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)

09.06.48Mandatsverzicht und Angelobung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Eingelangt ist ein Schreiben des Niederöster­reichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates. (siehe S. 57)

Das neue sowie das wiedergewählte Mitglied des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 16

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.


Schriftführer Silvester Gfrerer: Ich verlese die Gelöbnisformel für die Mitglieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beachtung der Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Gfrerer leisten die Bundesrätinnen Margit Göll und Bernadette Geieregger, BA die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzliche Gratulation und herzlich willkommen im Bundesrat.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Auch ich begrüße das neue sowie das wiedergewählte Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.09.05Aktuelle Stunde


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Gewaltschutz als gesellschaftlicher Auftrag: Wie wir die Gewaltspirale durchbrechen.“

Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić ist auf dem Weg, sie ist also gleich hier.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 17

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein:e Redner:in pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein:e Redner:in pro Fraktion sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktionszugehörigkeit mit einer Redezeit von jeweils 5 Minuten. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte.


09.10.14

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäst:innen hier und vor den Bildschirmen! (Bundesrätin Doppler: Gäst:innen! – Die Bundesräte Spanring und Steiner: Bravo! – Demonstrativer Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Spanring und Steiner.) Ich möchte mit Rosa Logar, der Geschäfts­führerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und Vorstands­frau des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, beginnen (Bundesrat Steiner: Die Gäst:innen!), begrüße aber zunächst die Justizministerin: Willkommen! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Gewalt ist strafbar und durch nichts zu rechtfertigen. Opfer haben ein Recht auf Schutz und Hilfe. Daher ist es der Justizministerin – ich bin froh, dass sie rechtzeitig angekommen ist – hoch anzurechnen, dass sie in relativ kurzer Zeit viele Maßnahmen zur Verhinderung von häuslicher Gewalt gesetzt hat; Maßnahmen, die schon sehr lange gefordert wurden, aber bisher nicht umge­setzt worden sind.

Ich möchte diese Maßnahmen aufzählen, weil es auch für die Betroffenen wichtig ist, zu wissen, dass die staatlichen Institutionen sie unterstützen.


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Wird Frauen zum Beispiel in der eigenen Wohnung von ihrem Partner Gewalt angetan, kann dieser von der Polizei weggewiesen werden, und ein Annäherungs- und Betretungsverbot wird für zwei Wochen ausgesprochen. (Bundesrat Steiner: Das gibt es ja schon!) Soll es länger sein, kann beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt werden.

Neu ist aber – und das ist für die von Gewalt Betroffenen sehr wichtig –, dass nun Opferschutzeinrichtungen sie bei Gericht vertreten können und für sie dieses Betretungs- und Annäherungsverbot beantragen können. Das ist sehr wichtig, denn wir wissen, dass – wahrscheinlich nicht nur für Menschen, die von Gewalt betroffen sind, vor allem für Frauen – immer wieder eine riesige Hemmschwelle besteht, vor Gericht zu gehen. Mit der Vertretung durch eine Opferschutzeinrichtung bekommen die Betroffenen einen niederschwelligen Zugang, sodass der Täter nicht mehr in die Wohnung zurückkehren kann.

Bei der Wegweisung muss gleichzeitig – auch das ist neu – ein Waffenverbot ausgesprochen werden. Auch das ist wichtig, denn wir wissen, es hantiert sich schnell mit einer Schusswaffe, und das endet meist tödlich.

Gleichzeitig wird bei der Verhängung von Betretungs- und Annäherungs­verboten eine verpflichtende Gewaltberatung für den Gefährder ausgesprochen.

Auch ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die von Gewalt betroffenen Frauen darüber aufgeklärt werden müssen, dass sie kostenlos sozialpsychologische und juristische Prozessbegleitung bekommen. Diese Begleitung ist so wichtig, weil die Situation meist von Angst, von Scham und von einem schlechten Gewissen besetzt ist – es handelt sich ja doch meistens um einen nahen Angehörigen –, und da soll eine halbwegs vertrauensvolle Umgebung geschaffen werden, damit eben auf Wichtiges nicht vergessen wird.

Seit 2020 gibt es Fallkonferenzen, und diese werden jetzt Gott sei Dank vermehrt und viel häufiger einberufen.


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Bei Fallkonferenzen treffen sich Vertreter:innen von Opferschutzeinrichtungen, Polizei, aber auch Angehörige oder Vertreter:innen anderer Institutionen, um Hochrisikofälle zu besprechen und die Gefahr, die von einem Gefährder ausgeht, richtig einzuschätzen und Schutzmaßnahmen zu treffen, also vorzusorgen.

Das Wichtigste, um die Gewaltspirale zu durchbrechen – das ist das Thema der heutigen Aktuellen Stunde –, ist aber, dass das Strafverfahren ernst genommen und ordentlich durchgeführt wird.

Warum ist das wichtig? – Weil es mit Prävention zu tun hat. Und warum es mit Prävention zu tun hat, werden Sie gleich sehen.

Wir wissen, dass nur jeder zehnte Angeklagte, der wegen eines häuslichen Gewaltdelikts angeklagt wurde, verurteilt wird. Das heißt, neun von zehn Ange­klagten gehen straffrei aus – nicht aber, weil man zu dem Schluss gekommen ist, dass die Angeklagten unschuldig sind, sondern aus Mangel an Beweisen, weil Aussage gegen Aussage steht, was zur Folge hat, dass das Verfahren im Zweifel für die Angeklagten endet, sie also nicht verurteilt werden. Das ist grund­sätzlich ein wichtiger Rechtssatz in einem Rechtsstaat, es darf aber nicht passieren, dass ein Verfahren nicht mit einer ordentlichen Beweisaufnahme durch­geführt wird.

Daher muss – und auch das ist etwas, was in den letzten Jahren durch die Justizministerin, aber auch durch den Innenminister eingeführt worden ist – die Polizei darauf geschult werden, Gewalt zu erkennen, opferzentriert zu arbeiten und vor allem eben Beweise aufzunehmen. Das ist in Form einer längeren Ausbildung der Polizist:innen und auch mit mehr Personal umgesetzt worden.

Genauso bekommen Staatsanwält:innen im Journaldienst eine Checkliste, damit Beweise rechtzeitig gesichert werden und Zeug:innen ausgeforscht und einvernommen werden, und schließlich werden auch die Richter:innen für eine bessere Beweisaufnahme und eine schonende Einvernahme der Opfer


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ausgebildet, denn es ist das Um und Auf, gleichzeitig aber auch das Schwierigste, die Gewaltausübung zu beweisen.

Es ist daher sehr, sehr begrüßenswert, dass bald die angekündigten Gewalt­ambulanzen kostenlos, schnell und niederschwellig Verletzungen dokumentieren können, egal ob nachher angezeigt wird oder nicht. Dort soll auch zusätzlich Hilfe dazu, was die von Gewalt Betroffenen noch tun können, um aus der Gewaltspirale auszubrechen, angeboten werden. Solche Gewaltambulanzen sind gut, denn wir wissen, dass Ärzt:innen in diesem Bereich als sehr vertrauenswürdig angesehen werden.

Wir wissen auch, dass, wenn Beweise vorliegen und ein ordentliches Strafver­fahren durchgeführt wird, die Verurteilungsrate sich immens erhöht. Genau das ist es, was mit Prävention, also mit der Vermeidung von Gewalt, zu tun hat, denn je ernster die Strafverfolgung bei häuslicher Gewalt genommen wird – also je mehr darauf geachtet wird, dass genau nachgeschaut wird, was passiert ist, und umfassend Beweise aufgenommen, Zeug:innen gesucht und einvernommen werden –, desto eher klärt sich die Sachlage. Wenn das den Menschen bewusst wird, ist es auch abschreckend.

Es kann nicht sein, dass im Fall von geschehener häuslicher Gewalt eine Verurteilung daran scheitert, dass zu wenige Beweise oder nicht verwendbare Beweise aufgenommen werden. Eine Verurteilung darf nie an mangelhafter Strafverfolgung scheitern, sondern sie soll nur dann scheitern, wenn es keine Gewalt gab.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, zu wissen, wie es zu Gewalt in der Familie kommt. Dieses Datenmaterial wird und wurde nun verbessert. Wir kennen die Studie zu Gewalt gegen Frauen von der Statistik Austria aus 2021 und die rezente „Untersuchung Frauenmorde“ vom Institut für Konfliktforschung.

Es geht nämlich darum, dass nicht nur die institutionellen Beschäftigten in diesem Bereich, wie Polizei und Justiz, sondern dass wir alle darauf sensibilisiert


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werden, besser und schneller zu erkennen, wann Gewalt gegen Frauen oder gegen Kinder stattfindet. Sei es als Lehrerin, als Lehrer, als Arbeitskollege oder Arbeitskollegin, aber auch als Freund:in oder Nachbar:in: Je früher wir Gewalt erkennen, desto eher besteht die Chance, die Gewalteskalation zu verhindern.

Anzeichen von Gewalt sind zum Beispiel, dass jemand kontrollwütig ist, dass er Bewegungs- und Handlungsspielräume einschränkt, dass Geld oder Handy weggenommen werden, dass soziale Kontakte vermieden werden, dass extreme Eifersucht herrscht oder dass simpel in der Nachbarwohnung immer wieder laut geschrien wird.

Es ist wichtig, da einzuschreiten und auch Hilfe anzubieten oder Hilfe zu holen und sich lieber einmal mehr als einmal zu wenig einzumischen.

Es gibt da ein gutes Projekt, das ich schon öfter genannt habe: Stop – Stadtteile ohne Partnergewalt. Das ist ein Nachbarschaftsprojekt, das mit den Leuten klärt, wie Gewalt erkannt wird, und auch – das ist das Wichtige – die Zivilcourage stärkt, um einzuschreiten und Hilfe anzubieten.

Ich rufe auch Sie auf, da hier einige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sitzen: Fördern Sie solche Projekte in Ihren Gemeinden, denn Gewalt ist nie ein Kavaliersdelikt, nie eine bloß ausgerutschte Hand oder nie gar nicht so schlimm, sondern Gewalt verletzt, erniedrigt, prägt, erzeugt weitere Gewalt – und im schlimmsten Fall tötet sie!

Daher sind wir alle aufgefordert, achtsam zu sein, nie über Gewalt hinweg­zu­sehen, den Aussagen der Betroffenen zu glauben und für Aufklärung zu sorgen. Wir müssen hinschauen, wir müssen hinhören, wir müssen hingehen und wir müssen handeln! – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundes­rät:innen der SPÖ.)

9.20


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Auch ich möchte die Justizministerin recht herzlich begrüßen.


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Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. – Bitte.


9.20.56

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und dort, von wo auch immer Sie uns zuhören oder zusehen! Ist Luisa hier? – Luisa bedeutet die Kämp­ferin und ist das Codewort für die Kampagne: Ist Luisa hier?, in Salzburg.

Ganz konkret geht es darum: Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrer Tochter unterwegs oder Ihre Tochter ist allein in Bars unterwegs. Es gibt im Nachtleben Problematiken mit Grabschen, Anstarren, K.-o.-Tropfen. Da eine solche Situation brenzlig werden könnte, hat man sich in Salzburg etwas Besonderes überlegt. Die Aktion Gemeinsam sicher, Akzente Salzburg und der Frauennotruf haben diese Kampagne gestartet. Sie ist ein Angebot an Gastronomiebetriebe. Mädchen und Frauen, die an die Bar gehen und dort fragen: Ist Luisa hier? – das ist das Codewort –, erhalten schnell und diskret Hilfe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden geschult und wissen genau, was sie in einer solchen Situ­a­tion zu tun haben. In der Stadt Salzburg, im Pinzgau und im Flachgau haben sich schon einige Betriebe aktiv an dieser Aktion beteiligt. Auch beim Electric Love Festival 2023 war Luisa mit dabei.

Bitte prägen Sie sich in Salzburg also ein: Ist Luisa da? – Das hilft Frauen und Mädchen in betroffenen Situationen.

Heute ist der „Woman“-Day 2023. Das ist ein kommerzieller Tag, an dem wir Frauen Sonderangebote bekommen, von Informationen überschwemmt werden. Wir sind begehrte Kundinnen und Kunden – Kundinnen. Wenn wir aber in die Realität schauen – und das habe ich bereits in meiner Rede am 12.7. hier gesagt, als wir ja das Angebot von Schutzunterkünften für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder ausgeweitet haben –, so erkennen wir, dass die Situa­tion leider anders ausschaut. Kollegin Kittl hat es auch schon erwähnt: Jede dritte Frau, das sind ungefähr 1,1 Millionen Frauen, ist oder war von körperlicher,


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sexualisierter oder psychischer Gewalt betroffen. Auch hier herinnen – so traurig es ist – wird es also Betroffene einer solchen Situation geben.

Gewalt gegen Frauen geht uns alle an, und der Kampf dagegen ist eine Quer­schnittsmaterie und Aufgabe aller Ministerien, der Bundesländer, der Gemeinden, der Städte, der Gesellschaft.

Gewaltschutz war seit Beginn dieser Legislaturperiode ein Schwerpunkt der österreichischen Frauenpolitik. Es wurden umfangreiche Maßnahmen im Bereich Opferschutz, Gewaltprävention gesetzt und auch schon umgesetzt. Die finanziellen Mittel wurden signifikant erhöht: Das Frauenbudget 2023 ist um 139 Prozent höher als 2019. 2023 hat es auch 24,3 Millionen Euro, also ein Plus von 5,9 Millionen Euro im Vergleich zu 2022 oder um 14,15 Millionen Euro mehr als das Budget zum Amtsantritt, gegeben. Das ist eine signifikante Verbesserung und zeigt, wie wichtig der Bundesregierung Frauenschutz und Gewaltprävention sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Großteil wird für Maßnahmen zur Prävention von und zum Schutz vor Gewalt eingesetzt. Wir durften wie gesagt ja auch im Juli hier im Bundesrat 180 zusätzliche Plätze in Schutzunterkünften beschließen. Da ging es um ein Mehr von 12 Millionen Euro. Für mein Bundesland Salzburg hat das 754 800 Euro mehr bedeutet, um diese Schutzunterkünfte in den nächsten Jahren auf den Weg zu bringen.

Die Bundesregierung hat 2021 das größte Gewaltschutzpaket auf den Weg gebracht. Wesentliche Maßnahmen dieses Paketes, wie die finanzielle Aufstockung für die Gewaltschutzeinrichtungen, konnten bereits umgesetzt werden. Das ist wirklich ein großartiger Erfolg, der uns natürlich anspornt, weiter dran­zubleiben und diese Situation weiter zu verbessern. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Es wurden rund 50 Prozent der erhöhten Mittel für die Gewaltschutzzentren gemeinsam mit dem Innenressort sichergestellt. Weitere Maßnahmen waren der


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Start einer Cybergewaltschulungsinitiative mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der österreichischen Gewaltschutzzentren sowie der Frauen- und Mädchenberatungsstellen, die erhöhte Finanzierung der neu eingerichteten Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich und Vorarlberg, eine weitere Erhöhung der Res­sourcen für Frauen- und Mädchenberatungsstellen um 3 Prozent – somit ergibt sich für alle Stellen seit 2019 eine Erhöhung um insgesamt 18 Prozent­punkte – und die Schaffung von acht neuen regionalen Beratungsangeboten in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg. Das ist wichtig. Damit einhergehend konnte der Flächendeckungsgrad des Betreuungs- und Beratungsangebotes für Frauen auf 96 Prozent erhöht werden.

Wir wissen aber auch – Kollegin Kittl hat das schon erwähnt –, das haben wir durch die Studie zu den Femiziden in Österreich festgestellt, dass sich sehr, sehr wenige Frauen an die Beratungsstellen wenden. Da gibt es noch ein Defizit. Wir müssen also noch viel, viel besser kommunizieren, wohin sich die betroffenen Frauen wenden können. In diesem Zusammenhang darf ich wieder einmal auf die Frauenhelpline hinweisen: 0800 222555. In Salzburg gibt es eine eigene Beratungsstelle: 0662 881100. Es ist für die betroffenen Frauen wichtig, dass wir uns diese Telefonnummern einprägen und sie auch entsprechend weitergeben.

2023 sind weitere Maßnahmen vorgesehen. Für Gewaltschutzzentren, Interven­tionsstellen wurden 8,5 Millionen Euro budgetiert, für Beratungsstellen für Gewaltprävention 12,6 Millionen Euro und für Männerberatung, Kinder- und Jugendschutzorganisationen sowie die Betreuung von Schutzwohnungen 1,2 Millionen Euro. Natürlich sind auch die Gewaltambulanzen, die wir jetzt auf den Weg bringen, ein wichtiger Meilenstein, um Gewalt gegen Frauen hintanzuhalten.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bundesregierung setzt sich für Frauen und Kinder in Not ein und bietet massive Unterstützung für Gewaltprävention an, um diese Gewaltspirale zu unterbrechen. Die Zahlen


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belegen das sehr deutlich. Das ist aber wie gesagt noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wir müssen dranbleiben. Diese Aufgabe ist nicht nur eine Sache der Ministerien, der Städte, der Gemeinden, sondern von uns allen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, schauen Sie hin, wenn Gewalt passiert – egal ob in der Straßenbahn, in Restaurants, im Taxi et cetera. Setzen Sie sich ein, treten Sie ein, zeigen Sie Zivilcourage! Auf diesem Wege können wir gemeinsam die Situation für Frauen, aber auch für alle Menschen in Österreich verbessern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.29


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich erteile ihr dieses.


9.30.07

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus und auch vor den Bildschirmen! Auch wenn meine Vorrednerinnen wortreich die vermeintlichen Wohltaten der Bundesregierung geschildert haben, bei den Frauen scheinen sie noch nicht angekommen zu sein, denn die Zahl an Gewalt­handlungen steigt. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, aber da können wir nichts dafür! – Ruf bei der ÖVP: Systemfehler!)

Die Gewalthandlungen nehmen zu – das zeigen uns die Zahlen an Betretungs- und Annäherungsverboten, das zeigen uns aber auch Schilderungen aus Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten. Ich hatte letztes Wochenende die Gelegenheit, mit einigen Polizisten aus meinem Heimatbezirk Voitsberg und auch aus dem Murtal zu reden, und diese haben mir geschildert, dass die Aggressionen zunehmen – oft in einer Gemengelage aus finanziellem Druck, Alkoholeinfluss, patriarchalen Machtstrukturen und Einstellungen in den


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Familien; all das ist ein Klima, das Gewalthandlungen begünstigt – und dadurch natürlich auch die Einsätze.

Sie haben recht: Es sind viele gefordert, nicht nur die Frau Ministerin. Das ist ein genereller Auftrag für die Gesellschaft und für die Politik. Es ist eine Quer­schnittsmaterie, wir haben hier auch eine koordinierende Kompetenz festgemacht, nämlich - - (Bundesrat Steiner: Wer Migration zulässt! Wer Migration zulässt!) – Gestern waren Sie noch so heiser, heute erschallt Ihre Stimme schon wieder. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundes­rätinnen Huber und Jagl.  Bundesrat Steiner: Geht schon wieder!) – Schonen Sie Ihre Stimme und heben Sie sie für konstruktive Redebeiträge auf! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Ich glaube, dieses Thema ist nicht geeignet, um zu polemisieren, Herr Kollege (Bundesrat Steiner: Das ist eine Tatsache!), denn es geht dabei wirklich um eine gemeinsame Kraftanstren­gung aller gesellschaftlichen Kräfte gegen Gewalt. Dabei sind wirklich alle gefordert. (Bundesrat Spanring: Aber ihr seid am linken Auge blind ...!)

Was ich ausführen wollte, ist, dass wir eine koordinierende Kompetenz haben, und zwar im Bundeskanzleramt in Person von Frau Bundesministerin Raab. Deshalb wäre es auch angebracht, dass nicht immer nur Sie, Frau Ministerin Zadić, hier zu diesem Thema Stellung nehmen müssen – Sie machen das auch mit großem Engagement –, sondern dass auch Ministerin Raab, die ja die koordinierende Kompetenz hat, zu diesem Thema stärker Stellung nimmt und auch stärker Aktivitäten setzt. Ich werde dazu auch noch einen Entschließungsantrag einbringen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es wurde schon gesagt: Gewalt hat viele Gesichter. Sie reicht von psychischer Gewalt in Social Media über Kontrollsucht bis zu Machtausübung in Part­nerschaften; es wurde auch schon angesprochen, dass die finanziellen Ressourcen und das Handy kontrolliert werden. All das sind Erscheinungsformen von Machtausübung, von Gewalt. Die schrecklichste Ausformung von Gewalt ist der Mord – und auch die Zahl der Morde nimmt zu. Bei Frauenmorden ist


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Österreich leider trauriger Spitzenreiter – das müssen wir hier im Hohen Haus sehr oft thematisieren –, das ist die traurige Realität, da dürfen wir nicht länger wegsehen.

Es geschieht viel zu wenig dagegen. Ja, es passiert da und dort einiges, das ist zu begrüßen und anzuerkennen. Nicht nur wir als politische Fraktion stellen aber fest, dass viel zu wenig geschieht, sondern auch der Rechnungshof hat in einem sehr ausführlichen Bericht am 25.8. des heurigen Jahres mitgeteilt und bestätigt, dass es „in Österreich keine langfristig angelegte, gesamthafte Strategie zum Schutz von Frauen vor Gewalt“ gibt. Das ist nicht die erste objek­tive Kritik, die an der Gewaltschutzpolitik der Bundesregierung geäußert wird, denn auch der Budgetdienst hat schon im Jahr 2022 Intransparenz bezüglich der Gelder im Gewaltschutz attestiert. Dadurch können zielgerichtete Maßnahmen schwer festgestellt werden – und das in Anbetracht der Ausgangslage, dass Österreich in Bezug auf Gewalthandlungen gegen Frauen, hinsichtlich der Frauen­morde im traurigen Spitzenfeld liegt.

All dies ist der Fall, obwohl Österreich viele Jahre lang im Bereich des Gewaltschutzes als Vorbildland galt. Wir waren die Ersten, die die Möglichkeit des Betretungs- und Annäherungsverbots eingeführt haben – damals hat es noch Wegweisung geheißen –; wir waren die Ersten, die Gewaltschutzzentren eingeführt haben und weiträumig – auch in den Regionen – Beratungsstellen eingerichtet haben. Das Engagement in vergangenen Jahren, weit zurück­liegenden Jahren war vor allem bei sozialdemokratischen Frauenministerinnen unglaublich groß. Die letzte, die einen breit angelegten Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz vorgelegt hat, war die ehemalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek.

Seither gibt es offensichtlich keine gesamtheitliche, ganzheitliche nationale Strategie. (Bundesrat Schreuder: Es sind jetzt vier Ministerien beteiligt!) Die Mängelliste ist sehr lang. Die versprochenen Gewaltschutzambulanzen fehlen flächendeckend – diese wären aber nötig, damit Verletzungen auch dokumentiert werden können. Kollegin Kittl hat es schon angesprochen: Die


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Beweislage, die Beweisführung ist die größte Hürde, um letztendlich zu einer Anklage und zu einer Verurteilung zu kommen. Es gibt nur sehr wenige Anzeigen, die letztendlich auch in einer Verurteilung münden – nicht, weil keine Gewalthandlung stattgefunden hat, sondern eben aus Mangel an Beweisen, die Gewalthandlung konnte einfach nach einer längeren Zeit nicht mehr nachgewiesen werden.

Kritik wird auch in Bezug auf die Gefährdungseinschätzung geäußert. Dahin gehend besteht auch Verbesserungspotenzial bei der Fortbildung von Richte­rin­nen und Richtern. Richter:innen müssen jetzt zwar Praktika bei Gewalt­schutzeinrichtungen absolvieren, aber ältere Richter und Richterinnen haben diese Erfahrung nicht gemacht und konnten sich nicht aus erster Hand informieren. Auch da ist also Nachholbedarf gegeben. Einheitliche Kriterien für die Beurteilung von Hochrisikofällen und für Fallkonferenzen fehlen, ebenso fehlt ein strukturierter Ablauf – auch das wird in diesem Rechnungshofbericht kritisiert. Es ist da also noch sehr viel Handlungsbedarf gegeben.

Es wird durchaus einiges im Bereich des Gewaltschutzes unternommen, aber regional und fragmentarisch: in den Ländern, teilweise in den Gemeinden. All das ist wirklich sehr hoch einzuschätzen. Das Beispiel: Ist Luisa hier?, in Salzburg, das Kollegin Eder-Gitschthaler genannt hat, ist durchaus nachahmenswert und empfehlenswert. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja!) In der Steiermark haben wir einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für Gewaltopfer; das sollte auch ausgerollt werden. In Wien gibt es sehr praxisorientierte Tools für Exekutiv­beamtinnen und -beamte hinsichtlich der Einschätzung des Gefährdungs­potenzials. Es ist natürlich insbesondere auch für Exekutivbeamtinnen und -beamte vor Ort eine unglaubliche Herausforderung, in der Akutsituation die Lage treff­sicher einschätzen zu können, und dafür gibt es in Wien ein Tool.

All das sind aber sehr fragmentarische Dinge, es gibt keine Gesamtstrategie. Genau diese Beispiele wären es wert, österreichweit ausgerollt zu werden, damit es eben nicht nur vom Glück abhängig ist, ob man im Unglücksfall an


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einem Ort wohnt, wo halt etwas getan wird. Das muss in Österreich flächen­deckend gewährleistet sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb braucht es so eine gesamtheitliche Strategie, und dazu fordere ich die Bundesregierung in einem Selbständigen Antrag auch auf:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt vorlegen – Kritik des Rech­nungshofes ernst nehmen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, die Kritik des Rechnungshofes in seinem Prüfbericht vom 25. August 2023 ‚Gewalt- und Opferschutz für Frauen‘ ernst zu nehmen, die Empfehlungen umge­hend umzusetzen und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat einen Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt vorzulegen.“

*****

Bitte nehmen Sie das ernst! Es ist höchste Zeit, es geht um Menschenleben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

9.40


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses.


9.40.24

Bundesrätin Mag. Isabella Theuermann (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Mit Blick auf die schwarz-grüne Ankündigung ihres vermeint­lichen Kinderschutzpaketes werde ich im Kontext des heutigen Themas „Gewaltschutz als gesellschaftlicher Auftrag“ besonders auf den Kinderschutz


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eingehen. Meine Vorrednerinnen haben ja hauptsächlich über Frauenschutz gesprochen, dieser fängt aber beim Kinderschutz an.

Kinderschutz sieht ja unter der Verantwortung einer grünen Justizministerin so aus, dass es ständig zu Urteilen kommt, die eigentlich fast niemand in Österreich nachvollziehen kann, außer vielleicht jene Menschen, die gewisse Vorfälle vielleicht als gar nicht so schlimm ansehen und ideologisch getrieben vielmehr für eine Frühsexualisierung von Kindern kämpfen. Nehmen wir den prominentesten Fall her: Jemand besitzt Zigtausende Dateien von Kindesmiss­brauch, also sexueller Gewalt an Kindern, wird erwischt und muss keinen einzigen Tag ins Gefängnis gehen.

Ein aktuelles Beispiel gibt es auch aus meinem Heimatbundesland Kärnten, wo ein 34 Jahre alter vorbestrafter Sexualstraftäter eine 14-jährige Schülerin, die laut Staatsanwaltschaft eine schwere psychische Störung hat, tagelang bei sich zu Hause missbraucht haben soll. Und das Urteil? – Freispruch. Also ganz ehrlich: Das kann doch bitte nicht wahr sein! In welcher Welt leben wir eigent­lich?! (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind Urteile, die wirklich unerträglich sind, denn sie beinhalten keine ernst zu nehmenden Strafen für die Täter, keinen ausreichenden Schutz für die Opfer. Das ist ein trauriger Beweis dafür, dass unsere Forderung richtig ist, dass nämlich beim Kinderschutz in Zukunft das Recht auf der Seite der Opfer zu sein hat und nicht auf der Seite der Täter. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Ministerin, werfen wir doch gemeinsam einen Blick auf die generalprä­ventive Wirkung des Teichtmeister-Urteils: Denken Sie, dass diese Strafe weitere potenzielle Täter von der Begehung einer strafbaren Handlung abhält? Denken Sie, dass diese Strafe in der Gesellschaft zu dem Bewusstsein führt, dass eine strafbare Handlung auch tatsächlich bestraft wird? Und denken Sie, dass diese Strafe das Vertrauen in die Rechtsordnung stärkt? – Aus meiner Sicht sind all diese Fragen mit einem glasklaren Nein zu beantworten; und ich sehe schon Sie als Justizministerin in der Pflicht, da entsprechend nachzuschärfen, damit die


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unabhängigen und weisungsfreien Richter eine strengere Rechtsordnung zur Verfügung haben. Ich empfehle Ihnen einen Blick auf unser freiheitliches Maßnahmenpaket mit dem Titel „Festung Kinderschutz“: „Schutz und Hilfe für die Opfer – harte Strafen für die Täter“, denn genau so sollte es sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir uns aber an, wie im Ernstfall mit dem Thema „Gewaltschutz als gesellschaftlicher Auftrag“ umgegangen wird! Das bringt mich wieder nach Kärnten. Stellen Sie sich vor: Ein Kind im Volksschulalter fährt mit dem Schulbus in die Schule. Eines Tages kommt das Kind nach Hause und erzählt den Eltern, dass es einen sexuellen Übergriff vom Schulbusfahrer gegeben haben soll. Es wird natürlich sofort Anzeige bei der Polizei erstattet und es erfolgt eine Information an die Gemeinde, weil die Gemeinde ja der Auftraggeber des Schul­busses ist. Der Busfahrer ist dann kurz danach nicht mehr im Einsatz – vorerst.

So weit, so schlimm. Es vergehen ein paar Monate, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft läuft nach wie vor. Nun stellen Sie sich vor, dass das trau­matisierte Kind zu Schulbeginn sieht, wie der mutmaßliche Täter gerade wieder als Busfahrer im Einsatz ist und einige seiner Schulkollegen aus dem Bus auslädt. Ich glaube, man kann nur erahnen, wie sich das betroffene Kind und dessen Familie dabei gefühlt haben müssen, und darum stellt sich natürlich unweigerlich die Frage: Warum? Wie kann das Ganze sein? – Na ja, die Antwort sollte zunächst ein Geheimnis bleiben, denn die zuständige Bürgermeisterin hatte das betreffende Unternehmen zuvor im Alleingang wieder für das neue Schuljahr beauftragt, obwohl sie wusste, dass dem Unternehmen nur dieser eine Fahrer ab Herbst zur Verfügung stehen wird. Die Eltern der übrigen Kinder wurden mit keinem Wort über diesen mutmaßlichen Vorfall informiert und ließen ihre Kinder somit unwissentlich in der Obhut des Fahrers, gegen den wegen eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs auf ein Kind ermittelt wurde. Selbstredend wurden natürlich auch der Gemeinderat und der Gemeindevorstand nicht informiert.


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Das ist meines Erachtens ein reiner Vertuschungsskandal, und das Ganze ist nur bekannt geworden, weil ein FPÖ-Kommunalpolitiker den gesellschaftlichen Auftrag ernst genommen hat und sich nach einem Hinweis im Sinne des Kinderschutzes sofort des Themas angenommen hat und die Verantwortung für die Kinder wahrgenommen hat. Jeder Anschein, dass ein Kind gefährdet ist, muss ernst genommen werden, das hat auch die Kärntner Kinder- und Jugendanwältin festgehalten. Mittlerweile wurde seitens der Staatsanwaltschaft bereits ein Strafantrag gegen den Busfahrer gestellt.

Jetzt ein paar Fragen an die Anwesenden: Sieht so Gewaltschutz aus? Ist das Ihr Verständnis von Opferschutz? Entspricht das unser aller Vorstellung von Kinderschutz? Und ganz besonders würde mich interessieren: Was würden Sie tun, wenn das Ihr Kind wäre?

Wer es noch nicht weiß: Es handelt sich bei diesem Vorfall um die Gemeinde Pörtschach am Wörthersee und die dortige Bürgermeisterin Silvia Häusl-Benz. Sie ist von der ÖVP, und die ÖVP gab natürlich bekannt, dass die Partei voll und ganz hinter der Bürgermeisterin steht. Man sieht also, wie die Volkspartei handelt, wenn es wirklich darauf ankommt. Und jetzt kenne ich mich auch nicht wirklich aus: Kollegin Eder-Gitschthaler hat in ihrer Rede gesagt: „zeigen Sie Zivilcourage!“ – Was ist denn mit der Zivilcourage der ÖVP? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will aber auch eine andere Partei nicht auslassen. Was macht denn die SPÖ in Kärnten? – Sie schaut bei dem Ganzen schweigend zu. Kein einziges Wort kommt von SPÖ-Bildungsreferent Daniel Fellner zu diesem Vorfall. Dafür hat er sich stark eingebracht, als die Debatte um die Kleiderordnung in einer Klagen­furter Privatschule geführt wurde – ja, das ist ganz wichtig –, und gleichzeitig ist man auch in meiner Heimatstadt Wolfsberg seitens der SPÖ sehr schnell, wenn es um die Umbenennung der Bildungswelt Maximilian Schell infolge der aktuellen Vorwürfe gegen ihn geht. Bei einem jahrzehntelang zurückliegenden, wenn natürlich auch sehr schlimmen Fall, da wird der rote Symbolpolitikturbo


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natürlich schnell aktiviert, aber bei akuten Fällen, da macht man die Augen, die Ohren und den Mund zu. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wahnsinn!)

Selbst der rote Landeshauptmann, der an der Bundesratsenquete mit dem pas­sen­den Titel „Kindern Perspektiven geben“ teilnahm und übrigens selbst lange Bildungsreferent war, hat sich mit keinem Wort, mit keiner Silbe zum Vorfall in Pörtschach geäußert. Wissen Sie, wie man das Ganze nennt? – Man nennt es Scheinheiligkeit. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Scheinheilig – genau das ist die Politik der SPÖ, der ÖVP und der Grünen. – Danke. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Hahn: Das falsche Thema für Parteipolitik!)

9.50


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Kollegin, ich glaube, wir sollten einfach eine Wortwahl treffen, die der Würde des Bundesrates entspricht (Bundesrat Steiner: Ist schon gut!), und ich hätte auch gerne, dass Sie sich dann so verhalten, dass für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist, dass Sie der Würde des Parlaments entsprechen, auch in Ihrer Wortwahl. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Das können Sie entscheiden?! – Bundesrat Steiner: Ja, ist schon gut!)

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Justiz. Die Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten, und ich erteile der Frau Bundes­ministerin das Wort. – Bitte. (Bundesrat Spanring: Was ist mit der Würde des Kindes? Das ist auch scheinheilig, Frau Präsidentin!)


09.51.00

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich zu Beginn für die Wahl des so wichtigen Themas bedanken. (Bundesrat Steiner: Machen eh Sie selber!) Gewalt gegen Frauen ist in Österreich


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nach wie vor traurige Realität und betrifft Frauen und Mädchen, unabhängig von sozialer Schicht, von Alter, von Religion, von Herkunft. Hinter jeder dritten Tür in Österreich lebt eine Frau, die psychische, physische oder sexuelle Gewalt erfährt.

Wir zählen heuer den 16. Femizid. Femizid bedeutet, dass das nicht nur einfach ein Mord an einer Frau ist, sondern es ist ein Mord an einer Frau, weil sie eben eine Frau ist, und genau das muss aufhören. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Genau deswegen beschäftigen wir uns auch so mit dem Thema Gewalt gegen Frauen: weil wir alles unternehmen müssen, um diese schreckliche Gewaltspirale, die dann letzten Endes in einem Femizid endet, zu unterbrechen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

An all Ihren Redebeiträgen kann man erkennen, wie wichtig Ihnen allen dieses Thema ist, mit unterschiedlichen Aspekten und Nuancen. Ihnen ist das Thema wichtig, den Mitgliedern des Nationalrates und auch uns als Bundesregierung ist es wichtig. Deswegen haben wir in den letzten Jahren alles unternommen, um an den vielen, vielen kleinen Schrauben zu drehen, an denen man drehen muss, damit wir endlich diese Gewaltspirale unterbrechen.

Ich kann mich noch erinnern, im Mai 2021 war ich auch im Bundesrat und durfte zum Thema Gewalt sprechen. Auch damals, im Mai 2021, gab es eine erschreckend hohe Anzahl an Femiziden, und ich habe Ihnen damals eines ver­sprochen: Ich habe versprochen, dass dieses Thema nicht in Vergessenheit geraten wird, denn was passiert in der Regel? – Sehr oft, wenn ein Femizid geschieht, geht ein Aufschrei durch die Medien, die Politik verspricht Verbesserungen, nimmt sich des Problems an, aber bald darauf kommt dann ein anderes Ereignis und das Thema gerät in Vergessenheit.

Ich habe damals versprochen: Das werden wir nicht tun. Wir als Bundes­regier­ung werden an diesem Thema dranbleiben, werden uns jeden Tag damit auseinandersetzen, damit wir am Ende der Legislaturperiode mit einem guten Gewissen sagen können: Ja, wir haben alles unternommen, was es braucht,


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um endlich diese Gewalt einzudämmen. Das ist nicht einfach. Ich habe immer wieder betont: Es braucht ein Drehen an vielen, vielen, vielen Schrauben, auf allen unterschiedlichen Ebenen, um diese Gewalt einzudämmen.

Damals habe ich Ihnen gesagt, dass ich es essenziell finde, dass Opferschutz­einrichtungen, die Polizei und auch die Staatsanwaltschaft in einem regen Austausch miteinander sind, weil es nicht sein kann, dass wir in den Medien immer wieder lesen, dass die essenziellen Informationen nicht an die Opferschutzeinrichtung geflossen sind oder – umgekehrt – die Informationen der Opferschutzeinrichtung bei der Polizei kein Gehör gefunden haben.

Genau deswegen haben wir im Justizministerium jetzt einmal im Jahr einen strukturierten Dialog abseits der Fallkonferenzen, zu dem alle Opfer­schutzeinrichtungen kommen, zu dem auch Einrichtungen kommen, die mit Tätern arbeiten, bei dem die Polizei am Tisch sitzt, bei dem die Staats­anwaltschaft am Tisch sitzt, damit wir gemeinsam überlegen können, welche Lehren wir aus dem Jahr ziehen können und was wir tun müssen, damit es im nächsten Jahr besser läuft. Genau vor zwei Wochen hat ein dritter solcher Erfahrungsaustausch im Justizministerium stattgefunden, und ich höre von allen Seiten, dass das sehr wichtig ist und dass dieser Austausch dringend und notwendig ist.

Wichtig ist, dass Frauen, die Gewalt erfahren, nicht alleingelassen werden, dass diese Frauen wissen, dass sie sich an Opferschutzorganisationen wenden können, dass es Frauenschutzeinrichtungen gibt, die sie unterstützen, und dass sie auch ausreichend Unterstützungsangebot bekommen. Genau deswegen haben wir die psychosoziale und die juristische Prozessbegleitung, die das Justizministerium zur Verfügung stellt, ausgebaut. Wir haben sie ausgebaut, damit wir früh ansetzen, damit wir ansetzen, wenn Hass, Hetze und Gewalt in den sozialen Medien passieren, damit man bereits da psychosoziale und juristische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen kann, denn es fängt nicht mit dem Femizid an, sondern es fängt viel früher an: Es fängt mit Beschimpfungen an, es fängt mit Gewalt und Hetze in den sozialen Medien an, es fängt mit einer


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Watsche an und endet dann mit einem Femizid. Genau da müssen wir möglichst früh ansetzen und präventiv wirken.

Wir haben noch eine Sache gemacht, die ich für entscheidend halte: Antige­walttrainings können jetzt nicht nur bei Verurteilungen, sondern auch bei einer Wegweisung verordnet werden. Die Polizei kann bei einer Wegweisung gleich ein Antigewalttraining verordnen – auch das wirkt präventiv. Die Richterinnen und Richter können bei einer einstweiligen Verfügung ein Antigewalttraining anordnen – auch das wirkt präventiv. Das Frauenbudget wurde seit dem Antritt dieser Bundesregierung verdoppelt – auch das wirkt präventiv, weil viel von diesem Budget auch in Frauenschutzorganisationen und in den Gewaltschutz geht.

Wir haben auf Empfehlung der Istanbulkonvention Gewalt im sozialen Nahraum – das klingt jetzt technisch, aber es ist nicht technisch, weil es relevant ist – endlich für die Staatsanwaltschaft und die Richter:innen definiert. Wenn wir es definiert haben, dann können wir die Fälle auch zuordnen, und dann heißt das, dass wir immer wieder auf diese Fälle schauen, daraus strukturell Lehren ziehen und uns tatsächlich auch überlegen können: Was ist in den letzten Fällen schiefgelaufen und was können wir besser machen? Dafür braucht es diese Definition: damit wir Daten sammeln können und anhand dieser Daten evidenzbasiert die richtigen Maßnahmen und Ableitungen treffen können.

Ein Punkt ist mir besonders wichtig, denn als ich ins Amt gekommen bin, habe ich die Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaft gefragt: Was ist die eine Maßnahme, die wir umsetzen können, damit wir endlich diese viel zu niedrige Verurteilungsquote erhöhen? Es wurde schon in den Reden vor meiner gesagt: Sie liegt bei ungefähr 7 bis 8 Prozent. Das ist eine viel zu niedrige Verurteilungsquote für Gewalt im sozialen Nahraum.

Die Rückmeldung war: Wir brauchen Gewaltambulanzen, denn die Gewaltam­bulanzen können sicherstellen, dass die Beweise tatsächlich gerichtsfest


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gemacht werden. Jetzt klingt das so technisch, aber was bedeutet das? – Das bedeutet, dass es, wenn eine Frau, die von Gewalt betroffen ist, in ein Krankenhaus kommt, ein mobiles Team gibt, das alle ihre Verletzungen auch gerichtsfest macht und gerichtsfest speichert, damit diese Informationen dann später bei einem Verfahren verwendet werden können, denn das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es zu einem Verfahren kommt und es dann keine Beweise gibt. Es steht Aussage gegen Aussage, und es wird zugunsten des Angeklagten entschieden.

Genau deswegen braucht es die Gewaltambulanzen, genau deswegen war ich die letzten Jahre so dahinter, dass wir das machen. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die uns eine Empfehlung gegeben hat, wie so etwas ausschauen kann, auch angelehnt an andere europäische Länder. Wir haben alle vier Ministerien – das Frauenministerium, das Innenministerium, das Gesundheits­minis­terium und das Justizministerium – on board, alle sind dahinter, dass wir das endlich umsetzen, denn ja, es wurde schon lange, lange, lange gefor­dert, und wir setzen es jetzt endlich um. Ich glaube, dass das ein richtiger und wichtiger Schritt ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ich kann Ihnen versprechen, dass wir das heuer präsentieren werden.

Ein Thema, das heute genannt worden ist und das ich noch kurz ansprechen möchte, ist der Kinderschutz. Kein Kind darf Opfer werden – ich glaube, da sind wir uns alle einig. Und ja, wir haben, insbesondere wenn es um Missbrauchs­darstellungen von Kindern geht – früher hat das Kinderpornografie geheißen, wir haben das jetzt geändert, weil Kinderpornografie verharmlosend ist; kein Kind hat zugestimmt, so abgelichtet zu werden –, die Strafen erhöht. Wir haben die Strafen verdoppelt, zum Teil verdreifacht – für den Besitz von Miss­brauchsmaterial, aber auch für die Herstellung von Missbrauchsmaterial –, weil es wichtig ist, dass das Unrecht der Tat in der Strafe widergespiegelt wird.


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Wir haben aber noch etwas gemacht, denn wenn die Justiz erst zum Zug kommt, wenn es Strafen gibt, dann ist das viel zu spät. Das Wichtigste ist, dass vorher etwas passiert, und genau deswegen braucht es Prävention, deswegen braucht es ordentlichen Kinderschutz. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Deswegen braucht es verpflichtende Kinderschutzkonzepte in Schulen, und es braucht Kinderschutzkonzepte bei allen Vereinen, die mit Kindern arbeiten. Genau das haben wir als Bundesregierung gemacht, weil kein Kind Opfer wer­den darf. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.01


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich danke der Frau Bundesministerin.

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilneh­mer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort.


10.01.43

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschaue­rinnen und Zuschauer! Ich bin nun der erste Mann, der zu diesem Thema spricht, und das finde ich im Grunde genommen bedauerlich, weil Gewalt und vor allem Gewalt gegen Frauen sehr gerne als Frauenthema dargestellt wird, es aber vielmehr ein Männerthema ist. Eigentlich müssten Männer allen voran ganz intensiv darüber sprechen, wie Gewaltstrukturen entstehen, welche Strukturen im Hintergrund von Gewalt stehen, wie Gewalt überhaupt in dieser Form so hervortreten kann und wie das auch kulturell-historisch so gewachsen ist.

Diesbezüglich ist es schon sehr auffällig, dass seitens der Freiheitlichen Partei – auch wenn die Rednerin eine Frau war – über Einzelthemen oder Einzelfälle


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gesprochen wird. Gut, die Freiheitliche Partei ist die Partei der Einzelfälle, wir kennen das, und man kann zu Recht auch über diese Einzelfälle sprechen – das möchte ich jetzt gar nicht hintanstellen –, aber es wird dabei kein Wort über die Strukturen, die hinter Gewalt stehen, und darüber, wie man diese durch­brechen kann und wie die Politik das angehen muss, verloren – kein Wort, keine Lösung, nichts. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Leinfellner und Steiner.)

Ganz kurz auch zur Rede von Frau Kollegin Grossmann: Ich weiß, es ist immer ein bisschen paradox: Wenn Gewalt und insbesondere in diesem Fall Gewalt gegen Frauen verstärkt Thema der Öffentlichkeit und zu Recht der Politik wird, steigen die Zahlen. Ich habe mir das gerade noch einmal angeschaut, es ist interessant: Es gibt weltweite Vergleiche, wo es die meiste Gewalt gegen Frauen gibt, und es führen sehr oft Länder wie Schweden oder Dänemark – dies nicht, weil es dort tatsächlich mehr Gewalt gibt, sondern weil Frauen ermächtigt werden, sich gegen Gewalt zu wehren. Ziel muss es sein, dass die Zahlen zurück­gehen, überhaupt keine Frage, aber das Ziel kann man nicht erreichen, indem diese Fälle überhaupt nicht mehr angezeigt werden oder sich Frauen nicht trauen, irgendwohin zu gehen. Wir müssen sie ermächtigen, irgendwohin zu gehen.

Das heißt, der Anstieg der Zahlen ist bedauerlich, ist schrecklich, das will ich nicht schönreden, es zeigt aber auch, dass Frauen sich immer mehr trauen, sich zu wehren, und das halte ich für ganz, ganz wichtig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zum Thema, dass es keine Gesamtstrategie gibt: Ich glaube, die Leidenschaft und auch das Engagement der Frau Ministerin haben Sie gerade bei ihrer Rede gehört. Es sind vier Ministerien beteiligt. Wir als Länder und Gemein­den sind genauso gefordert, aktiv teilzunehmen, und das würde ich sehr wohl Strategie nennen.

Ich selbst bin jemand, der ganz gerne – viele von Ihnen wissen es – ins Theater und in die Oper geht, und es fällt mir immer wieder auf, dass es noch im


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19. Jahrhundert, auch in den Opern, geradezu eine Selbstverständlichkeit ist: Ein Mann verliebt sich in eine Frau, diese Frau will nicht mit diesem Mann, sondern mit einem anderen zusammen sein, am Ende bringt der Mann die Frau um – „Carmen“ oder so.

Wir sehen, mit welcher tragischen Logik und mit welcher kulturellen Verwur­zelung wir auch da mit diesem Thema zu tun haben. Da geht es nicht um aktuelle Fälle, um das, womit wir jetzt zu tun haben, sondern das ist eine historisch gewachsene, strukturelle Frage, die wir anzugehen haben. Da geht es allen voran um uns Männer, darum, wie wir Männer uns in der Gesellschaft definieren, welche Rollenvorbilder wir haben und wie wir Liebe definieren, wie wir Frauen wahrnehmen. Da gibt es noch so viel zu tun, auch historisch, um diese Gewaltspirale zu durchbrechen.

Diese vielen Maßnahmen – ich will sie gar nicht wiederholen, weil sie genannt wurden – mit den Gewaltambulanzen, mit den Möglichkeiten von Polizei, von Richterinnen und Richtern: Das ist alles unglaublich wichtig, dass wir das gemacht haben.

Das Thema kann die Politik alleine nicht – und das sage ich unter Anführungs­zeichen – „lösen“. Dieses Thema ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da braucht es die Schulen, die Familien, die Gemeinden, die kleinsten Communities, egal welcher Herkunft, egal welcher sexuellen Orientierung – wir haben alle dieses Thema, es liegt am Tisch: Gewalt ist nie eine Lösung.

Am Ende des Tages müssen wir in der Politik uns nicht nur die Frage stellen: Wie bestrafen wir Gewalt? – das ist sicher auch Thema, besonders für eine Justizministerin –, sondern am Wichtigsten ist die verhinderte Tat, und das steht im Zentrum. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.07


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Mag.a Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte schön.



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10.07.17

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher:innen hier bei uns im Saal! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist eine traurige Tatsache, dass Gewalt in unserer Gesellschaft weit ver­breitet ist und viele Menschenleben zerstört. Gewalt betrifft nicht nur die Opfer, sondern die gesamte Gesellschaft. Sie hinterlässt Narben, die oft ein Leben lang nicht heilen. Gerade Frauen sind oft von Gewalt betroffen, aber auch Kinder, wie wir heute schon gehört haben.

In Österreich ist laut Statistiken – meine Kollegin Eder-Gitschthaler hat es bereits erwähnt, aber man kann es nicht oft genug erwähnen – jede dritte Frau von körperlicher Gewalt innerhalb oder außerhalb partnerschaftlicher Beziehungen betroffen. Das ist eine alarmierend hohe Zahl. Alleine im heurigen Jahr gab es in Österreich laut Medienberichten bereits 19 Frauenmorde, davon waren mutmaßlich 16 Femizide. Weiters gab es heuer bis jetzt 23 Mord­versuche beziehungsweise Fälle von schwerer Gewalt an Frauen. Im vergangenen Jahr gab es 29 weibliche Mordopfer in Österreich, und den Höchststand gab es im Jahr 2018 mit 41 Morden an Frauen.

Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem jährlich mehr Frauen als Männer ermordet werden. Dies verdeutlicht die Dringlichkeit des Problems und die Notwendigkeit, etwas zu unternehmen. Wir müssen uns als Gesellschaft verpflichten, Gewalt in all ihren Formen aktiv zu bekämpfen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Um die Gewaltspirale zu durchbrechen, müssen wir auf mehreren Ebenen handeln. Die Maßnahmen der Bundesregierung wurden heute schon mehrfach erwähnt, ich muss das jetzt nicht mehr wiederholen.

Glücklicherweise haben wir auch in den letzten Jahren den traurigen Höchststand an Frauenmorden aus dem Jahr 2018 mit wie gesagt 41 Morden nicht mehr erreicht. Die Maßnahmen scheinen also bereits Wirkung zu


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zeigen. Trotzdem sind die Zahlen natürlich immer noch viel zu hoch, und es ist daher wichtig, dass im Bereich Gewaltschutz weitere Maßnahmen getroffen werden.

Ich muss, wie gesagt, nicht wiederholen, was schon an Maßnahmen gesetzt wurde, aber ich möchte jetzt doch noch einmal kurz auf das Thema Gewaltprä­vention eingehen. Gewaltprävention ist wichtig, nicht nur mit Blick auf Gewalt an Frauen oder Kindern. Es gibt auch Gewalt gegenüber Männern – damit wir nicht nur von Gewalt gegenüber Frauen reden.

Aufklärungsarbeit ist sehr wichtig. Es ist von entscheidender Bedeutung, Bildung und Aufklärung zu fördern. Studien zeigen, dass Bildung und Sensibilisierung die Wahrscheinlichkeit von Gewalttaten verringern können. Es ist daher neben den Beratungsstellen für Gewaltprävention sehr wichtig, dass wir auch schon unseren Kindern und Jugendlichen in der Schule, aber vor allem auch zu Hause und in Sportvereinen et cetera die Bedeutung von Respekt, Empathie und Gleichstellung vermitteln. Respekt, Empathie und Gleichstellung sind nämlich wichtige Grundlagen für die Persönlichkeitsbildung und gegen Gewaltbereitschaft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn Respekt gegenüber den Mitmenschen vorhanden ist und Gleichstellung der Geschlechter nicht nur ein Schlagwort ist, sondern tagtäglich gelebt wird, dann kommt es gar nicht erst zu solchen Gewaltsituationen.

Neben den zahlreichen Maßnahmen, die in Österreich gesetzt werden, liegt die Verantwortung aber auch bei jedem Einzelnen von uns. Wir müssen lernen, auf Warnsignale zu achten und uns gegen Gewalt auszusprechen, sei es im privaten Umfeld oder in der Öffentlichkeit.

Die Unterstützung von Opfern und die Förderung von solidarischen Gemein­schaften sind die Schlüssel zur Veränderung. Das Präventionsprojekt Stop –Stadtteile ohne Partnergewalt ist diesbezüglich ein Erfolgsprojekt, das österreich­weit inzwischen an 28 Standorten umgesetzt wurde. Bundesrätin Kittl hat


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bereits kurz darüber berichtet. In meinem Heimatbundesland Vorarlberg wird das Projekt vom Institut für Sozialdienste, dem IFS, getragen und in Zusammenarbeit mit den Kommunen bereits an vier Standorten umgesetzt, nämlich in Bregenz, Lustenau, Hohenems und Feldkirch.

Auf diese Art und Weise soll auch jenen gewaltbetroffenen Personen geholfen werden, die sich bei häuslicher Gewalt weder an die Polizei noch an Opferschutzeinrichtungen wenden. Es sollen Nachbarn und das soziale Umfeld gewaltbetroffener Personen sensibilisiert werden und es soll die Zivil­courage in der Gesellschaft gestärkt werden. Man geht nämlich davon aus, dass aktuell in Österreich rund zwei Drittel der Opfer – das ist sehr viel – schweigen und nicht von sich aus Hilfe in Anspruch nehmen.

Es würde noch sehr viel mehr zu sagen geben, aber meine Redezeit ist abgelaufen. Lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Frieden, Respekt und Gleichstellung die Norm sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.13


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Manfred Mertel. Ich erteile ihm dieses.


10.13.38

Bundesrat Dr. Manfred Mertel (SPÖ, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsi­dentin! Sehr geschätzte Frau Ministerin Dr. Zadić! Liebe Fraktionsvorsitzende! Und ganz besonders: Liebe Kolleg:innen! Und vor allem auch liebe Zuseher zu Hause! Das heute ist wirklich ein sehr brisantes Thema und, da bin ich voll bei Kollegen Schreuder, es ist eine Männersache. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich gehe davon aus, dass sämtliche Männer hier in diesem Raum sowohl für Frauenschutz als auch gegen Missbrauch von Kindern eintreten, und ich glaube,


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wir würden mit einem kräftigen Applaus ein Zeichen setzen, dass wir da eine gemeinsame Linie haben. (Allgemeiner Beifall.)

Ich als Jurist komme immer gerne darauf zu sprechen, dass wir in einem Rechtsstaat leben und das rechtsstaatliche Prinzip, das wir zu leben haben, einer unserer wesentlichen Grundpfeiler ist. In Artikel 7 des Bundes-Verfassungs­gesetzes ist die Gleichstellung von Mann und Frau, der Geschlechter, definiert. Dementsprechend ist es mir auch ein besonderes Anliegen, darauf hin­zu­weisen, dass all diese Maßnahmen, die Sie, Frau Ministerin, aufgezählt haben – da bin ich, glaube ich, mit Ihnen im Einklang –, relativ spät passieren.

Wir müssen viel, viel früher dieses vorbildhafte Verhalten – es sollte ein vorbild­haftes Verhalten sein – von uns Männern einfordern. Ich darf Sie nur darauf hinweisen, dass es Kinderschutzprogramme zwar in Schulen gibt, aber nicht in Vereinen. Gerade aber in den Vereinen, und das haben wir gestern auch bei der Enquete gehört, beginnt die Arbeit mit Kindern, mit Jugendlichen. Dort setzen sich ehrenamtliche Funktionäre damit auseinander, Kindern – auch Frauen, es gibt ja auch Frauenfußball – eine Zukunft zu geben.

Es freut mich sehr, dass ich heute darüber sprechen darf, weil ich in der Organisationseinheit, in der ich tätig war, mit sehr vielen erfolgreichen Frauen zu tun hatte. Ich habe das immer geschätzt, weil sie Fähigkeiten haben, weil sie intellektuelle Eigenschaften haben, die wir in unserem Zusammenleben ganz einfach brauchen. Umso wichtiger ist es mir, dass wir Frauen Schutz ver­mitteln.

Wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass wir in der Prävention viel, viel mehr tun müssen. Auch im Bildungsbereich ist viel zu tun. Das ist vielleicht eine Querschnittsmaterie, die nicht ausschließlich Sie (in Richtung Bundesministerin Zadić) betrifft. Wir sollten den zuständigen Ministerien gemeinsam einen Auftrag geben, dass im Bildungsbereich und im Integrationsbereich mehr getan wird.


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Ich komme immer wieder auf den Sport zurück, wo beides gelebt wird, wo wir die Jugendlichen lehren, Respekt vor den Mitmenschen und vor dem Gegenspieler zu haben, aber auch Respekt vor den Mitspielerinnen – wenn sie gemeinsam in einer Mannschaft spielen; denken wir an U10- oder U14-Mannschaften, in denen Knaben und Mädchen bis zum 14. Lebensjahr gemein­sam ihrer Leidenschaft Fußball nachgehen. Dort lehren wir das. Dass auch die Vereine dementsprechend abgesichert werden, dass sie diese Kinder­schutzprogramme auch als Lebensschule miteinfließen lassen können, dafür würden wir sehr gerne Ihre Unterstützung haben.

Frau Ministerin, ich bin bei vielem, was Sie gesagt haben, bei Ihnen. Doch in meiner Zusammenfassung muss ich sagen, dass viel, viel mehr in der Prävention getan werden muss.

Ein Satz an uns alle: Wir als Bundesräte sind in dieser Nation letztendlich Vorbilder. Ich habe gelernt, dass die Macht der Sprache eine außerordentliche ist. Wir sollten immer wieder Worte verwenden, die Begeisterung aus­strahlen, die Motivation und Hoffnung geben. Wir sollten keine Worte wählen, die letztendlich vielleicht zu Handlungen ermutigen, als deren Folge wir dann Täter oder Opfer vorfinden. In diesem Sinne danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen weiterhin viel Engagement. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.18


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte.


10.18.58

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Statistiken und die Artikel in den Medien anschaut, dann erkennt man sehr schnell, dass täglich Horror­geschichten, Horrorartikel zu Gewaltverbrechen abgedruckt werden. Täglich werden sie mehr, täglich werden sie brutaler, und heuer werden wir, wie es


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ausschaut, wieder einmal einen traurigen Negativrekord an Frauenmorden schaffen.

„Wie wir die Gewaltspirale durchbrechen“ ist ein Teil des Titels der Aktuellen Stunde. Das ist gut so – wir müssen die Gewaltspirale durchbrechen –, aber ganz ehrlich, Frau Minister: Solange das österreichische Strafrecht im Vergleich zu jenem anderer Staaten bei Sexualdelikten und bei Kindesmissbrauch derartig mild ist, wird es niemanden abschrecken, derartige grausliche Taten zu begehen.

Ich erinnere da zum Beispiel an das Teichtmeister-Urteil. Eine große Mehrheit der Bevölkerung versteht überhaupt nicht und kann nicht nachvollziehen, wie man mit solchen Handlungen eine nur bedingte Strafe ausfassen kann. Tausende Kinderpornos bedeuten Tausende zerbrochene Kinderseelen. Wie kann man bei solch einer Straftat eine nur bedingte Strafe ausfassen und nicht einen einzigen Tag in Haft gehen? Das ist für jeden vernünftig denkenden Men­schen ein Rätsel.

Wie wir aber wissen, können die Richter nur jene Gesetze vollziehen, welche ihnen von der Politik vorgegeben werden, daher fordern wir Freiheitliche ja schon lange – seit Jahren! – eine Strafverschärfung bei Kindesmissbrauch, bei Darstellung von Kindesmissbrauch und weiteren Sexualdelikten. Das fordern wir ja! Sie haben zwar jetzt eine Novelle vorgelegt, aber diese ist leider nicht zufriedenstellend – und dass sie jetzt nach dem Teichtmeister-Urteil vorgelegt worden ist, ist auch ein bisschen pikant; das ist ein Nebengeräusch.

In dieser Novelle, die Sie jetzt vorgelegt haben, gibt es zwar eine Strafver­schärfung beim Höchstausmaß, aber nicht bei Mindeststrafen. Nur dann, wenn es eine qualifizierte Tat ist – nur dann, wenn es eine qualifizierte Tat ist, Frau Minister! –, gibt es eine Verschärfung bei Mindeststrafen. Das heißt, es wird auch in Zukunft möglich sein, dass solche Schandtaten, wie sie Herr Teichtmeister begangen hat, nur bedingt bestraft werden – ohne dass man einen


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Tag ins Gefängnis, in Haft muss. Das grenzt doch an Frotzelei! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Minister, solche milden Strafen schrecken keine potenziellen Kinder­schänder oder Täter ab. Das ist nicht präventiv, das wirkt nicht präventiv. Es wäre in diesem Zusammenhang auch dringend notwendig, ein Gesetz vorzulegen, das ein Tätigkeitsverbot auch für bedingt verurteilte Täter und bedingt verurteilte Kinderschänder ausspricht.

Was überhaupt nicht verständlich ist – das versteht wirklich niemand –, ist, dass keine Anstalten gemacht werden, keine Bemühungen gemacht werden, dass man nach dem Teichtmeister-Urteil auch nach den Hintermännern sucht. – Da kommt von Ihnen, Frau Minister Zadić, null Initiative, man spürt nichts. Falls es da Initiativen gibt, möchten wir gerne heute davon hören. Sie beant­wor­ten in diesem Zusammenhang ja nicht einmal die Anfragen von unseren freiheitlichen Nationalratsabgeordneten. Die sind ungenügend von Ihnen beant­wortet, und da stellt sich dann halt schon die Frage: Gibt es etwas zu verbergen, gibt es etwas zu vertuschen? – Selbstverständlich gilt die Unschulds­vermutung, aber man darf sich schon den einen oder anderen Gedanken machen.

Zum Schluss, Frau Minister, darf ich Ihnen noch eines mit auf den Weg geben: Ein Gesetz, das von A bis Z gegendert ist, von Anfang bis zum Ende in weiblicher Form formuliert ist, hilft keiner einzigen Frau, hält keinen einzigen Täter von Gewalttaten ab und wird die Gewaltspirale mit Sicherheit nicht stoppen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.23


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.



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10.23.51

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In einem sind sich alle Parteien einig: Kampagnen gegen Gewalt an Frauen, vor allem sexuelle Gewalt, sind wichtig, die große Frage ist aber, wie Gewalt­schutz ausschauen soll.

Sieht man sich das Budget an, gibt es dafür nur eine Antwort: Gewaltschutz passiert, wenn Gewalt bereits passiert ist, denn die Bundesregierung erhöht jedes Jahr das Budget für Gewaltschutz, aber Prävention kommt nach wie vor nicht vor. So ist zwar für heuer vorgesehen, dass knapp 20 Millionen Euro mindestens drei Ministerien zur Verfügung stehen, gemeinsam haben diese Maßnahmen aber nur eines: Sie setzen an, wenn es bereits zu Gewalt gekommen ist.

Speziell im Frauenbudget sieht man, dass es Geld für Gewaltschutzeinrich­tungen, für Beratungs- und Betreuungseinrichtungen gibt, darunter spezifisch Schutz- und Übergangswohnungen, also Anlaufstellen, an die Frauen sich wenden können, wenn ihr Partner gewalttätig wurde. An diesem Punkt arbeiten Polizei und Frauenhäuser zusammen, um betroffenen Frauen Sicherheit zu geben, je nach Situation eine Beziehung zu beenden und selbstständig zu werden, damit Gewaltspiralen enden, oder auch daran, dass Täter nicht noch einmal gewalttätig werden.

Beides ist gut für die betroffenen Frauen, hilft aber nicht gegen die gesellschaft­liche Problematik, dass, wie es fast immer der Fall ist, Männer gegenüber Frauen gewalttätig werden. Gewalt gegen Frauen geht nicht auf individuelle – unter Anführungszeichen – „Beziehungsdramen“ zurück, sondern basiert auf gesellschaftlichen Ursachen. Für die kann man Ausreden und Sündenböcke suchen oder sich die Ursachen genauer anschauen.

Die Fallkonferenzen zwischen Polizei und Gewaltschutzeinrichtungen wurden jahrelang auf Sparflamme betrieben, obwohl eine umfassende Betreuung


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betroffenen Frauen besser hilft, aus Gewaltbeziehungen auszubrechen. Auch psychosoziale Gerichtsbegleitung hilft Opfern dabei, nicht lebenslang in Traumaspiralen gefangen zu bleiben, sondern wieder ein selbstbestimmtes Leben in Unabhängigkeit zu führen.

Die Budgeterhöhung aus dem Sozialministerium und die Sensibilisierungs­kam­pagne setzen da noch am frühesten an und sollen Männer darauf aufmerksam machen, dass Gewalt gegen Frauen kein Kavaliersdelikt ist. Die große Frage dabei ist: Wie kann das Verständnis für ein – unter Anführungszeichen – „Kavaliers­delikt“ zu einer gesellschaftlichen Verurteilung von Gewalt werden? Frauen­ministerin Raab hat beispielsweise beim Gewaltschutzgipfel davon gesprochen, dass patriarchale Rollen wieder an der Wurzel gepackt werden müssen. In der Praxis würde das bedeuten, Frauen werden nicht als Mütter, Haushälte­rin­nen und Pflegekräfte gesehen, sondern als Innovationstreiberinnen, Fachkräfte, berufstätige Mütter und gleichberechtigte Partnerinnen im Haushalt.

Als Familienministerin könnte Raab ja da auch ansetzen und den Ausbau der Kinderbetreuung weiter vorantreiben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Kindergartenmilliarde, 4,5 Milliarden, Finanzausgleich! Sie sollten die Zeitung lesen! – Bundesrätin Schumann: Ihr seid gescheitert in der Kinderbetreuung ohne Ende!) So hätten Frauen echte Wahlfreiheit und könnten sich selbst aussuchen, wann sie nach einer Geburt ins Arbeitsleben zurückkehren. (Bundesrat Kornhäusl: 1,1 Milliarden Zukunftsfonds! – Bundesrätin Schumann: Zu spät! Ihr habt das ver­hindert! Wirklich zu spät! – Bundesrat Kornhäusl: Ja, ja! Ihr wart nie verant­wortlich!) In vielen Gebieten Österreichs geht das aber nicht; in manchen gibt es sogar noch monatliche Prämien, wenn eine Frau daheimbleibt und auf den Kindergartenplatz verzichtet. Das Problem dabei: Diese Prämien sind erstens weitaus niedriger als ein Monatsgehalt, und der Bezug wird auch nicht auf die Pension angerechnet. Die Empfängerinnen von solchen Prämien machen sich dadurch also finanziell von ihren Partnern abhängig.

Noch problematischer ist aber der Zugang der Frauenministerin zu diesem gesellschaftlichen Wandel. Abseits der Selbstermächtigung und Bildung von


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Frauen, für die aus dem Frauenministerium ein Budget von 1,8 Millionen Euro vorgesehen ist, ist das Frauenbudget nämlich ausnahmslos für Gewaltschutz vorgesehen. (Bundesrat Kornhäusl: Ja, aber so hoch wie noch nie zuvor! Du musst zu Ende erzählen: So hoch wie noch nie zuvor!) In der Diskussion über dieses Budget und warum keine Täterarbeit vorgesehen ist, meinte die Frauenministerin lediglich, sie mache Frauenpolitik für Frauen. Dass diese Politik über Gewaltschutz hinausgehen könnte und eben tatsächlich bei der Wurzel ansetzen müsste, schien keine Option zu sein. Im Gegenteil: Auch die Gewaltschutzkampagne des Bundeskanzleramts hat lediglich drei Sujets, die auf Anlaufstellen für Gewalt­opfer hinweisen und damit Frauen in Opferrollen stilisieren. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist hilfreich als Information für Betroffene, aber einen gesellschaftlichen Wandel wird das nicht vorantreiben.

Viele der gesellschaftlichen Punkte – wie Männer und Frauen sich gegenseitig sehen, wo es ein Anspruchsdenken und eine Besitzhaltung gibt oder inwiefern Belästigung, sexuelle und körperliche Gewalt alltäglich sind – können nur schlecht von der Politik gesteuert werden.

Es braucht viele politische Rädchen – im Bildungssystem, damit Kinder mit moderneren Rollenverständnissen aufwachsen, in der Kinderbetreuung, damit kein Bürgermeister mehr eine Prämie für die Kinderbetreuung zu Hause anbietet, im Sozialsystem, damit Kinderbetreuung und Pflegearbeiten nicht mehr als billige Frauenarbeit gesehen werden, sondern als kompetente Facharbeit, und im Gesundheitssystem, indem Frauen ernster genommen werden und Ärzten auch stärker bewusst ist, dass Symptome oft nach Geschlecht unterschied­lich aussehen –, und an all diesen Rädchen muss gedreht werden, damit Gewalt gegen Frauen nicht nur kein Kavaliersdelikt ist, sondern auf breites gesellschaftliches Unverständnis stößt.

Die Kampagne des Sozialministeriums zeigt, dass es zumindest irgendwo lang­sam ein Bewusstsein für echte Gleichstellungspolitik gibt; sieht man sich aber


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den Handlungsbedarf an, wird klar, dass definitiv noch mehr Tempo gemacht werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich noch einmal die Frau Bundesministerin für Justiz zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.


10.29.30

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte abschließend schon noch ein paar Worte sagen, und zwar, dass man durchaus bei allen Redebeiträgen sieht, dass sich alle Fraktionen mit diesem Thema beschäftigen und dass es viele Ideen gibt, an welchen Schrauben es zu drehen gilt.

Das Ziel eint uns, dass wir gemeinsam das Leben von Mädchen und von Frauen in Österreich sicherer machen und die Gewaltspirale – das ist schon ein paarmal genannt worden – nachhaltig durchbrechen und so früh wie möglich ansetzen. Wenn es darum geht, so früh wie möglich anzusetzen, bin ich der Meinung, dass es eine bundesweite Gesamtstrategie braucht, eine Gesamtstrategie, die im Kindesalter beginnt, alle Lebensbereiche abdeckt und echte Gleichstellung fördert, denn: Nur echte Gleichstellung ist die beste Prävention gegen Gewalt an Frauen, und das haben einige – auch männliche – Vorredner heute hier veranschau­licht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Weil das Urteil gegen Teichtmeister und auch die Verbesserungen, die wir im Bereich Kinderschutz gemacht haben, immer wieder zur Sprache gebracht werden, möchte ich schon noch zwei Sachen sagen:

Erstens: Das Tätigkeitsverbot gilt natürlich auch für eine bedingte Verurteilung. Es gilt für jede Verurteilung. Das heißt, das Tätigkeitsverbot, das wir jetzt


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umgesetzt haben, gilt für alle Verurteilten, unabhängig davon, ob bedingt oder unbedingt. Es gilt auch unabhängig davon, was man vorher gearbeitet hat.

Bisher – und das war natürlich ein Fehler und meines Erachtens auch eine Lücke im Gesetz – ist es darauf angekommen, ob man vorher schon mit Kindern gearbeitet hat oder nicht, und erst dann gab es ein Tätigkeitsverbot. Diese Lücke haben wir jetzt geschlossen: Unabhängig davon, was man zuvor gearbeitet hat, gibt es ein Tätigkeitsverbot, das für die Zukunft gilt.

Eine zweite Sache möchte ich auch noch sagen, weil dieses Urteil so oft angesprochen wird: Es hat einen Zeitpunkt gegeben, da hätte die Erhöhung des Strafrahmens schon eine Auswirkung auf das Teichtmeister-Urteil gehabt, und das war 2019. Ich erinnere mich, als Sie (in Richtung FPÖ) damals in der Regierung waren, hat es sehr wohl eine Verschärfung des Sexual­strafrechts gegeben, aber Kinderpornografie, Tätigkeitsverbot und die Strafen betreffend Kinderpornografie wurden dabei komplett ausgelassen. (Bundesrat Steiner: Das war ein Fehler! Das war ein Fehler!) Daher würde ich darüber nachdenken, ob man das heute so scharf kritisieren sollte. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

10.32


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Vielen Dank für die abschließenden Worte.

Somit beende ich die Aktuelle Stunde.

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Staatssekretär Florian Tursky auf das Herzlichste begrüßen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Steiner: Zukünftiger Gemeinderat in Innsbruck!)

10.32.58 Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebeantwortungen,


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eines Schreibens des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes,

jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen, und

der Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf diese gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen

(Anlage 1) (siehe auch S. 12)

2. Schreiben der Landtage

Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte und Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates (Anlage 2)

Schreiben des Tiroler Landtages betreffend Mandatsverzicht und Wahl eines Ersatzmitgliedes (Anlage 3)


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3. Eingelangte Verhandlungsgegenstände, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegen

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundes­gesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2022 (III-942 d.B. und 2189 d.B.)

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 und das Bundesfinanz­gesetz 2023 geändert werden (2170 d.B. und 2191 d.B.)

4. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union

5. Unterrichtungen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

Schreiben des Bundesministers für Finanzen betreffend Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Andorra zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Anlage 4)

Schreiben des Bundesministers für Finanzen betreffend Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und ‑umgehung (Anlage 5)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)


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2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2022, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-825-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Verkehr

Jahresbericht 2022 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien (III-826-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

Kunst- und Kulturbericht 2022 der Bundesregierung (III-827-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 bis 2024, Aktualisierung 2023 (III-828-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten

Grüner Bericht 2023 der Bundesregierung (III-829-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft

3. Petition

Petition Nr. 54 betreffend "Nein zu Schließungen von Postgeschäftsstellen im Bezirk Tulln", überreicht von Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (54/PET-BR/2023)

zugewiesen dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weiters eingelangt sind Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend

den Auslandsaufenthalt von Frau Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien MMag.a Dr.in Susanne Raab von 2. bis 5. Oktober 2023 in Kanada bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit ihrer Vertretung und

den Auslandsaufenthalt von Herrn Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. von 5. bis 6. Oktober 2023 im Vereinigten Königreich bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Staatssekretär Florian Tursky, MSc MBA gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit seiner Vertretung sowie

den Auslandsaufenthalt von Frau Bundesministerin für EU und Verfassung Mag.a Karoline Edtstadler von 5. bis 11. Oktober 2023 in Japan bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz mit ihrer Vertretung.

*****

Weiters ist um 9.35 Uhr eine Information des Ministerratsdienstes des Bundes­kanzleramtes betreffend die Erkrankung von Herrn Bundeskanzler Karl Nehammer als auch von Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm am 5. Oktober 2023 eingelangt.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.


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Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und die Wahl einer 1. Vizepräsidentin für den Rest des zweiten Halbjahres 2023 sowie die Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 6 und 7 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Auch das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanzler?“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

 


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10.36.501. Punkt

Wahl einer 1. Vizepräsidentin für den Rest des 2. Halbjahres 2023


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir kommen nunmehr zur Wahl einer 1. Vizepräsidentin für den Rest des zweiten Halbjahres 2023.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Margit Göll für den Rest des zweiten Halbjahres 2023 zur 1. Vizepräsidentin des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist einstimmig. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Frau Bundesrätin, nehmen Sie die Wahl an?

*****

(Bundesrätin Margit Göll bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an.)

*****

Herzlichen Dank! Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Vorsitzführung. (Allgemeiner Beifall.)

10.37.562. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 30. August 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird (3521/A sowie 11297/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.


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Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Ich bitte um den Bericht.


10.38.14

Berichterstatterin Sandra Lassnig: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 30. August 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Sascha Obrecht. – Bitte.


10.39.13

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesminister für Finanzen hat im Jahr 2020 eine Entscheidung zu treffen gehabt – und er hat sich falsch entschieden. Er hatte eine Pandemie zu bewältigen und Förderun­gen an Unternehmen möglichst schnell abzuwickeln. Dabei hatte er im Grunde zwei Möglichkeiten, zwei Optionen. Die eine war: Ich greife auf die Finanzbehörden mit all ihrer Expertise, mit dem Know-how, mit dem Personal und der Infrastruktur zurück. Die andere war: Ich gründe eine private Gesellschaft ohne Know-how, ohne Personal, die ich erst zu errichten habe. Das dauert. Er hat sich dafür entschieden. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.) Das war ein Fehler, und wo ein Fehler passiert, bleibt er selten allein. Was meine ich konkret damit? – Schauen wir uns an: Wie hat er diese private Gesellschaft besetzt? – Er hat da nicht einen Experten genommen,


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sondern er hat einen ehemaligen ÖVP-Kabinettsmitarbeiter genommen, der dann diese Gesellschaft geleitet hat. Ich weiß nichts über dessen Expertise. Die mag vielleicht sogar vorhanden sein. Es ist nur ein komischer Zufall, dass es gerade wieder ein ÖVP-Kabinettsmitarbeiter war. (Bundesrat Kornhäusl: In Wien passiert das nicht! Das ist klar! Schrebergartl! – Gegenruf der Bundesrätin Schumann: Das hilft dir nicht! Das hilft dir nicht!)

Dieser hat dabei auch Doppelbezüge erhalten, die der Rechnungshof massiv kritisiert hat. Die Doppelbezüge hätten nicht ausbezahlt werden dürfen. Er hat sich also noch dazu eine goldene Nase verdient. – Das ist der zweite Punkt.

Bei der Rechtsberatung für die Errichtung der Gesellschaft hätte er auf die Expertise im Finanzministerium zurückgreifen können (Bundesrat Buchmann: Auf Sora zum Beispiel!), das im Grunde nichts anderes macht, als Gesellschaften immer und immer wieder zu prüfen. (Bundesrat Kornhäusl: Sora oder Momentum, das sind die zwei!) Das hat er natürlich nicht gemacht. Was hat er stattdessen getan? – Er hat sich eine Wiener Rechtsanwaltssozietät genommen: schöne Büroräumlichkeiten, richtig, richtig teure Anwälte, Stundensatz über 4 000 Euro. Der Finanzminister hat das gern gezahlt, es ist ja nicht sein Geld, sondern es ist das Geld der Steuerzahler:innen. Insgesamt hat er damit 2 Millionen Euro allein an diese Rechtsanwaltskanzlei bezahlt – für die Errichtung einer Gesellschaft, die es nicht gebraucht hätte, weil wir ohnehin Finanzbehörden haben.

Die Kosten für die Rechtsberatung für sich haben über 20 Millionen Euro ausgemacht. 20 Millionen! – Mit 20 Millionen Euro, da kann man sich nicht nur einen Hamburger und Pommes kaufen, da kann man sich gleich einen ganzen Mäcki kaufen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich jetzt schlussendlich die Frage: Warum macht der Finanzminister das, wenn er ohnehin die Finanzbehörden hat? – Also ich will ihm nicht unterstellen, dass er ein Misstrauen gegen seine eigenen Mitarbeiter:innen im Finanzministerium hat. Das glaube ich nicht, das wäre auch unberechtigt,


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denn die arbeiten sehr korrekt und gut. Was kann aber dann sonst der Grund gewesen sein?

Na ja, Intransparenz ist der eine Punkt: Was passiert denn, wenn ich so eine Gesellschaft gründe und es nicht über die Finanzbehörden mache? – Das Parlament kann nicht mehr kontrollieren. Die gewählte Volksvertretung kann nicht mehr schauen, wo das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher hingeht – und das ist tatsächlich ein Skandal. Da geht es nämlich nicht um wenig Geld, das da ausbezahlt wurde.

Das ist ja der Punkt: Warum hat er es überhaupt gemacht? – Wir wissen es nicht. Es wird wohl die Intransparenz gewesen sein. Ich höre da nämlich oft auch eine Sache, die von der ÖVP und auch von den Grünen dann ins Treffen geführt wird: Diese Förderungen wären ja eigentlich gar nicht so intransparent, denn es stünde ja jetzt alles in der Transparenzdatenbank! – Aber hören Sie doch auf mit dieser Erzählung, denn die ganze Erzählung ist nämlich die: Man hat es nicht freiwillig gemacht. Die Europäische Kommission hat einen dazu verpflichtet. Deswegen wissen wir jetzt, wer die Förderungen bekommen hat. Sonst wüssten wir es vermutlich immer noch nicht, denn das war der Sinn hinter der Cofag.

Und jetzt? Was machen wir mit diesem Gesetzesantrag? Das ist ein unscheinbarer Gesetzesantrag, er schaut klein aus. Was machen wir damit konkret?

Das Finanzministerium hat dann schlussendlich – weil es die Behörde ist, die das Know-how hat – all diese Förderungen nachträglich kontrolliert und geschaut, ob es Förderungsmissbrauch gegeben hat. Leider hat wieder die Legistik dabei nicht gepasst; diese Bestimmung ist schon außer Kraft getreten. Die Nachkontrollen finden momentan nicht mehr statt. Jetzt soll man das nachwirkend wieder zurückbringen, genau zu der Behörde, die von Anfang an dafür zuständig hätte sein sollen. Wir befristen diese Regelung aber wieder bis zum Ende des Jahres – in einer Zeit, in der gerade


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Finanzausgleichsverhandlungen stattfinden. Das schaue ich mir an, ob das bis Ende des Jahres wirklich alles vollzogen werden kann!

Insgesamt stellt sich dieser Gesetzentwurf als untauglich dar. Er versucht, ein Flickwerk wieder notdürftig zu retten, das von Anfang an, seit 2020, seit der Errichtung, in die falsche Richtung gegangen ist. Jetzt versucht man, es wieder in die Finanzbehörden hineinzubringen, wo es von Anfang an hingehört hätte, wo es aber nicht drinnen war, und Sie befristen die Regelung wieder bis zum Ende des Jahres! Das hat überhaupt keinen Sinn. Für so ein Flickwerk stehen wir nicht zur Verfügung, deswegen stimmen wir dem auch nicht zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

10.43


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. Ich erteile ihm das Wort.


10.44.03

Bundesrat Christoph Stillebacher (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Lieber Bundesrat Obrecht, ich muss dir da leider widersprechen. Wir diskutieren heute über eine Novelle des COVID-19-Förderungsprüfungsgesetzes. Diese Novelle betrifft nur eine notwendige Verlängerung der Gültigkeit bis Jahresende. Es geht in diesem Entwurf nicht um Inhaltliches. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Heiterkeit der Bundesrätin Schumann. – Bundesrätin Hahn: Aber? Aber? Aber? Es geht nicht um Inhaltliches!?)

Die Cofag ist für die Auszahlung der Förderungen zuständig. Das COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz ermächtigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Cofag, bei Fragen oder Unklarheiten zu einem Förderantrag beim Finanz­ministerium ein Ergänzungsgutachten einzufordern. Für ein solches Ergänzungs­gutachten sind dann operativ einzelne Finanzämter zuständig. Bei dieser Novelle geht es also nur darum, diese gängige und wichtige Praxis bis Jahresende


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zu verlängern, damit die noch offenen Anträge rasch abgearbeitet werden können. (Bundesrat Obrecht: Sie ist wirklich schon außer Kraft! Sie verlängern nicht, sie ist außer Kraft!) Der Inhalt dieser Novelle ist schlicht der, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Cofag und in den Finanzämtern ihre Arbeit bis Jahresende weitermachen können. Dafür braucht es eben jene gesetzliche Grundlage, die wir mit diesem Gesetzentwurf liefern.

Damit uns das allen noch einmal bewusst wird: Wir sprechen von der erfolgreichen Abwicklung von weit mehr als 1,3 Millionen Förderanträgen gesamt und einer erfolgreichen Abarbeitung von mehr als 100 000 Er­gän­zungsgutachten.

Ich möchte diese Gelegenheit gleich nutzen, um mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Cofag zu bedanken. Die Bearbeitung und Kontrolle von so vielen Anträgen ist zur normalen Zeit schon eine riesengroße Herausfor­derung, aber unter den verschärften Bedingungen während einer Pandemie eine wirklich herausragende Leistung. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade die effiziente Abarbeitung war für viele Unternehmen ein wichtiger Beitrag, damit sie in dieser sehr unsicheren Zeit keine Arbeitsplätze abbauen mussten. Es konnten damit viele Arbeitsplätze abgesichert werden. Man hat der Cofag und ihren Mitarbeitern vertraut, und das zu Recht, und die Mitarbeiter haben sich dafür Lob und Anerkennung verdient, was man auch öfter erwähnen darf.

Was das auch seitens der Opposition schon angesprochene vermeintliche Transparenzdefizit betrifft, darf ich daran erinnern, dass einerseits der Rech­nungs­­hof die Cofag prüft und es zum Zweiten eben diese Transparenzdaten­bank gibt. Es gibt also eine Kontrolle durch den Rechnungshof – das mit Abstand wichtigste parlamentarische Kontrollinstrument – und eine öffentlich einsehbare Liste mit allen Förderungen an Unternehmen über 10 000 Euro. Ich denke, das ist wirklich ausreichend transparent.


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Natürlich hätte man rückblickend das eine oder andere besser machen können (Ruf bei der SPÖ: Ja, ja!), keine Frage, aber grundsätzlich war es wichtig und gut, und – wie auch mein Vorredner schon erwähnt hat – man darf dabei nicht außer Acht lassen, dass der Fokus dazumal darauf gerichtet war, dass alles möglichst schnell und unbürokratisch vonstattengeht, und das ist tatsächlich auch gelungen.

Kurzum, es geht bei dieser Novelle um eine Verlängerung der Gültigkeit bis Jahresende, damit die noch offenen Anträge ordnungsgemäß abgewickelt werden können. Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Ihre Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

10.47


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte sehr.


10.47.36

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege, es wird hier nichts verlängert, sondern diese Förderungsprüfung, diese Gutachten, dieses spezifische Instrument ist schon seit, wenn ich mich richtig erinnern kann (Bundesrat Obrecht: Ende letzten Jahres!), Ende letzten Jahres außer Kraft, und es wird neu in Kraft gesetzt. Es hat also jetzt neun Monate lang nicht der Rechtsordnung angehört.

Dieser Antrag zeigt, dass die unendliche Pannenserie um die Cofag weitergeht, weil mit diesem Antrag eben ermöglicht werden soll, dass neue Ergän­zungsgutachten zu bereits ausbezahlten Covid-Hilfszahlungen gemacht werden können. Die Intransparenz der Bundesregierung bei den Covid-Hilfen führt wieder dazu, dass die Finanzämter zur Rettung ausrücken müssen, statt dass man diese, wie es richtig gewesen wäre, von Anfang an mit der Abwicklung


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betraut hätte. Eine Million Anträge zu bereits ausgezahlten Förderungen stehen jetzt vor einer erneuten Überprüfung. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Kurz vor ihrer Abwicklung steht die Cofag vor den Scherben ihrer Existenz. Verantwortlich dafür: ihre Erfinder ÖVP und Grüne.

Jetzt ist nicht das Problem, dass das BMF Ergänzungsgutachten machen soll, sondern vielmehr, dass die Cofag nach Belieben nur punktuelle Informationen vom BMF anfragen und prüfen lassen kann – und dann wiederum nach Belieben entscheiden kann, also nicht mehr an das BMF gebunden ist.

Zu diesem Fragenkomplex hat unsere Nationalratsabgeordnete Karin Doppelbauer eine Anfrage an den Finanzminister gestellt. Die Antwort darauf im Sommer hat viel zu wünschen übrig gelassen. Der Grund dieser Anfrage war, dass ja die Basis das EU-Beihilfenrecht ist, das sehr enge Grenzen setzt, wenn es um die Auszahlung von Beihilfen an Unternehmen in Schwierigkeiten geht, selbst während der Covid-Pandemie – Anlassfall: die Covid-Beihilfen für Kika/Leiner. Wir wollten daher wissen, ob die seinerzeitigen Anträge auf Corona­hilfen und deren Abwicklung nach der nunmehrigen Insolvenz auf Fehler überprüft worden sind und welche Schritte Finanzministerium und Cofag gesetzt haben. Der Finanzminister hat nur auf eine abgabenrechtliche Geheimhaltungs­pflicht verwiesen und das nicht weiter beantwortet.

Auch andere Fragen, die wesentlich gewesen wären, wurden nicht beantwortet. Wir wollten zum Beispiel wissen, wenn es so ein Ergänzungsgutachten gibt, welche Konsequenzen das dann hat. Wir wollten wissen, wie oft Hilfen von der Cofag zugesagt wurden, obwohl ein derartiges Gutachten eigentlich eine Ablehnung nahegelegt hätte. Auch dazu ist der Finanzminister in seiner Anfrage­beantwortung sehr allgemein geblieben. Er hat gesagt – ich zitiere –:

„Grundsätzlich kann die Genehmigung von Zuschüssen trotz einer ablehnenden Stellungnahme seitens der Finanzverwaltung vorkommen. Die ist durch die Richtlinien gedeckt. Demnach kann es auch in der Praxis vorkommen, dass trotz


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negativer Ergänzungsgutachten Anträge zur Auszahlung gebracht werden; etwa wenn durch die Antragsteller neue korrigierte Anträge eingebracht wurden, nach deren Prüfung gegebenenfalls eine Antragsgenehmigung erfolgen konnte.“

Wie oft aber dieser bemerkenswerte Fall in der Praxis vorgekommen ist, hat der Finanzminister in seiner Beantwortung offengelassen.

Selbstverständlich sollen den Unternehmen, die durch die zahlreichen Covid-Maßnahmen Schäden erleiden mussten, diese beglichen werden. Wir bestehen aber auch darauf, dass diese Hilfen transparent über das BMF abge­wickelt werden, weil wir durch das intransparente System Cofag schon genug Steuergeld verloren haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.51


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste ist Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.51.45

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Werte Kollegen! Kollege Stillebacher hat vorhin in seinem Redebeitrag erwähnt, dass eh alles in Ordnung ist, da die Cofag ja vom Bundesrechnungshof überprüft wird. – Das stimmt, aber leider diskutieren wir im Bundesrat diese Berichte nicht. Wenn man aber im Nationalrat zugehört hat und sich ein bisschen genauer mit den Dingen befasst, dann sieht man: Es gibt einen 248 Seiten langen vernichtenden Bericht des Bundesrechnungshofes, was die ganze Gestal­tung und Gründung der Cofag betrifft. (Beifall bei FPÖ und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es gibt wahnsinnig viele zentrale Empfehlungen. Eine zentrale Empfehlung ist ja etwas sehr Intensives, das der Rechnungshof aussprechen kann. Da steht zum Beispiel: „Die Erstellung des Erstentwurfes wurde über die COFAG letztlich einem externen Dienstleister übertragen, anstatt“ den Entwurf – „wie


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bei anderen Kernaufgaben von Bundesministerien – federführend“ im Finanzminis­terium zu machen. Die „klar definierte Gesamtkoordination bzw. -verantwortung im Sinne einer Projektleitung innerhalb der Behördenstruktur des Finanzminis­teriums fehlte“. „Diese ineffizienten Strukturen konnten einen vermeidbaren zeitlichen und finanziellen Mehraufwand verursachen.“

Also es ist in Wirklichkeit wie immer, so wie bei der ganzen Geschichte Regie­rung und Corona: Nicht genügend, drei Mal setzen!

Wir werden dennoch dieser Verlängerung zustimmen, und zwar aus dem Grund, weil vor allem kleine Förderwerber noch immer auf die Auszahlung der Fördermittel warten, und die haben genauso ein Recht wie ein Benko, wie ein Mediamarkt, wie all diese Großen, dass sie auch zu ihren Unterstützungen kommen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.53


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber. – Bitte sehr.


10.53.47

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine lieben Damen und Herren! Liebe Zusehende! Die multiplen Krisen der letzten Jahre, von der Coronapandemie angefangen über unterbrochene Lieferketten bis hin zum Ukrainekrieg, waren für uns alle eine sehr herausfordernde Zeit. Das gilt selbstverständlich auch für die österreichischen Unternehmen.

Die Bundesregierung war immer wieder dazu gezwungen, rasche Entschei­dungen zu treffen und schnell Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Und das wurde auch gemacht. Es wurde ein umfassendes Paket von Wirtschaftshilfen geschnürt, um in erster Linie – und das möchte ich hier auch betonen; Kollege Stillebacher hat es schon erwähnt – die Arbeitsplätze in unserem Land abzu­sichern und eine plötzliche Massenarbeitslosigkeit abzuwenden. Ich denke, das


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ist unterm Strich auch gelungen. Das sehen wir auch daran, dass die Arbeits­losigkeit in Österreich auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau ist.

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es im Grunde um etwas sehr Sinnvolles: Wir schaffen die Rechtsgrundlage für die Anforderung von Ergänzungsgutachten durch die Cofag, und zwar bis Ende 2023. Warum ist das wichtig? – Alle Förderanträge werden im Auftrag der Cofag durch die Finanzverwaltung einer automationsunterstützten Risikoanalyse unterzogen. Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben im Förderantrag oder an der Plausibilität der zur Ermittlung der Höhe des Zuschusses angegebenen Daten, kann die Cofag ein Gutachten vom Finanzamt anfordern. Auf dessen Basis, wir haben das schon gehört, entscheidet dann die Cofag über den Förderantrag.

Ich halte es grundsätzlich für wichtig, da auch die nötige Zeit bereitzustellen, um diese Ergänzungsgutachten einholen und sorgfältig prüfen zu können. Daher werden wir dieser Verlängerung auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.55 10.55.59


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


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10.56.413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz geändert wird (3520/A und 2192 d.B. sowie 11298/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Stillebacher. – Ich bitte um den Bericht.


10.57.06

Berichterstatter Christoph Stillebacher: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zahlungsbilanz­stabilisie­rungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. (Bundesrat Leinfellner: Das ist bei TOP 5! – Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.) – Dann habe ich da einen falschen Namen. Da ist ein Versehen passiert, Entschuldigung! Ich habe es am Monitor gesehen.

Ich bitte Herrn Bundesrat Leinfellner zum Rednerpult. – Bitte.



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10.58.22

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark):Frau Vorsitzende, das kann schon einmal passieren. Das ist nicht so tragisch. Ich war ja davon überzeugt, dass ich, bevor die Debatte zum Tagesordnungspunkt aus ist, noch mit meiner Rede drankomme.

Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Wir haben gestern ja wirklich eine tolle Enquete gehabt, wofür ich mich auch noch einmal bei der Frau Präsidentin bedanken darf. Dort haben wir auch sehr deutlich gehört, dass wir in Österreich rund 380 000 Kinder haben, die armutsgefährdet sind. – Ich weiß schon, dass es nicht (in Richtung Staatssekretär Tursky) Ihr Tages­ordnungspunkt ist, aber vielleicht interessiert es Sie trotzdem – ohne dass Sie da am Handy herumspielen.

Es gibt Eltern, die sich den Schulstart für ihre Kinder nicht mehr leisten können, die sich keine Schultasche leisten können. Jeder, der Kinder hat, weiß, wie teuer so ein Schulstart sein kann. Es gibt Familien, die sich den Strom nicht mehr leisten können, die sich die Heizkosten nicht mehr leisten können. Und ja, es gibt Familien, die nicht mehr wissen, wie sie für die ganze Familie bis zum Monatsende das Essen einkaufen sollen. Da helfen auch die besten Ernährungstipps von unserem Bundeskanzler nichts, denn ja, es gibt auch Familien, die sich den Hamburger bei McDonald’s nicht mehr leisten können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Und nein, es helfen auch die Energiespartipps unserer Energieministerin nichts. Ich glaube nämlich, dass auch ohne diese wertvollen Tipps keiner zu Hause die Kühlschranktür offen gelassen hat. – Trotzdem geht es sich bei vielen vorne und hinten nicht mehr aus.

Was will ich damit sagen? – Es gibt viele Österreicher, viele österreichische Familien und viele österreichische Kinder, die armutsgefährdet sind, und im Hinblick darauf ist die Bundesregierung völlig unfähig, die Teuerung im eigenen Land zu bekämpfen. Die Bundesregierung ist völlig unfähig, Geld für Bildung,


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Geld für Sicherheit oder Geld für das Gesundheitswesen in die Hand zu nehmen. Da fehlt das Geld im eigenen Land!

Wenn es aber darum geht, ein Kriegsland mit Geldgeschenken zu überhäufen, dann ist dieser Bundesregierung nichts zu teuer, anstatt das Geld im eigenen Land sinnvoll einzusetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Mit diesem Beschluss, den wir beziehungsweise den Sie heute hier fällen, ist der Finanzminister wieder mit 100 Millionen Euro ausgestattet, mit denen er nach Brüssel grundeln kann, wo er seine Geldgeschenke weiter verteilen kann, um einen Krieg in der Ukraine weiter zu finanzieren. (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Da kannst du schon lachen, Kollege Buchmann, aber das ist schlicht und ergreifend die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Ich würde mir wünschen, dass die Einheitspartei einmal so spendabel ist, wenn es um unsere Österreicher geht! (Beifall bei der FPÖ.) Sie sollte einmal so spendabel sein, wenn es um armutsgefährdete Kinder geht, wenn es um Familien geht, die nicht mehr wissen, ob sie hungern oder frieren sollen! Für Geld­geschenke an andere wird aber tief in die Taschen gegriffen. Das ist die Arbeits­weise dieser schwarz-grünen Bundesregierung, und die SPÖ spielt mit, und das ist das Traurige in diesem Land.

Ich kann dieser Bundesregierung nur sagen: Beenden Sie diesen Leidensweg, Ihren eigenen Leidensweg, den Leidensweg für unsere Österreicher! Beenden Sie diesen ganzen Zirkus! Gehen Sie in Richtung Neuwahlen! Damit würden Sie diesem Land den größten Dienst erweisen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.02


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer zu Wort gemeldet. – Bitte.



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11.02.39

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Geschätzte Damen und Herren hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Novelle des Zahlungsbilanzstabi­lisierungs­gesetzes. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)  

Herr Kollege Leinfellner, ich denke, du hast bei deiner Rede das Thema des Tagesordnungspunktes verfehlt. Zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht ein Wort von dir gefallen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.)

Ich möchte nur kurz auf etwas hinweisen, was die Kinder betrifft: Die Familien­beihilfe, das Schulstartgeld, die ökosoziale Steuerreform, die Abschaffung der kalten Progression und all diese Dinge schlagen sich positiv auf die Einkommen der Österreicherinnen und Österreicher nieder. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Die Statistiken zeigen uns, dass es arme Leute gibt. Das wissen wir, und derer nehmen wir uns auch an. Die Armutsgrenze ist aber seit 2017 nicht gestiegen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zum Tagesordnungspunkt: Alle EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, haben zugesichert, sich an Zinszuschüssen für die Ukraine im Rahmen der Makrofinanzhilfe plus der EU zu beteiligen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union, gestützt auf einen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, eine Ver­ordnung erlassen, um auch wirklich helfen zu können.

Für Österreich bedeutet das jährliche Zuschusszahlungen in Höhe von 18 Millio­nen Euro von 2024 bis 2027. Was wir heute wahrscheinlich mehrheitlich


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beschließen, ist eine Ermächtigung. Das heißt, der Finanzminister kann Zinszu­schüsse bis maximal 100 Millionen Euro in Abstimmung mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die Ukraine entsprechend genehmigen und freigeben.

Österreich ist ein militärisch neutrales Land. Das steht selbstverständlich außer Zweifel und außer Diskussion. Österreich ist aber auch ein Land, das solidarisch mit der Europäischen Union der Ukraine beistehen und helfen will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu bekennt sich unsere Bundesregierung, und das ist auch gut und richtig so. Bis dato hat Österreich die Ukraine bilateral mit 150 Millionen Euro unterstützt. Als EU-Nettozahler hat Österreich natürlich auch substanzielle indirekte Hilfe im Rahmen der Europäischen Union geleistet. Die Summe dieser Hilfe der Europäischen Union beläuft sich auf rund 59 Milliarden Euro. Darüber hinaus wurden noch rund 100 000 vertrie­bene Frauen und Kinder aus der Ukraine aufgenommen. Unsere Bundesregie­rung bekennt sich dazu, dass wir die Unterstützung für die Ukraine und das ukrainische Volk fortsetzen, solange es notwendig ist.

Noch etwas ist mir zu sagen wichtig: Mit der Ukraine verbindet die Europäische Union, aber natürlich auch Österreich eine lange, lange wirtschaftliche und historische Beziehung. Ich denke – und so hoffen wir alle –: Wenn der Krieg zu Ende ist, dann sollte diese Beziehung weiter vorangetrieben und ausgebaut werden. Damit begründet sich auch die Hilfe: Wenn es jemandem schlecht geht, die Hilfe einzustellen und dann wieder eine positive Beziehung aufbauen zu wollen ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Durch den Angriffskrieg von Russlands Präsident Putin auf die Ukraine und deren Volk ist alles – das spüren wir in vielfältiger Weise – aus den Fugen geraten. In gut zwei Monaten wird der Winter da sein, und wir wissen, was es in der Ukraine und in Russland heißt, wenn der Winter kommt. Nun sehen wir


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Bilder, wie ganze Städte in Schutt und Asche liegen, Dämme gesprengt wurden und alles von den Wassermassen mitgerissen wurde. Wenn man das nur ansatzweise sieht und spürt, wie es den Menschen geht, dann ist Hilfe aus Österreich eine moralische Pflicht, aber auch ein wesentlicher Teil unserer Identität. Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.08


Vizepräsidentin Margit Göll: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Präsidentin Mag. Claudia Arpa. – Bitte.


11.08.12

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Damen und Herren! Ich war letzte Woche in Dublin, und zwar bei einer europäischen Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Parlamente. An dieser Konferenz nahm auch Ruslan Stefantschuk als Präsident der Werchowna Rada teil, und bei dieser Gelegenheit haben alle Präsidentinnen und Präsidenten unserer Parlamente bekräftigt, dass sie der Ukraine weiterhin zur Seite stehen werden.

Auch unser Parlament, und somit auch der Bundesrat, kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Grundwerte der Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu festigen, indem wir die Ukraine finanziell unterstützen. Eine Unterstützung der Ukraine bei der herausfordernden Aufgabe der Verteidigung ihres Territoriums, aber auch ihrer staatlichen Souveränität ist aus meiner Sicht unerlässlich. Das kann aber nur gemeinsam und in Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Deshalb halten wir als SPÖ-Fraktion es für richtig, dass sich Österreich dazu entschließt, im Rahmen der Makrofinanzhilfe plus, gestützt auf Artikel 22 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Finanzmittel in einer Höhe von 100 Millionen Euro als Zuschüsse zur Verfügung zu stellen.

Die tatsächliche Auszahlung dieser Zuschüsse erfolgt jedoch, wie in dieser EU-Verordnung vorgesehen, jeweils auf Antrag der Ukraine und unter Beischluss entsprechender Dokumente, die die Voraussetzung für die


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Gewährung der Mittel sind sowie die ordnungsgemäße Mittelverwendung sicherstellen. Die SPÖ gibt daher die Zustimmung zur diesbezüglichen Gesetzesänderung im Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, das eine entsprechende Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen dafür vorsieht, wobei Österreich neben vielen anderen Staaten humanitäre Hilfe leistet, Frauen und Kinder betreut und aufgenommen hat und sich auch solidarisch mit der Ukraine zeigt.

Damit komme ich wieder zum Anfang meiner heute etwas kürzeren Rede. Wir als Parlamente können finanzielle Hilfen beschließen, wir können somit das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung verhindern und zum Frieden beitra­gen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.10


Vizepräsidentin Margit Göll: Ich erteile Bundesrat Spanring das Wort. – Bitte.


11.10.44

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe mich zu einer tatsächlichen Berichtigung gemeldet. Kollege Gfrerer hat in seiner Rede gesagt, dass die Armut in den letzten Jahren nicht gestiegen ist, weil die Regierung so viele Maßnahmen gesetzt hat. – Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Die Armut hat im Jahr 2018 16,8 Prozent der Bevölkerung betroffen, im Jahr 2019 16,5, also 0,3 Prozent weniger. Da kann man sich erinnern: Da hat es eine schwarz-blaue Regierung gegeben. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) 2020 waren es dann wieder 16,7 Prozent – eine Steigerung. 2021 waren es dann bereits 17,3 Prozent, da war Ihre Coronapolitik. 2022 waren es bereits 17,5 Prozent. (Bundesrat Kornhäusl: Er hat von der Kinderarmut geredet! Die Kinderarmut sinkt wieder, die sinkt!)


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Also, Herr Kollege Gfrerer, das, was Sie gesagt haben, ist falsch. – Natürlich betrifft das auch die Kinderarmut, aber er hat es nicht gesagt. (Beifall bei der FPÖ.)

11.11


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. Ich erteile ihr das Wort.


11.11.55

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher! Eigentlich geht es bei diesem Tagesordnungspunkt um das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – aber die FPÖ hört nicht zu. Gut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, noch einmal zur Erinnerung: Russ­land hat die Ukraine in einem beispiellosen Akt ungerechtfertigter und grundloser Aggression völkerrechtswidrig überfallen. (Bundesrätin Doppler: Und deshalb müssen wir dafür zahlen?)

Neben dem unermesslichen menschlichen Leid hat der anhaltende Krieg in der Ukraine bereits enorme Schäden an der Infrastruktur angerichtet. Da geht es um Straßen, Brücken, Wohngebiete, öffentliche Gebäude wie Schulen und Krankenhäuser, die bombardiert wurden. (Bundesrätin Doppler: Und deswegen zahlen wir ...?) Durch den gezielten Angriff auf die Energieinfrastruktur kommt es immer wieder zu großflächigen Ausfällen der Strom- und Wasserversorgung.

Die anhaltenden Kämpfe haben auch zu massiven Fluchtbewegungen mit mehr als sechs Millionen Binnenvertriebenen und mehr als sieben Millionen Flüchtlingen geführt. Gegenüber den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine gab und gibt es in Österreich große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Ich erlebe das auch in meiner Region immer wieder.


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An dieser Stelle möchte ich mich daher nochmals bei allen Menschen bedanken, die sich engagieren, um diese Menschen in unserem Land zu unterstützen. Vielen Dank! (Beifall bei Grünen und ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es – Kollege Gfrerer hat es ausgeführt – um die Ermächtigung des Finanzministers, Zuschüsse zugunsten der Ukraine bis zu einem Betrag von 100 Millionen Euro zu gewähren. Die Gewährung dieser Beträge darf laut Antrag nur im Zusammenhang mit Maßnahmen der Europäischen Union erfolgen.

Was passiert mit diesen finanziellen Hilfen? – Es geht dabei darum, die Ukraine beim Wiederaufbau zu unterstützen, zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen, Lehrerinnen und Lehrer zu bezahlen, Sozialleistungen zu überweisen und den Wiederaufbau der befreiten Gebiete zu starten.

Österreich ist ein neutrales Land, und trotz dieser militärischen Neutralität leisten wir einen humanitären Beitrag, um die Ukraine und die Menschen, die dort vor Ort leben, zu unterstützen. Wir zeigen damit unsere Solidarität mit der Bevölkerung.

Als Teil der Europäischen Union leisten wir damit einen nachhaltigen Beitrag zur Stabilität in Europa, und ich bin wirklich sehr froh, dass wir diese Unter­stützung mit einer breiten Mehrheit hier im Bundesrat heute beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

11.14 11.14.56


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 92

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

11.15.314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder zur Finanzierung einer Gebührenbremse (3545/A und 2193 d.B. sowie 11299/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um den Bericht.


11.15.57

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz über einen Zuschuss an die Länder zur Finanzierung einer Gebührenbremse.

Um die Inflation zu dämpfen, sollen als weitere inflationsdämpfende Maßnahmen auch die Steigerungen bei den Benützungsgebühren der Gemeinden für Wasser, Abwasser und Müllabfuhr gedämpft werden. Der Zweckzuschuss des Bundes ist von den Ländern zur Senkung von Benützungsgebühren der Gemeinden im Jahre 2024 zu verwenden. Die Senkung bedeutet nicht zwangs­läufig eine Reduzierung im Vergleich zum Vorjahr, sondern vielmehr eine Reduzierung im Vergleich zur Gebührenhöhe, wie sie sich ohne Gebührenbremse ergeben hätte.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 93

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Herzlichen Dank.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Stotter. – Bitte.


11.17.28

Bundesrat Markus Stotter, BA (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher:innen hier im Saal und zu Hause vor den Endgeräten! Unsere Gemeinden stehen zunehmend vor Herausforderungen. Ich möchte mich an dieser Stelle einmal ganz herzlich bei unserem Bundesminister für Finanzen – und heute stellvertretend bei unserem Staatssekretär – bedanken, dass er sich dieser Sachen angenommen hat und bei den Finanzausgleichsverhandlungen stark auf unsere Gemeinden Bedacht genommen hat. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Als Bürgermeister darf ich natürlich weiter Bitte sagen: Wenn vielleicht der eine oder andere Euro noch irgendwo zu finden ist, ist er bei uns sehr gut aufgeho­ben. Danke schön. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Im Moment ist es wichtig, auf vielen Ebenen anzusetzen, um die Menschen weiter zu entlasten. Wir haben ja bereits langfristige Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression oder auch die Valorisierung der Sozialleis­tungen ergriffen. Jetzt stellen wir den Ländern weitere 150 Millionen Euro zur Verfügung, um ein starkes Anheben der Gebühren zu verhindern. Der Bund hat es vorgemacht; ich nenne nur zwei Beispiele: das Klimaticket und die Vignette. Jetzt ist es wichtig, das auf allen Ebenen weiter fortzuführen.

Die Gelder werden über die Länder verteilt, weil sie am besten wissen, welche Bedürfnisse unsere Gemeinden haben, und sie damit decken können. Ich bin zuversichtlich, dass die Gemeinden dieses Geld gut einsetzen werden und


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 94

verantwortungsbewusst nutzen werden, um die Gebühren zu dämpfen und somit auch weiterhin der Inflation entgegenzuwirken.

Ich glaube an dieses Österreich und daran, dass wir diese Teuerungsspirale mit dieser Bundesregierung überwinden können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

11.19


Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte sehr.


11.19.49

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Da ich als Proredner für diesen Tagesordnungspunkt ausgewiesen bin, ist es ja nicht schwer, zu erkennen, dass wir, die SPÖ-Fraktion, diesem Gesetzesantrag zustimmen werden. Wir tun das aber nicht in der gleichen Euphorie wie die Vertreter der Regierungs­parteien, sondern eher deshalb, weil wir in der Notlage, in der sich die Menschen und Gemeinden derzeit befinden, das nehmen müssen, was die Regierung gewillt ist bereitzustellen und herzugeben. Aus meiner Sicht ist das viel zu wenig. Lob und Euphorie sind aus meiner Sicht hier nicht ange­bracht.

Diese Debatte wurde schon im Nationalrat sehr emotional geführt. Ich kann das auch nachvollziehen und verstehen, warum. Diese 150 Millionen Euro sollen nämlich über die Länder den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, damit die Gemeinden die Gebühren im Jahr 2024 in gewissen Bereichen – beim Wasser, beim Kanal oder auch bei der Müllabfuhr – nicht in voller Inflations­höhe, in voller Teuerungshöhe anheben. Bei genauer Betrachtung springen einem da schon die ersten Mängel entgegen.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 95

Erstens die Höhe des Zweckzuschusses: Diese 150 Millionen Euro sind nur dafür geeignet – davon sprechen ja auch die ÖVPler in ihren Reden –, dass man die Gebührenanhebung ein wenig dämpfen kann. Was heißt das im Umkehrschluss? – Es wird für die Menschen in diesem Land trotzdem wieder teurer und die Abfederung wird sich kaum auswirken.

Wer das schnell durchdividieren will: 150 Millionen Euro aufgerechnet auf circa neun Millionen Menschen, da landet man bei etwa 17 Euro pro Person im Jahr – im Jahr! Die ÖVP-Mandatare sprechen in ihren Redebeiträgen – das hat man im Nationalrat hören können – auch von einem Mosaiksteinchen. Ich würde hier eher von einem Mosaikstaubkörnchen sprechen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Tiefnig: Na geh!)

Was ist aus meiner Sicht der zweite Mangel? – Diese Bremse wirkt 2024, also nur ein Mal. Was passiert dann 2025? Das ist meine Frage. – Dann kommt es für die Menschen wahrscheinlich ganz, ganz dick, wenn nämlich diese Gebühren­bremse nicht mehr wirkt, wegfällt und die jeweilige Teuerungsrate dazukommt.

Drittens: Ich habe Bauchweh, wenn für die Details und die Durchführung die Länder zuständig sind, und zwar deshalb, weil wir da gerade in Ober­österreich mit der schwarz-blauen Landesregierung in den letzten Jahren sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. Wir haben in Oberösterreich zulasten der Gemeinden einen negativen Transfersaldo von rund 600 Millionen Euro pro Jahr auszuweisen. Was heißt das? – Dass die Gemeinden in Oberösterreich um 600 Millionen Euro mehr an das Land transferieren, als in die entgegengesetzte Richtung wieder zurückkommt. Auch da muss ich die Frage stellen: Was von diesen 150 Millionen Euro wird am Ende des Tages letztendlich wirklich bei den Gemeinden und bei den Menschen, die dort wohnen, ankommen?

Viertens gibt es aus meiner Sicht auch noch offene rechtliche Fragen, rechtliche Komponenten. Ich denke dabei zum Beispiel an die Härteausgleichsgemeinden. Da gibt es ganz klare rechtliche, landesgesetzliche Vorgaben. Wir alle wissen:


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Härteausgleichsgemeinden bekommen im Wesentlichen von ihren Ländern vorgeschrieben, wie hoch die Gebühren sein müssen und zu kalkulieren sind, die sie dann letztendlich auch den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern, vorschreiben müssen. Also auch da gibt es noch viele Fragezeichen. Wir werden am Ende des Tages sehen, wie man das wird lösen können.

Damit bin ich auch schon beim Stichwort Gemeinden. Gerne hätte ich mich hier mit dem Herrn Finanzminister ausgetauscht. Wir wissen, dass seit vielen Jahren immer mehr Verantwortung und Aufgaben in Richtung der Gemeinden und auch der Städte geschoben werden – und das, ohne die dafür notwendige Finanzierung sicherzustellen. Ich weiß das als Bürgermeister aus meiner Gemeinde, ich weiß es aus vielen Gesprächen mit Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen – übrigens auch sehr, sehr vielen ÖVP-Bürgermeister:innen.

Die Gemeinden werden – das darf man ruhig so auf den Punkt bringen – in den Ruin getrieben, wenn sich die laufenden Gespräche zum Finanzausgleich nicht zugunsten der Kommunen wenden. Das bestätigen nicht nur Experten oder behaupten nicht nur wir, das bestätigen zum Beispiel auch Prognosen des Zentrums für Verwaltungsforschung, kurz KDZ.

Was ist der Grund? – Die Ausgaben explodieren, die Einnahmen sinken. Die Ausgaben explodieren vor allem in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Energie, Kinderbildung oder etwa auch beim Zinsendienst, bei den Darlehens­tilgungen, die die Gemeinden natürlich auch leisten müssen. – Da muss ich Ihnen, Herr Staatssekretär, die Frage stellen: Wie soll sich das am Ende des Tages alles ausgehen?

Deshalb mein eher kritisches Resümee: Immer mehr Kommunen schlittern aufgrund dieser finanziellen Schieflage in den Härteausgleich und können dadurch auch die Daseinsvorsorge nicht mehr finanzieren und sicherstellen. Was kommt negativ dazu? – Es fehlen auch die finanziellen Spielräume, um die so wichtigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen, etwa im Bereich Kinderbildung oder


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im Bereich Klimaschutz. Das heißt, wir leben in einem gefährlichen Kreislauf, der auch die Wirtschaft schwächt. Dieser negative Kreislauf muss – muss! – zuguns­ten der Gemeinden im Finanzausgleich unterbunden werden.

Wir können den Medien entnehmen, dass es vor zwei Tagen eine Grund­satzeinigung beim Finanzausgleich gab. Das klingt jetzt einmal sehr gut, das ist aber noch lange keine Garantie, dass es jetzt für die Kommunen ohne Hürden auch wirklich erheblich mehr Geld geben wird. Es mag vielleicht für manche Länder ein gangbarer Kompromiss sein, aus meiner Sicht ist es das für meine Gemeinde oder auch für viele andere Gemeinden sicher nicht. Wir hängen weiterhin am Gängelband der Länder. Eine Stärkung der Gemeinde­autonomie wird dadurch auch in weite Ferne gerückt.

Abschließend darf ich festhalten, dass die Kommunen, alle Gemeinden, viele sehr wichtige und sinnvolle Projekte in ihrer Pipeline haben. Wir als Gemeinden wollen Krabbelstuben, Kindergärten, Schulen, Freizeit-, Kultur- und Sporteinrich­tungen, Wasserleitungen und vieles mehr bauen. Dafür brauchen wir aber einfach mehr vom Steuerkuchen. Im Übrigen ist dieser Kuchen nicht das Geld der Bundesregierung, sondern das der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.28


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.


11.28.20

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer hier im Saal und vor den Bildschirmen! Ja, wir reden heute über einen Zuschuss an die Länder für eine Gebührenbremse. Es ist geplant, 150 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Der Kollege hat es schon angesprochen: Das sind ungefähr 16 oder 17 Euro pro Bürger. Damit soll auf die Gemeinden eingewirkt werden, dass sie keine oder zumindest nur moderate Erhöhungen machen.


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Daher gibt es auch von uns dafür die Zustimmung, obwohl es nur ein kleiner Tropfen ist.

Für mich stellt sich auch die Frage: Was ist moderat? Es wird in dieser Phase also keine Erhöhung geben. Und: Was passiert danach? – Die Gemeinden werden dann in zwei, drei Jahren vor riesigen finanziellen Problemen stehen, dann müssen sie die Gebühren wahrscheinlich um 15 oder mehr Prozent erhöhen, und die Menschen stehen wieder vor einer Belastung.

Daher hoffe ich – und ich weiß es –, dass die Gemeinden und die Bürgermeister immer wieder vernünftige Lösungen im Sinne der Gebührenzahler finden. Diese Bundesregierung zeigt es immer wieder: Im Bereich der Teuerung versucht sie, die Rekordinflationswelle zu brechen, aber es geht nichts weiter, vor allem nichts Gutes. Ganz im Gegenteil: Alle Ideen, die da sind, sind in den letzten zwei, drei Jahren entweder kaum oder falsch umgesetzt worden. Das Ergebnis spüren die Gemeinden in den Budgets, vor allem spüren es immer mehr Menschen beim täglichen Einkauf, beim Tanken, bei den Mieten und vor allem bei den hohen Energiepreisen. Sie sehen, wie das hart verdiente Geld immer weniger wird.

Ein Gewinner ist der Finanzminister. Die Zahlen aus dem Finanzministerium zeigen, dass die Steuereinnahmen kräftig gestiegen sind und in Zeiten der hohen Preise und der hohen Inflation Rekordsteuereinnahmen erreicht werden. Statt dass das Geld wieder an die Bevölkerung zurückgeht, die Wirtschaft unterstützt wird, gibt die Regierung immer wieder sehr gute Ratschläge. Wir erinnern uns daran: Wir sollen kalt duschen, den Deckel beim Kochen verwenden, und an vieles mehr, aber den Höhepunkt hat sicher vor Kurzem der Herr Bundeskanzler mit seinen Ratschlägen geliefert – und es sind Schläge, Schläge ins Gesicht, vor allem in das der Frauen. Begonnen hat er ja schon letztes Jahr: Na ja, wenn es nicht mehr weitergeht, dann nehmt halt Alkohol oder Psychopharmaka – die helfen. Jetzt hat er gemeint, ein McDonaldʼs-Besuch soll die Antwort auf die Verarmung von ganzen Gesellschaftsschichten


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Österreichs sein. (Bundesrat Schreuder: Aber die Taliban besuchen! – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Frauen, die in Teilzeit arbeiten, gilt es wertzuschätzen und zu respektieren für das, was sie täglich leisten. Sie führen neben dem Beruf den Haushalt, betreuen die Kinder, pflegen Familienangehörige und vieles mehr. Wie gesagt, Herr Bundeskanzler, Sie sollen die Arbeit und die Leistung der Frauen schätzen und nicht einen Ratschlag geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann kommt er noch mit solchen Tipps wie: Wissts eh, was die billigste warme Mahlzeit in Österreich ist? Da ruft einer rein: eine Leberkässemmel! Dann sagt er: Nein, gehts zum McDonaldʼs, das kostet nur 3,40 Euro. – Also das ist wirklich eine Verhöhnung der Frauen. (Bundesrat Gfrerer: Du hast nicht alles gesagt!)

Geschätzte Damen und Herren, es spiegelt vielleicht die Politik der ÖVP wider, was der Herr Bundeskanzler da im engsten Kreis gebracht hat, aber kommen wir zurück zum Tagesordnungspunkt (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP): Herr Staatssekretär, die 150 Millionen Euro sind eindeutig zu wenig. Auch der Städte- und Gemeindebund sind dieser Meinung. Da können Sie ruhig lächeln. Sie wissen das und Sie werden auch das bereits sinkende Schiff verlassen. Sie gehen ja zurück nach Innsbruck, und da werden Sie sehen, wie wenig Sie umsetzen können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Es wurde auch angesprochen, dass einerseits das Geld zu wenig ist, andererseits muss es auch verordnet werden, damit das wirklich dann auch nach Zeitplan umgesetzt wird, damit die Gemeinden garantieren können, dass es 2024 keine Erhöhungen gibt. Die Gemeindeaufsicht muss drüberschauen, und da wir schon gesehen haben, wie die Regierungen arbeiten, wird das wahrscheinlich auch nicht funktionieren. (Bundesrat Buchmann: Für das, dass du zustimmst, redest du aber ziemlich dagegen!)


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Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist für mich ein weiteres Beispiel, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, eine vernünftige Lösung umzusetzen. (Bundesrätin Miesenberger: Aber trotzdem stimmt ihr zu!) Die schwarz-grüne Bundesregierung hat es zu verantworten, dass der Wohlstand und die soziale Sicherheit der Österreicher zerstört werden, immer mehr Menschen in die Armut getrieben werden und auch immer mehr Gemeinden zu Abgangsgemeinden und zu Bittstellern werden, weil diese Regierung bei der Bekämpfung völlig versagt.

Geschätzte Damen und Herren, die Bevölkerung hat genug von Ihrer Politik. Es reicht – Neuwahlen so rasch wie möglich! (Beifall bei der FPÖ.)

11.33


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber.


11.33.55

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Diese Gebührenbremse, die wir bei diesem Tagesordnungspunkt debattieren, ist selbstverständlich ein Baustein im Antiteu­erungspaket der schwarz-grünen Bundesregierung.

Im Kampf gegen die Teuerung hat die Bundesregierung einerseits auf kaufkraft­stützende Maßnahmen und andererseits auf preissenkende Maßnahmen gesetzt. Ich möchte an dieser Stelle an die Senkung der Energieabgaben, die Strompreisbremse oder die Aussetzung der Ökostrompauschale erinnern.

Eine dringliche Empfehlung der Wirtschaftsforschungsinstitute war, im Kampf gegen die Teuerung dort anzusetzen, wo der Bund, die Länder und die Gemeinden unmittelbar etwas tun können, nämlich bei den Gebühren. Und genau das machen wir.


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Im Bund haben wir bereits im vergangenen Jahr eine Gebührenbremse für Bundesgebühren eingeführt, das sind beispielsweise die Gebühren für Reisepässe, Kfz-Zulassungen oder Baugebühren, und auch der Preis für das Klimaticket – ein Erfolgsmodell, wie wir schon gehört haben, wenn es um leistbare Mobilität geht – wird selbstverständlich nicht erhöht.

Es gibt aber auch Gebühren, die die Gemeinden ihren Bürgerinnen und Bürgern vorschreiben müssen, und genau an diesem Punkt setzen wir heute an. Die Gemeinden selbst hatten nämlich in der Vergangenheit die Gebühren zum Teil in einem sehr beträchtlichen Ausmaß erhöht. In meiner Heimatgemeinde beispielsweise sind 2023 die Gebühren für Kanal, Wasser und Müll um 10,6 Pro­zent erhöht worden. Genau solch überschießenden Mehrbelastungen kann man nun mit der Gebührenbremse entgegenwirken, und genau das machen wir heute.

150 Millionen Euro bekommen die Gemeinden über die Länder. Für mein Heimatbundesland, die Steiermark, ist mit rund 21 Millionen Euro zu rechnen. Die Regelung der konkreten Details, wie diese Mittel verteilt werden, wie diese Gebührenbremse ausgestaltet wird, obliegt nun den Ländern. Ich erwarte mir beispielsweise von der steirischen Landesregierung, dass da mit entsprechendem Augenmaß vorgegangen wird und die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel auch zielgerichtet eingesetzt werden. (Bundesrat Kornhäusl: Ganz sicher!)

Transparenz und Kontrolle sind selbstverständlich auch ein wichtiger Punkt. Um für größtmögliche Transparenz zu sorgen, müssen einerseits die Länder über die Verwendung der Mittel an den Bund berichten, andererseits müssen die gesenkten Gebühren auch auf einer öffentlichen Website einseh­bar sein.

Abschließend möchte ich noch sagen: Diese Gebührenbremse, die wir heute beschließen, ist selbstverständlich nur Teil eines Bündels an Maßnahmen der Bundesregierung. Es sind viele kleine Bausteine, auf die wir im Kampf gegen die Teuerung setzen, die in Summe dazu beitragen, dass die Preise nicht mehr so


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stark steigen. Daher bitte ich auch um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

11.37


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Florian Tursky. – Bitte sehr.


11.37.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, insbesondere auch sehr geehrte Bürgermeister und Bürgermeisterinnen hier im Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, die Teuerung und auch die Inflation haben Österreich nach wie vor fest im Griff. Trotzdem ist es Ihnen gemeinsam mit der Bundesregierung bereits gelungen, zahlreiche Etappensiege auf diesem Weg gegen die Teuerung zu erzielen. So ist es uns allen gemeinsam gelungen, auch die Inflation in Österreich von anfänglich 11 Prozent zu Beginn dieses Jahres auf 6,1 Prozent, wie es jetzt im September sein wird, zu drücken. (Bundesrat Schachner: Die höchste im Euroraum!)

Die Maßnahmen sind teilweise große Räder, wie die Abschaffung der kalten Progression – diese wurde jahrzehntelang eingefordert, dann haben wir es endlich gemacht – und auch die Valorisierung der Sozialleistungen, die hier auch bereits ausgeführt worden ist. Es sind aber auch Gesetze und Beschlüsse gewesen, mit denen wir ganz gezielt auf einzelne Aspekte der Teuerung einge­gangen sind, wie die Strompreisbremse; auch diese wurde heute schon erwähnt.

Es braucht aber auch kleine Schrauben, an denen man dreht, es braucht auch die sogenannten Mosaiksteine, von denen heute schon etwas verniedlichend gesprochen wurde. Ich glaube aber, es gilt wirklich, bei der Teuerung – und dazu ist die österreichische Bundesregierung fest entschlossen – an allen Rädern und allen Schrauben zu drehen, so auch bei den Gebühren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Wir als österreichische Bundesregierung haben uns gemeinsam mit Ihnen dazu entschlossen, Bundesgebühren ganz gezielt nicht zu erhöhen; Sie alle waren dabei. Es sind eben auch die kleinen Dinge, die es dann ausmachen, sei es die nicht erfolgte Gebührenerhöhung beim Reisepass, sei es die nicht erfolgte Gebührenerhöhung beim Führerschein oder sei es zum Beispiel jetzt auch die Aussetzung der Erhöhung der Kosten für die Jahresvignette. Sie wissen, der Preis hätte sich ja eigentlich von 96 auf 110 Euro erhöhen müssen, wozu wir ganz gezielt gesagt haben: Nein, das soll nicht sein, wir frieren diese Kosten auch ein. Das alles geschieht, obwohl natürlich die Teuerung und die Mehrkosten auch den Bund treffen, wie etwa die Gehälter im Bund, natürlich auch die Kosten, die Produktionskosten. Genau das Gleiche trifft natürlich auch auf die österreichischen Gemeinden zu.

Die österreichischen Gemeinden haben mit der Teuerung zu kämpfen, deshalb bin ich sehr froh, dass es uns und dem Herrn Finanzminister gelungen ist, in den vergangenen Tagen eine Grundsatzeinigung für einen zukunftsfähigen Finanzausgleich zu treffen, der genau auf das eingeht, was Sie heute gefordert haben, nämlich die steigenden Kosten für die Gemeinden gerade im Gesundheitsbereich und in den großen Zukunftsfragen mit dem Zukunftsfonds abzufedern und eine langfristige, zukunftsgerechte Finanzierung der österreichischen Gemeinden und der Bundesländer zu gewährleisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Bundesrat Reisinger: Nie und nimmer! – Weitere Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Wir brauchen aber nun auch die kurzfristigen Mechanismen und die kurzfristigen Instrumente, damit wir es den österreichischen Gemeinden ermöglichen, die Gebühren möglichst nicht zu erhöhen. Das haben wir in Form eines Zweckzu­schuss­gesetzes, das über 150 Millionen Euro vorsieht, gemacht. Ja, es wird nach Volkszahl aufgeteilt, und ja, es ist den österreichischen Bundesländern dann auch überlassen, genaue Mechanismen festzulegen, denn so funktio­niert Österreich eben. Es mag vielleicht einigen bei der SPÖ nicht schmecken,


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aber Österreich ist nun einmal föderalistisch und subsidiär aufgebaut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.  Bundesrätin Schumann: Genau!)

Das heißt, jeder macht halt einmal das, was er am besten kann. (Bundesrätin Schumann: Oje, bitte nicht! – Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Das ist das subsidiäre Prinzip. (Bundesrätin Schumann: Oje, oje! – Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Vielleicht funktioniert Wien nicht danach, aber die anderen österreichischen Bundesländer funktionieren sehr gut danach. Das ist das subsidiäre Prinzip: Die Gemeinden kümmern sich um das, was sie am besten können. Die Länder und auch die Bundesregierung kümmern sich um das, was sie am besten können. (Bundesrätin Hahn: Sieht man das als Bürgermeister genauso?) Deshalb ist das der richtige Weg, um der Teuerung auch bei den Gebühren der Gemeinden entgegenzutreten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

11.41


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Michael Wanner. – Bitte.


11.42.06

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär, es ist ein bisschen schwer, nach Ihnen zu reden. (Staatssekretär Tursky: Das passiert öfter!) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aber vor allem alle, die uns hier zusehen! Gebührenbremse – ja eh, aber da haben Berge gekreißt, und herausgekommen ist ein Mauswurf. (Bundesrat Himmer: Da reden wir aber von Wien!)

Seien Sie mir nicht böse: 150 Millionen Euro, und jeder Bürger ist da mit 16, 17 Euro dabei – gratuliere, echt! Da werden wir schauen, dass wir unsere Gebühren herunternehmen, zumal die ja nur für Gemeindegebühren sind. Stromunternehmer oder andere, die privatwirtschaftlich unterwegs sind, dürfen da ja nicht profitieren. Es geht um Wasser, es geht um Kanal, es geht um Müll


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und es geht um Einrichtungen der Gemeinden. Die Ausgestaltung liegt bei den Ländern. Ich finde das echt klass.

Gestern hatten wir in Salzburg Landtagssitzung, da ging es um die Aus­gestaltung der Zweckzuwendung für Strom, Gas, Heizung, Wohnen an die Länder. Das Land Salzburg hat es geschafft, von 42 Millionen Euro 20 Millionen nicht zu verbrauchen. – Gratuliere! Wenn das bei uns in Salzburg so weitergeht, dann gute Nacht für Ihr Modell. Ich weiß nicht, wie es in anderen Bundesländern ausschaut, bei uns sind da die Schwarzen am Werk.

Ich sehe, dass seitens der schwarzen Landesregierung, aber auch seitens der schwarzen Bundesregierung mit diesen 16 Euro nicht wirklich Interesse besteht, den Menschen, der Bevölkerung zu helfen. Ihr seid immer dabei, wenn es darum geht, über Konzerne und Unternehmen das Füllhorn auszuschütten, aber wenn es um die Leute geht, seid ihr mit 16 Euro im Jahr dabei. – Gratuliere! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss aber auch noch etwas zu meinen – unter Anführungszeichen – frei­heitlichen „Freunden“ sagen. (Bundesrat Spanring: Wir sind keine ...!) Langsam, langsam! Wenn Herr Leinfellner da fast tränenreich berichtet, wie schlecht es den Menschen geht, dann gebe ich ihm recht. Es geht ihnen schlecht. Jetzt aber die Frage: Warum stimmt die Salzburger Landesregierung gegen einen Heiz­kostendeckel, gegen die Gaspreiserhöhung? – Meine Freunde und Freundinnen, wir haben 100 Prozent Gaspreiserhöhung in Salzburg, und die Landesregierung in Salzburg, inklusive der Freiheitlichen, stimmt dagegen. Wo sind wir denn?! (Beifall bei der SPÖ.)

Es kommt noch schlimmer. Auf die Frage, wie sich das der Mensch leisten soll, kommt vom freiheitlichen Landesrat Pewny: Dann sollen sie halt zur Caritas gehen. (Bah-Rufe bei der SPÖ.) Also das ist ja wohl tief, das ist wirklich tief.

Zum Finanzausgleich: Auch da wurde meines Erachtens eine Maus geboren. 2,4 Millionen Euro für das Gesundheitswesen sind mehr als notwendig. (Ruf bei


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der ÖVP: Milliarden!) – 2,4 Milliarden, danke. 2,4 Milliarden Euro sind für die Krankenhäuser dringend notwendig. (Bundesrat Schreuder: Kleiner Unterschied, ja! Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, Milliarden, passt schon. – Eine flächen­deckende Gesundheitsvorsorge in den Bezirken draußen wird nicht angegangen. Die 1,1 Milliarden Euro in einen Zukunftsfonds zu stecken, das ist ja wohl lachhaft. Der darf nicht Zukunftsfonds heißen, das ist das Versäumnispackerl der ÖVP der letzten Jahre. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.46 11.46.27


Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

11.47.045. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG) geändert wird (3546/A und 2194 d.B. sowie 11300/BR d.B.)


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Ich bitte um den Bericht.


11.47.34

Berichterstatter Mag. Franz Ebner: Ich bringe den Bericht des Finanz­aus­schus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Energiekrisen­beitrag-fossile Energieträger geändert wird.


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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster. – Bitte.


11.48.19

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Tursky! Werte Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Hohe Fixkosten, getrieben durch ins Extrem gestiegene Energiepreise, aber auch Mitnahmeprofite haben die Teuerung auf allen Ebenen vorangetrieben. Die Menschen in Österreich mussten und müssen tief in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten begleichen zu können.

Nicht wenige sind dadurch in ernste finanzielle Bedrängnis gekommen und in Armut oder in die Armutsbedrohung gerutscht. Auf der anderen Seite gab es die wenigen, die davon reichlich profitierten und unverschämt hohe Profite einfuhren. Die Sozialdemokratie hat die Teuerung oftmals zum Thema gemacht, aber – wie kann es auch anders sein – unsere Vorschläge fanden kein Gehör. Ein Miteinander ist unerwünscht, wenn es von der Opposition ausgeht. (Beifall bei der SPÖ.)

Tatsache aber ist, die Regierung hat Krisengewinne in Milliardenhöhe zulasten der Menschen in Österreich in großem Umfang zugelassen, wenn nicht sogar gestützt. Ob Unfähigkeit oder Klientelbedienung dahintersteht, lasse ich offen. Die politische Steuerung hat jedenfalls weitgehend versagt. Die eingesetzten Instrumente zur Regulierung kamen zu zögerlich beziehungsweise waren wenig


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treffsicher oder handwerklich schlecht ausgeführt. Vielfach waren sie aber auch einfach nicht dazu geeignet, die privaten Haushalte nachhaltig zu entlasten.

Die Regierung griff mit Direkthilfen medienwirksam den Bürgerinnen und Bürgern gönnerhaft unter die Arme, ohne dabei mit der massiven Inflation mithalten zu können. Bei der steigenden finanziellen Belastung der Haushalte verpuffte das Geld schnell. Übrig blieb bei vielen eine prekäre Situation. Für viele wurde es zur Realität, jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen.

Auf den Punkt gebracht: Viele Haushalte mussten und müssen sich zwischen warmer Wohnung und gesundem Essen entscheiden. Viele sprechen am Ende des Monats von Toastbrot-, Reis- und Nudeltagen, weil sich sonst nichts mehr ausgeht. In einem reichen Land wie Österreich ist das einfach nicht tragbar. Dann haben wir einen verantwortlichen ÖVP-Kanzler, der in seiner politischen Freundesgruppe den Frauen, Männern, Sozialpartnern und so weiter die Ver­antwortung in die Schuhe schiebt. Das Video spricht für sich, es zeigt das Sittenbild der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Energiekrisenbeitrag: Ähnlich wie bei den Stromversorgern ist auch da eine Nachschärfung notwendig. Die Bemessungsgrundlage für den Energiekrisen­beitrag bei fossilen Energieträgern wird für das Jahr 2023 von 20 Prozent auf 10 Prozent herabgesetzt. Liegt der steuerpflichtige Gewinn um mehr als 10 Prozent über dem berechneten Durchschnittsbetrag der Jahre 2018 bis 2021, wird eine Versteuerung von 40 Prozent fällig.

Es stellt sich die Frage: Warum kommt das Ganze jetzt? Wahrscheinlich bleiben die Einnahmen unter den Erwartungen der Regierungsparteien. Wissen tun wir es nicht, denn es werden keine Zahlen kommuniziert, das ist alles noch in Arbeit. Nachschärfungen ohne Zahlenwerk: Was ist die Basis? Wo sind die Grundlagen zur Entscheidungsfindung? – Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, so geht das nicht!


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Im Nationalrat wurde davon gesprochen, dass die Übergewinne zurückgehen, alle Maßnahmen richtig gesetzt wurden, dass es für die Bürgerinnen und Bürger gar nicht besser laufen könnte. Die Vertreter und Vertreterinnen der Regie­rungsparteien werden wie bereits im Nationalrat auch hier im Bundesrat die Lobeshymne auf die großartige Bundesregierung anstimmen (Ruf bei der ÖVP: Zu Recht!): Alles richtig gemacht und quasi unfehlbar. – Meine Oma pflegte immer zu sagen: Eigenlob stinkt. Und hier stinkt es gewaltig. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Kornhäusl: Na!)

Es ist ein Leichtes, die gerechte Besteuerung von Übergewinnen zu unterlaufen. Von einer türkisen ÖVP, die die Spaltung der Gesellschaft in arm, unterpri­vi­legiert und reich, privilegiert vorantreibt, ist genau so eine lasche Gesetzgebung zu erwarten gewesen. Steuersenkungen und Konzernwohlfahrt für die Reichen und ungesunde Hamburger mit Pommes für Kinder, deren Eltern zu den Verlierern der ÖVP-Politik zählen: Das ist eine Schande und gesundheitspolitisch eine Katastrophe. So kann und darf Zukunft nicht gehen! Wie geht es euch Grünen dabei?

Die SPÖ hat die Einführung des Energiekrisenbeitrages für fossile Energieträger von Anfang an als völlig unzureichend abgelehnt. Auch die jetzige Nach­schärfung kommt zu spät und erfüllt nicht das, was wir unter einem gerechten Krisenbeitrag verstehen. Die SPÖ hat in ihrem eigenen Modell eine Abschöpfung von 100 Prozent der Übergewinne gefordert und dabei bleiben wir. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Hat die Oma nicht gesagt, dass Eigenlob stinkt?)

11.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Lassnig. – Bitte.


11.55.00

Bundesrätin Sandra Lassnig (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Liebe


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 110

Zuseher und Zuhörer! Ja, die Bundesregierung hat in den vergangenen einein­halb Jahren schnell, zielgerecht und langfristig mit zahlreichen Maßnahmen unterstützt. Ziel war es, den Menschen zu helfen, sie steuerlich zu entlasten und die Inflation zu bekämpfen. Uns ist vieles gelungen und wir haben vieles geschafft, obwohl das vielen hier herinnen noch immer nicht bewusst ist beziehungsweise viele es noch immer nicht wahrhaben wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben die Kaufkraft erhalten und sogar erhöht. Mit der Abschaffung der kalten Progression wurde eine große Ungerechtigkeit unseres Steuersystems beseitigt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Bravo!) Diese schleichende Steuererhöhung wurde jahrzehntelang diskutiert und ist jetzt eben endlich Geschichte. Das letzte Drittel der kalten Progression kommt sowohl den Erwerbstätigen als auch Familien zugute, und damit werden gezielt Leistung, Kinder und Familien gestärkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Inflation lag noch vor einem Jahr bei circa 10 Prozent. Nach den neuesten Schätzungen sind wir jetzt bei 6,1 Prozent. Das bedeutet allein im Vergleich zum letzten Monat einen Rückgang von 1,3 Prozent. Damit haben wir die geringste Teuerungsrate seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022.

Auch die Stromkostenbremse wirkt und bringt den Menschen bis 2024 eine Entlastung in der Höhe von 3,8 Milliarden Euro. All das beweist, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Und so setzen wir unsere Politik der Entlastungen im Sinne von Land und Leuten auch weiterhin fort. Die hohen Energiekosten sind ein maßgeblicher Treiber der Inflation in allen Wirtschaftssektoren. Die Weltmarktpreise für fossile Energieträger sind gesunken und diese niedrigen Preise sollen auch bei den Endkunden ankommen. Das ist das Ziel unserer Bundesregierung und


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deshalb gibt es diese Gesetzesänderung. Im Herbst 2022 wurde die Zufallsge­winnabschöpfung eingeführt, im Mai kam die Verschärfung bei den Stromversorgern hinzu. Und nun gilt auch für die fossilen Energieversorger eine Gewinnabschöpfung. Darüber hinaus wurde bisher nur ein Zufallsgewinn abgeschöpft, wenn er 20 Prozent über dem Durchschnittsgewinn des vergan­genen Jahres lag, und dies soll sich zukünftig ändern und bereits ab 10 Prozent gelten.

Die Bundesregierung setzt weiterhin auf einen Gebührenstopp, wie es auch schon der Staatssekretär gesagt hat. Ein Teil der Einnahmen von der Gewinnabschöpfung geht in die Gemeinden, diese werden mit 150 Millionen Euro unterstützt, um die kommunalen Gebührenerhöhungen bei Abwas­ser und Müll zu verhindern. Nach der schon im Frühjahr beschlossenen Ausset­zung der Bundesgebühren werden, wie auch schon erwähnt, auch im kommenden Jahr die Preise für das Klimaticket und die Autobahnvignette nicht erhöht werden.

Unsere Regierung setzt den Weg der Entlastungen in schwierigen Zeiten konsequent fort und wir sind und bleiben ein starker Partner der Bevölkerung im Kampf gegen die Teuerung und für die Entlastung. Wir glauben an unser Österreich. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Himmer: Bravo!)

11.59


Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Markus Steinmaurer. – Bitte.


11.59.12

Bundesrat Markus Steinmaurer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen im Bundesrat! Geschätzte Zuschauer hier im Bundesratssaal! Werte Zuseher vor den Bildschirmen! Im Wesentlichen geht es bei dieser Gesetzesänderung um die Bemessungsgrundlage, die auf 10 Prozent gesenkt werden soll. Somit wird bei einem Übergewinn ab


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 112

10 Prozent die Abgabe fällig. Begründet wird das mit den gesunkenen Weltmarktpreisen und mit einer hohen Raffineriemarge.

Wir haben bereits 2022 eine Gewinnabschöpfung von Gas- und Ölunternehmen abgelehnt. Ebenso haben wir die gesetzliche Grundlage für die Gewinn­abschöpfung von Stromkonzernen abgelehnt. In den Änderungsanträgen fehlte uns damals die Abschätzung der budgetären Auswirkungen beziehungsweise eine genaue Einnahmenaufstellung; uns war die Schätzung von Minister Brunner mit 2 bis 4 Milliarden Euro zu ungenau.

Diese Gesetzesänderung hilft nur dem Finanzminister mit zusätzlichen Einnah­men. Die Energiekunden haben den Konzernen diese Übergewinne ermöglicht – und jetzt kommt der Finanzminister und holt sich dieses Geld. Die betroffenen Energiekunden gehen wieder einmal leer aus. Die Manager der Energiekonzerne sind sicher schlauer als unsere Bundesregierung und werden die Bilanzen anhand der Gesetzesänderung neu beziehungsweise abgeän­dert erstellen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Für das Jahr 2022, in dem die Preise explodiert sind, konnten die Stromkonzerne ohnehin die Gewinne behalten, da das Gesetz erst mit dem Stichtag 1. Dezem­ber 2022 in Kraft trat.

Ein ganz wesentlicher Grund für unsere Ablehnung ist, dass die erhöhten Einnahmen – in welcher Höhe auch immer – nicht zweckgebunden sind und damit ins allgemeine Budget fließen. Die zusätzlichen Erlöse sollten doch zweckgebunden sein.

Eine sinnvolle Investition wäre zum Beispiel, die Finanzmittel aus der Gewinnab­schöpfung in den Stromnetzausbau im ländlichen Raum zu investieren, wo das bestehende Leitungsnetz bis zu 50 Jahre alt ist. Ein weiteres Argument für eine Zweckbindung der zusätzlichen Finanzmittel ist, dass die PV-Anlagen vom Bund gefördert werden, aber der erzeugte Strom nicht eingespeist werden kann, weil das Stromnetz dafür nicht geeignet ist. Da wird eine 10-kWp-PV-


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Anlage vom Ministerium mit rund 2 500 Euro gefördert und der erzeugte Strom kann nicht eingespeist werden, weil vom Netzbetreiber eine Einspeisebe­grenzung erteilt wurde. Weiters gibt es bei uns am Land nur vereinzelt Trafos, die geeignet sind, Stromeinspeisungen von Fotovoltaikanlagen zuzulassen.

Wir stimmten im Mai 2023 der Verschärfung, durch die die Obergrenzen der Absetzbeträge herabgesetzt wurden, zu. Bisher wurde der Zufallsgewinn ja bei 20 Prozent abgeschöpft, jetzt ist dies ab 10 Prozent geplant. Grundsätzlich geht uns diese geplante Gesetzesänderung zu wenig weit. Die Mehreinnahmen aus der Gewinnabschöpfung gehen zum Finanzminister und nicht zum Kunden. Das alles sind Fakten, mit denen wir als FPÖ nicht einverstanden sind. Daher lehnen wir als FPÖ-Fraktion die in diesem TOP 5 diskutierte Gesetzesänderung ab. (Beifall bei der FPÖ.)

12.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


12.03.19

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Viele hatten es nicht für möglich gehalten, dass es gelingt, mittels eines doch massiven Markteingriffes beziehungsweise Eingriffes in die Gewinngebarung der betroffenen Energieunternehmen deren Gewinne kräftig abzuschöpfen. Das müsste die einen ja freuen, täte man meinen, nichtsdestotrotz stimmt die SPÖ nicht zu. Sie fordern ja immer wieder Markt­eingriffe – nun werden diese umgesetzt, und zwar sehr kräftig, und dann ist es auch nicht recht. Die anderen haben immerhin eingesehen, dass die Gewinnentwicklung von Energieunternehmen in den letzten Jahren bei gleichzeitiger Preiseskalation schlicht und einfach Marktversagen bedeutet. Vor allem war und ist es auch eine sozial- und wirtschaftspolitisch unerträgliche Situation.


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Es wurden und werden nach wie vor in Energieunternehmen sehr hohe Gewinne gemacht, ohne dafür etwas Besonderes geleistet zu haben. Diese Gewinne würden an Aktionäre ausgeschüttet, die ebenso nichts für ihr Zusatzgeld beige­tragen haben; deswegen ist ja auch von Zufallsgewinnen die Rede. Es ist daher nur recht und billig, wenn die Profiteure der Krise, auch wenn keine dezidierte Absicht dahintersteckt – das wird auch nicht behauptet –, einen Beitrag zur Finanzierung der sozialpolitischen Ausgleichsmaßnahmen leisten.

Einen Aspekt dieser Gegenfinanzierung haben wir im vorhergegangenen Tagesordnungspunkt diskutiert, nämlich die Direktunterstützung der Gemeinden zur Dämpfung allfälliger Gebührenerhöhungen.

Es geht bei dieser Maßnahme keineswegs nur um Symbolpolitik, ganz und gar nicht. Bei den betroffenen Unternehmen werden 40 Prozent der durch die Krisen entstandenen Mehrgewinne abgeschöpft. Es geht – wohlgemerkt – um fossile Unternehmen. Bisher wurden alle Gewinne eingerechnet, die im Referenzzeitraum 2020 bis 2021 über 20 Prozent gelegen sind. Wir haben es gehört: Diese Schwelle wird – richtigerweise, weil die Weltmarktpreise sinken – auf 10 Prozent abgesenkt. Alle Gewinne, die um mehr als 10 Prozent höher als im Vergleichszeitraum sind, werden durch dieses Gesetz zusätzlich mit 40 Prozent abgeschöpft. Warum zusätzlich? – Weil der Krisen­beitrag nicht KöSt-abzugsfähig ist. Diese kommt mit 24 Prozent dazu. Das heißt, krisenbedingte Zufallsgewinne von Unternehmen, die mit Fossilen­ergieträgern handeln oder diese verarbeiten, werden – zusammengezählt – mit insgesamt 64 Prozent besteuert.

Im Übrigen sollte es Sie, Frau Kollegin Lancaster, auch freuen, dass die Weltmarktpreise sinken. Natürlich war das so, dass die genauen Abschöpfsum­men nicht vorhersehbar waren, weil in diesem Zeitraum die Preise am Weltmarkt extrem volatil und nicht vorherzusagen waren – das sollten Sie wissen.


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Ich möchte an den zweiten Teil dieses Gesetzes erinnern, der heute nicht geändert wird: Der Energiekrisenbeitrag-Strom bleibt unverändert. Da werden 90 Prozent der Erlöse abgeschöpft, die über den Strompreis von 12 Cent hinausgehen, das ist schon kräftig; und ich möchte an dieser Stelle bemerken, wenn immer wieder seitens der Opposition permanent lamentiert und behauptet wird, es würde nichts geschehen, dass das einfach nicht stimmt, auch wenn Sie das immer wieder wiederholen. Es passiert extrem viel im ganzen Energiebereich. Da können Sie beim Budgetdienst nachfragen oder bei der Österreichischen Energieagentur. Die Hilfsmaßnahmen, die gesetzt worden sind, decken die gesamte Preiserhöhung ab. Es gibt eine volle Kompensation, plus zusätzlich Hunderte Millionen an Förderungen, um selbst zu Hause Maßnahmen zu setzen. Ich habe es schon oft erwähnt: Über das BMK wird der Aus­tausch von Heizungen für einkommensschwache Haushalte bis zu 100 Prozent finanziert. – 100 Prozent! Das können also alle machen, das ist wirklich eine nachhaltige Preissenkung.

Ein anderes Beispiel: Einkommensschwachen Haushalten werden die Kosten für Geräte der Weißware, also besonders viel Strom verbrauchende Geräte wie Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen, ebenfalls zu 100 Prozent ersetzt. Es gäbe jetzt noch eine lange Liste von Unterstützungs- und Hilfsmaß­nahmen, die gesetzt worden sind.

Weil es gerade von der SPÖ gekommen ist – man darf auch im eigenen Bereich hinschauen –: Es wäre nicht notwendig, dass die Wien-Energie die Fern­wärmepreise um 100 Prozent erhöht! Anderswo, bei anderen politischen Zuständigkeiten sieht das anders aus, in Oberösterreich zum Beispiel, wo der zuständige Landesrat der Grünen entsprechend interveniert hat und die Preiserhöhung irgendwo bei 10 Prozent gelegen ist. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Schumann: ... ein bissl eine andere Situation ...!)

Für die Unternehmen wurde ein weiterer wichtiger Anreiz eingebaut. (Bundesrätin Grimling: SPÖ-Bashing! – Bundesrätin Schumann: SPÖ-Bashing permanent!) Wenn sie nämlich in die Reduktion des Energieverbrauchs, in


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erneuerbare Energieträger investieren, können sie einen Teil dieses Abschöp­fungsbeitrags – maximal 17,5 Prozent – dafür verwenden.

Übrigens liegt Österreich mit diesen Maßnahmen deutlich über den EU-Mindestvorgaben. Andere Länder wie Deutschland oder Schweden haben auf fossile Energieträger überhaupt keine Zufallsgewinnsteuer eingeführt.

Warum die SPÖ da nicht mitgeht, erschließt sich mir nicht. Mir kommt es schon ein bisschen so vor – Sie haben es eh ähnlich ausgesprochen –: Ja, jetzt haben wir 90 Prozent, wir stampfen aber trotzig auf den Boden, weil wir 100 Prozent wollen! – Gut, Sie müssen das Ihren Leuten erklären, warum Sie es vorziehen, einfach lieber nichts zu bekommen.

Genauso bei der FPÖ – bei Ihnen sind wir es allerdings gewohnt, dass sich Ihre Entscheidungen jeglicher Rationalität entziehen –: Sie reden zwar immer vom berühmten kleinen Mann, aber wenn es darauf ankommt, ist es Ihnen offenbar egal, dass Energieunternehmen extrem hohe Gewinne einfahren – sollen sie so weitermachen! (Beifall bei den Grünen.)

Jedenfalls ist mit diesem Gesetz ein Meilenstein gesetzt und ein Signal in die Zukunft, dass überzogene Gewinne abgeschöpft werden können. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Michael Bernard zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


12.10.31

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal und vor den Bildschirmen! Es steht nicht viel fest bei diesem Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag, aber eines bestätigt sich auch bei diesem Gesetz: Diese Bundesregierung ist unfähig, unser Heimat­land zu regieren. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)


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Ich weiß nicht, ob Kollegin Lassnig in unserem Land, in unserem Österreich lebt, aber sie hat irgendetwas von schneller, zielgerichteter Entlastung gesprochen. (Bundesrat Kornhäusl: Die hat das super gemacht!) Also wir wissen nichts davon. Auch verstehe ich nicht, weshalb man es bejubeln sollte, dass die Inflation jetzt von 10 Prozent auf 6,1 Prozent gefallen ist. (Bundesrat Buchmann: Wo sie recht hat, hat sie recht!) Wer hat sie denn auf 10 Prozent gebracht? Warum sind wir denn Spitzenreiter gewesen? – Das war das Versagen dieser Bundesregierung! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Gfrerer und Schumann.)

Wenn ihr dann auch noch sagt, dass ihr ja großartigerweise die Preise für die Autobahnvignette nicht erhöht habt, dann frage ich mich: Wie wäre es denn mit dem Nichteinführen der CO2-Besteuerung gewesen oder zumindest mit einem Stopp, dass man sagt, man nimmt das einstweilen zurück, oder mit der Rücknahme der NoVA und so weiter? Das wären Entlastungen! (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Bundesrat Gross! Permanent lamentieren und dann noch jenen sagen, die jetzt nicht wissen, ob sie für die eigenen Kinder ein warmes Essen zur Verfügung stellen können, so wie es die ÖVP vorschlägt oder ihr Häuptling, dass sie alle zu McDonaldʼs gehen - - (Bundesrat Schreuder: Davon haben wir ja gar nicht geredet! Es geht um 100 Prozent Ersatz für arme Haushalte! Hör halt gscheiter zu, na echt!) – Wenn du etwas zu sagen hast, dann kannst du herausgehen. Wenn nicht, dann halt den Mund und bleib sitzen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Volltrottel! –Bundesrat Schreuder: Ja, aber die FPÖ macht nie einen Zwischenruf, nie, never ever! Na echt jetzt, geh bitte, ist ja lächerlich! – Bundesrat Kornhäusl: Ein Rüpel! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

Wenn Kollege Gross von einer Homepage des Bundesministeriums berichtet, auf der angeblich steht, dass zu 100 Prozent die Heizungsumbauten bezahlt werden, dann soll er einmal schauen, ob da nicht irgendwelche Deckel vorgese­hen sind, sodass ab einem gewissen Betrag nicht die kompletten Kosten bezahlt werden.


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Gehen wir aber einmal zurück zum Ursprünglichen. Nicht einmal die Expertin im Ausschuss konnte auf meine Frage hin nachvollziehbar darlegen, wie es dazu kommt, dass es – wie vorhin von den Vorrednern angesprochen – statt den 4 Mil­liarden Euro des Krisensicherheitsbeitrags, der den Energieunternehmen abge­nommen werden soll, im laufenden Vollzug 79 Millionen Euro sind. Die ÖVP-Finanzminister haben es ja nicht so mit den Nullen, das haben wir schon beim Vorgänger Blümel erlebt. Ob es aber 79 Millionen Euro oder 790 Millionen Euro sind, wir sind da jedenfalls immer noch weit weg von den 4 Milliarden Euro. Auf jeden Fall wird das kaum mehr werden auf der fossilen Seite.

Auch wenn der zweite Teil des Krisensicherheitsbeitrags, der von den Energie­konzernen im Bereich Strom eingehoben wird, noch ausständig ist (Bundesrat Himmer: ... Preise höher ...!) – laut Expertin wird in Amerika der Durchschnitt als Basis herangezogen und der Beobachtungszeitraum läuft noch –, wird dieser Beitrag infolge der Ausnahmeregelungen, glaube ich, weit weg sein vom Budge­tierten.

Diese Bundesregierung sorgt wieder, wie auch bei vielen anderen Themen, nur für große Schlagzeilen, unternimmt aber nichts gegen die im letzten Jahr nahezu unverschämten Gewinne der Energieproduzenten.

Schon in der Bundesratssitzung am 21.12.2022 hatten wir dieses Gesetz auf der Tagesordnung, und schon damals habe ich in meiner Rede als Gewinner den Finanzminister und als Verlierer die österreichische Bevölkerung gesehen. Meine damalige Aussage lautete: „Wir Freiheitliche sind aber gegen diese Gewinnab­schöpfung, da wieder nur der eine Krisengewinner vom anderen profitiert. [...] Die leidgeprüften Betroffenen, die Bevölkerung geht in diesem Spiel natürlich wieder einmal leer aus.“ (Beifall bei der FPÖ.)

„Es ist auch davon auszugehen, dass das Management der Energiekonzerne schlauer als die österreichische Bundesregierung ist. Die würden wohl die ent­sprechenden Vorkehrungen in den Bilanzen treffen und nicht allzu viel an


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Übergewinnen ausweisen.“ – Jetzt, zehn Monate später, kann ich nur sagen: Alles, was wir damals angenommen haben, ist eingetreten.

Auch vor zehn Monaten haben wir Freiheitliche gefordert und beantragt, dass wir auf der Seite der Bevölkerung stehen, die Menschen in ihrem Über­lebenskampf unterstützen und versuchen, der von dieser unfähigen Bundesregie­rung angetriebenen Teuerungsspirale entgegenzuwirken, dass wir die Bevölkerung sofort entlasten, zum Beispiel damals durch die Halbierung oder gänzliche Streichung der Mehrwertsteuer.

Wenn es darum geht, die österreichische Bevölkerung zu entlasten, schießt die Bundesregierung bildlich mit Wattestäbchen auf die Energiekonzerne, dafür aber stetig mit Belastungsstreubomben auf die österreichische Bevölkerung. Die vielen freiheitlichen Vorschläge, nämlich, wie vorhin schon kurz erwähnt, die Aussetzung der Mehrwertsteuer, Preisdeckel auf Energie und Treibstoffe, gesetzliche Höchstpreise und so weiter, wurden mehrmals eingebracht, im Nationalrat und im Bundesrat, wurden aber seitens der Abgeordneten der schwarz-grünen Belastungskoalition immer wieder abgelehnt.

Stattdessen werden die Österreicher und die österreichischen Betriebe als Bittsteller gegenüber dem Staat behandelt und werden mit diversen Einmalzah­lungen, Energiezuschüssen und Rabatten abgespeist.

Ja, ich weiß, dass Sie die Wahrheit nicht gerne hören. Sie fürchten sich vor der Wahrheit wie der Teufel vor dem Weihwasser. Aber die von Ihnen in den bald 1 400 Tagen Ihrer unheilvollen Regierung maßgeblich verschuldete Teuerungs­welle, die die österreichische Bevölkerung überrollt, ist, und das wollen Sie wahrscheinlich nicht hören, zu einem großen Teil auf Ihrem eigenen Mist gewachsen (Ruf bei der ÖVP: Hallo! Was?), auf dem Mist dieser Einheitspartei und auf dem Mist derer, mit denen Sie sich am liebsten abgeben, unter anderem der Europäi­schen Union. (Beifall bei der FPÖ.)


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Ihre halsbrecherische und fanatische Politik der Energiewende, die Verteufelung von Öl, Gas und Kohle – man möchte fast sagen, über Nacht – führte zu einer von Ihnen gewollten Verteuerung der Energie, und das ist lange vor dem Krieg in der Ukraine passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch da haben Sie sich im Verbund der Europäischen Union wohlgefühlt und sich in die Abhängigkeit jener begeben, die die größten CO2-Schleudern auf dieser Welt sind: Stichwort China. Die Russlandsanktionen und die milliarden­teure Kriegstreiberei seien ebenfalls nebenbei erwähnt. Sie haben die Verantwortung für die eigene Bevölkerung längst abgegeben und sind unfähig, dieses Land zu regieren.

Anstatt unsere Werte des Westens mit heuchlerischer Scheinmoral zu verteidigen, machen Sie das, was die österreichische Bevölkerung durchatmen lässt und wirklich vom massiven Belastungsdruck befreit: Treten Sie, Herr Staatssekretär, geschlossen mit Ihren Bundesregierungskollegen zurück und sichern Sie der österreichischen Bevölkerung durch Neuwahlen eine lebenswerte Zukunft! (Beifall bei der FPÖ.)

12.19 12.19.08


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemel­det.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Bundesrat Steiner hebt die Hand.)


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Wir haben noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.

12.19.44 *****


12.19.49

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vize­präsident! Ihnen allen ist eh zugegangen, dass es heute eine Dringliche Anfrage seitens der Freiheitlichen Partei an den Herrn Bundeskanzler mit dem Titel „Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanz­ler?“ gibt. Wir hätten den Kanzler gerne dazu befragt. Wir verstehen allerdings, dass der Herr Kanzler krank ist, und wünschen ihm auf diesem Wege alles Gute. Ich habe auch gehört, Frau Staatssekretärin Plakolm ist krank – auch ihr wünsche ich von dieser Stelle aus alles Gute und beste Genesung.

Jetzt wäre als Nächster der Vizekanzler zuständig, eigentlich ist er noch vor der Frau Staatssekretärin die reguläre Vertretung. So steht es überall zur Vertretung des Bundeskanzlers drinnen: In parlamentarischen Fragen ist der Vizekanzler zur Vertretung des Bundeskanzlers berufen, also ist er zuständig zu vertreten. – Wie ich gehört habe, befindet sich der Herr Vize­kanzler in Österreich, will aber trotzdem nicht kommen.

Wenn wir in der Präsidiale zusammensitzen, die Roten, die Grünen, die Schwar­zen und ich, dann reden wir immer von der Wertschätzung des Bundesrates. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Schreuder: Dein Benehmen ist auch immer ganz toll ...!) Jetzt frage ich mich aber allen Ernstes, lieber Herr Kollege Kornhäusl und lieber Herr Kollege Schreuder von den Grünen: Ist es euch egal, dass eure eigenen Regierungsmitglieder mit dem Bundesrat verfahren, als ob das irgendeine Fußmatte von irgendeinem Ministerium wäre? Ist euch das wurscht?

Ihr redet von der Wertschätzung des Bundesrates. Ihr redet von der Außenwirkung des Bundesrates. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ja eine Rede! –


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Zwischenrufe bei den Grünen.) Eure Minister scheißen im wahrsten Sinne - - (Beifall bei der FPÖ. – Heftiger Widerspruch bei ÖVP und Grünen.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Fraktionsvorsitzender, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie jetzt schon bei einer normalen Rede sind – die natürlich auch jederzeit gehalten werden kann. (Bundesrat Steiner: Ja, ja, jetzt kommt ja noch mein Antrag!) Kommen Sie bitte zum eigentlichen Anliegen bezüglich der Geschäftsordnung! (Bundesrat Buchmann: Und die Wort­wahl gehört ...! – Ruf bei den Grünen: Und ein Ordnungsruf war ...! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ich werde mein Anliegen natürlich begründen müssen, sonst versteht es ja niemand – auch vor den Gästen, die wir hier herinnen haben –, Frau Vizepräsident.

Euch ist es völlig egal, wer da kommt, ob überhaupt jemand kommt. Wissen Sie, was der Oberskandal ist? – Es entschuldigt sich auch keiner. Es ist euch völlig wurscht. (Zwischenruf der Bundesrätin Jagl.) Heute in der Früh kriegen wir dann mit, der Kanzler kommt nicht, die Staatssekretärin kommt nicht, der Vizekanzler befindet sich zwar in Österreich, will aber nicht kommen. Hier herinnen sitzt dann immer nur ein Staatssekretär.

So wie diese Regierung mit diesem Bundesrat umgeht: Das ist gegen die Würde des Hauses, von der ihr alle immer sprecht! Das ist gegen die Würde des Hauses! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage es Ihnen mit aller Deutlichkeit: Wer so mit dem Parlamentarismus und mit der Demokratie umgeht, ist auch nicht würdig, länger als Vizekanzler, als Kanzler, als Minister oder als Staatssekretär für dieses wunderschöne Land tätig zu sein. (Bundesrat Buchmann: Was hat das jetzt mit der Geschäftsordnung zu tun?) Wo kommen wir denn überhaupt hin, wenn der Bundesrat jedes Mal betteln muss, dass ein Minister kommt?! (Bundesrat Kornhäusl: Was hat denn das bitte, bitte ...!)


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Deshalb stelle ich den Antrag nach § 37 Abs. 2, die Anwesenheit des Vizekanzlers bei unserer Dringlichen Anfrage zu beschließen.

Er hat jetzt noch 4 Stunden Zeit. Um 16 Uhr wird die Dringliche Anfrage aufge­rufen. Es ist verdammt noch einmal die Verpflichtung des Vizekanzlers, wenn der Kanzler verhindert ist, hier Rede und Antwort zu stehen. Schließlich geht es um die Republik und um die Zukunft in Österreich und nicht um irgendwelche Gschichtln, die der Vizekanzler irgendwo in Österreich zu erledi­gen hat. (Bundesrätin Jagl: Und der beantwortet dann die Frage, was die Grünen gegen den Kanzler in der Hand haben?!) Hier hat er Rede und Antwort zu stehen. Das ist seine Hauptaufgabe. Der Termin des Bundesrates ist seit über einem Jahr bekannt – nur zur Information. (Beifall bei der FPÖ.)

12.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weiters hat sich Frau Fraktionsvor­sitzende Bundesrätin Schumann zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.24.07

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Auch wenn ich mich der Ausdrucksweise des Fraktionsvorsitzenden Steiner nicht anschließen kann, ist es grundsätzlich völlig richtig: Es ist nicht erträglich, dass Entschuldigungen so spät kommen und dass der Vertretungslauf, in dem die Vertretung geplant und festgeschrieben ist, nicht eingehalten wird.

Ich kann das nur unterstützen: Es geht wirklich um die Wertschätzung des Bundes­­­rates, und diese Vorgangsweise ist unserem Bundesrat und unserer Arbeit nicht würdig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

12.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kornhäusl. – Bitte.



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12.24.39

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Werte Frau Präsidentin! Über die Wortwahl möchte ich mich jetzt nicht aus­lassen. Ich muss ganz ehrlich sagen, Christoph, das ist erschütternd. Du weißt, was meine Meinung dazu ist, und das bespreche ich gesondert. (Bundesrat Tiefnig: Das sind wir eh gewohnt! – Bundesrat Steiner: Nein, das besprechen wir nicht gesondert!)

Das ist auch keine Frage der Geschäftsordnung, sondern das ist eine Frage der Verfas­sung. Der Vizekanzler kann sich natürlich auch durch eine Staatssekretärin vertreten lassen. Ich verstehe gar nicht, worauf sich jetzt deine Aufregung bezieht (Bundesrat Steiner: Ja, wo ist er denn?), was die Wertschätzung anbelangt, weil der Vizekanzler immer, wenn es ihm möglich ist, da ist – genauso wie alle anderen Regierungsmitglieder da sind. (Bundesrat Steiner: Ja, wo ist der denn? Zur Geschäftsordnung!) – Ja, was zur Geschäftsordnung? Was willst du zur Geschäftsordnung sagen?

12.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesrat Steiner.


12.25.27

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Vizepräsident! Gerade hat sich Herr Kollege Kornhäusl hingestellt und gesagt, der Vizekanzler sei immer da. Den Termin gibt es aber seit einem Jahr, Herr Kornhäusl. (Bundesrat Kornhäusl: Die Verfassung ...!) Ihr lasst euch ja täglich von euren eigenen Ministern ad absurdum führen. Ihr sitzt hier herinnen.

Wenn das meine Minister sind, gehe ich hin und sage: Ja, wollt ihr mich verar­schen? (Bundesrat Kornhäusl: Ihr habt keine Minister! – Zwischenrufe bei den Grünen.) Ihr seid nie da, wenn Bundesrat ist, obwohl die Termine ein Jahr im Voraus fixiert sind! – Das ist das Problem, und da braucht man sie nicht zu ver­teidigen, und Herr Kogler ist nicht einmal entschuldigt. Wo ist er denn, der Herr Kollege, wo?

12.26 12.26.05



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegt in diesem Sinne ein Antrag auf Zitation des Herrn Vizekanzlers vor. Darüber lasse ich abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. – Dies ist die Stimmen­minderheit, abgelehnt.

12.26.256. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Urlaubsgesetz, das Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familien­zeitbonusgesetz geändert werden (3478/A und 2181 d.B. sowie 11296/BR d.B. und 11301/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird (2182 d.B. sowie 11302/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen zu den Tagesordnungs­punkten 6 und 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden. (Unruhe im Saal.)

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich bitte um die Berichte.


12.27.10

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Natio­nalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutter­schutzgesetz 1979, das Väter-Karenzgesetz, das Urlaubsgesetz, das


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Angestelltengesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 2021, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind folgende Änderungen im Mutterschutz­gesetz 1979 sowie im Väter-Karenzgesetz notwendig: Da geht es unter anderem um die Festlegung von zwei unübertragbaren Monaten des Elternurlaubs pro Elternteil. Es geht auch um die Normierung einer verpflichtenden schriftlichen Begründung der Ablehnung der aufgeschobenen Karenz und um Anpas­sungen der Regelungen über die Elternteilzeit an die Vorgaben der Richtlinie für flexible Arbeitsregelungen.

Des Weiteren sind auch Änderungen im Urlaubsgesetz notwendig, unter anderem in Bezug auf die Erweiterung des Personenkreises, für den eine Pflegefrei­stel­lung in Anspruch genommen werden kann.

Es sind zusätzlich auch Änderungen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch sowie Änderungen im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz notwendig.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 3. Oktober 2023 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich Sascha Obrecht, Heike Eder, Andrea Michaela Schartel, Korinna Schumann und Christine Schwarz-Fuchs.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters berichte ich zu Tagesordnungspunkt 7: Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert wird.


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Da geht es um die Richtlinie 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte schön.


12.30.10

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und vor den Bildschirmen! Ich fange mit dem Positiven an, weil ich glaube, dass man das manchmal braucht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, das braucht man! Bundesrat Gfrerer: Gibt’s was Negatives auch?) Ich freue mich sehr, dass es Verbesserungen bei der Pflegefreistellung gibt. Das ist ein wichtiger Schritt, das war eine langjährige Forderung der Sozialdemokratie und der Gewerk­schaftsbewegung. Jetzt ist kein gemeinsamer Haushalt mehr notwendig, um die Pflegefreistellung zu erlangen, und alle Personen, die in einem Haushalt leben – auch wenn sie nicht in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen –, bekommen nun die Pflegefreistellung. Das ist gut und das ist wichtig.

Jetzt kommen wir zu jenen Punkten, die schwierig sind, die vor allen Dingen für Frauen schwierig sind. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir sind ganz, ganz stark dafür, dass sich die Väterbeteiligung in Österreich erhöht. Das ist ein wirklich wichtiger Punkt, um Gerechtigkeit in der Verteilung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie in der Verteilung der


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bezahlten und unbezahlten Arbeit zu erreichen. Aber die Methode, wie das gemacht wird, ist nicht die richtige.

Das ist die falsche Methode und es ist schlecht gemacht. Warum ist es schlecht gemacht? – Das ist ganz eindeutig: Es wurde eine EU-Richtlinie umge­setzt, aber viel zu spät – erst nach einem Jahr – und dann schnell und klammheimlich und in einer Form, die in vielen Stellungnahmen großen Wider­stand hervorgerufen hat. Dieser Widerstand kam völlig zu Recht, weil die Karenzzeit vor allem für Frauen – Frauen tragen die Hauptlast der Betreuungs­pflichten – von 24 Monaten auf 22 Monate verkürzt wird und damit für viele Frauen ein riesiges Problem geschaffen wird. Unsere Kinderbetreuungs­ein­richtun­gen sind derzeit nicht so weit ausgebaut, dass jede Frau sagen könnte: Ich gehe nach 22 Monaten wieder zurück in meinen Beruf! – Das haben wir nicht. Das bringt die Frauen in größte Verzweiflung, weil sie nicht wissen, wohin sie ihr Kind geben sollen, wenn sie nach 22 Monaten wieder in ihren Beruf zurück­gehen wollen.

Der Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen für die unter Dreijährigen ist nicht so weit vorangeschritten. Die Regierung ist da mehr als säumig. Wir wissen, dass all das verhindert wurde, mit dem man einen starken Ausbau erreicht hätte. Für das Machtding des ehemaligen Bundeskanzlers hat man einen wirklichen Ausbau der Kinderbetreuung verhindert, und jetzt stehen die Frauen vor dem Problem, nach 22 Monaten zurück in den Beruf zu müssen und sich zu fragen, wie sie das machen sollen. Wenn sie nicht zurückkehren, dann steht die Entlassung im Raum. – Ganz ehrlich, so sieht doch keine zukunfts­trächtige Familienpolitik aus!

Ich darf Ihnen etwas von allen Fraktionen der österreichischen Gewerkschafts­bewegung ausrichten: Alle gemeinsam, sowohl die unabhängige Gewerk­schaftsfraktion als auch die FCG und die FSG, alle Fraktionen sagen, dass das eine Regelung ist, die für die Frauen ganz, ganz schlecht ist. Sie haben es nicht bedacht und Sie haben nichts umgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn man bedenkt, was diese Regierung den Frauen antut, dann kann man sagen, dass das schon gewaltig ist: Der Herr Arbeitsminister hat den Frauen ausgerichtet: Ihr arbeitet Teilzeit; wenn ihr das macht, dann wäre es schon gescheit, dass man euch vielleicht die Sozialleistungen kürzt! – Was für ein Ansinnen, unglaublich! Die Welle der Entrüstung war extrem hoch und völlig berechtigt.

Aber Sie lassen nicht nach, nein! Sie schauen nicht auf die Frauen, die dieses Land in der Coronazeit am Laufen gehalten haben, die in der Produktion, in der Pädagogik, in der Pflege, im Gesundheitsbereich gearbeitet haben, die im Homeoffice trotz Doppelbelastungen wirklich Großartiges geleistet haben. Die Antwort der ÖVP und die Antwort dieser Regierung darauf ist: Teilzeitkräfte, euch machen wir jetzt das Leben schwer, aber die Rahmenbedingungen verbessern wir nicht! – Das ist wirklich, wirklich unanständig! (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Ich dachte, jetzt gäbe es einmal einen Denkprozess und das würde sich ändern. Aber nein, der Kanzler hat sein Herz und seine Gedankenwelt in weinseliger Laune geöffnet und gesagt: Die Frauen, die Teilzeit arbeiten und keine Betreu­ungspflichten mehr haben, die sollen jetzt bitte endlich mehr arbeiten! – Na, das ist schon gewaltig! Zuerst wird nichts dafür getan, dass Frauen die Chance haben, Familie und Beruf zu vereinbaren, sondern an allen Ecken und Enden gebremst, und dann wird gesagt: Aber jetzt geht ihr hackeln! – So schaut das aus: Der Druck auf die Frauen wird erhöht! So schaut das bei dieser Bundesregierung aus.

Obwohl die Grünen sagen: Wir sind nicht so und wir wollen das gar nicht so!, tragen sie es mit. Diese Verkürzung der Elternkarenz tragen auch die Grünen mit, und das wird eine riesige Belastung sein. Das ist aber nicht das Einzige, das als Belastungswelle auf die Frauen zukommt: Die Abschaffung von: 45 Jahre sind genug!, ist gerade für Frauen ein schwerer Schlag. Ab 1.1.2024 wird das Pensionsantrittsalter der Frauen ganz rasch angehoben. Sie


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wären jetzt in den Genuss davon gekommen und haben keine Chance mehr darauf. – Auch das ist unanständig!

Was wir heute noch beschließen werden – wir als Sozialdemokratie werden es nicht beschließen, aber im Bundesrat wird es beschlossen werden –, ist die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit. Das ist wieder ein schwerer Schlag für die Frauen, vor allem für die Frauen in den hoch belastenden Berufen, in der Pflege oder in der Produktion. Ist man in der Schichtarbeit tätig, ist das variable Modell nicht möglich. Die Frauen, die am Bandl stehen und da unter schwie­rigsten Bedingungen hackeln, haben zukünftig keine Chance, in die geblockte Altersteilzeit zu gehen. Das ist wirklich unanständig! (Beifall bei der SPÖ. Ruf bei der SPÖ: Genau! Bundesrat Kornhäusl: Es gibt sie ja!) – Nein, in der Schichtarbeit können sie es nicht, gerade in der Pflege. Erkundigen Sie sich, Herr Kollege, und nicht jetzt gescheit hereinreden! (Bundesrat Kornhäusl: Ah, in der Schichtarbeit! Entschuldigung, ich hab’ nicht zugehört, tut mir leid! Musst lauter reden!) – Gut, passt schon, alles gut. Für die Frauen ist es aber nicht gut.

Ich darf noch einmal auf Ihren Spruch zurückkommen: Leistung muss sich lohnen! (Bundesrat Kornhäusl: Richtig! Richtig!) – Toller Spruch, ja, da können wir alle mit, super, und wir begünstigen die Überstunden! Alles klar, aber die Leistung der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, lohnt sich nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Warum?) Wenn man nämlich in Teilzeit eine Überstunde macht, dann gibt es einen dreimonatigen Durchrechnungszeitraum, das heißt, drei Monate lang wird beobachtet, ob das vielleicht doch noch ausgeglichen werden kann, und dann gibt es einen Zuschlag von 25 Prozent. Für Frauen in Teilzeit – und das sind hauptsächlich Frauen – lohnt sich Leistung nicht. Da schauen Sie nicht hin, und, ganz ehrlich, das ist ebenfalls unanständig! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie jetzt auch noch daran denken – und das ist ja in Planung –, die Mittel für das AMS zu kürzen, dann werden auch die Mittel für die Frauenbera­tung gestrichen, und auch das ist ein Schaden für die Frauen. Das ist also in Summe ein riesiges Belastungspaket für die Frauen. Ganz ehrlich, man kann den Frauen nur sagen: Seien Sie wachsam, denn mit einer Regierung aus ÖVP und


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Grünen wird Ihre Situation schlechter! – Das beweisen Sie heute auch wieder mit diesem Gesetz.

So kann man mit Frauen nicht umgehen und so kann man vor allen Dingen nicht mit Frauen umgehen, die unser Land am Laufen halten und die so viele Doppel- und Dreifachbelastungen haben. Es geht nicht nur um die Frage der Familie. Es geht um die Frage der Frauen und deren Zukunft. Für sie und ihre Situation muss es Verbesserungen geben, nicht Verschlechterungen, so wie Sie das jetzt machen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kofler.)

12.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Bitte schön.


12.38.35

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Lieber Herr Staatssekretär, griaß di! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kollegen und Kolleginnen hier im Saal! Denken Sie alle einmal an die vielen ersten Male Ihrer Kinder: das erste Lächeln, der erste Zahn, der erste Schritt, das erste Wort! Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie diese Momente verpassen, weil Sie an Ihrem Schreibtisch im Büro sitzen!

Genau das ist leider gelebte Realität für viele Väter. In acht von zehn Partner­schaften gibt es nach wie vor keinerlei Beteiligung des Vaters. Nur 3 Prozent der Väter gehen länger als drei Monate in Karenz. Die Inanspruchnahme der Väterkarenz ist aktuell rückläufig. Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit geringer Beteiligung. Im innerösterreichischen Vergleich bilden Vorarlberg und Burgenland das Schlusslicht in Bezug auf die Inanspruch­nahme von Väterkarenz.

Doch viele dieser ersten Male, dieser unglaublich kostbaren Momente sind auch Teil unserer gemeinsamen Verantwortung als Eltern. Mit dem heutigen Beschluss setzen wir daher auch Maßnahmen, damit Väter einige dieser


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wertvollen Momente nicht verpassen und die Verantwortung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes oder der gemeinsamen Kinder tragen können.

Deshalb gibt es gute Nachrichten für Väter: Wenn Eltern die maximale Karenzzeit von 24 Monaten ausschöpfen möchten, dann müssen zumindest zwei Monate dem jeweils anderen Elternteil vorbehalten sein. Sprich: Bei diesem Modell sind zukünftig zwei Monate für den Partner – in der Regel sind das die Väter – reserviert. (Bundesrat Spanring: Nicht „vorbehalten“, das ist ein Zwang ...!)

Und zweitens: Wenn Väter den Papamonat in Anspruch nehmen, bekommen sie zukünftig doppelt so viel Geld, das sind 1 480 Euro. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Das Ziel, das mit diesen Maßnahmen verfolgt wird, ist klar: Es geht um Gleich­berechtigung in der Arbeitswelt, damit sowohl Frauen als auch Männer ihre beruflichen Träume und Ziele verwirklichen können. Das kann gelingen, indem wir – mit Maßnahmen, die wir heute beschließen werden – mehr Männer gewinnen, in Väterkarenz zu gehen, und das gelingt definitiv auch, indem wir das Kinderbetreuungsangebot ausbauen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Deshalb freue ich mich natürlich sehr über diese 4,5 Milliarden Euro – das ist unglaublich viel Geld –, die die Regierung in den nächsten Jahren für den Ausbau der Kinderbetreuung in die Hand nimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­rät:innen der Grünen.)

Eines ist nämlich klar: Ob Eltern arbeiten gehen können oder nicht, das sollte am Ende nicht an der Frage der Kinderbetreuung scheitern.

Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der mir als Vorarlberger Bundesrätin ganz besonders wichtig ist: Vorarlbergerinnen und Vorarlberger, die in der Schweiz und in Liechtenstein arbeiten, haben nun wieder Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Nach einem Urteil des OGH hatten sie diesen seit Februar nicht mehr. Diese Bestimmungen reparieren wir heute. Ich habe mich


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sehr dafür eingesetzt und freue mich deshalb auch mit circa 1 500 betroffenen Grenzgängerinnen und Grenzgängern. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte schön.


12.42.12

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Werte Zuseher! Liebe Kollegen! Frau Kollegin Eder hat uns gerade sehr liebevoll und bildlich beschrieben, dass Väter etwas versäumen, wenn sie die ersten Schritte nicht erleben, wenn sie die ersten Zähne nicht erleben. – Frau Kollegin Eder, das wäre aber jetzt auch schon möglich. Dazu muss man nicht wieder ein Gesetz schaffen, mit dem man wieder einmal unseren Familien vorschreibt, wie sie zu leben haben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das braucht es nicht. Glauben Sie wirklich, glauben Sie ernsthaft und wirklich, dass es das in Österreich, in unserer Gesellschaft braucht? Vor allem – das ist gestern bei der Kinderenquete auch zur Sprache gekommen – ist es so, dass oft die Unternehmen diejenigen sind, die Vätern, die es jetzt schon gerne machen möchten, diese Möglichkeit bedauerlicherweise nicht gewähren können. Verant­wortungsvolle Familienpolitik heißt nach wie vor, jene Rahmenbedin­gungen zu schaffen, dass jede Familie in Österreich ihr Leben und die Betreuung der Kinder so gestalten kann, wie sie es wünscht und wie es einfach ihren Bedürfnissen gerecht wird – nicht immer von oben herab. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein anderer Aspekt, der mich persönlich auch sehr erschreckt, ist: Das öster­reichische Arbeitsrecht ist wirklich ein sehr hohes und wertvolles Gut; und dass es jetzt so weit kommt, dass diese EU – mit Mitgliedstaaten, die halt andere Strukturen, andere Ansichten haben – hergeht und das österreichische Arbeits­recht beschneidet und Schlechterstellungen zulässt, das finde ich einfach nicht in Ordnung.


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Und wie Frau Kollegin Schumann schon gesagt hat: Das ist unausgegoren. In Karenz kann nur jemand gehen, der in einem Dienstverhältnis ist. Was mache ich, wenn die Mutter ein Dienstverhältnis hat, nur bis zum 22. Monat gehen kann und der Partner ein selbstständiger Einzelunternehmer ist, für den es keine Karenz gibt? Was mache ich mit diesen Müttern? Müssen die dann auf einmal sozusagen vor dem Gesetz alleinerziehend werden, damit sie doch bis zum 24. Monat in Karenz bleiben können? Frau Kollegin Schumann hat es ange­sprochen: Was machen wir mit den Kindern? Sollen wir sie dann dem Herrn Bundeskanzler auf den Tisch setzen und ihn bitten, dass er die Kinder in der Zwischenzeit betreut? (Heiterkeit und Beifall der Bundesrätin Schumann.) Das werden wir ja wohl alle nicht wollen, oder? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie gesagt, das war gestern eine hervorragende Enquete, und man hat vor allem auch von der ÖVP und von den Grünen sehr salbungsvolle Worte gehört, wie wichtig Kindeswohl ist, ganz wichtig und bla, bla, bla. – Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Euch glaubt sowieso kein Mensch mehr, dass ihr es mit den Österreichern, mit den Kindern und den Familien überhaupt ernst meint. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil bei vielen Dingen, gerade was das Kindeswohl betrifft, so finden wir, in Österreich sehr, sehr viel schiefläuft, bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf, der folgende Punkte zum Inhalt hat:


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1.     Ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für Täter überall dort, wo sie mit Minderjährigen und allen anderen schutzbedürftigen Personengruppen zu tun haben könnten.

2.     Die drastische Verschärfung der Mindest- und Höchststrafen bis hin zu lebenslanger Haft.

3.     Einen lebenslangen Strafregistereintrag.

4.     Einen kostenlosen Zugriff auf das eigene digitale Strafregister.

5.     Ein Verbot öffentlicher Förderungen für Einrichtungen, die verurteilte Kinderschänder beschäftigen.

6.     Die Übernahme aller Therapie- und Verfahrenskosten der Opfer durch den Staat, der sich diese vom Täter wieder zurückholt.

7.     Den Ausbau der Volksanwaltschaft zur zentralen Anlaufstelle für Kindesmissbrauchsopfer.

8.     Die Ausdehnung der zivilrechtlichen Verjährung auf über 30 Jahre hinaus.

9.     Den Ausbau aller Kapazitäten im Kampf gegen Kindesmissbrauch.

10. Ein Verbot von Kindersexpuppen und sogenannten „Pädophilen-Handbüchern“.

11. Den Ausbau der psychologischen Verfahrenshilfe für Opfer während des Verfahrens.

12. Den Abbau von Hürden beim Zugang zu „Triebhemmern“.

zuzuleiten.“

*****

Ich bitte um Annahme. (Beifall bei der FPÖ.)

12.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kinderschutzpaket“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.


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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte schön.


12.47.19

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Es geht um die Frage der Gleichberechtigung und ihre Zukunft. Das ist nicht nur eine Frage der Frauen, sondern eine Frage der Frauen und der Männer und ihrer Zukunft, nämlich im Carebereich und in der Karenz, also in der Carearbeit die Kinder betreffend.

In Österreich gehen kaum Männer, Väter also, in Karenz, und wenn, dann nur ein bis drei Monate. Die Frauen gehen alle in Karenz, und zwar durchschnittlich eineinhalb bis zwei Jahre. Die Aufteilung, wer in Karenz geht, erfolgt meines Erachtens nur scheinbar freiwillig. Es sind nämlich patriarchale Strukturen und Rollenbilder – wir kennen sie alle zur Genüge – mit dem Bild des Mannes als erwerbstätigen Ernährer und der sorgenden Mutter, die diese Entscheidung, wer in Karenz geht, beeinflussen, und natürlich ist es auch der Gehaltsunter­schied zwischen Männern und Frauen, der eine entscheidende Rolle dafür spielt, wer in Karenz geht.

Es sind aber auch weichere Faktoren, die dabei ausschlaggebend sind. Ein Mann, der zu Hause bei den Kindern bleibt, wird immer noch schief angesehen oder gering geschätzt, genauso wie eine Frau, die nach dem Mutterschutz arbeiten geht, als Rabenmutter oder gar karrieregeil bezeichnet wird.

Sorgearbeit und Pflege werden immer noch als geringwertige Dienstleis­tungen angesehen, und meistens sollen solche Dienstleistungen auch bei den ja dafür geschaffenen Frauen bleiben. Wir wissen aber auch, ohne sie würde alles zusammenbrechen. Man spricht von vielen, vielen Milliarden Euro – einem großen Anteil des BIP –, auf die sich diese unbezahlte Carearbeit, die Frauen leisten, beläuft.


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Nicht nur die Carearbeit für Kinder, sondern auch für ältere oder pflege­bedürftige Menschen gehört dazu. Es gibt eine Million pflegende Angehörige, auch das sind meistens Frauen.

Wir beschließen heute – Kollegin Schumann hat es schon ausgeführt – die Pflegefreistellung, und das ist sehr gut, nämlich für Leute, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben oder, wenn sie im gemeinsamen Haushalt leben, keine Angehörigen sind. Das war eine Lücke, und die wird heute geschlossen.

Ich frage mich immer, warum wir glauben – um wieder zu Karenz, Sorge- und Carearbeit zurückzukommen –, in einer fortschrittlichen und gerechten Zivilisation zu leben, denn wir behandeln Menschen, die sich um uns, unser Leben und unsere Nachkommen sorgen, immer noch mit ziemlicher Geringschätzung. Ich sehe es als Aufgabe von uns Gesetzgeber:innen und der Verwaltung, also von uns Organisator:innen des Zusammenlebens, dass wir bei der Carearbeit und – so kann man sagen – dem ganzen Ratten­schwanz an Ungerechtigkeiten, den diese Carearbeit mit sich bringt, endlich zu mehr Gleichberechtigung kommen.

Daher braucht es Anstöße, es braucht Anreize für mehr und längere Väterkarenz, und das machen wir heute. Da Frauen so viel und so lange Karenzzeit in Anspruch nehmen, wollen wir nun Väter indirekt dazu verpflichten, für zwei Monate in bezahlte Karenz zu gehen. Diesen Anspruch nicht zu ver­lieren wird ein Anreiz sein, nicht nur aufgrund des Geldes, sondern auch auf Druck der Frauen. Väter bekommen ab nun auch doppelt so viel Geld beim Familienzeitbonus, ohne Abzug, wenn sie gleich nach der Geburt bei der Familie bleiben.

Mehr und längere Väterkarenz – das haben uns andere Länder schon vorgezeigt – hat eindeutig das Potenzial, alte Rollenbilder und Denkweisen zu durch­brechen. Wenn der überwiegende Teil der Väter in Karenz geht, wie das in den skandinavischen Ländern schon der Fall ist, wird sich einerseits der Blick auf


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Carearbeit ändern, aber genauso wird sich das Männerbild zu einem sorgenden und sozialen verändern. Mehr männliche Carearbeit wird aber auch Auswirkungen auf den Wiedereinstieg in den Beruf haben, denn Karenzzeiten sind heute meist verlorene Zeit für Frauen. Sie werden nach der Karenz in ihren Aufgabenbereichen und bei ihrem Gehalt im Unternehmen zurückge­stuft, vor allem auch dann, wenn sie noch nicht Vollzeit arbeiten.

Dass die Karenz aber eigentlich eine Zeit ist, in der Menschen so einiges an Fähigkeiten dazulernen – wie 24 Stunden für jemanden verantwortlich zu sein, umsichtig und permanent gefordert zu sein –, wird in den Unternehmen, die leider meist von diesbezüglich unerfahrenen Männern geleitet werden, verges­sen. Eigentlich sollte man sich um diese Frauen, um diese Menschen, die in Karenz gehen und sich um Kinder sorgen, reißen und ihnen nach der Karenz bessere Jobs anbieten. Sie kennen noch dazu das Unternehmen, sie haben Abstand dazu bekommen, können es objektiver betrachten, bemerken andere Dinge und sind um viele Erfahrungen mit der eigenen Organisations­fähig­keit und Belastung reicher geworden. Genau das Gegenteil ist aber leider der Fall, und das ist frustrierend und demotivierend. Am schnellsten aber würden sich Rollen und Wertschätzung wohl ändern, wenn alle Männer in Führungsposi­tionen mindestens ein halbes Jahr in Karenz gingen.

Eine isländische Stadträtin – Island wird da immer gerne als Beispiel genom­men – berichtete schon vor vielen Jahren – es sind, glaube ich, knapp zehn Jahre –, dass nach der Einführung der verpflichtenden Väterkarenz in Island immer mehr Männer in Karenz gingen. Heute sind es in Island fast alle Väter, die in Karenz gehen. Das klingt, finde ich, angesichts unserer Zahlen, die unter 10 Prozent liegen, fast wie eine Mär, ist es aber nicht.

Was man natürlich dazusagen muss, ist, dass in Island die Bezahlung, wenn man in Karenz geht, höher ist. Was man aber auch dazusagen muss, ist, dass die Karenzzeiten mit in etwa der Hälfte der Länge von unseren weitaus kürzer sind.


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Ja, um ein solch radikales, aber meiner Meinung nach Gleichberechtigung weit mehr förderndes Modell umzusetzen, braucht es natürlich ein Recht auf einen Kindergartenplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Sie wissen, auch Sie, liebe Kollegin Schumann, es liegt in der Kompetenz der Länder, so etwas einzuführen (die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Nein, nein, nein!), und Sie wissen auch, hoffentlich zumindest seit gestern, dass der Bund das finanziell unterstützen wird. (Bundesrätin Grimling: Das werden wir erst sehen!)

Ich möchte hier aber auch allen Bundesländern danken, die jetzt schon für ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsnetz und damit auch für mehr Gleichberechtigung sorgen.

Ein letzter wichtiger Punkt: Mit der heutigen Novelle des Gleichbehandlungs­gesetzes dürfen Menschen, die sich um Kinder oder andere Menschen kümmern, deswegen im Job nicht benachteiligt werden. (Bundesrat Spanring: Das ist in der Praxis so leicht umgesetzt!) Da wird das Diskriminierungsverbot sehr sinnvoll erweitert.

All das sind gute Maßnahmen für eine bessere Work-Life- oder eigentlich besser gesagt für eine Work-Family-Balance von Frauen und Männern. Sie werden auch von der Gleichbehandlungsanwaltschaft, den Frauenberatungs­stellen und sogar von der Arbeiterkammer begrüßt. Daher finde ich es sehr schade, dass die SPÖ, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, hier nicht zustimmt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

12.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: An dieser Stelle darf ich noch eine Begrüßung nachholen, inzwischen ist nämlich Frau Staatssekretärin Mag.a Susanne Kraus-Winkler bei uns eingetroffen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte schön.



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12.56.02

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucher, Besucherinnen, die uns heute hier die Ehre erweisen! Liebe Zuhöre­rinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bin vor Kurzem, vor ein paar Tagen zum ersten Mal Oma geworden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Kofler.) – Danke (Heiterkeit der Rednerin), das zu erzählen ist jetzt aber nicht der Grund, warum ich hier ans Rednerpult gekommen bin.

Meine Enkelin ist am 29.9. zur Welt gekommen, etwas zu früh, der errechnete Geburtstermin wäre nämlich der 3.11. gewesen. Das heißt, es war für die Familie immer eine Zitterpartie oder eine fragliche Situation, welche Regelungen jetzt für sie gelten, auch weil bei diesem Gesetzentwurf der Zeitpunkt des Inkraft­tretens ständig geändert wurde: Einmal war es der 31. August, davor war sogar von Juli die Rede, jetzt ist es wieder der 1. November. Das heißt, sie wissen jetzt: Okay, die neue Regelung gilt für uns nicht.

Eine Freundin meiner Schwiegertochter bekommt ihr Baby sicher erst nach dem 1. November, das heißt, die Regelungen gelten für sie. Sie ist unglaublich verunsichert, weil sie natürlich auch weiß, dass sie jetzt weniger Karenzzeit zur Verfügung haben. Eine Teilung wollen beide. Kollegin Kittl hat hier ein fast martialisches Bild von den bösen Männern gezeichnet, die nicht in Karenz gehen wollen, weil sie so patriarchalische Gesinnungen haben und keine Carearbeit übernehmen wollen. Das ist eine Familie, die ich gut kenne, da will der Partner sehr gerne Carearbeit übernehmen und möchte sich auch sehr gerne um sein Kind kümmern, nur: Es geht sich finanziell nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist eine ganz normale Familie, die sich eine Eigentumswohnung angeschafft und einen Kredit aufgenommen hat, und die Kreditzinsen gehen jetzt ins Unermessliche – das wissen Sie alle –, die Lebenshaltungskosten sind unglaub­lich hoch. Sie müssen auf jeden Cent, jeden Euro schauen und können es sich


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nicht leisten, jetzt auf einen Teil des Einkommens zu verzichten, auch nicht während zweier Monate. Das heißt, sie fallen um die zwei Monate um, ihnen wird das weggenommen, und sie empfinden es auch so, dass ihnen diese zwei Monate weggenommen werden. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Sie haben nichts von Ihren Erklärungen und von Ihren Beschwichtigungen, dass man die Zeit halt teilen soll und dass es da ja um ein gesellschaftliches Bild geht, und so weiter und so fort. Sie haben von all diesen salbungsvollen Worten nichts, sondern sie haben nur das Ergebnis, dass ihnen zwei Monate Familienzeit weggenommen werden.

Parallel dazu gibt es keine Vorsorge dafür, dass die Kinder dann auch wirklich betreut werden können. Die Mutter muss arbeiten gehen, lebt aber im ländlichen Raum, wo die Kinderbetreuungssituation nicht zufriedenstellend ist. Sie alle wissen das: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in der gegenwärtigen Kinderbetreuungssituation nicht gewährleistet, schon gar nicht im ländlichen Raum. Das heißt, sie wissen noch nicht, wie sie tun wer­den. Die Eltern sind auch noch berufstätig, das heißt, sie schweben jetzt in der Luft.

Sie haben ursprünglich auch mit einer anderen Ausgangslage gerechnet, denn die sind schwanger gew- - Man sieht das immer als wir; wir sind auch immer alle mit der Enkelin schwanger gewesen, das ist so in der Familie, man sieht das immer als wir, als Gesamtheit. Sie ist zu einem Zeitpunkt schwanger geworden, als es noch diese Regelung mit den 24 Monaten gab. Das heißt, das ist auch ein Eingriff in den Vertrauensschutz der Menschen, der Familien. (Beifall bei der SPÖ.)

Das sollten Sie sich bitte auch vergegenwärtigen: Es hat, als die Familien gegrün­det wurden, mit dieser Regelung eigentlich niemand gerechnet. Das ist ein Eingriff in den Vertrauensschutz. Das sollte man sich auch vergegenwärtigen.


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Es ist in den Beiträgen schon ausgeführt worden, und Sie wissen das: Es geht bei diesem Gesetzesvorhaben um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die schon längst hätte umgesetzt werden sollen. Diese wird jetzt aber nicht nur verspätet umgesetzt, sondern auch falsch umgesetzt, weil: Wir wissen, bei der Umsetzung von EU-Richtlinien oder speziell bei dieser gibt es auch einen Passus betreffend ein Verschlechterungsverbot, und genau diese Regelung, die hier geschaffen wird, bedeutet eine Verschlechterung für viele betroffene Familien.

Das heißt, da ist auch eine EU-Rechtswidrigkeit zu überprüfen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich die Europäische Kommission mit diesem Umsetzungsversuch, sage ich einmal, wird auseinandersetzen müssen; eventuell sogar auch der EuGH, weil es wie gesagt keine Herabsetzung des Schutz­niveaus geben darf. Das haben wir hier, weil auch die Systeme nicht ineinander greifen: Wir haben jetzt auf der einen Seite eine verkürzte Karenzzeit, wir haben auf der anderen Seite eine nicht zufriedenstellende Kinderbetreu­ungs­situation. Es werden zwar irgendwelche Mittel angekündigt, die ausgeschüttet werden sollen, damit man da schneller zu einem Finanzausgleich kommen konnte, aber das sind alles nur Versprechungen. Wir wissen noch nicht, was wo ankommt, wir wissen aber, dass die Kinderbetreuungs­situation absolut unzuverlässig und unzu­reichend ist und dass es keinen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gibt. Diesen fordern wir, nämlich ab dem ersten Lebensjahr, und zwar so, dass Beruf und Familie für beide Elternteile vereinbar sind – das haben wir nicht.

Der arbeitsrechtliche Schutz ist nicht gegeben – das greift alles nicht ineinander. Die Systeme werden immer komplizierter, sodass es auch für Beratungsstellen unglaublich schwierig ist, eine zuverlässige Beratung zu geben. Die genannten Familien, speziell die eine Freundin, von der ich gesprochen habe, hat bei verschiedenen Stellen angerufen und war vorstellig, sie wollte sich erkundigen, und alle mussten ihr sagen: Es tut mir leid, liebe Frau, ich kann Ihnen nicht sagen, was jetzt wirklich sein wird. Schauen wir einmal, was tatsächlich beschlossen wird!


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Es ist eine Unsicherheit, die bei den Familien geschaffen wird, sodass ich sage, das ist wirklich verantwortungslos, was da zusammengepfuscht worden ist. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.) Das ist wirklich verantwor­tungslos und das ist eine Politik auf Kosten der Familien Österreichs. Stolz brauchen Sie auf das wirklich nicht zu sein! (Beifall bei der SPÖ.)

13.03


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Böhmwalder. – Bitte schön.


13.03.59

Bundesrätin Sandra Böhmwalder (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Heute geht es um Familien. Wir haben es heute gehört: Unter diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Vereinbarkeitsrichtlinie, die Umsetzung der Work-Life-Balance-Richtlinie. Was heißt das? – Das heißt ganz genau: Die Aufteilung der Betreuungs- und Pflegeaufgaben während der Karenzzeit erfolgt bei diesem neuen Modell zwischen den Partnern.

Welche Möglichkeiten wird es in Zukunft für unsere Familien geben? – Ich möchte es noch einmal eindringlich sagen: Bei diesem neuen Modell sind mindestens zwei Monate Karenzzeit von jedem Elternteil zu leisten – dies sieht die Richtlinie vor. Die Bundesregierung setzt sie folgendermaßen um: Die 24 Monate Karenzzeit bleiben aufrecht. Die Karenzzeit wurde nicht verkürzt, sondern die Karenzzeit wird eben neu aufgeteilt. Es werden jeweils mindestens zwei Monate Betreuung von jedem Partner übernommen.

Noch einmal: Es wird also nicht verkürzt. Der Partner, der die 22 Monate beansprucht – in den meisten Fällen sind das eben die Mütter –, erleidet keine finanziellen Einbußen, weil das Kinderbetreuungsgeld von 24 Monaten auf die 22 Monate aufgeteilt wird. Es erhöht sich somit der Tagessatz. Es kann also keinesfalls von einer finanziellen Verschlechterung gesprochen werden.


BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 144

Jetzt erzähle ich Ihnen von meiner Karenzzeit. Ich bin Mutter von vier Kindern und war dreimal in Karenz – erraten, ich habe ein Zwillingspärchen. Wir haben bereits damals dieses Modell umgesetzt. Mein Mann war bei meiner Karenzzeit zwei Monate zu Hause, während ich die Zeit für Weiterbildung nutzen konnte. Eine sehr wertvolle Zeit, betont mein Ehemann immer wieder, eine sehr wertvolle Zeit für den Zusammenhalt der ganzen Familie. Wir hatten damals ein Durchschnittseinkommen, wie jede normale Familie in Österreich, und es war keine finanzielle Entscheidung, für uns war es eine ideelle Entschei­dung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dem ständigen Ruf vieler Parteien nach mehr Väterbeteiligung folgend – wir teilen ja diese Meinung –, gehen wir mit diesem Vorschlag bestimmt in eine richtige Richtung. Dazu kommt, dass durch diese Gesetzesänderung der Familien­zeitbonus angehoben wird. Wir haben den Familienzeitbonus, der bisher zur Verfügung stand – das waren 740 Euro pro Monat –, verdoppelt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, wir haben diesen verdoppelt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch weitere Maßnahmen werden mit diesem Antrag umgesetzt: Die Härtefall­klausel, die es bisher nur bei der pauschalen Variante des Kinderbetreuungs­geldes gab, wird nun auch beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld zur Verfügung stehen.

Mein Vorschlag ist also: Motivieren wir die Väter, machen wir ein gemeinsames Projekt daraus! Geben Sie diesem Modell eine Chance und unseren Fami­lien die Wahlfreiheit! (Heiterkeit und Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.) Wir tun es, und unsere Kinder werden es uns danken.

Frau Bundesrätin Schartel, Familie ist Verantwortung und Geborgenheit zugleich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.08

13.08.23*****



BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 145

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bevor wir zur nächsten Wortmeldung kommen, noch eine Anmerkung zu Herrn Klubvorsitzenden Christoph Steiner:

Ich habe mir jetzt das Stenographische Protokoll betreffend die Geschäftsord­nungsdebatte holen lassen, weil ich mir nicht sicher war, ob ich in der Hitze der Diskussion die Ausführungen auch richtig verstanden habe. Ich darf zitieren: „Ihr redet von der Wertschätzung des Bundesrates. Ihr redet von der Außenwirkung des Bundesrates. Eure Minister scheißen im wahrsten Sinne“ des Wortes auf – Punkt, Punkt, Punkt.

In diesem Sinne muss ich einen Ordnungsruf erteilen und darf noch einmal appellie­ren: Das war, glaube ich, nicht unbedingt der Würde des Hauses entsprechend, und bei allem Verständnis für divergierende Meinungen und provokante Aussagen bitte ich, der Würde des Hauses zu entsprechen, und bitte um ein bisschen Reflexion, bevor das eine oder andere hitzige Wort fließt.

***** 13.09.32


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. – Bitte schön.


13.09.41

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Kollegen aus dem Bundesrat! Liebe Freunde, Grüß Gott! Ich habe mich schon sehr auf diese Sitzung gefreut. Wir sind heute in der Früh auch alle pünktlich gekommen, weil die Klimakleber noch auf Urlaub sind. (Heiter­keit und Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Der war lustig, was haben wir gelacht! Humor eins a!) – Trag’s mit Fassung!

Die EU will uns also vorschreiben, den Kündigungsschutz für Frauen in Karenz von 24 auf 22 Monate zu senken. Im Gegenzug könnte ja der Mann zwei Monate in Karenz gehen. Das trifft aber eben nicht auf alle Familien zu und ist


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für viele auch gar nicht zu machen. Aus diesem Grund sage ich, das ist eine glatte Verschlechterung. Wir werden das sicher ablehnen. Dieses Gesetz wird auch nicht für die Kinder gemacht, nein, es wird für das System gemacht. Die Frauen sollen möglichst schnell wieder arbeiten und der Staat kassiert die Kinder zwei Monate früher in diversen Krabbelinstitutionen. (Beifall bei der FPÖ. – Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Mah!)

Das ist nur ein weiterer Schritt, um die Familien zurückzudrängen, ja nahezu zu zerstören. Meine kleine Tochter hat mir gestern wieder einmal eröffnet, dass ihr das Allerliebste auf der Welt die Mama ist. Das müssen wir Väter ver­stehen, das ist eben so. Das muss die EU verstehen, das muss auch die Regierung verstehen. Niemand liebt ein Kind so sehr wie die eigene Mutter, und wenn eine Mutter zu Hause bleiben will, dann soll sie das auch tun können. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Unglaublich! ... und der Vater weniger, oder wie?)

Ich möchte aber heute auch darüber berichten, wie so ein Gesetz ankommt. Ich berichte von einer Familie, die ich sehr gut kenne – Vater, Mutter, zwei Kinder, ein Bub, ein Mädel; schaut wahnsinnig gut aus, fast schon kitschig, also ein Klassiker –, in der der Vater an und für sich immer ganz gut verdient und seine Familie ganz gut über die Runden gebracht hat. Jetzt, durch eure Wirt­schaftskrise und durch die Energiekrise, die ihr ausgelöst habt, ist es ihm nicht mehr möglich, alle Rechnungen zu bezahlen. Was ist passiert? – Das kleine Kind mit einem Jahr muss in die Krabbelstube, damit die Mutter wieder arbeiten gehen kann. Das Mädel ist ein Jahr alt und kann noch nicht einmal gehen, es kann auch noch nicht reden, es kann daheim gar nicht erzählen, was in der Krabbelstube passiert, trotzdem muss die Mutter es abgeben. (Bundesrätin Schumann: ... jetzt auf die Krabbelstuben! – Bundesrat Schreuder: Das 19. Jahrhundert war fortschrittlicher als Sie!)

Diesen Montag in der Früh, es war zappenduster, schwarze Nacht, musste die Mutter in aller Herrgottsfrüh die Kinder aufwecken. Es gab ein Mords­geplärre, die Mutter hat geplärrt, die Tochter hat geplärrt, der Sohn, der drei


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Jahre alt ist, hat auch geplärrt. So sind sie in die Krabbelstube marschiert. So kann ja wohl wirklich keine soziale Politik ausschauen. Ist das soziale Politik? Das ist eine Katastrophe! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ganz nach Nehammer, wie Nehammer uns das halt vorgibt: Mehr arbeiten und bei McDonald’s essen! Das ist es anscheinend, das ist eure Sozial­politik.

Es gibt auch noch mehrere andere Beispiele dafür, wie die Politik mit Kindern umgeht. Es gibt in Österreich das in der Verfassung verbriefte Recht, Kinder selbst zu unterrichten. Das funktioniert an und für sich auch sehr gut, die Kinder können alle rechnen, schreiben und lesen – was bei Schulkindern ja nicht immer unbedingt gegeben ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das will man jetzt ändern, nur steht es eben in der Verfassung festgeschrieben. Die Verfassung könnt ihr aber nicht ändern, dafür bekommt ihr nämlich keine Mehrheit zusammen. Deshalb macht man es anders, über die Hintertür, perfide und gemein. Man prüft die Kinder einfach so lange, bis sie durchgeflogen sind, und dann müssen sie wieder in die Schule gehen. Das soll die Methode sein. Das ist ein Trauerspiel. Mehrere Eltern haben sich bei mir gemeldet, auch bei euch – wenn sie sich bei mir melden, haben sie sich bei euch auch gemeldet, also müsst ihr das Problem sehr wohl kennen. Auf alle Fälle fliegt das Kind durch und muss das restliche Leben in die Schule gehen – jawohl, das System hat gesiegt, die Kinder sind in der Schule! Genau das wollte man bezwecken, ohne die Verfas­sung ändern zu müssen.

Kindergesetze müssen immer für Kinder da sein, nicht für das System und nicht für euch Politiker und für die EU schon überhaupt nicht. – Danke schön. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

13.14


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Grossmann. – Bitte schön.



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13.14.31

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Kollege Kofler hat in seiner Rede gemeint – Sie können ruhig Platz nehmen, Herr Kollege (Bundesrat Kofler: Ich habe mich gerade hingesetzt! Danke!) –, dass uns die EU mit dieser Richtlinie vorschreibe, eine Verschlechterung vorzusehen und quasi die Karenzzeit zu reduzieren.

Das steht nicht in der Richtlinie. (Bundesrat Kofler: Das haben Sie selber in Ihrer Rede gesagt!) – Nein, nein! Ich habe gesagt, es besteht sogar ein Verschlech­terungs­verbot. Es war die Entscheidung der Bundesregierung, es so zu lösen. EU-rechtlich hätte man es auch anders lösen können, man hätte einen Bonus dazu­geben können. (Bundesrat Kofler: Ja, eben!) Diese Verschlechterung ist allein die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, sie ist nicht auf die Richtlinie zurückzuführen. Dort wäre eigentlich, und das habe ich versucht, in meiner Rede auszuführen, ein Verschlechterungsverbot vorgese­hen. (Bundesrat Kofler: Ich habe das verstanden!) Bitte das zu beachten! – Danke.

13.15


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Nochmals zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Korinna Schuman. – Bitte schön.


13.15.45

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Bundesrat Kofler, ich möchte schon festhalten, dass die Beschäftigten in den Kinderbildungseinrich­tun­gen der Elementarpädagogik, seien es Krabbelstuben, seien es elementar­pädagogische Einrichtungen, großartige Bildungsarbeit leisten (Bundesrat Steiner: Das hat er ja nicht gesagt!), die Kinder großartig unterstützen. (Bundesrat Steiner: Von dem hat er ja nicht geredet! – Ruf bei der ÖVP: Aber impliziert hat er es!) Auch die Krabbelstuben sind wunderbar geführt, ich kann gar nicht sagen, was für eine tolle Arbeit dort geleistet wird. (Bundesrat Steiner: Du hast ja sowieso keine


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Ahnung von Kindern! Was regst du dich auf?) – Ist schon gut! Nicht zu viel aufregen!

Man muss sich schon klar darüber sein, dass das nicht der richtige Zugang ist, wenn man den Müttern, die gerne arbeiten gehen möchten, die wissen, dass sie ihr Kind in eine qualitätsvolle Einrichtung geben, ein schlechtes Gewissen einredet und sagt: Um Gottes willen, sie müssen die Kinder in eine Einrichtung geben! (Bundesrat Kofler: Nicht das schlechte Gewissen, die freie Entscheidung!) – Wir brauchen eine wirkliche Wahlfreiheit (Bundesrat Steiner: Es gibt keine!), und dann darf man nicht solche Geschichten erzählen, indem man sagt, wie furchtbar es ist, wenn man das Kind in eine Einrichtung gibt. (Bundesrat Kofler: In dem Fall war es so!)

Zweitens sei betont, dass auch von den Pädagoginnen und Pädagogen in unseren Schulen wirklich großartige Arbeit geleistet wird. (Bundesrat Steiner: Das hat er ja nicht gesagt!) Die Schule ist ein wichtiger und richtiger Ort, um unsere Kinder zu bilden – im Sozialen und auch das Wissen betreffend, das muss man sagen. Unterricht zu Hause kann nur eine Ausnahmeform sein, weil wir wollen, dass es gesellschaftliche Aufgabe ist, dass Kinder gebildet werden, und das in der Gemeinschaft. Das möchten wir, gerade als Sozialdemo­kratie, eindeutig festhalten. (Beifall bei SPÖ und Grünen, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Kofler: Das steht in der Verfassung aber anders!)

13.17


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte schön.


13.17.21

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Ich möchte mich nahtlos den Worten von Frau Kollegin Schuman anschließen und mich auch für ihre Worte bedanken. Ich halte es für ganz, ganz wichtig, dass wir – gerade wir in Österreich, da wir seit Maria Theresia so eine lange Tradition


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haben – für öffentliche Schulen sorgen, dass wir dafür sorgen, dass wir Einrichtungen mit einem pädagogisch ausgebildeten Personal haben – wir bräuchten eh mehr davon.

Wir müssen dafür sorgen, dass wir pädagogisch gut geschulte Menschen haben, die unsere Kinder ausbilden, dass wir das in den Vordergrund rücken, dass das kein System ist, in das man gezwungen wird. Nein, das ist jahrhun­dertealte, gewachsene Tradition, die für soziale Durchlässigkeit sorgt, die dafür sorgt, dass Profis Kinder ausbilden. Wir dürfen das nicht so dastehen lassen, als ob das etwas Schlechtes in diesem Land wäre. Im Gegenteil: Wir müssen uns bei allen Lehrerinnen und Lehrern für ihre tolle Arbeit, die sie tagtäglich in einer nicht immer einfachen Zeit machen, bedanken.

Nebenbei bemerkt: Ich möchte auch das Rollenbild des Herrn Kollegen vor mir – dass es die Aufgabe der Frau wäre, die Kinder zu lieben (Bundesrat Steiner: Das hat er ja nicht gesagt! – Bundesrat Kofler: Umgekehrt!) – zurück­weisen, auch das ist immer noch eine Aufgabe von und für die Mütter und die Väter. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

13.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es folgt eine weitere tatsächliche Berichtigung. – Bitte schön, Frau Bundesrätin.


13.19.02

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Ich möchte kurz berichtigen: Frau Schumann, Sie haben in Ihrer Rede festgehalten, dass Mütter oder Väter, die Unternehmer sind, nicht in Karenz gehen können (Bundes­rätin Schumann: Das habe ich ja gar nicht gesagt! – Bundesrätin Schartel: Das habe ich gesagt!), das also auch nicht beantragen können. (Bundesrätin Schartel: Das habe ich gesagt! – Ruf bei der FPÖ: Das war die Frau Schartel!) – Entschuldi­gung, tut mir leid, ich habe mich vertan, es war Frau Schartel! Ich sage das in ihre Richtung: Das stimmt nicht. Es ist nämlich so gedacht, dass dann, wenn ein


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selbstständiger und ein unselbstständiger Elternteil in dieser Familie vorhanden sind, alle 24 Monate von einer Person beantragt werden können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.19 13.19.51


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutz­gesetz 1979 und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt hierzu ein Antrag der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kinderschutzpaket“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundes­rätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Gleich­behandlungsgesetz geändert wird.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

13.21.208. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (3159/A und 2183 d.B. sowie 11303/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.


13.21.44

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Herr Bundesrat Horst Schachner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.



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13.22.32

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat und alle, die von daheim zuschauen! Es gibt das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz, und da soll es jetzt eine Änderung geben, die die Menschen wirklich maßgeblich trifft, nämlich – Kollegin Schumann hat es heute schon einmal richtig angesprochen – bei der geblockten Altersteilzeit.

Das ist ein Problem, das wir in der Arbeitswelt haben, da Menschen, die im Schicht­betrieb arbeiten oder sonst irgendwo, das einfach nicht schaffen. Sie freuen sich jetzt schon, dass sie zum Beispiel bis 62, bis zweiundsechzigeinhalb arbeiten können und dann mehr oder weniger in die geblockte Altersteilzeit gehen können. Ich sage euch ganz ehrlich: Da macht ihr etwas, das komplett verkehrt und komplett gegen die Menschen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich mir das Ganze anschaue und sehe, dass das genau 8 000 Menschen betrifft – es heißt, es betrifft in Österreich ja nur 8 000 Menschen im Jahr –, dann muss man das ein bisschen anders rechnen, denn wenn es 8 000 Menschen betrifft, betrifft es auch 8 000 Arbeitgeber:innen, weil die Arbeitgeber ja damit einverstanden sein müssen. Das heißt, es sind nicht nur 8 000 Arbeitneh­mer:innen, sondern auch 8 000 Arbeitgeber:innen. Ich kann euch ganz ehrlich sagen, das sind dann auf die fünf Jahre in einer Legislaturperiode aufgerechnet 80 000 Menschen, die mit dem - - (Bundesrat Tiefnig: 40 000!) – Dann musst du Rechnen lernen! Komm nachher zu mir, und dann sage ich es dir genau, denn wenn du 8 000 und 8 000 zusammenrechnest, sind das 16 000, und das mal fünf sind bei mir 80 000 – aber es ist wurscht.

Ich bin kein Professor – macht euch keine Sorgen! –, ich bin ein normaler Arbeitnehmer, und ich sage euch, was die Menschen draußen brauchen – und dieses Gesetz brauchen sie nicht, weil die Menschen in Wirklichkeit ein Anrecht darauf haben, dass sie eine geblockte Altersteilzeit – das, was wir bis jetzt gehabt haben – einfach weiterhin haben können. Ich sage euch auch ganz


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ehrlich: Da merkt man einfach, dass das Gespür für die Menschen bei euch weg ist.

Das sagen uns auch die Leute! Ich bin ja tagtäglich draußen in den Betrieben. Jeder fragt mich: Warum kommt das jetzt wirklich? Was passiert jetzt bei euch im Bundesrat? Wer aller stimmt da zu? – Ich werde all den Leuten genau erzählen, wer da zugestimmt hat, wer gegen diese geblockte Variante ist und dass die im Jahr 2028 komplett - - Aber mit der wird es schon vorher aus sein, denn das wird sich ja keiner leisten können, denn wenn man jetzt 50 Prozent hat, nächstes Jahr 42,5 Prozent und dann alle Jahre 7,5 Prozent runtergeht bis zu den 10 Prozent im Jahr 2028, dann wird sich das keiner mehr leisten können und wird es auch keiner mehr in Anspruch nehmen. An die Menschen denkt ihr da aber überhaupt nicht, das sage ich euch ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Leinfellner und Spanring.)

Zum Schluss aber vielleicht noch Folgendes, weil ich von kein Gespür für die Menschen geredet habe. – Das habt ihr alle miteinander schon bewiesen – 12-Stunden-Tag –, ihr habt es bei der Krankenkassenzerschlagung bewiesen, ihr habt es jetzt bei der Einschränkung, über die wir vorhin gerade geredet haben, bei der Elternteilzeit bewiesen, wobei ich noch eines dazusagen muss - nachher ist es dann eh gefallen –: Also das schaue ich mir an! Eine Familie, die vielleicht gerade ein Haus gebaut hat oder eine Eigentumswohnung gekauft hat oder in einer Mietwohnung wohnt, bei der die Frau – das wissen wir ganz genau – in den meisten Fällen weniger verdient, vielleicht mit 1 000 Euro zu Hause ist und der Mann 2 500 Euro verdient: Und der soll dann zwei Monate gehen?! – Der kann sich die Miete nicht mehr leisten, der kann den Kredit nicht mehr zurück­zahlen und sonst alles. So schaut nämlich die Wirklichkeit aus! (Beifall bei der SPÖ.) Wenn es vom Entgelt her passen würde, würden das nämlich viele Männer – das könnt ihr mir glauben! – in Anspruch nehmen. – Das dazu.

Vielleicht zurück zu: kein Gespür. – Jetzt wie gesagt den Menschen die geblockte Altersteilzeit wegzunehmen, sage ich euch ganz ehrlich, ist kein richtiger Schritt in die richtige Richtung, und wenn jemand glaubt, dass er dann deshalb


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mehr Fachkräfte kriegt, mehr Facharbeiter am Markt hat, dann hat er sich schwer getäuscht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.)

13.26


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste ist Frau Vizepräsidentin Margit Göll zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


13.26.35

Bundesrätin Margit Göll (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2022 hätten etwa 393 000 Arbeitnehmer in Altersteilzeit gehen können. Nicht einmal 10 Prozent dieser Arbeitnehmer haben die Altersteilzeit in Anspruch genommen. Die große Mehrheit dieser 10 Prozent wiederum hat sich für die kontinuierliche Altersteilzeit entschieden und nicht für die geblockte. Die geblockte Altersteilzeit wählen jährlich nur 0,7 Prozent. (Bundesrätin Schumann: Ja, ... muss man mit dem Arbeitgeber ver­einbaren!) – Das möchte ich einmal zu Beginn meiner Rede festhalten, damit wir auch die Dimension der gesetzlichen Änderung realistisch betrachten können.

Wofür wurde denn die Altersteilzeit beschlossen? – Bei der Einführung wollte man älteren Arbeitnehmern die Chance geben, möglichst lange im Arbeits­prozess zu bleiben und dann Jahr für Jahr die Arbeitszeit zu verkürzen, um gesund in die Pension hinübergleiten zu können. Der Hintergrund für die geblockte Altersteilzeit war dagegen in jenen Branchen, die besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen waren, Arbeitnehmer früher aus dem Erwerbsleben herauszunehmen, ausscheiden zu lassen, damit jüngere Arbeitnehmer nachrücken können. Aus dieser Intention, Arbeitnehmer möglichst lange im Arbeitsprozess zu behalten, wurde also das Bemühen, sie schneller in Pension zu bringen.

Die Einführung der geblockten Altersteilzeit war eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, und deswegen hat es auch die Bedingung gegeben,


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dass ein Ersatzarbeitsplatz geschaffen werden muss, wenn jemand in die geblockte Altersteilzeit geht.

Wie sieht es aber heute am Arbeitsmarkt aus? – Jetzt ist die Lage trotz eines leichten Anstiegs der Arbeitslosenquote im September eine ganz andere. Ziel vieler Unternehmen ist es derzeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so lange wie möglich im Betrieb zu halten, weil es aufgrund der demografischen Entwick­lung, wir alle wissen das, einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften in unseren Unternehmen gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir verzeichnen derzeit 200 000 offene Stellen bei den Firmen und wir kriegen das natürlich auch bei unseren Firmen­besuchen mit. Dort wird natürlich um jeden Arbeitnehmer und um jede Arbeit­nehmerin gerungen und geworben, und jetzt zu fordern, die Altersteilzeit in ihrer bisherigen Form aufrechtzuerhalten, mit der wir Menschen früher aus dem Erwerbsleben holen, obwohl wir jede Arbeitskraft in unseren Betrieben brauchen (Bundesrätin Schumann: ... völlig egal ist, wenn er nicht mehr kann! – Zwischen­ruf des Bundesrates Schachner), das wäre der falsche Schritt. (Präsidentin Arpa übernimmt den Vorsitz.)

Die geblockte Altersteilzeit ist letztendlich ein Frühpensionierungsmodell. Deshalb ist es notwendig, gut und richtig, die Förderung für die geblockte Altersteilzeit in den nächsten fünf Jahren auslaufen zu lassen. Davon sind auch alle Fachleute überzeugt.

Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, dann müssen das auch Gesetze tun. Das bedeutet längst nicht, dass ein Gesetz völlig obsolet ist. Das ist auch hier nicht der Fall. Die Altersteilzeit bleibt ja bestehen. Wir lassen nur nicht die konti­nu­ierliche Altersteilzeit bestehen. Nein, wir attraktivieren sie auch noch, wir bauen sie aus. Und dazu haben wir uns verschiedene Möglichkeiten überlegt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Wir bauen sie aus, indem wir den Arbeitnehmern ermöglichen, die Arbeitszeit um 20 Prozent bis 80 Prozent zu reduzieren, und das ist eine sehr gute Möglichkeit, die Arbeitszeit im Alter arbeitnehmergerecht zu gestalten. Das kommt natürlich insbesondere jenen Arbeitnehmern zugute, die aus gesundheit­lichen Gründen ihre Arbeit nicht mehr zu 100 Prozent schaffen können. Jene, die es nicht schaffen, in die Alterspension zu kommen, können jetzt ihre Arbeits­zeit bis auf 20 Prozent reduzieren. Ich denke, das ist eine sehr gute und wesentlich bessere Möglichkeit als die geblockte Altersteilzeit, wo man eine Zeit lang noch weiter 100 Prozent leisten muss. Wie soll denn das gehen, wenn man gesundheitlich beeinträchtigt ist? In solchen Fällen kann man jetzt eben auch dieses Modell wählen. Künftig nur mehr zu 20 Prozent arbeiten zu müssen, das wird bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den meisten Fällen möglich sein, und das ist auch die bessere Alternative. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Altersteilzeit bei jenen, die das möchten, muss nicht bei den 20 Prozent bleiben, sondern kann auch auf 80 Prozent erhöht werden. Bisher durften ja das maximal nur 60 Prozent sein. Das Gesetz hat bisher jenen, die in einem Unternehmen gerne länger gearbeitet hätten, nur die Möglichkeit gegeben, ihre Arbeitszeit um etwas mehr als die Hälfte zu reduzieren oder weiter die vollen 100 Prozent zu leisten, und das in Zeiten, in denen wir zunehmend älter werden und der Fachkräftemangel für uns alle ein großes Problem ist.

Was wir brauchen, ist, mit verschiedenen Modellen mehr Attraktivität für die Menschen zu schaffen, über das Pensionsalter hinaus im Erwerbsprozess zu bleiben. Ich kenne viele ältere Menschen, die noch gerne weiterarbeiten, weil sie eben noch Freude an der Arbeit haben. (Bundesrat Schachner: Da reden Sie mit den Falschen! ...!) Und wer Freude an der Arbeit hat, soll auch dazu motiviert werden, über das Pensionsalter hinaus aktiv zu bleiben. (Bundesrat Spanring: Mit 70 am Dachstuhl und so, gell?)

Die Arbeit der ÖVP ist auf die Zukunft gerichtet und nicht auf das Einzemen­tieren der Vergangenheit. Und wir sind es unseren Generationen schuldig, unseren Kindern und Enkelkindern (Bundesrat Spanring: Wir sind es ihnen schuldig,


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dass wir ihnen etwas zurückgeben für das, dass sie 45 Jahre gearbeitet haben): Wir müssen alles dafür geben und uns bemühen, dass möglichst viele Arbeit­nehmer das Regelpensionsalter erreichen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundes­rat Spanring: Das ist eine Schande! Das muss man sich erst einmal sagen trauen!)

Zum Schluss darf ich auf eine weitere Verbesserung hinweisen. Ich möchte auch den Bildungsbonus erwähnen, weil dieser natürlich eng damit verbunden ist. Mit der Erhöhung des Bildungsbonus werden mehr arbeitssuchende Menschen an Schulungsmaßnahmen teilnehmen können. Das ist eine sehr wichtige Maßnahme, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels. Der Bildungsbonus wird Zehntausende arbeitssuchende Menschen unterstützen, sie werden die Möglichkeit nützen und sich in Schulungsmaßnahmen befinden. Der Bildungs­bonus und die Ausweitung der kontinuierlichen Altersteilzeit sind gute und sehr wichtige Maßnahmen, mit denen wir den Rahmenbedingungen für Arbeit und Wirtschaft künftig besser gerecht werden und die insbeson­dere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern größere Flexibilität in der Altersteilzeit ermöglichen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.34


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Andrea Schartel. – Bitte.


13.34.42

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Meine werten Kollegen! Frau Vizepräsident Göll hat hier jetzt sehr schön vorgelesen, wie die ganzen rechtlichen Bedingungen sind. Ich habe mir schon gedacht, ich muss heute wieder Nachhilfeunterricht in Arbeits- und Sozialrecht geben, aber anscheinend dürftet ihr das doch wissen.

Ihr begründet die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit damit, dass sie ja keine wesentliche arbeitsmarktpolitische Zielsetzung hat. Wenn man jetzt aber zum Beispiel, so wie es immer war, die geblockte Altersteilzeit daran


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bindet, dass man, bevor jemand in die Freizeitphase geht, bereits eine Ersatzkraft, nämlich eine, die arbeitslos gemeldet ist, anstellen muss, dann frage ich mich, was da jetzt keine arbeitsmarktpolitische Maßnahme ist. Aber okay, ihr seht die Dinge wie meistens anders. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bun­desrates Obrecht.)

Man hat im Ausschuss auch von den Anträgen gehört, wir haben ungefähr ein Verhältnis eins zu drei. Das heißt, wenn vier Personen einen Antrag stellen, geht eine in die geblockte Altersteilzeit und nehmen drei die kontinuierliche in Anspruch. Wissen Sie, wer in erster Linie diese geblockte Altersteilzeit sehr gerne in Anspruch genommen hat? – Das waren nämlich jene Familien oder Partnerschaften, in denen es aufgrund des hohen Altersunterschieds des Paares sehr unterschiedliche Pensionsantritte gibt. In den meisten Fällen waren die Männer die Älteren. Das heißt, der Mann war schon in Pension, und seiner Partnerin oder Ehefrau war es möglich, die geblockte Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen, sodass sie schon zwei Jahre früher gemeinsam die Freizeit genießen können. Und so zu tun, als ob der Staat diesen Menschen diese zwei Jahre schenkt, ist eine Frechheit! (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Die erarbeiten sich das nämlich vorher! Die arbeiten ja vorher Vollzeit, damit sie dann früher in die Freizeitphase gehen können!

Und dann herzugehen und so etwas zu sagen, das ist schon wieder etwas, wo ich sage: Ihr habt keine Ahnung von all den Menschen, die in Österreich leben. Ihr wisst nicht, wie Familie funktioniert, ihr wisst nicht, wie Partnerschaft funktioniert, ihr wisst nur, wie ihr Menschen drangsalieren könnt, wie ihr ihnen anschaffen könnt, ihr müsst essen, ihr müsst schlafen, ihr müsst gehen. – So wird das nie mehr werden, denn Gott sei Dank hat diese Regierung ein gesetzliches Ablauf­datum! (Beifall bei der FPÖ. – Die Rednerin verlässt das Redner:innenpult.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet - - (Bundesrätin Schartel kehrt wieder zum Redner:innenpult zurück.) – Ja, ich wollte gerade fragen, ob Sie nicht einen Antrag einbringen wollten.



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Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (fortsetzend): Herzlichen Dank, Frau Präsident! Ich muss mich immer so viel ärgern, dass ich auf die wichtigsten Dinge vergesse. Herzlichen Dank, dass ich mich noch einmal zu Wort melden darf. Ich möchte nämlich noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Altersteilzeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitgeber“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, die folgende Punkte umfasst:

- Die Beibehaltung und gesetzliche Garantie der beiden Modelle ,Altersteilzeit kontinuierlich‘ und ,Altersteilzeit geblockt‘.

- Die Garantie der bisher bestehenden Wahlfreiheit bei den beiden Arbeits­zeitmodellen für die Zukunft.“

*****

Herzlichen Dank. – Danke vielmals, Frau Präsident. (Beifall bei der FPÖ.)

13.38


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Der von den Bundesrät:innen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Altersteilzeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte sehr.



BundesratStenographisches Protokoll958. Sitzung, 958. Sitzung des Bundesrats vom 5. Oktober 2023 / Seite 161

13.38.30

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Jetzt bin ich natürlich schon etwas zurückhaltend. Ich hoffe, ich kann heute noch nach Hause kommen, nach­dem uns ja gerade die Fähigkeit abgesprochen worden ist, uns mit Leben und Familie auszukennen. (Heiterkeit bei den Grünen.) Das gibt mir jetzt schon zu denken. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Aber jetzt tatsächlich zur Realität, ich lebe ja in diesem Land: Es hat mich, hat uns vor Kurzem die Anfrage eines Dienstnehmers erreicht, nämlich zur Mög­lichkeit der Inanspruchnahme der Altersteilzeit. Ich habe gedacht – wenn man heute die Diskussion ein bisschen verfolgt hat, könnte man das erwarten; ich war damals auch so drauf –, da wird es jetzt sicher um die Möglichkeit der Inanspruchnahme der geblockten Altersteilzeit gehen, weil ja die Förderung der­selben in Schritten reduziert wird. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Er möchte nämlich nicht die geblockte Altersteilzeit in Anspruch nehmen, und auf meine Frage, warum er das nicht tun will, habe ich die Antwort bekom­men: Weil mir meine Arbeit Spaß macht und ich gerne noch länger arbeiten möchte, aber eben nicht Vollzeit – und weil es mir auch ein Bedürfnis ist, meine Nachfolgerin, meinen Nachfolger gut einschulen zu können.

Ja, selbstverständlich gibt es auch Arbeitnehmer:innen, für die die geblockte Variante die passende ist. Was heute aber beschlossen wird, ist, dass die Förderung für das Modell der geblockten Altersteilzeit schrittweise reduziert wird, und vor allem – Kollegin Göll hat es schon ausgeführt – werden viele weitere Möglichkeiten geschaffen, die auch die Altersteilzeit attraktivieren. Das ist – das haben wir heute auch schon gehört – tatsächlich der aktuellen Situation am Arbeitsmarkt geschuldet. Wir sind händeringend auf der Suche nach Fachkräften. Was liegt da näher, als Arbeit für Menschen attraktiv zu machen, sodass sie eben länger arbeiten können? – Da ist es schon etwas


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kontraproduktiv, Menschen durch geblockte Altersteilzeit vorzeitig gefördert in den Ruhestand zu schicken.

Politisches Handeln – das ist eine Tatsache – impliziert, dass wir die Rahmenbedingungen so verändern, dass notwendige Möglichkeiten geschaffen werden. Daher ist es auch gerechtfertigt, dass man gewisse arbeitsmarkt­politische Instrumente, die vor 30 Jahren beschlossen worden sind, einmal überprüft und schaut, ob sie auch heute noch zur aktuellen Arbeitsmarkt­situation passen oder ob es vielleicht sinnvoller ist, andere Instrumente zu schaffen.

Wir lassen jetzt wie gesagt – so werden wir es beschließen – die Altersteilzeit als solche bestehen – sie ist ja als Maßnahme weiterhin möglich –, aber die Förderung wird eben in den nächsten Jahren schrittweise auslaufen. Das heißt aber nicht – damit komme ich eigentlich noch einmal auf das zurück, was ich gesagt habe –, dass nicht unter Umständen in sieben, acht Jahren oder wann auch immer andere Modelle entwickelt werden oder die geblockte Altersteilzeit wieder kommt. Dagegen spricht ja gar nichts, wenn es eben die ent­sprechenden Notwendigkeiten gibt, wenn sich die Situation am Arbeitsmarkt verändert.

Eines glaube ich aber – und darüber sind wir uns hoffentlich alle hier im Plenum einig –: dass wir dringend Arbeitsplätze brauchen, die altersgerecht sind, dass wir Arbeitsplätze brauchen, die gesund sind, dass wir Arbeitsplätze brauchen, die ein Arbeiten im Alter in Würde erlauben. Das ist, glaube ich, das oberste Ziel, das wir uns gesetzt haben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ich darf noch ein paar Sätze zum Bildungsbonus sagen. Ich glaube, wir können da tatsächlich von einer Erfolgsgeschichte reden. Den Bildungsbonus gab es ja in der Vergangenheit schon – das war nicht sehr bekannt, er war auch nicht sehr attraktiv und ist auch finanziell nicht sehr hoch bewertet worden. Als dann Corona gekommen ist, hat man im Moment der Krise


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etwas Neues ausprobiert und diesen Bonus wesentlich ausgeweitet und attraktiviert, und das war gut so und es hat sich da bewährt. Eben weil es sich bewährt hat, geht es jetzt sozusagen ins Dauerrecht über. Das wird eine wegweisende und auch zukunftsweisende Neuerung sein, und ich bin fest davon überzeugt, dass das wesentlich zur Transformation in unserer Arbeitswelt in den nächsten Jahren beitragen wird.

Warum ist dieser Bonus so wichtig? – Die Arbeitswelt hat sich verändert und sie verändert sich weiter. Die Menschen bleiben nicht ewig in dem Beruf, den sie einmal erlernt haben. Das hängt von vielen Faktoren ab, sei es, dass sie in dem Beruf möglicherweise unglücklich sind, weil ihnen auch manchmal die Perspektive fehlt, sei es, dass sie irgendein neues Interesse entdecken, sei es, dass sie sich jetzt vielleicht etwas anderes zutrauen oder einfach Lust auf etwas Neues haben. Das sollen die Menschen tun, und der Staat soll dabei helfen. Das ist natürlich auch im Eigeninteresse des Staates. Es tut sich im Moment viel, es tun sich viele neue Möglichkeiten auf – ich denke da gerade an die ökologische Wende oder an die Energiewende, für die wir Zehntausende Arbeitnehmer:innen brauchen werden.

Bisher war es leider oft so, dass man sich Ausbildung, zumal lange Ausbildung, manchmal nicht leisten konnte, weil das Arbeitslosengeld nicht ausreicht, weil man eben eine Familie versorgen muss, Verpflichtungen hat. Deshalb wurden Ausbildungen leider oft auch abgebrochen, und das wird in Zukunft hoffentlich nicht mehr der Fall sein, denn genau an dieser Stelle greift der Bildungsbonus. Wir reden da je nach Ausbildungslänge von 200 beziehungsweise 340 Euro pro Monat zusätzlich zum Arbeitslosengeld. Selbstverständlich wird auch diese Leistung valorisiert. Das heißt, nächstes Jahr sprechen wir wahrscheinlich schon von 220 beziehungsweise 370 Euro. Es sind Zehntausende Menschen, die nächstes Jahr von dieser Maßnahme profitieren können.

Wenn ich schon dabei bin, möchte ich noch auf zusätzliche Förderschienen hinweisen, die es für jene Bereiche, in denen der Bedarf an Fachkräften


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besonders dringend ist, noch gibt, nämlich im Sozialbereich, in der Elementar­pädagogik, in den Bereichen Umwelt und Ökologie. Da gibt es nämlich mindestens 1 100 Euro, solange die Ausbildung dauert, zum Beispiel drei Jahre lang, oder auch die Stipendien im Pflegebereich: mindestens 1 400 Euro bis zu vier Jahre lang.

Ich denke, es ist ein gutes und wichtiges Maßnahmenpaket, das uns zukunftsfit macht, und das ist gut und wichtig. Ich bitte um breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

13.45


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Ernest Schwindsackl. – Herr Bundesrat, Sie haben das Wort.


13.45.46

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Altersteilzeit – hinter diesem Begriff steckt ja ein bisschen mehr als nur eine Wortkombination.

Alter: Das Alter lässt sich einmal aufgrund einer Geburtsurkunde, die jeder von uns bekommen hat und hat, feststellen. In weiterer Folge lässt sich Alter auch mittels Schätzfaktoren feststellen. Von dieser Variante würde ich aber des Öfteren abraten, denn da kann man sich das eine oder andere Mal möglicherweise auf dem Irrweg befinden.

Teil: Teil eines Ganzen, auch ein wesentlicher Punkt.

Und wenn man dann zum Begriff Zeit kommt – Zeit, Lebenszeit, alles mit Alpha und Omega begrenzt –, dann kommt man zu diesem Begriff, der ein wesentlicher ist und von meinen Vorrednern und Vorrednerinnen schon angesprochen wurde, nämlich der Altersteilzeit.


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Geschätzte Damen und Herren! Horst Schachner, von mir sehr geschätzter Obmann des steirischen Gewerkschaftsbundes, sehr oft neutral, sehr oft auch über die Parteigrenzen hinaus denkend – hohe Achtung! –: Die steirische Luft tut dir sicher gut, die in Wien weniger (Heiterkeit und Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP), denn sonst hätte ich, glaube ich, gesagt, dass das, was du hier gesagt hast, oft nicht unbedingt mit dem kom­patibel ist, was du in der Steiermark zu diesen Themen sagst. (Bundesrätin Schumann: Na geh! Jetzt beleidigen wir nicht den Kollegen Schachner!) Das ist ein bisschen anders. – Ich weiß schon, dass Wien ein bisschen anders ist. Man braucht nur bei der Stadteinfahrt hereinzukommen, da steht ja schon: „Wien ist anders“. – Vollkommen richtig (Ruf bei der SPÖ: Das heißt was?), es ist nicht vergleichbar mit anderen Bundesländern.

Lieber Horst Schachner, du hast ja das Gespür für die Leute, du bist ja auch immer an vorderster Stelle, aber, wie gesagt, in diesem Fall ist es wirklich abhandengekommen, denn wir sprechen ja hier nicht von einer Abschaffung. Den Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei betreffend möchte ich dann bitte auch noch das eine oder andere ergänzen und auch erweitern. So viel an Realitätsferne und so viel Verbohrtheit und auch Falschliegen, das geht, wie wir in der Steiermark sagen, eigentlich auf keine Kuhhaut.

Geschätzte Damen und Herren, bleiben wir doch wirklich dort, wo wir sein sollten, nämlich bei der Realität, und schauen wir, dass wir möglichst auch an Dinge herangehen, die im positiven Sinne einer Veränderung bedür­fen. – Eine Veränderung ist im Prinzip das ganze Leben. Ich kann nicht an etwas festhalten, weil es vor einigen Jahren gut war – und dann lassen wir es einfach so, weil es gemütlich ist. Die Gemütlichkeit soll einen anderen Stellenwert einnehmen.

Ich glaube, es ist aber vor allem – und das sollte sich nicht gehören – zu einem Markenzeichen der Opposition, in diesem Fall der SPÖ und der FPÖ, geworden, dass man einfach alles, was die Regierung macht, als falsch und als nicht besonders sinnvoll erachtet und überhaupt das Ganze infrage stellt. Das ist


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eigentlich die Schande als solche: dass man bewusste Falschmeldungen herausgibt (Bundesrätin Schumann: Oh? Oh? Bewusste Falschmeldungen?), ganz bewusst Dinge behauptet, die einfach nicht stimmen! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, und dies nicht nur in diesem Bereich – ich hole da nur ganz kurz aus –: Da geht es um die Kinderarmut, darum, dass in Österreich die Kinder nichts mehr zu essen haben, dass die Leute unter der Brücke schlafen, und, und, und. Bitte schön, das sind doch Dinge, die absolut nicht stimmen. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) – Sie lachen, Frau Schumann, ich weiß es, Sie kennen die Leute ja auch nicht. (Bundesrätin Schumann: Nein, ich nicht! Nein, sicher nicht! Nein, nein!) Sie haben es ja nur in Ihrem Büro irgendwo gehört. (Bundesrätin Schumann: Na genau! Im Büro gehört! So schaut’s aus!) Es wurde Ihnen von Ihren Mitarbeitern zugetragen, die auch keine Ahnung haben. (Bundesrätin Schumann: Aber! Aber! Ein bissl ... sind wir jetzt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, ja.

Es geht auf alle Fälle darum, dass die Unwahrheiten in Wahrheiten umgedreht gehören und dieser Bundesregierung Anerkennung entgegengebracht und Respekt gezollt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber wenn man hier einen Entschließungsantrag einbringt – Frau Schartel, der Schaum vor dem Mund war unübersehbar –, dann hat es eigentlich wirklich keinen Sinn, Dinge auf den Tisch zu bringen und vorzulegen, wenn das vom Inhalt her überhaupt nicht passt. Schauen Sie sich doch bitte die Gesetzes­vorlage genau an! Lassen Sie sich nicht irreführen von irgendwelchen alten Skripten, die aktuellen wären entscheidend gewesen, die hätten Sie in diesen Entschließungsantrag einfließen lassen sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Entschließungsantrag hinkt ja von hinten bis vorne total, da stimmt ja nichts überein. Lesen Sie sich die Dinge vorher nicht durch? Schauen Sie sich das nicht an? (Bundesrat Kornhäusl: Ein Kauderwelsch!) Das ist eigentlich ein Kau­derwelsch von Dingen, die in diesem Haus aber schon überhaupt nichts verloren


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haben. Aber, Frau Schartel, das ist Ihre Sache und wahrscheinlich passt es auch zu dem Gesamtschema dazu.

Wenn wir schon davon reden, was sich überhaupt verändert, dann geht es um die geblockte Arbeitszeitvariante. Dazu muss man sagen, in den nächsten fünf Jahren wird die Förderung dafür ja auch sukzessive reduziert, das haben die Vorrednerinnen und Vorredner schon ausgiebig dargelegt. Wie wir wissen, ist es pädagogisch ganz gut, zwei-, dreimal zu wiederholen, denn dann kommt es vielleicht doch das fünfte Mal an.

In weiterer Folge kam der Vergleich, dass wir irgendwo in der Vergangenheit steckengeblieben sind. – Wir wollten auf alle Fälle die Einführung der geblockten Altersteilzeit. Die Einführung war damals eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, weil man ja den Unternehmen die Möglichkeit geben wollte, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Da hat es immer auch die Bedingung gegeben, dass ein Ersatzarbeitsplatz geschaffen werden muss, wenn jemand in die geblockte Altersteilzeit geht. Das war allerdings zu einer Zeit, in der die SPÖ noch regiert hat, und damals gab es eine wesentlich höhere Arbeits­losig­keit. (Bundesrat Schachner: Heute noch immer! – Bundesrätin Schumann: Sind Sie nicht beim ÖAAB?!) – Das ist Geschichtsfälschung, wenn Sie das bestreiten, Frau Vorsitzende! – Auf alle Fälle war es so.

Jetzt ist es ja glücklicherweise durch diese Bundesregierung anders. Es gibt Höchstbeschäftigung. (Anhaltende Zwischenrufe der Bundesrätin Schumann.) Das hat der Herr Bundeskanzler schon gesagt und das können Sie auch nicht leugnen. Es hat, und das wurde auch bereits gesagt, noch nie so viele unselbst­ständig Erwerbstätige wie jetzt in diesem Land gegeben. Wir haben 200 000 offene Stellen, das wurde vorhin bereits von Frau Kollegin Göll gesagt. Jetzt zu fordern, die Altersteilzeit in ihrer bisherigen Form, mit der wir Menschen früher aus dem Erwerbsleben bringen, aufrechtzuerhalten, wenn wir in Zeiten eines Arbeitskräftemangels jede Arbeitskraft brauchen, das muss einem erst einmal einfallen. Das kann ja wirklich nur einigen – nicht allen


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natürlich – hochbezahlten Gewerkschaftsfunktionären einfallen. (Die Bundesrät:innen Schumann und Schachner: Alle!)

Diese Maßnahme ist entstanden, weil unser Arbeitsminister Martin Kocher zwecks Bekämpfung des Arbeitskräftemangels ein Paket geschnürt hat. Deshalb hat man auch genau diese Maßnahmen gesetzt. Dieses Paket wird in den nächsten Wochen ja vorgelegt, das wird auch die Attraktivität für die Menschen, die es betrifft, aufzeigen.

Die 32 Stunden, diese Fantasie, die ja in einigen Köpfen herumschwirrt, kann in diesem Zusammenhang eigentlich überhaupt nicht passen. Das ist eine Forderung, deren Umsetzung all diese Dinge ad absurdum führen würde. Das ist für die Personen, vor allem, wenn sie sich wieder in den Arbeitsprozess eingliedern möchten, ein Affront. Vor allem jene, die sich mit ihrer Expertise, mit ihrer Erfahrung, auch mit ihrem Können im Berufsleben eingebracht haben, möchten sich wieder einbringen, und da wird man schauen, dass das auch ent­sprechend attraktiv gestaltet werden kann.

Also: Wir reagieren auf den Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel, während die Opposition sich freut, wenn möglichst wenige Menschen ins Erwerbsleben kommen – das sind Dinge, die einfach keine Probleme lösen. Wir versuchen, diese Probleme, die es gibt, entsprechend zu lösen und ihnen mit Sorgfalt und vor allem mit Hirn, Herz und Hand zu begegnen. Vielleicht auch an die Gewerkschaft gerichtet: viel mehr Herz anwenden als Sonstiges. Und vielleicht an die Freiheitliche Partei: Schauen Sie, dass Sie sich für die arbeitenden Menschen ein bisschen stärker einsetzen, nicht nur für Ihr Klientel, das sich in irgendwelchen Sphären befindet. –Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche ein steirisches Glück auf! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

13.55


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte schön.



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13.55.35

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schwindsackl, du hast uns aufgefordert, dass wir es bei der Wahrheit belassen, deswegen habe ich ein paar Dinge aus der Debatte mitgenommen, von denen ich der Meinung bin, dass sie tatsächlich unwahr sind. Dass sich Leute den Gesetzestext nicht angeschaut haben, ist jedenfalls ein unberechtigter Vorwurf an uns.

Aber vielleicht der Reihe nach: Kollegin Hauschildt-Buschberger hat gemeint, mit diesem Gesetzestext werden viele neue Möglichkeiten zur Attraktivierung der kontinuierlichen Altersteilzeit geschaffen. Ist das so? – Eine habe ich im Gesetzestext gelesen, tatsächlich: Es wird flexibilisiert. Die vorherige Normal­arbeitszeit kann von 20 bis 80 Prozent reduziert werden. Eine habe ich also gelesen, viele neue Möglichkeiten habe ich nicht gefunden, die gibt es auch nicht.

Kollegin Göll hat gemeint, es würden viel weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Blockzeitmodell in Anspruch nehmen. – Das stimmt natürlich, aber das ist ein klassischer Fall der Verwechslung von Korrelation und Kausalität. Das ist nicht, weil Arbeitnehmer:innen das nicht wollen, sondern das ist, weil die Förderungen für Arbeitgeber geringer sind. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Beim kontinuierlichen Modell liegt der Satz bei 90 Prozent. Das ist natürlich wesentlich attraktiver als bei der Blockzeitvariante, wo es 50 Prozent sind. Es liegt also nicht an den Arbeitnehmer:innen per se. Es gibt natürlich auch Arbeitnehmer:innen, die das Blockzeitmodell haben wollen und es aufgrund von betriebswirtschaftlichen Überlegungen nicht bekommen.

Kollege Schwindsackl! Kollege Schachner hat vorhin übrigens auch nicht gesagt, dass das Altersteilzeitmodell abgeschafft wird, er hat gesagt, die Blockzeit­variante wird abgeschafft. Und da hat er völlig recht, mit der Novelle wird die Förderung dafür abgeschafft. (Bundesrat Kornhäusl: Stimmt auch


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nicht!) – Kollege Kornhäusl, ohne Förderung wird das in der Praxis nicht mehr passieren. Und die Förderung fällt weg. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist was anderes, das Modell bleibt aufrecht!) - Okay, machen wir einen Deal: Wir reden in fünf Jahren darüber, Sie zeigen mir dann einen Betrieb, der das noch macht. Und wenn es einen solchen Betrieb tatsächlich gibt, lade ich Sie zum Essen ein. Das mache ich sehr gerne. Ich glaube es aber nicht, das stimmt nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich will Kollegin Schartel noch einmal völlig recht geben und wiederholen: Wir schicken die Leute nicht vorzeitig gefördert in den Ruhestand – die Leute bekommen ihre Normalarbeitszeit herabgesetzt, sie arbeiten länger, damit sie Jahre später früher gehen können. Sie werden nicht gefördert in den Ruhestand geschickt, sondern sie erarbeiten es sich. Das ist absolut richtig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Zum Schluss noch einmal zu Kollegen Schwindsackl, der davon gesprochen hat, dass das eine Maßnahme war, die zu einer Zeit etabliert wurde, als die Arbeitslosigkeit höher war: Da hat er natürlich im Kern recht, was allerdings bei der Argumentation nicht beachtet wurde, ist, dass wir momentan steigende Arbeitslosenzahlen haben. Ende September lag die Zahl der Arbeitslosen um 14 601 Personen höher als im Jahr zuvor. Das sind 4,8 Prozent mehr, das macht einen Anstieg der gesamten Arbeitslosenquote auf momentan 5,9 Prozent.

Wir sind also genau in einer Phase – und das sagt sogar AMS-Chef Kopf –, in der die Arbeitslosigkeit im Steigen ist. Und genau in solch einer Phase nehmen wir ein Modell heraus, das arbeitsmarktpolitisch stimulierend wirkt. Warum? – Nur um die Arbeitnehmer zu sekkieren, das ist das Markenzeichen dieser Bundes­regierung. Das ist zu wenig; wenn wir bei der Wahrheit bleiben, müssen wir das dazusagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

13.59


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als nächster Redner gelangt Bundesrat Christoph Steiner zu Wort. – Bitte schön.



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13.59.26

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsident! Die Debatte hat jetzt eines ganz klar gezeigt: wie abgehoben und wie weltfremd diese ÖVP agiert, und vor allen Dingen, wie wurscht es euch ist, wie es den Leuten draußen geht.

Ich habe gedacht, ich höre nicht richtig – ich habe mir eh gedacht, dass Kollege Obrecht das noch einmal erwähnt, was Kollege Schwindsackl gesagt hat –:

Der stellt sich da her, sein Leben lang im geschützten Bereich bei der Giebel­kreuz­mafia tätig, er hat sich überhaupt nie (Zwischenrufe bei der ÖVP), hat sich nie müssen - - (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP), er hat sich nie - - (Ruf bei der ÖVP: Frau Präsidentin, die Mafia ist eine kriminelle Organisation!) – Ja, schau her! Die Mafia macht mittlerweile Schulungen bei der ÖVP, so weit habt ihr es gebracht. (Zwischenruf des Bundesrates Schwindsackl.) Geh, erzähl keine Märchen! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schreuder: Das darf man nicht machen!)

Er hat sich sein Lebtag nie Sorgen machen müssen, er darf sich jetzt hier hereinsetzen und seine Pension noch ein bissel auffetten und stellt sich hierher und sagt allen Ernstes (Zwischenrufe bei der ÖVP) – allen Ernstes! –, es gebe in Österreich keine Armen und keine - -


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege, darf ich Sie bitten? – Danke.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Frau Präsidentin, Sie dürfen mich alles bitten.

Herr Kollege Schwindsackl stellt sich hierher und behauptet, es gebe in Österreich keine Armen und keine Menschen, die unter einer Brücke schlafen müssen, und keine, die hungern. – Ja, das glaube ich schon, dass du in den Kreisen, in denen du dich bewegst – fein, alles gut, Kaviar und Sekt schlürfend –, keinen kennst, das glaube ich, dass du da keinen triffst. Geh aber einmal hinaus auf die Straße, red mit den Leuten, geh durch Wien, spazier nur einmal durch Wien – nicht im 1. Wiener Gemeindebezirk (Bundesrat Schreuder: Ich wohne im


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15. Bezirk!) –, geh raus und red mit den Leuten! Ihr habt das verursacht. Ihr seid die Verursacher dieses Missstands! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt verursacht, dass Kinder hungern. Ihr habt verursacht, dass Kinder am Monatsende kein Essen mehr auf dem Teller haben. Dann stellt sich Herr Kollege Kornhäusl, ah, Schwindsackl hierher und behauptet, es gebe keine hungrigen Kinder, es gebe keine Armen.

Schau dir deinen ORF an, deinen Staatsfunk! Resetarits – jetzt vor Kurzem – hat einen Obdachlosen befragt, wie es ihm gehe, warum er obdachlos gewor­den sei; alles drin. Der ist nicht seit 20 Jahren obdachlos, der ist jetzt erst obdachlos geworden und hat keinen Anspruch mehr auf Gesundheitsversorgung. Der fällt nämlich durch das Versicherungsnetz durch. Schau dir den Beitrag an! (Bundesrat Schwindsackl: Ich habe es gesehen!)

Dann musst du nicht einmal zu den Leuten rausgehen, du brauchst nur bei dir zu Hause ORF einzuschalten, du brauchst nicht unter die Bevölkerung zu gehen, auch der ORF – euer eigener Staatsfunk! – berichtet mittlerweile über euer Versagen und darüber, was ihr mit den Bürgern anrichtet. (Beifall bei der FPÖ.)

Sich dann hierherzustellen und zu sagen, es gebe in Österreich keine Armut, entbehrt jeglicher Grundlage. (Bundesrat Schwindsackl schüttelt den Kopf.) Gibt es nicht? Behauptest du wieder, es gebe in Österreich keine Armut?

Herr Kollege Schwindsackl behauptet, es gebe in Österreich keine Armut. (Ruf bei der SPÖ: Owei, owei!) Dann darf ich jetzt jeden Armen bitten, Herrn Kollegen Schwindsackl ein E-Mail zu schreiben, einen Brief zu schreiben, und du wirst sie wohl hoffentlich alle unterstützen. Wenn es eh keine gibt, wirst du es finanzieren können, weil es dann maximal ein, zwei sind. Also schickt bitte Herrn Kollegen Schwindsackl eure Bitten, er unterstützt euch dann großzügig mit Geld.


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Das ist doch so etwas von weltfremd, wenn man von oben herab den Leuten, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, die unverschuldet durch Ihre Gesetze – die haben Sie hier mitbeschlossen, jedes einzelne, Herr Schwindsackl! – in Not geraten, deren Kinder kein Essen mehr kriegen, sagt, es gebe keine Armut. Na, das entbehrt jeglichen normalen Denkens, jeglicher Empathie. Es ist traurig, dass wir solche Bundesräte hier herinnen sitzen haben, traurig genug. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ihr stellt euch dann hierher und sagt, das stimme alles nicht, was die Opposition da behauptet, das sei alles erlogen und erstunken – quasi übersetzt –, und wir erfänden immer Sachen und würden behaupten, dass die Regierung so schlecht sei.

Na, was habt denn ihr behauptet? – Herr Kollege Schwindsackl ist hier gestanden und hat gesagt: Jetzt, liebe Pflegekräfte, kriegt ihr den 2 000-Euro-Pflegebonus! – Und was haben sie gekriegt? – Einen feuchten Furz, nicht einmal 1 000 Euro sind es gewesen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) So geht ihr mit den Leuten um, ständig geht ihr so mit den Leuten um. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe das nicht und ich verstehe es nicht, dass die Grünen immer mit dabei sind. Ich verstehe das nicht. Was ist daran so toll, mit der ÖVP ewig in einer Regierung zu sitzen, wo ihr immer nur diese komischen Verschlech­terungen für Österreich mittragen müsst? Ich verstehe nicht, was daran so toll sein kann. Da bin ich doch zehnmal lieber in Opposition und schaue, wie es gescheit weitergeht, als mit dieser Regierungsmannschaft noch länger weiterzu­wurschteln. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Ihr müsst euch ja auch mit solchen Bundesräten abgeben. Kollege Schreuder, das willst du ja auch nicht hören, wenn sich der hierherstellt und allen Ernstes sagt, es gebe keine Armut in Österreich. Das kann ja – hoffentlich – nicht der Anspruch von einem Grünen sein, oder?


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Natürlich gibt es Armut. Das muss man doch sehen, wenn man mit offenen Augen durch das Land geht. Ich verstehe euch Grüne nicht, ich verstehe euch wirklich nicht. Wie leidensfähig kann eine Partei sein, dass sie das noch mitmacht? – Ihr seid dann aber selber schuld, irgendwann seid ihr halt wieder aus dem Parlament draußen, aber euch ist ja nicht zu helfen.

Warum macht ihr denn so einen Schas immer mit? Es sind ständig nur Verschlechterungen, Verschlechterungen, Verschlechterungen - - (Bundesrat Kornhäusl: Jetzt dreht ihm das ab! Das ist ja kein Zeltfest, Christoph! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege, darf ich Sie bitte noch einmal daran erinnern, dass wir uns im Parlament befinden? – Danke schön. (Bundesrätin Schumann: Du bist nicht am Stammtisch!)

Könnten Sie bitte das Wort zurücknehmen? (Bundesrat Steiner: Welches?) – Ich möchte es nicht noch einmal wiederholen. (Bundesrat Buchmann: Entschuldige dich einfach für deine Rede!)


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): So, nein, Herr Kollege Buchmann, ich werde mich für meine Rede sicher nicht entschuldigen. Auch du bist ein solcher Kollege, ja, Doktor außer Dienst, oder wie sagt man da?

Herr Kollege Buchmann, Doktor außer Dienst, ist der gleiche Kollege, er würde wahrscheinlich auch sagen, es gebe keine Armut in Österreich. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.) Ich entschuldige mich sicher nicht für das Wort Schwachsinn, weil das die Leute draußen überhaupt nicht interessiert, ob der Steiner hier das Wort Schwachsinn oder irgendein anderes, schöneres deutsches Wort verwendet (Bundesrat Schreuder: Du hast Schas gesagt!) oder Schas sagt, das ist den Leuten draußen völlig wurscht, wenn es ihnen schlecht geht.

Die Leute draußen wollen, dass ihr verdammt noch einmal eine Politik macht, damit es ihnen wieder gut geht. (Beifall bei der FPÖ.)



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Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege, ich versuche es jetzt noch einmal: Wir vertreten hier das Hohe Haus (Bundesrat Steiner: Ja, ich auch! – Ruf bei der ÖVP: Nein!) gemeinsam, und deswegen würde ich Sie bitten, einfach in Ihrer Wortwahl ein bisschen sorgfältiger zu sein. Vielen Dank.


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Noch einmal: Ich werde mich bemühen, in der Wortwahl sorgfältiger zu sein, nur interessiert das draußen niemanden.

Das interessiert überhaupt niemanden. Die Leute draußen interessiert nur, wie sie das Leben am Ende des Monats meistern können. Mit dieser Regierung meistern sie es leider Gottes nicht, weil ihr nur schaut, dass ihr ihnen so viel wie möglich an Steuern aufbürdet – CO2-Steuer und, und, und –, ihr kommt immer nur mit dem Gleichen daher und dann haben wir Probleme.

Dann entwickeln sich die Probleme im Land und was passiert dann? – Dann stellt ihr euch hierher und sagt, das gebe es alles nicht. Das ist typisch ÖVP, ihr seid mittlerweile nicht nur komplett ideenlos unterwegs, sondern halt auch moralisch komplett desolat. (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte sehr.


14.07.54

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Kollege Steiner, ich habe mich jetzt an den vergangenen Sonntagabend zurückversetzt gefühlt – nicht Primetime, denn 22 Uhr ist nicht mehr ganz die Primetime –, im ORF lief – wieder einmal mit einer großartigen Einladungs­politik am Küniglberg – die Sendung „Im Zentrum“. Die Freiheitlichen waren nicht dabei, die haben gesagt, sie schicken niemanden. In Wahrheit haben Sie aber jetzt genau das erledigt, was dort ein Journalist erledigt hat, dass er nämlich die Österreichische Volkspartei mit der Mafia verglichen hat. (Bundesrat


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Steiner: Na, ich habe gesagt, die Mafia macht bei euch Schulungen! – Rufe bei der ÖVP: Nein, nein, nein!)

Er hat es so gesagt, Sie haben es so gesagt. Fakt ist, Sie und dieser Journalist, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe, haben die Österreichische Volkspartei mit einer kriminellen Organisation verglichen.

Herr Kollege Steiner, ich sage Ihnen etwas: Ich verwahre mich dagegen, dass Sie eine gesamte Partei, eine demokratische Partei, und damit alle Funktionärinnen und Funktionäre, von den Gemeinderätinnen und Gemeinde­räten über die Gemeindeparteiobleute bis hinauf zum Bundeskanzler, mit der Mafia vergleichen. Herr Kollege Steiner, das ist nicht in Ordnung! (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Das lassen wir so auf uns nicht sitzen und das ist auch nicht Fakt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

14.09 14.09.24


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist laut der Schriftführung – und ich kontrolliere es noch einmal – die Stimmenmehrheit und somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Altersteilzeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeit­geber“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungs­antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

14.10.389. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G geändert wird (3547/A und 2187 d.B. sowie 11304/BR d.B.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Ich bitte um Ihren Bericht.


14.11.00

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. September 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Oktober 2023 den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte schön, Herr Bundesrat.



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14.11.34

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt wieder um das Gesetz, das wir schon im Juni hier besprochen haben, um die 60 Euro pro Monat, die wir Alleinverdiener:innen und Alleinerzieher:innen gewähren. Ich habe damals schon gesagt, was ich davon halte: 2 Euro pro Tag sind zu wenig. 60 Euro im Monat oder, wie der Kanzler sagen würde, viermal, fünf­mal zum Mäci gehen. Also das ist zu wenig, damit kommt man nicht weiter.

Jetzt müssen wir es schon reparieren, weil es ja eine solch gute Legistik war, dass wir jetzt schon wieder anfangen müssen, am Text zu basteln. Interessant dabei, um Sie nicht mit technischen Dingen zu belasten, finde ich ja, was in der Debatte am 29. Juni hier von den Kolleginnen der Regierungs­parteien gesagt wurde.

Ich zitiere Vizepräsidentin Margit Göll: „Alle Förderungen und Unterstützungen sollen rasch, unkompliziert und zielgerichtet bei den Familien und Müttern ankommen. Somit ist ihnen natürlich am schnellsten und auch am meisten geholfen.“ – Klingt super.

Bundesrätin Jagl von den Grünen: „Gerade jetzt brauchen wir sozialpolitische Maßnahmen, die akut helfen und bei den Menschen gezielt ankommen.“

Im Juni wurde das beschlossen. Glauben Sie, dass das im Sommer ausbezahlt worden ist? – Es ist nicht im Sommer ausbezahlt worden. Jeder Monat zählt! Wie Kollegin Jagl sagt: Es ist notwendig, akut zu helfen. Sie sagen, es muss rasch und unkompliziert kommen. Es ist im Sommer aber nicht ausbezahlt wor­den; wir sind immer noch dabei.

Ich habe auf der Homepage der Bundesbuchhaltungsagentur nachgeschaut – ich kann nicht kontrollieren, ob es tatsächlich stimmt, ich habe mich nur dafür interessiert, wann es tatsächlich ankommt, weil die Frage an mich herangetragen wurde, wo das Geld denn bleibt –, und auf der Homepage steht, im September


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werden die 60 Euro für den Juli ausbezahlt, im Oktober werden dann die für August ausbezahlt. Wir werden also zwei Monate im Verzug sein und das Monat um Monat. Das Gesetz ist auch so geschrieben worden, dass die Buchhal­tungs­agentur gar keine Möglichkeit hat, diese Säumnis aufzuholen. Das heißt, das wird jetzt ewig weitergezogen und zwei Monate hintennach ausbezahlt.

So viel zum Wahrheitsanspruch: Bei der Debatte hier wird gesagt, man muss akut helfen, es ist dringend notwendig, 60 Euro – die 2 Euro pro Tag. – Und den ganzen Sommer war dann nichts. Dazu ist auch noch die Legistik so unvoll­stän­dig, so schlecht, dass wir es jetzt schon wieder reparieren müssen, und zusätzlich gibt es keine Möglichkeit für die Buchhaltungsagentur, diese Säumnis jemals aufzuholen, dazu müssten wir das Gesetz nämlich noch einmal reparieren.

Daher ein Appell, und es ist ein ganz allgemeiner, an die Regierungsparteien, weil es ja auch eine handwerkliche Geschichte ist: Es gab tatsächlich eine Tradition in diesem Land: dass nämlich große, wichtige Vorhaben besprochen werden, und zwar mit Beteiligung der Opposition, mit Beteiligung der Zivilgesellschaft. Es gab für Vorhaben Regierungsvorlagen. Seit 2019, also erst kürzlich, hat sich dieses Verhältnis umgedreht: Es gelangen mehr Initiativ­anträge als Regierungsvorlagen in dieses Haus. Das heißt aber gleichzeitig nicht, dass die Abgeordneten oder die Parlamentsklubs die Gesetzestexte schreiben. Nein, es schreiben sie weiterhin die Bediensteten der Bundesministerien, nur mit dem Unterschied, dass es keine Wirkungsfolgenanalyse gibt, weil es keine Regierungsvorlage ist, sondern über einen Initiativantrag hereinkommt; mit dem Unterschied, dass es keine Begutachtung gibt, in der auf Fehler hingewiesen werden kann, in der schlechte Legistik noch ausgebessert werden kann, weil es stattdessen einfach durchgewunken wird.

Wir haben heute – das war das erste Gesetz – ein Gesetz auf der Tages­ordnung, zu dem der Beschluss tatsächlich bei der Sondersitzung am 30. August mit dem Gedanken, dass das jetzt besonders schnell passieren muss, gefasst worden ist. Ja, aber ohne einen Sonderbundesrat war das Vorziehen völlig egal. Man hätte es im Budgetausschuss besprechen, dann im Nationalratsplenum


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beschließen können, es wäre trotzdem heute – an diesem Tag! – hier angekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dennoch hat man auch da wieder den anderen Weg gewählt und es vorbei am normalen parlamentarischen Prozedere durchgeschoben, vorbei an der außerparlamentarischen Kontrolle. Sie winken das mit vollem Wissen durch.

Ich appelliere da auch an die Grünen, weil das wirklich ein häufiger Vorwurf in der Zeit war, als die Sozialdemokratie an der Macht war. Ich muss übrigens dazusagen, dass bei uns dieses Verhältnis immer korrekt war: Wenn die Legistik tatsächlich aus dem Ministerium gekommen ist, ist sie in aller Regel hier auch als Regierungsvorlage eingegangen. Man kann auch statistisch belegen, dass sich das bei Ihnen umgedreht hat. Das ist eigentlich ein Armutszeugnis vor allem für die Grünen, weil der Anspruch ihrer Partei eigentlich ein anderer gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.16


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Simone Jagl. – Bitte, ich erteile Ihnen das Wort.


14.16.16

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen, Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Bevor ich zum eigentlichen Punkt komme eine Sache, die mir noch am Herzen liegt: Ich habe einen Funfact für die FPÖ, weil ihr euch vorhin bei der ersten Rede der Kollegin Kittl so sehr aufregen habt müssen, weil sie die Besucherinnen und Besucher hier im Haus als Gäst:innen begrüßt hat. Wie gesagt ein Funfact: Die Ableitung Gästin ist nicht etwa erst das Ergebnis der von euch so gefürchteten weiblichen Sprachemanzipation der letzten Jahre. Diese Ableitung kommt schon im Wörterbuch der Gebrüder Grimm vor. – Nur, dass ihr euch über solche Details nicht immer so sehr aufregen müsst. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Wir haben ja nicht gesagt, dass es früher keine


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Verrückten gegeben hat!) – Genau! Dass es die nicht überall gibt, die Ver­rückten.

Jetzt zum eigentlichen Tagesordnungspunkt: Es handelt sich um eine Präzisierung zur Abwicklung des Kinderzuschusses für einkommensschwächere Haushalte. Es geht um die bessere Anwendbarkeit der Regelungen in der Praxis. Es geht um die schnellere Auszahlung. Uns wäre es auch lieber gewesen, wenn das gleich funktioniert hätte – keine Frage!

Das Geld ist schon bei den Ländern. Wir hoffen, dass es wirklich mit September losgegangen ist. Eines ist schon klar: Die Auszahlung erfolgt rückwirkend ab Juli und niemand bekommt weniger Geld.

Wir haben im Sommer ein 500-Millionen-Euro-Paket gegen Kinderarmut auf den Weg gebracht, und auch wenn vonseiten der Sozialdemokratie unermüdlich immer wieder behauptet wird, die Maßnahmen seien nicht treffsicher, werde ich nicht müde werden, zu erklären, dass sie das schon sind. 92 Prozent dieser 500 Millionen Euro bekommen die 50 Prozent mit den niedrigsten Haushaltsein­kommen. Immerhin 41 Prozent bekommen die 10 Prozent mit dem allerniedrigsten Haushaltseinkommen. Es kommt also genau bei den Menschen an, die es am dringendsten brauchen, bei denen, die es schon vor den derzeitigen Krisen schwer hatten.

Da muss ich schon auch sagen: Ihr werdet das heute ablehnen, was davon bleibt, ist aber nicht die möglicherweise teilweise berechtigte Kritik, dass ihr andere Maßnahmen fordert, stärkere Maßnahmen, sondern dass ihr gegen eine Auszahlung an die Betroffenen seid. Ihr seid dagegen, dass eine Familie mit drei Kindern 180 Euro mehr im Monat bekommt, zur Verfügung hat. Das ist vielleicht die Sportwoche für die Kinder, die dadurch leistbarer wird. Vielleicht machen die 180 Euro das Bisschen aus, das es braucht, dass die Kinder wirklich jeden Tag eine gesunde Jause mitbekommen. Dagegen seid ihr jetzt mit eurer Ablehnung. (Bundesrätin Grimling: Das glaubst du aber selber nicht! Glaubst du das?)


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Die Frage ist halt: Versteht das irgendjemand in den betroffenen Familien, von denen ihr immer behauptet, dass ihr euch so sehr für sie einsetzt? Versteht das irgendjemand? (Bundesrätin Grimling: Sicher!) – Also ich kann es mir nicht vorstellen. Versteht irgendjemand, dass ihr ablehnt, dass diese Leute das Geld ausbezahlt bekommen? (Bundesrätin Grimling: Ja, wann kriegen sie es denn?) – Ja, bitte, erklärt ihr es! Es ist eh nicht meine Sache.

Da wir immer wieder das Argument hören, dass die Maßnahmen nicht treffsicher seien – das haben wir schon gehabt –, dass das Almosen seien und dass das eh nichts Nachhaltiges sei: Schauen wir uns einmal die Zahlen an!

Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern mit einem Einkommen von 1 600 Euro brutto im Monat erhält im kommenden Jahr 300 Euro durch den erhöhten Kindermehrbetrag, 400 Euro durch die Anhebung der Tarifgrenzen und Absetz­beträge, 500 Euro durch den Kinderabsetzbetrag und die valorisierte Familienbeihilfe, 1 440 Euro durch das Kinderarmutspaket. Das sind insgesamt 2 640 Euro. Das sind keine Almosen, sondern das ist – ich weiß, es tut euch ein bisschen weh, wenn das gelingt – Sozialpolitik, die ankommt und wirkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Eder. – Bundes­rätin Grimling: Glaubst du das wirklich, was du da sagst?)

14.21


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herzlichen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Franz Ebner. – Bitte schön.


14.21.47

Bundesrat Mag. Franz Ebner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Zuallererst möchte ich an dieser Stelle dir, liebe Frau Präsidentin Arpa, herzlich zur gestrigen Enquete des Bundes­rates, die sich mit dem Thema „Kindern Perspektiven geben“ auseinandergesetzt hat, gratulieren. Dabei wurde auch das Thema Kinderarmut behandelt, und es


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wurden interessante, unterschiedliche und auch spannende Gesichtspunkte dieses sehr wichtigen Themas aufgezeigt. Herzliche Gratulation dazu! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Armutsgefährdete Kinder und Familien sind auch das Thema des aktuellen Tagesordnungspunktes. Angesichts der Teuerung haben wir vor dem Sommer einen besonderen Kinderzuschuss für armutsgefährdete Haushalte beschlossen. Unter anderem erhalten Bezieherinnen und Bezieher von Sozial­hilfe und Arbeitslosengeld sowie Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher ebenso wie Alleinverdienerinnen und Alleinverdiener mit niedrigem Einkommen bis Ende 2024 für jedes Kind eine monatliche Sonderzahlung von 60 Euro. Es ist de facto eine zusätzliche monatliche Familienbeihilfe für jene, die es am schwersten haben.

Im Zuge der Auszahlungen hat sich ganz einfach gezeigt, dass es ein soge­nann­tes Clearing braucht, um sozusagen Doppelförderungen zu vermeiden.

Es ist nicht ganz richtig, dass bisher kein Geld überwiesen wurde. Im Ausschuss haben wir die Information erhalten, dass bereits 134 000 Menschen diese zusätzliche Beihilfe bekommen haben, und jenen, denen sie noch zusteht, wird sie rückwirkend ausbezahlt. Der heutige Beschluss ist also einzig und allein dazu notwendig, eine lückenlose Abwicklung zu gewährleisten.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin ein Freund von Fakten. Manchmal ist es schon bedrückend, wenn man hier den Debatten zu verschiedenen Tages­ordnungspunkten folgt. Es wird manchmal sehr, sehr viel schlechtgeredet, und viele Menschen haben das aktuelle aufgeregte Schlechtreden, das immer wieder auch von der Opposition betrieben wird, ehrlich gesagt satt.

Ich sage nicht, dass alles perfekt oder eitel Wonne ist. Man kann immer etwas verbessern, wir brauchen immer wieder Veränderungen, um Dinge besser zu machen. An dieser Stelle zitiere ich aber unseren Bundeskanzler, der sagt:


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„Schlechtredner werden nichts besser machen“. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Ich darf auch ergänzen, dass die Regierung ihrer Verantwortung nachkommt, nicht nur mit den zusätzlichen 60 Euro pro Kind pro Monat, die wir heute beschließen. Wir haben in Summe nach Luxemburg die zweitmeisten Antiteue­rungsmaßnahmen in ganz Europa. (Ruf bei der SPÖ: Deswegen haben wir die größte Inflation!) Es wurde mit der Abschaffung der kalten Progression ein historischer Beschluss gefasst: zwei Drittel automatisch, das eine Drittel, das nicht automatisch passiert, ist wiederum den sozial Schwächeren zugute­gekommen. Der Familienbonus wurde erhöht, Familien- und Sozialleistungen werden automatisch valorisiert, die Familienbeihilfe wurde im vergangenen Jahr einmal doppelt ausbezahlt und vieles, vieles mehr. Die Summe dieser Maß­nah­men bewirkt schon sehr, sehr viel, das gehört auch einmal gesagt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das führt auch dazu, dass der Budgetdienst des Parlaments in einem Bericht zu einem eindeutigen Schluss kommt, er sagt: „In den unteren beiden Einkom­mensdezilen“ – also den unteren 20 Prozent – „stiegen die durchschnittlich verfügbaren Einkommen [...] stärker als die Verbraucherpreise.“ Ich zitiere aus dem Bericht: Die real verfügbaren Einkommen in diesen beiden Dezilen sind „im Durchschnitt höher [...] als im Vorkrisenjahr 2019.“

Wie wird das begründet? – Ich zitiere weiter: „Dies ist im Wesentlichen auf die umgesetzten Unterstützungsmaßnahmen zurückzuführen, die vor allem in den unteren Bereichen der Einkommensverteilung zu signifikanten relativen Einkommenszuwächsen geführt haben.“

Das ist kein Eigenlob, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern das ist ein Faktum, das der Budgetdienst des Parlaments festgestellt hat.

Der Zustand einer Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie mit ihren Schwächs­ten umgeht, heißt es in einem Zitat. Das ist ganz wesentlich. Die Aussage


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dieses Zitates teile ich auch persönlich aus meiner christlich-sozialen Haltung heraus.

Österreich hat mitunter den besten und umfassendsten Sozialstaat der Welt. Das ist keine Errungenschaft nur der letzten Jahre, sondern eine der letzten Jahrzehnte, und es ist eine Errungenschaft von fleißigen Menschen und einer solidarischen Gesellschaft.

Weil wir heute auch schon zum Thema Armut diskutiert haben und während der gesamten Debatte auch immer wieder dieses Thema gekommen ist – auch da möchte ich einfach mit Fakten einen Beleg liefern –: Im Bericht der Statistik Austria „Armut und soziale Eingliederung“ (den genannten Bericht in die Höhe haltend) heißt es –und ich sage ausdrücklich nicht, dass es keine Armut in Österreich gibt, aber vergleichsweise ist sie Gott sei Dank sehr gering – unter dem Punkt „10. Sinkt oder steigt die Armut in Österreich?“ – ich zitiere –: „Auch wenn sich zwischen Einzeljahren Schwankungen in beide Richtungen zeigen und sich die Entwicklungen in den Einzelindikatoren (Armutsgefährdung, Erwerbsintensität, Deprivation) teilweise unterschiedlich darstellen, kann man seit 2008 insgesamt von einer Reduktion der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in Österreich ausgehen.“ (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Wir müssen beim Thema Kinderarbeit aber nicht nur besprechen, wie hoch Sozialleistungen sein sollen oder sein müssen – diesbezüglich wird es immer unterschiedliche Auffassungen geben, und der Opposition wird es am Ende immer zu wenig sein –, sondern wir müssen bei diesem Thema vor allem auch über Verantwortung reden. Ja, der Staat hat selbstverständlich die Verant­wortung und die Aufgabe, jedem Kind die gleichen Chancen zu ermöglichen, aber nicht der Staat allein muss diese Voraussetzungen schaffen. Auch Familien, Mütter und Väter, stehen in der Verantwortung, den Kindern Perspek­tiven zu geben und für sie zu sorgen. Das sage ich auch als überzeugter Vater von zwei kleinen Kindern. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)


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Sehr geehrte Damen und Herren, der Staat kann und darf keine Vollkasko­institution werden, denn die Konsequenz wäre, dass die Eigenverantwortung abgeschafft werden würde. Das darf nicht sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Eigenverantwortung, also nichts anderes, als Verantwortung für das eigene Leben und die eigene Familie zu übernehmen, ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Unser, wie ich finde, Gott sei Dank sehr engmaschiges soziales Netz muss in allererster Linie Hilfe zur Selbsthilfe sein. Ein hohes Maß an Selbstbestimmung ist ausschlaggebend für ein würdiges und in der Folge glückliches Leben.

Daher möchte ich abschließend sagen: Ich glaube an unser Österreich, weil wir eine solidarische und starke Gemeinschaft sind, die denen hilft, die Hilfe brauchen, aber auch jene stärkt, die Hilfe ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass mich manchmal in der Debatte schon auch persönlich stört, mit welchen Worten und welchen Ausdrücken wir hier debattieren. Wir haben heute in der Aktuellen Stunde das Thema Gewaltschutz bearbeitet. Ich finde, Gewalt beginnt mit der Sprache. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Da gibt es ein, wie ich finde, sehr zum Nachdenken anregendes Sprichwort, das da heißt: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte! Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Handlungen! Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten! Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter! Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal!“ – Denken Sie darüber nach! (Lang anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.32


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte sehr.



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14.32.30

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ebner, wir sind keine Schlechtredner, sondern eure Arbeit ist schlecht (Bundesrat Kornhäusl: Eure Plärrerei!) – ob es in der Gesundheitspolitik ist, ob es in der Bildungspolitik ist, ob es im Asylwesen ist. (Bundesrat Kornhäusl: Zum Asylwesen kommen wir noch!) Im Spital keine Betten mehr, keine Pfleger, keine Lehrer, Teuerungswelle, Rekordinflation: Das ist eure Politik. Da braucht man nichts schlechtzureden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Es geht weiter, auch bei diesem Tagesordnungspunkt – Kollege Obrecht hat es schon gesagt – muss man etwas reparieren, weil ihr wieder nicht fähig seid, dass ihr etwas weiterbringt. Ganz im Gegenteil: Alle Ideen, die in den letzten zwei, drei Jahren von unserer Seite gekommen sind, haben Sie entweder nicht umge­setzt oder generell abgelehnt. (Bundesrat Gfrerer: Gott sei Dank!) Das Ergebnis ist leider Gottes - - – Herr Kollege, für die Situation, in der wir jetzt sind, seid ihr verantwortlich. Jeder Österreicher spürt das in seiner Geldtasche.

Ihr sagt: Es gibt keine Problematiken. Es gibt eh keine, die wirklich an der Armuts­­grenze sind. Er (in Richtung Bundesrat Gfrerer) nickt sogar noch. – Wir haben eine Inflation von über 11 Prozent gehabt. Wir haben immer noch eine Inflation von über 6 Prozent. Das spürt jeder. Sie wollen nicht einmal über die Ursachen reden oder diskutieren und schon gar nicht mehr darüber nachdenken. Das wäre ja ein Schuldeingeständnis hinsichtlich dessen, was Sie gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie zumindest im Sinne der Bevölkerung, der Arbeitnehmer und der Wirtschaft die Symptome und Auswirkungen sinnvoll bekämpft hätten. Nein, auch das haben Sie nicht gemacht. Die Bevölkerung schlittert immer mehr in die Krisen, und Sie machen einfach zu wenig oder sogar das Falsche,


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um das abzustellen. Ganz im Gegenteil bestärkt und unterstützt ihr die CO2-Abgabe – auch da ist die ÖVP dabei –; einer der größten Fehler, die ihr gemacht habt.

Geschätzte Damen und Herren, es wurde schon sehr viel kritisiert. Man kann das wiederholen und unendlich machen. Ihr habt sehr viele Fehler gemacht. Es bringt aber keiner Familie in Österreich einen Cent mehr, wenn wir hier heraußen reden. Es helfen halt nur Neuwahlen. Ich hoffe, dass sie so rasch wie möglich kommen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Das hast du heute schon gesagt! – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig.)

Reden wir über den heutigen Beschluss! Was bringt er wirklich? – Es ist schon angesprochen worden, dass für armutsbetroffene Kinder 60 Euro mehr pro Monat beschlossen worden sind – ja, 2 Euro, eine lächerliche Summe.

Auch das Versprechen, dass das sofort ausbezahlt wird, wurde nicht eingehalten. Nein, viele Betroffene haben es noch nicht bekommen, einige haben es zumindest jetzt im September bekommen. Es fehlt aber noch sehr viel, obwohl gerade diese Familien seit mehr als einem Jahr wirklich inmitten der Teuerungswelle sind – sie haben eine extreme Preisexplosion und Inflation erlebt – und es wirklich dringend benötigt hätten. Das haben sich gerade die Kinder nicht verdient.

Geschätzte Damen und Herren, 60 Euro sind für eine armutsgefährdete Familie vielleicht wirklich ein Betrag, der sehr hoch ist und durch den dann am letzten Tag im Monat überhaupt noch Essen auf den Tisch kommt. Schauen wir daher, dass das rasch möglich wird und in Umsetzung ist, dass die betroffenen Personen das bekommen. Gerade die Teuerung bei Lebens­mitteln stellt die Familien ja vor massive Herausforderungen.

Über das Thema von Bundeskanzler Nehammer, dass ein McDonald‘s-Besuch die Antwort auf die Verarmung ist, haben wir heute den ganzen Tag geredet. Es ist einfach skandalös, was da gesagt worden ist. Die schwarz-grüne


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Regierung hat zu verantworten, dass der Wohlstand immer geringer wird, dass die soziale Sicherheit nicht mehr gegeben ist und die Menschen immer mehr in die Armut rutschen.

Wir haben immer wieder Anträge eingebracht, die den Menschen helfen würden und die Inflation auch wirklich senken würden, wie eine massive Steuer­senkung auf Benzin, Diesel, Strom und Gas durch Halbierung oder Abschaffung der Mehrwertsteuer, die Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes, um Arbeitnehmer zu unterstützen, die auf ihr Auto angewiesen sind, oder die endgültige Streichung dieser völlig irrsinnigen CO2-Abgabe. Diese CO2-Abgabe kann in der heutigen Zeit niemand mehr erklären, aber Sie belassen sie weiterhin, und die Österreicher müssen es zahlen.

Daher ist es dringend an der Zeit, dass die Bundesregierung endlich sofort wirksame Maßnahmen zur Entlastung der Menschen auf den Weg bringt. Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass Haushalte, Familien, Alleine­rziehende, Pensionisten, Arbeitslose et cetera mit geringem Einkommen Gefahr laufen, sich infolge enormer Teuerung das Leben nicht mehr leisten zu können.

Daher stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend Regierungsvorlagen zuzuleiten bzw. entsprechende Maßnahmen zu setzen, die die Umsetzung insbesondere nachstehender Forderungen im Sinne des Stopps der derzeitigen Kostenlawine zur Entlastung für Österreich sicher­stel­len:“


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*****

Sie alle haben den Entschließungsantrag erhalten.

Geschätzte Damen und Herren, die Bevölkerung hat genug von Ihrer Politik, von dieser Regierung. Es reicht. Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der FPÖ.)

14.38


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Der von den Bundesräten Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ wurde gemäß § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigt und verteilt und in seinen Kernpunk­ten auch erläutert. Er ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als Nächster ist Bundesrat Klemens Kofler zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


14.38.59

Bundesrat Klemens Kofler (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Kollegen im Bundesrat! Liebe Freunde! Jetzt verstehe ich so einiges. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ah, gut!)

Drei Mal habt ihr gebraucht, damit ihr ein solch einfaches Gesetz auf den Weg bringt. Habt ihr vielleicht keine Juristen mehr bei euch? Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle habt ihr großmäulig versprochen, 60 Euro auszuzahlen. Das habt ihr aber bis jetzt nicht gemacht.

Ich weiß aber jetzt und verstehe auch: Wenn Sie (in Richtung Bundesrat Schwindsackl) oder du – ich darf ja Du sagen (Bundesrat Schwindsackl: Freilich!) – tatsächlich behauptest, wir hätten keine Armut in Österreich, dann weiß ich auch, warum die 60 Euro angeblich nicht so dringend notwendig sind. Ich kann aber auch etwas anderes verstehen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Dem zweiten Kollegen, Herrn Magister – ich habe jetzt den Namen nicht im Kopf, ich bin ja neu hier, entschuldigen Sie bitte –, kann ich auch sagen: Was heißt da Eigenverantwortung, wenn ein dreijähriges Kind hungert – unter eigener Verantwortung? – Das ist ja ein Unsinn. (Bundesrat Kornhäusl: Von den Eltern!)

Ich hoffe, dass ich jetzt der letzte Redner zu diesem Punkt bin, dass sich niemand mehr zu Wort meldet, dass ihr heimgeht und eure Aufgaben macht und die 60 Euro endlich auszahlt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Tiefnig.)

14.40


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Es gibt noch eine Wortmeldung: Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


14.40.20

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank, dass ich bei diesem Punkt noch an das Rednerpult schreiten durfte. Einleitend: Genau morgen vor einem Jahr konnte ich an der Sitzung nicht teilnehmen, da war ich auf dem Weg zurück aus dem Krankenhaus. Heute darf ich sagen, ich bin gesund und ich blicke nach vorne.

Ich stehe vermutlich zum letzten Mal hier am Rednerpult. Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, um mich zu verabschieden. Ja, ich mache das mit einem weinenden Auge, aber mit einem Ziel vor Augen, mit Stolz und mit Zuversicht. Es zieht mich nämlich genau dort hin, worüber ich sehr oft hier am Rednerpult gesprochen habe: Das war die Lehre, das ist die duale Ausbildung. Die meisten im Saal wissen es: Ich bin als Lehrer in der Berufsschule in Fürstenfeld tätig. Die Arbeit mit den jungen Menschen macht mir sehr viel Spaß. Ich werde demnächst ins Vollzeitstudium der Pädagogik wechseln, besuche somit die PH Steiermark in Graz. Diese Arbeit macht mir sehr viel Freude.


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Ich werde dennoch die Politik verfolgen, da sie mir ein Herzensthema war. Ich darf hier auf das Projekt S 7 bei mir im Südburgendland in Richtung Steiermark verweisen – mein Steiermarkbezug ist also sehr groß –, ein Straßenprojekt, das für unsere Region wichtig ist. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist gut!) Ich werde weiterhin interessiert dabei bleiben, wie es mit der Elektrifizierung der Bahn­strecke von Jennersdorf nach Graz weitergehen wird. Dabei freue ich mich, wenn dann der erste Zug diese elektrifizierte Strecke passieren wird.

Es freut mich und macht mich stolz, dass ich auf ein Projekt – ich bin seit über 20 Jahren politisch aktiv – zurückblicken darf, mit dem wir es als kleiner Bezirk über die Parteigrenzen hinweg geschafft haben, ein Anrufsammelsystem für Taxis mit Unternehmen zu installieren, womit Menschen um 2 Euro mobil geblieben sind. Dieses System wurde inzwischen vom Land übernommen, es wurde verändert, und ich werde auch darauf achten, dass es dementsprechend weiterentwickelt wird, damit es genau für die Menschen geeignet ist, die diese Unterstützung brauchen, die eben nicht 300 Meter gehen können.

Ich möchte auch auf die Monate und Jahre hier im Hohen Haus zurückblicken. Ich denke auch – Korinna sitzt dort drüben – an meine Zeit als Vizepräsident hier im Haus. Es waren für mich prägende Monate, und ich möchte mich für diese Zeit bedanken. Ich möchte mich daher bei allen Mitarbeitern hier im Haus bedanken, stellvertretend bei Frau Dr.in Susanne Bachmann, bei allen, die mit ihr gemeinsam für das Hohe Haus arbeiten, denn es war für mich immer selbst­verständlich, dort Hilfe zu bekommen, egal ob als Bundesrat oder als Vizepräsident. Daher ein Dankeschön und bitte einen Applaus für die Mitarbeiter hier im Hohen Haus. (Allgemeiner Beifall.)

Mein persönlicher Zugang war es immer, mit den Menschen zu reden. Daher darf ich mich – auch wenn das eine oder andere Mal die Stimmung etwas erhitzter ist, das eine oder andere Mal die Wortwahl vielleicht nicht hundertpro­zentig der Würde des Hohen Hauses entspricht, und manchmal auch ein Ordnungsruf oder eine Erinnerung dabei war – bei allen Fraktionen und stellver­tretend bei den Fraktionsvorsitzenden bedanken: bei Korinna für die


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Zusammenarbeit, insbesondere während der Präsidentschaft. Marco, danke für viele interessante Gespräche. Einiges werde ich in der Pädagogik und auch in der Schule sicher ein Leben lang verwenden können, vielen Dank dafür. Aber auch Christoph Steiner danke ich schön. Wir wissen, ab und zu haben wir die Ellenbogen rausgehaut und ab und zu hat es dann aber trotzdem wieder funktioniert.

Das ist vielleicht auch gleich die Botschaft für die Zukunft, dass man unter­schiedliche Standpunkte haben kann, am Schluss aber miteinander reden muss und vielleicht das eine oder andere Mal – da schaue ich ein paar im Mittelsektor an – mit einem Glas Wein oder einem Glas Bier oder einem Mine­ral­wasser die Dinge auch anders lösen kann. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich möchte mich auch bei meinen beiden Fraktionsvorsitzenden bedanken, einerseits bei Karl Bader und bei Charly Kornhäusl. Sie haben mich im Klub sehr herzlich aufgenommen, genauso wie ich mich im Burgenland im Landtagsklub sehr wohl gefühlt habe. Viele Freunde sitzen hier, langjährige Wegbegleiter, manche sind frisch dazugekommen. Auch bei euch möchte ich mich bedanken, daher ein Danke an alle Fraktionen und natürlich auch an meine Fraktion. (Allgemeiner Beifall.)

Einmal sage ich es noch, da es mir wirklich wichtig ist: Lebenslanges Lernen darf nicht nur eine Floskel sein! Helfen Sie alle mit, unterstützen Sie die duale Ausbildung! Achten Sie auf unsere Lehrlinge, schätzen Sie die jungen Menschen, die einen Beruf erlernen, die für Sie arbeiten. Egal ob in einem Schuh­geschäft, ob in einem Tischlerbetrieb, bei einem Maler, im Tourismus: Es gibt viele großartige Menschen! Mit denen möchte ich künftig zusammen­arbeiten. Ich möchte meinen Beitrag für Österreich leisten, damit wir gemein­sam optimistisch in eine erfolgreiche Zukunft gehen können.

Euch hier im Saal und allen, die mit Verantwortung tragen, wünsche ich nur das Beste, viel Glück und Gesundheit. Ich denke, wir werden über irgendwelche Social-Media-Kanäle sicher irgendwie verbunden bleiben. In diesem Sinn ein


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herzliches Glückauf, und: Es war eine coole Zeit! (Allgemeiner lang anhaltender, teilweise stehend dargebrachter Beifall.)

14.45


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Dann sage ich von meiner Seite auch noch einmal alles Gute. Ich wünsche dir viel Glück bei deiner neuen Aufgabe. Herzlichen Dank für diese schöne Zusammenfassung deiner Arbeit hier im Parlament!

Weitere Wortmeldungen liegen mir dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? (Ruf bei den Grünen: Ja!) – Bitte.


14.46.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Bernhard, Kollege Hirczy! Ich möchte sagen, das ein bisschen weinende Auge ist nicht nur dein Auge. Stellvertretend für die gesamte grüne Fraktion möchte ich mich für die ganz, ganz großartige Zusammenarbeit und dein unglaubliches Engagement herzlich bedanken.

Wenn ich oben in der Demokratiewerkstatt manchmal gefragt werde, was Politiker überhaupt so machen, dann sage ich sehr oft als Antwort, dass meine Lieblingspolitiker und -politikerinnen, meine Lieblingskolleginnen und -kollegen diejenigen sind, die sich tatsächlich für ein Thema absolut engagieren, sich reinhauen, weil ihnen das wichtig ist, und dann alles in Bewegung setzen wollen, damit in diesem Bereich etwas passiert. Was du für deine Region gemacht hast, vor allem aber, was du auch in diesem Haus für die Lehr­linge gemacht hast, ist sensationell und ist besser als 10 000 Facebook-Likes. Ich danke dir dafür. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.47


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Kollegin Korinna Schumann. – Bitte sehr.



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14.47.45

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Lieber Bundesrat Hirczy! Danke für die gute Zusammenarbeit, besonders als Vizepräsident während meiner Präsidentschaft. Du warst immer jemand, der klare Worte gefunden hat, aber das Miteinander gesucht hat. Ich glaube, das kann man wirklich ganz, ganz toll schätzen. Vor allem – das ist schon erwähnt worden – dein Einsatz für die Lehrlinge ist großartig! Die Lehrlinge haben auch in diesem Haus oft eine viel zu leise Stimme, und darum war es so wichtig, dass du sie eingebracht hast.

Wir wünschen dir – ich darf hier im Namen meiner Fraktion sprechen – alles Gute für deinen weiteren Weg. Es gibt ein gutes und erfolgreiches Leben abseits der Politik, und das wirst du führen – auch wieder für die Lehrlinge. Wir wünschen dir alles, alles Gute und Glückauf. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

14.48


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Kollege Kornhäusl. – Bitte.


14.48.49

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Lieber Bernhard, lieber Kollege Hirczy! Ich finde eigentlich zwei weinende Augen, muss ich ganz ehrlich sagen, denn jeder, der dich kennengelernt hat, schätzt dich auch. Jeder, der dich schätzen gelernt hat, mag dich auch, weil man dich in deiner ganz unvergleich­lichen Art, auf die Menschen zuzugehen, in deinem verbindenden Charakter, aber auch in deiner so professionellen Herangehensweise an die Themen, die dir so wichtig waren, einfach mögen muss. Diese sind auch schon von Kollegin Schumann und von Marco Schreuder genannt worden.

Das Einzige, was mein Leid vielleicht eine Spur mildert, ist die Tatsache, dass du jetzt viel mehr Zeit bei uns in der Steiermark verbringen wirst. (Heiterkeit bei ÖVP und Grünen.) Das freut mich, das muss ich ganz ehrlich sagen. Berni, wir haben eh schon geredet, wir brauchen dich natürlich. 2024 haben wir bei uns


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auch Landtagswahlen. Du bist jetzt also quasi schon eingesteirert, wenn man so will. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Berni, wir alle werden noch extra die Möglichkeit haben, uns von dir zu verabschieden. Ich darf dich jetzt zitieren, also das Copyright Bernhard Hirczy verwenden: Du gehst als Bundesrat, aber du bleibst definitiv als Freund! – Danke für alles, Berni. (Allgemeiner Beifall.)

14.50


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Kollege Steiner, bitte.


14.50.31

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Lieber Bernhard! Auch von uns, von meiner Fraktion, der FPÖ, alles Gute! Du bist ein cooler Typ, einer der wenigen ehrlichen, lockeren und lässigen Typen in der ÖVP. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Danke! Danke!)

Es ist ewig schade, dass du dahin bist; das muss man sagen. Auch deine Vizepräsidentschaft – wir haben erst kürzlich einmal darüber gesprochen – war cool, die war gut, die war lässig, die war fair, die war ordentlich. Vom Charakter her, als Mensch bist du ein lässiger, cooler Typ. Wir wünschen dir wirklich alles, alles Gute – möge es dir aufgehen – und ganz, ganz viel Gesundheit; das ist das Wichtigste.

Wenn du jetzt dorthin gehst, um das zu tun, was du ja immer mit Herzblut vertreten hast, dann kann es ja nur gut und positiv werden. Auch für die Jugendlichen wird es sicher eine positive Geschichte, wenn sie dich dann als Lehrer haben. – Alles Gute für deine Zukunft! (Allgemeiner Beifall. Bundesrat Hirczy: Danke!)

14.51 14.51.27


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.


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Wünscht trotzdem noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall, somit ist die Debatte jetzt geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Günter Pröller, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Österreich“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließung­santrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist abgelehnt.

14.52.3610. Punkt

Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Es liegt mir folgende Nominierung der ÖVP-Fraktion vor:

Als Mitglied wird von der ÖVP Bundesrätin Margit Göll vorgeschlagen.

Als Ersatzmitglied wird von der ÖVP Bundesrätin Bernadette Geieregger, BA vorgeschlagen.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diesen Wahlvorschlag durch Handzeichen vornehmen lassen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist angenommen.

Ich frage die Gewählten, Margit Göll und Bernadette Geieregger: Nehmen Sie die Wahl an?

*****

(Die Bundesrätinnen Margit Göll und Bernadette Geieregger, BA bedanken sich und nehmen die Wahl an.)

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

14.53.56*****


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Ich möchte jetzt, bevor wir zur Dringlichen Anfrage kommen, noch einmal auf die Diskussion von vorhin zurückkommen, denn ich habe mir das Stenographische Protokoll bringen lassen.

Herr Kollege Steiner, da haben Sie Folgendes gesagt, nämlich dass er „sein Leben lang im geschützten Bereich bei der Giebelkreuzmafia tätig“ war. Dabei haben Sie auf Kollegen Schwindsackl Bezug  genommen. Ich werde Ihnen dafür jetzt einfach nachträglich noch einen Ordnungsruf erteilen.

14.54.35Dringliche Anfrage

der Bundesrät:innen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanzler?“ (4123/J-BR/2023)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Somit gelangen wir zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.


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Da die Dringliche Anfrage allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Andreas Arthur Spanring als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte sehr.

Ich darf noch Frau Staatssekretärin Andrea Mayer begrüßen. – Herzlichen Dank fürs Kommen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)


14.55.21

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Frau Vor­sitzende! Frau Staatssekretär! Herr Staatssekretär! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren Zuschauer! Machen Sie es sich jetzt ruhig ein wenig gemütlicher, denn es könnte ein bisschen länger dauern.

Der Titel unserer heutigen Dringlichen Anfrage lautet: „Was haben die Grünen gegen Sie in der Hand, Herr Bundeskanzler?“ – Das, was beim ersten Hinhören ein bisschen skurril klingt, werde ich in meiner Begründung erklären: wie wir zu dieser Frage kommen und warum diese Frage mehr als nur berechtigt ist.

Beginnen muss ich aber mit etwas ganz anderem, denn heute ist wirklich ein bisschen ein Chaostag. Es ist auch bezeichnend, dass Herr Kanzler Nehammer in Wahrheit heute zum wiederholten Male bei Bundesratssitzungen und auch bei Dringlichen Anfragen, die direkt an ihn gerichtet sind, fehlt. Ja, es ist klar, krank kann jeder werden, das ist ja auch in Ordnung, aber seien wir ehrlich, er hätte die heutige Dringliche sowieso geschwänzt. Ich sage ganz bewusst schwänzen, denn es zeigt, dass Kanzler Nehammer – so wie auch schon sein Vorgänger Kurz – auf das Parlament pfeift und dass es ihm nur eine lästige Pflicht ist und auch immer war.

Außerdem war Herr Karl Nehammer im Vorhinein nicht entschuldigt, und das, obwohl heute in Granada alle Staats- und Regierungschefs aus ganz Europa zusammentreffen. Also ganz egal, er wäre ja so und so nicht da


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gewesen. Normalerweise ist es aber schon Usus, auch gegenüber dem Parlament, dass man sich ganz einfach entschuldigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, Herr Kanzler Nehammer pfeift auf den Parlamentarismus, das kommt ja auch ganz klar zum Ausdruck. Natürlich wünsche ich aber ihm sowie auch Frau Staatssekretärin Plakolm von dieser Stelle aus gute Besserung.

Der Grund, warum Herr Nehammer Sitzungen des Bundesrates öfters fernbleibt, ist nicht etwa Faulheit, nein, der Grund ist schlicht und ergreifend Feigheit und Mutlosigkeit, sich dem Plenum zu stellen, seine Feigheit und auch Mutlosigkeit, sich den Fragen der Freiheitlichen Partei zu stellen. Genau diese Feigheit und Mutlosigkeit sind es auch, warum Herr Kanzler Nehammer seine Politik so macht, wie er sie macht.

Es ist mutlos und feig gegenüber Brüssel, wenn alles, was da an Unsinnigkeiten daherkommt, hingenommen wird, egal wie sehr es den Österreichern schadet. Es ist mutlos und feig gegenüber den Grünen, die ja eigentlich der kleine Regie­rungspartner sind. Die ach so starke ÖVP mit 37 Prozent lässt sich von einer 14-Prozent-Partei am Nasenring durch die Manege der Tagespolitik ziehen und sagt dann dafür auch noch Danke. Das ist wirklich bezeichnend, da kann man zu Recht sagen – wir haben es schon einige Male gehört –, dass der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund wackelt. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Die Politik ist auch mutlos und feig, wenn es darum geht, dieser Regierungs­politik – in Wahrheit dieser Schreckenspolitik – endlich ein Ende zu setzen, denn Sie wissen ganz genau, dass es höchst an der Zeit wäre, Österreich von dieser Schreckensherrschaft zu befreien. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Herr Kollege, wir haben das heute schon öfter diskutiert: Bitte die Wortwahl beachten! – Danke schön. (Bundesrat Steiner: Übertreib nicht!)



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Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Man kann es wirklich übertreiben. Sie müssen mir sagen, was ich dann alles nicht mehr sagen darf, denn Sie sind ja ärger als Sobotka in seiner Vorsitzführung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss Ihnen schon noch etwas sagen: Entweder ist es ein Ordnungsruf oder keiner. Unterbrechen Sie mich nicht, um mich an die Wortwahl zu erinnern! Jetzt wird es hier herinnen wirklich kindisch. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Jawohl! Bravo!)

Diese Politik ist auch mutlos und feig – oder vielleicht darf man mutlos und feig nicht mehr sagen, ich weiß es nicht –, wenn es darum geht, dieser Regierungs­politik, dieser Schreckensherrschaft ein Ende zu setzen. Fast vier Jahre lang leiden Herr und Frau Österreicher schon unter dieser Dauer­krisenkoalition – denn genau das ist es.

Auf der einen Seite haben wir eine korruptionsgebeutelte ÖVP und auf der anderen Seite haben wir eine ideologisch verblendete, teilweise faschistisch agierende Klimasekte. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) – Ja, so ist es. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Hahn: Du hast den Faschismus nicht ganz verstanden, oder?)

Die schwarz-grüne Politik gibt zwar vor, dass sie angeblich die Umwelt schützt, das tut sie aber nicht. Nein, das tut sie nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Klimaschutz hat nichts mit Umweltschutz zu tun. In Wahrheit zerstört Ihre Politik die Umwelt – Stichwort Bodenversiegelung – und sie zerstört gleichermaßen den Wohlstand, den unsere Vorfahren für uns alle, für unsere Landsleute über viele Jahrzehnte mit harter Arbeit aufgebaut haben, Stichwort Abwanderung der energieintensiven Industrie ins Ausland. Nach knapp vier Jahren, in denen wir in Wahrheit das Schlechteste aus zwei Welten – angekündigt wurde uns das Beste, aber es ist das Schlechteste aus zwei Welten – erleben mussten, stehen wir jetzt vor einem Scherbenhaufen. (Vize­präsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)


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Leider hat Herr Nehammer mit dieser Politik eines wirklich geschafft: Er hat Menschen in den Ruin getrieben, wirtschaftlich und psychisch, und damit schließt sich auch der Kreis zu seiner Aussage: „Wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen nachher: Alkohol oder Psycho­phar­maka.“ – Er hat es schon gewusst und hat trotzdem so weitergemacht.

Was ist der Grund, warum die ÖVP diese Regierung, die ja politisch längst tot ist, weiterführen will? Ja, seien wir ehrlich: Diese Koalition ist politisch tot. Wir alle hier herinnen merken ja, wie – unter Anführungszeichen – „gut“ die Stimmung zwischen Schwarz und Grün ist, und wir merken auch ganz genau, dass in den Ausschüssen nichts Sinnvolles mehr zustande kommt. Also ja, diese Regierung ist in Wahrheit am Ende.

Warum aber reiten Sie dieses tote Pferd noch weiter? – Das kann ich Ihnen auch sagen: Aus Angst, dass Herr Nehammer – und zwar zu Recht – von den Wählern am Wahltag eine Lektion erhalten wird, die sich gewaschen hat, und dass seine ÖVP ins Bodenlose stürzt. Von den Grünen rede ich gar nicht. Laut aktuellen Umfragen kommt Schwarz-Grün gemeinsam derzeit auf weniger als ein Drittel der Stimmen, und diese Umfragen fallen ja nicht vom Himmel. Es ist ja nicht so, dass die von Gott gemacht wären, sondern es gibt natürlich Gründe dafür.

Auf der einen Seite ist es mit Sicherheit das korruptive Verhaltensmuster, das man bei der Vielzahl der ÖVP-Skandale immer wieder bemerkt. Da gab es zum Beispiel Inseratenkorruption, Stichwort Steuermillionen, das Projekt Ball­hausplatz. Ich zitiere – Frau Vorsitzende, das ist ein Zitat –: „Kurz kann jetzt Geld scheissen“. – Das kam aus dem Finanzministerium heraus, samt gekauf­ter und gefälschter Umfragen.

Genau genommen müsste sogar noch Bestechung dazukommen, denn immerhin gab es ja auch Zahlungen an Medien, die diese Inserate dann auch genau zum gewünschten Zeitpunkt hier in Österreich veröffentlicht haben. Das ist ja nicht


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einmal mehr Messagecontrol, sondern das ist die reinste Manipulation der Medien mit hoher krimineller Energie.

Dann gab es Steuerhinterziehung, Stichwort Steuernachlässe: Es gab Steuernachlässe für gute Freunde der ÖVP, und das ging so weit, dass auch in Nachbarländern, zum Beispiel in Italien, interveniert wurde. (Bundesrat Kornhäusl: Afghanistan!)

Dann gab es massiven Postenschacher. Wir erinnern uns: „Kriegst eh alles, was du willst“, Bussi, Herzi, Zwinkersmiley, Bussi, Herzi, Zwinkersmiley, Bussi, Herzi, Zwinkersmiley.

Oder auch – Frau Vorsitzende, ich zitiere wieder nur –: „Du bist die Hure für die Reichen!“ – Das ist von einem Herrn an eine Dame gerichtet worden – das muss man sich doppelt auf der Zunge zergehen lassen –, und zwar an jene Dame, die bereits bei der zuvor erwähnten – nennen wir es so – Steueroptimie­rung geholfen hat und dafür selbst einen tollen Job, eine Führungsposition im Finanzamt, erhalten hat.

Zusammengefasst kann man also sagen: Wer Geld und Kontakte in die ÖVP hat, der muss nichts befürchten. Der Rest, also wir, der Pöbel, schaut durch die Finger. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, das war jetzt wirklich nur ein ganz, ganz kleiner Auszug aus dem, was sich die ÖVP in den letzten Jahren tatsächlich alles geleistet hat. Man muss das immer wieder ein bisschen aufwärmen, denn man vergisst es leider wieder so schnell.

Die ÖVP-Korruption ist aber nicht der einzige Grund für die sinkenden Umfragewerte der ÖVP. Wäre ich polemisch, würde ich jetzt sagen, ein Grund ist, dass Frau Beinschab keine Umfragen für die ÖVP mehr machen kann – Stichwort 15 Monate bedingte Haft für Ex-ÖVP-Ministerin Karmasin –, aber das habe ich gar nicht gemeint. Was ich meine, ist, dass so ziemlich jede


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Entscheidung Nehammers seit Regierungsantritt mit den Grünen, das muss man dazusagen, zuverlässig falsch war.

Wann immer es gilt, eine weitreichende politische Entscheidung zu treffen, schlägt die Nehammer-ÖVP verlässlich den falschen Weg ein. Das haben wir heute wieder bei mehreren Tagesordnungspunkten zu sozialen Themen gesehen. Ich werde aber auch einige Beispiele für Sie anführen: Zum Beispiel hätte sich bis 2020 kein Österreicher denken können, dass eine Bundes­regierung die Bevölkerung mit Lockdowns einsperrt, ihre Grund- und Freiheits­rechte mit Füßen tritt und sie mit einer Impfpflicht an die Nadel zwingen will.

Genauso hat es vor Februar 2022 niemand in Österreich für möglich gehalten, dass unsere immerwährende Neutralität – Grundpfeiler unserer Außen- und Sicherheitspolitik (Bundesrat Kornhäusl: Die Grundpfeiler der Sicherheitspolitik, mit den Taliban! – weiterer Zwischenruf bei der ÖVP) und auch Identitätsmerk­mal – mit einem Handstreich eingerissen wird. Genau das ist passiert. – Undenkbar! (Beifall bei der FPÖ.)

Undenkbar war bisher auch, dass ein Bundeskanzler Österreich in einen Wirt­schaftskrieg hineintreibt, der die Rekordteuerung anheizt und den über Jahrzehnte hart erarbeiteten Wohlstand im Land zerstört, unsere Wirtschaft schwerstens und auch nachhaltig schädigt und Arbeitsplätze vernichtet. Für all das steht leider die ÖVP unter Karl Nehammer.

Und nicht zuletzt war es auch undenkbar, dass nach den scheinheiligen Beteuer­ungen, das Katastrophenjahr 2015 dürfe sich nie mehr wiederholen, erneut eine Völkerwanderung epischen Ausmaßes über unsere ungeschützten Grenzen hinweg zugelassen wird. Sie wurde zugelassen – 2015 war dagegen in Wahrheit harmlos.

Ich persönlich hätte es nie für möglich gehalten, dass irgendjemand die Negativperformance, die schon Kurz und Herr Schallenberg an den Tag gelegt


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haben, toppen kann, aber angesichts der katastrophalen Bilanz von Karl Nehammer muss ich sagen, dass er sich damit den Eintrag in die Geschichts­bücher als schlechtester Bundeskanzler aller Zeiten gesichert hat, so viel steht fest. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Und ihr habts den schlechtesten Innenminister, dann passt es wieder!)

Was macht die ÖVP unter Nehammer noch? – Die ÖVP unter Nehammer arbeitet seit Jahren gegen eigene Forderungen. Das klingt skurril, ist aber tat­säch­lich so, und ich habe auch dafür einige Beispiele. Teilweise macht die ÖVP das nämlich auch ganz bewusst in der Hoffnung, wir, der Pöbel, kriegen das alles nicht mit. Winnetou hätte gesagt: Nehammer spricht mit gespaltener Zunge!

Auf der einen Seite redet Herr Kanzler Nehammer von Coronaversöhnung und auf der anderen Seite war es doch er mit seinen Ministerkollegen – und ist es noch immer –, der der Pharmaindustrie Millionen an Steuergeldern nachgeworfen hat und noch immer nachwirft, für eine Injektion, von der wir heute wissen, dass alles, was dazu versprochen wurde, in Wahrheit erstunken und erlogen war. (Beifall bei der FPÖ.)

Stichwort: Die Impfung schützt vor Ansteckung. – Das hat Pfizer nie gesagt, auch nie geschrieben. Das hat irgendein Politiker irgendwo auf der Welt erfunden und alle anderen haben das ungeprüft nachgeplappert, übrigens auch die Medien. Pfizer selbst hat sich inzwischen von dieser Aussage distanzieren müssen – sie hätten das ja nie gesagt –, aber sie haben zugegeben, dass es auch in ihren Studien niemals darum gegangen ist. Uns wurde es aber so erzählt.

Der Impfstoff war und ist nur bedingt wirksam. Vielleicht hat er bei einigen vulnerablen Personengruppen geholfen (Bundesrat Himmer: Ja, vielleicht ...!), aber für die meisten gesunden Menschen waren die Impfhysterie und dieser Impfterror, der stattgefunden hat, völlig unnötig und überzogen. Zudem leiden viele ehemals Gesunde heute an den Nachwirkungen dieser Geninjektion.


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Der nächste Widerspruch von Herrn Nehammer: Er sagt, Kinder seien unsere Zukunft und seien ihm wichtig. Dabei erinnern wir uns, dass er es war, der gemeinsam mit seinen Ministern Kindern Schreckliches angetan hat – Stichwort heute überfüllte Kinderpsychiatrien mit Triagen, Homeschooling, Verbot von Treffen mit Freunden, wenn du deine Oma besuchst, dann stirbt sie (Bundesrat Kornhäusl: ... seine alten Reden wieder! Deine alten Reden, die kann ich ja schon halten!), Maskenzwang, Testirrsinn. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) All das und der Druck der Lehrer und auch der Mitschüler haben tiefe Spuren in den Seelen der Kinder hinterlassen – Stichwort Gruppenzwang. (Bundesrat Kornhäusl: Oma und Opa haben wir eingesperrt! – Zwischenruf des Bundesrates Gfrerer.) – Herr Kollege Kornhäusl, Sie können sich lustig machen darüber, dass Sie Oma und Opa eingesperrt haben! (Bundesrat Kornhäusl: Na, ich kenne es nur schon!) Wissen Sie, wie viele alte Leute alleine haben sterben müssen? (Bundesrat Kornhäusl: Und weißt du, wie viele alte Leute ich im Spital behandelt habe? Weißt du, wie viele wir behandelt haben, die es überlebt haben? Ja, du bist gesessen fein! Du bist fein gesessen, du bist fein gesessen ...!) Wissen Sie, wie viele Menschen sich nicht von ihren Angehörigen verabschieden durften? Das habt alles ihr am Kerbholz. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Große Klappe, und sonst gar nichts! Große Klappe, und sonst gar nichts!)

Das wäre alles nicht notwendig gewesen. Hätten Sie auf die Freiheitliche Partei gehört, wären wir den schwedischen Weg gegangen, dann wäre das alles nicht notwendig gewesen. (Bundesrat Kornhäusl: Im groß Reden, da bist du Weltmeister!) Sie reden immer davon, dass wir keine Vorschläge hätten. Wir haben die Vorschläge gemacht – und heute hat sich herausgestellt (Zwischen­ruf der Bundesrätin Miesenberger), unsere Vorschläge waren richtig. (Beifall bei der FPÖ.) Richtig waren sie!

Wissen Sie, meine Damen und Herren, woran man die größte Doppelbödigkeit in der Politik Nehammers am besten erkennen kann? (Bundesrätin Miesenberger: Genau, genau ... Parteiobmann!) – Hören Sie einmal zu! Nehammer sagt – und zwar jetzt auf einmal –, dass es mehr Sachleistungen statt Geldleistungen und


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kein zentralistisches Europa, sondern eines der Nationalstaaten brauche. Stichwort Kopiermaschine ÖVP: Genau das fordert die FPÖ nämlich schon seit Jahren und nicht nur vor Wahlen. Genau diese Regierung und genau dieser Herr Nehammer sind es, die das, was wir da fordern, seit Jahren konse­quent verhindern. Natürlich, es steht eine Wahl an (Bundesrätin Miesenberger: Ah, geh!) – auch wenn sie vielleicht erst in einem Jahr stattfindet; vielleicht wählen wir allerdings schon im März, wir wissen es ja nicht –, und jetzt auf einmal rennt die Kopiermaschine an und auf einmal ist das, was die Freiheitlichen gesagt haben, doch wieder das Richtige. Allerdings glaubt es Ihnen halt heute keiner mehr.

Dazu, dass ich vorhin gesagt habe, die ÖVP macht das absichtlich, kann ich Ihnen ein gutes Beispiel bringen: Dort, wo es gerade passt, wird etwas gefordert; eine ÖVP-Landesgruppe fordert zum Beispiel die Aussetzung der CO2-Bepreisung. Das klingt natürlich gut für die Bürger im Land, alle glauben: Super, die ÖVP setzt sich – in Wahrheit eh nur deshalb, weil sie mit der FPÖ in einem Arbeitsübereinkommen ist – für die Aussetzung der CO2-Bepreisung ein! – Das geschieht aber nur, damit dann im Bund die ÖVP sagt: Nein, das kommt auf keinen Fall in Frage! – Das kriegt allerdings da draußen wieder keiner mit, weil die ÖVP sich schon hingestellt und gesagt hat: Wir haben es ja eh gefordert! – Seit wann ist es denn der Fall, dass die ÖVP in Niederösterreich etwas sagt und bei euch keiner springt? Das glaubt euch doch kein Mensch. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau dasselbe Spiel kennen wir mit Brüssel. Nehammer fordert etwas, das für die Österreicher in Bezug auf die Europäische Union gut klingt und das sie hören wollen, und kurze Zeit später machen seine ÖVP-Abgeordneten in Brüssel dann genau das Gegenteil. Diese Politik zieht sich bei der ÖVP vom Anfang bis zum Ende durch wie ein schwarzer Faden. Meine Damen und Herren: Genau diese Schwäche der ÖVP, diese Feigheit und diese Mutlosigkeit in der Politik ist die Stärke der Grünen, und die Glaubwürdigkeit von Herrn Nehammer samt seinen Ministern ist längst über Bord gegangen. Kaum eine Woche vergeht, in


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der Herr Nehammer nicht auf Zuruf seines kleinen Koalitionspartners entweder die Richtung ändern oder zurückrudern muss.

Auch dafür, dass es tatsächlich so ist, wie ich es sage, kann ich einige Beispiele bringen. Während die Bevölkerung mitsamt der Wirtschaft unter den Teuerungsmaßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung leidet – von der stetig steigenden CO2-Strafsteuer bis hin zur NoVA-Erhöhung –, werden im Verantwortungsbereich von Bundesministerin Gewessler bereits die nächsten Klimateuerungen vorbereitet. Koste es, was es wolle, zahlen muss es ja eh der Pöbel! Und einer dieser Pläne der grünen Autofahrerhasserin Gewessler sieht eine Erhöhung der Mineralölsteuer vor.

Halten Sie sich einmal fest und hören Sie zu, was da auf uns zukommen soll: Derzeit liegt die Mineralölsteuer – das können Sie googeln – für 1 Liter Diesel bei 39,7 Cent und für 1 Liter Benzin bei 48,2 Cent. Schon im Jahr 2024 soll die durchschnittliche Mineralölsteuer auf 62 Cent je Liter angehoben werden, 2028 auf 77 Cent und mit einem anschließenden linearen Anstieg bis 2040 – Sie wissen ja: 2040 Klimaziele! – sollen wir dann 92 Cent Mineralölsteuer pro Liter Benzin oder Diesel zahlen.

Meine Damen und Herren, das ist ein Anschlag auf alle Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind. Da rede ich nicht davon, dass jemand zum Spaß mit dem Auto von A nach B fährt. Die Leute, die sich das leisten, werden es sich immer leisten können. Im Gegenteil: Das ist ein Anschlag auf die hart arbeitende Bevölkerung, die für den Weg von A nach B ein Auto braucht, weil halt nicht überall eine U-Bahn hinfährt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist aber nicht der einzige geplante Anschlag auf Autofahrer. Angedacht ist die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut für Pkw ab dem Jahr 2024, und zwar in der Höhe von 10 Cent je gefahrenen Kilometer, und einer linearen Anhebung dieser, wieder bis 2040, auf 50 Cent. Machen wir ein kleines Rechenexperiment: Nehmen wir an, dass eine Autovignette heute 96 Euro kostet – das haben wir, glaube ich, heute gehört, das haben Sie (in


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Richtung Staatssekretär Tursky) gesagt – 96 Euro? (Staatssekretär Tursky nickt.) – Ja! Bei einer Jahresfahrleistung von circa 5 000 Kilometern auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen sprechen wir für 2024 de facto von einer Verfünffachung des Preises und bis 2040 von einer Verfünfundzwanzig­fachung des Preises, der uns dann quasi für die Ersatzvignette abgeknöpft werden soll.

Das ist, glaube ich, das Ende für die Wirtschaft, weil es ja dann nicht nur die Autofahrer betrifft, sondern alles teurer wird – außer es ist mir entgangen, dass Schienen zum Billa bei uns in Sieghartskirchen führen. Ich habe nicht gesehen, dass der per Bahn beliefert wird, auch dorthin fahren LKWs. An all diese Dinge denken Sie allerdings nicht – und genau das, meine Damen und Herren, ist grüne Politik. Das ist nur grüne Politik, die jetzt leider, leider von der ÖVP mitgetragen wird. Es stellt sich die Frage, wer denn die Grünen und Frau Gewessler ins Verkehrsministerium gesetzt hat? – Na, wir waren es nicht. Natürlich war es die ÖVP!

Dieser wirklich ideologiegetriebene Klimairrsinn – anders kann man es nicht bezeichnen – geht ja auch von EU-Seite munter weiter, Stichwort Sanierungszwang. Auch da hat die ÖVP zugestimmt, das muss man sich auch einmal vorstellen, und auch da hört man gleich wieder die Doppelbödigkeit von Herrn Nehammer heraus. Im EU-Parlament sind weitreichende Sanierungs­pflichten für Altbauten beschlossen worden, damit Gebäude europaweit bis 2050 den selbst gesetzten Klimazielen gerecht werden.

Was bedeutet das für einen österreichischen Hausbesitzer? – Circa jedes zweite Haus gilt damit als aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Die betroffenen Haushalte müssen mit Kosten von Zehntausenden Euro rechnen, wenn sie Pech haben, vielleicht sogar mit noch mehr. Für ältere, nicht gedämmte Gebäude droht dazu natürlich noch ein gravierender Wertverlust. Während Herr Nehammer in Deutschland war, hat er zu diesen Plänen gesagt: Das ist ja völlig weltfremd! Ja, er hat recht: Das ist völlig weltfremd.


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Während er das in Deutschland kritisiert hat, hat allerdings sein Parteifreund, Othmar Karas, in Brüssel diesem Vorschlag zugestimmt.

Meine Damen und Herren, natürlich spricht Herr Nehammer mit gespaltener Zunge – und nein, das ist auch kein Einzelfall, Stichwort Verbrennungsmotoren­verbot. Jahrelang hat Herr Nehammer zugeschaut und keinen Finger gerührt, um gegen diese Wahnsinnigkeit vorzugehen – genau das ist es, denn es ist europäische Wirtschaftsvernichtung vom Feinsten. Ganz im Gegenteil: Er hat aus dem Lehnstuhl heraus zugeschaut, wie seine Ministerin Gewessler im EU-Umweltrat 2022 den Vorschlag des französischen Vorsitzes für ein faktisches Verkaufsende von neuen Benzin- und Dieselfahrzeugen in der EU ab 2035 unterstützt hat.

Jetzt auf einmal sagt Herr Nehammer: Nein, Moment, das kommt ja in der Bevölkerung eigentlich gar nicht gut an, da müssen wir jetzt etwas machen! – Jetzt geht er her und spricht sich gegen die Verdammung des Verbren­nungsmotors aus.

Ja, wie jetzt, meine Damen und Herren, wie? Jetzt kenne ich mich schön langsam nicht mehr aus. Vielleicht spricht er gar nicht mit gespaltener Zunge, vielleicht hat er eine ein bisschen gespaltene Persönlichkeit? Normal, meine Damen und Herren, ist das nicht. Er hat sich aber dann eh selber die Antwort darauf gegeben: Wenn das so weitergeht, dann brauchen wir irgendwann entweder „Alkohol oder Psychopharmaka“. – Jetzt sind wir dort. (Bundesrat Kornhäusl: Versuch’s einmal!)

Ich kann noch unzählige weitere Beispiele aufzählen, was unter der Nehammer-ÖVP alles falsch läuft und was der österreichischen Bevölkerung versprochen und im nächsten Moment ganz anders umgesetzt wird.

Da gibt es zum Beispiel die Klimaextremisten, die Klimakleber, die seit Monaten die Österreicher mit Verkehrsblockaden, mit Drohungen, mit Sachbeschädi­gungen terrorisieren. Wenn diese Klimakleber interviewt werden, sagen manche


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von ihnen: Na ja, Tote durch aufgehaltene Einsatzfahrzeuge werden für den Klimaschutz halt in Kauf genommen! (Bundesrätin Jagl: Stimmt doch gar nicht! Das ist doch ein Blödsinn!) Diese Gefährdung von Menschenleben wird für den angeblichen Klimaschutz in Kauf genommen , nur um am nächsten Tag mit dem Jumbojet nach Bali zu fliegen! Das sind die Klimakleber.

Während die ÖVP wieder den harten Kerl heraushängen lässt beziehungsweise den harten Karl, während der harte Karl in der Öffentlichkeit von der „Untergangsapokalypse“ der Klimakleber spricht, verteidigt natürlich gleichzeitig der grüne Koalitionspartner diesen Klimaterrorismus bei jeder Gelegenheit. Dann kommt ein einziger offener Brief der Grünen – ein einziger! –, und aus dem harten Karl wird der streichelweiche Karli, der dann wieder auf dem Schoß der Gewessler sitzt, gestreichelt wird und wieder alles macht, was sie will. Das ist diese Doppelbödigkeit in der Politik!

Dafür müssen jetzt aber die Polizisten des Herrn Karner Klimaklebern, wenn sie von der Straße losgelöst sind, eine Handcreme reichen. So weit sind wir inzwischen gekommen in Österreich! Ganz genau so geht diese Politik immer weiter.

Ein weiteres Beispiel: 65 Prozent der Österreicher – das sind jene Herrschaften, die das nächste Mal auch zu den Wahlurnen schreiten werden – lehnen den Genderwahnsinn allgemein ab. Eine überwältigende Mehrheit der Österreicher, nämlich 71 Prozent, ist laut einer Studie des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse gegen das Gendern in Medien.

Wir haben heute schon ein paar tolle Auswüchse gehört: Jemand hat Gästinnen gesagt und, ich glaube, Kollegin Eder-Gitschthaler hat gesagt, Frauen sind „begehrte Kundinnen und Kunden“. Also irgendwie passt das nicht zusammen, aber das sind halt die Auswüchse daraus. Es ist für viele Menschen eh schon schwer genug, Deutsch zu lernen (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, genau, ...!), und mit diesem Blödsinn macht man es halt noch schwerer. (Beifall bei der FPÖ.)


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81 Prozent der Österreicher sind auch der Meinung, dass Gendern Frauen nichts bringt. – Richtig, guten Morgen, so ist es, es bringt ihnen nichts. (Bundesrätin Schumann: Aber die FPÖ!)

Ein Gutteil unserer Landsleute spricht sich auch ganz klar für ein Genderverbot in öffentlichen Einrichtungen aus; und weil es so ist, wie es ist, und weil auch Karl Nehammer diese Zahlen kennt, stellt sich Herr Karl Nehammer hin und sagt, er halte wenig vom richtigen Gendern in Broschüren. Im selben Atemzug kreiert er aber hinter den verschlossenen Türen des Bundeskanzleramts einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache, in dem dann so Dinge drinnen stehen wie Folgendes – es ist eigentlich unfassbar, ich weiß gar nicht, wer sich so einen Schwachsinn ausdenkt, aber es ist so –: Statt „Man kann das auch so sehen“ müssen die Mitarbeiter im Bundeskanzleramt jetzt korrekt sagen: „Das kann auch so gesehen werden“, damit man das Wörtchen man nicht mit Mann verwechselt, denn das ist ja diese toxische Männlichkeit, und die muss man überall unterbinden. – Das sind die wahren Sorgen dieser Bundesregierung! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Jagl: Nein, das sind eure wahren Sorgen, denn ihr beschäftigt euch ...!)

Auch dazu spricht Herr Karl Nehammer wieder mit gespaltener Zunge. Was da gerade noch fehlt, darauf warte ich noch, ist, dass er sich beim nächsten Mal hinstellt und sagt: Ein Wahnsinn, die Loveparade in Wien gehört verboten!, und dann einen Monat später selbst als Dragqueen auftritt. Darauf warte ich noch. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend bringe ich noch ein Beispiel für diese Doppelbödigkeit der ÖVP, und zwar wenn es um das Bargeld geht. Seit Jahren weisen wir Freiheitliche darauf hin, dass eine schrittweise Abschaffung von Bargeld in der Europäischen Union geplant wird. Wir haben unzählige, wirklich unzählige Anträge einge­bracht, in denen wir fordern, dass das Recht auf Bargeld in unserer Verfassung verankern wird; aber alle diese Anträge wurden von der ÖVP mit der Erklärung, die FPÖ würde übertreiben, abgelehnt.


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Mittlerweile merkt man aber – wahrscheinlich aus internen Umfragen der ÖVP –: Moment, das Thema kommt bei der Bevölkerung gut an! – Deshalb stellt sich die ÖVP jetzt hin und Herr Karl Nehammer sagt: „Die Menschen in Österreich haben ein Recht auf Bargeld“. – Guten Morgen, Herr Nehammer! Nur glauben wird es Ihnen keiner.

Denn was ist vor Sommerbeginn passiert? – Um sicherzustellen, dass Bargeld als Zahlungsmittel verfassungsrechtlich verankert wird und weiterhin mit Bargeld bezahlt werden kann, hat Herr Nehammer den Herrn Finanzminister beauftragt, all das auszuarbeiten, und im September hat Herr Nehammer angekündigt, würde es einen runden Tisch mit den zuständigen Ministerien, mit den zustän­digen Branchenvertretern und mit der Nationalbank geben. Auch eine Taskforce Bargeld soll eingerichtet werden. – Jetzt ist Oktober – gut, vielleicht hat er nicht September 2023 gemeint, das weiß ich nicht, auf alle Fälle ist der September vorbei –, ein runder Tisch hat nie stattgefunden und eine Taskforce Bargeld gibt es auch nicht.

Vorgestern war übrigens eine Sitzung des Verfassungsausschusses des Nationalrates und wir Freiheitliche haben wieder – einmal mehr – einen Antrag eingebracht mit der Forderung, dass das Bargeld in der Verfassung verankert wird. Meine Damen und Herren, jetzt raten Sie einmal, wer diesen Antrag abgelehnt hat? – Die Nehammer-ÖVP, ganz genau!

Dafür haben aber die Grünen die Aufgaben für die Schwarzen übernommen und haben diese Bargelddebatte in Wahrheit hintenherum beendet, nämlich mit den Worten: Diese Freiheit – gemeint damit war: mit Bargeld zu bezahlen – ist „mit derzeit bestehenden Gesetzen gut abgesichert.“ – Debatte aus!

Meine Damen und Herren, wie gesagt, all das ist wirklich nur ein ganz kleiner und kurzer Auszug daraus, was es noch alles zu sagen gäbe. Genau aus diesen Gründen stellt sich für uns die Frage: Was haben die Grünen alles gegen die ÖVP in der Hand? Was haben die Grünen gegen Herrn Nehammer persönlich in der Hand? Wie kommt es, dass die ÖVP den Grünen die Macht praktisch zur


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Gänze überlässt? Es passiert ja nur mehr das, was die Grünen wollen, und all das zum Schaden der Damen und Herren Österreicher, und genau daraus ergibt sich eben der Titel unserer heutigen Dringlichen Anfrage.

Abschließend möchte ich noch ein paar Worte zum letzten Internetauftritt von Herrn Nehammer, Stichwort Ernährungstipps, mitgeben. (Bundesrat Kornhäusl: Gut zuhorchen!) – Ja, gut zuhorchen. Ich weiß, ich bin auch ein McDonaldʼs-Kind, wie man sieht.

Abgesehen davon, dass vieles aus diesem 6-Minuten-Video zeigt, wie abge­hoben, wie überheblich – das haben wir heute beim Kollegen Schwindsackl mitgekriegt –, wie selbstgefällig Herr Nehammer dort über finanziell Schwache in diesem Land hergezogen ist, ist er noch dazu realitätsfremd, und ich sage Ihnen auch, warum.

17,5 Prozent der Österreicher, das sind 1 550 000 Menschen, davon 380 000 Kinder, sind in Österreich armutsgefährdet. All diese Menschen hat Herr Nehammer in seinem Video lächerlich gemacht und verhöhnt. Diese Menschen können im Winter ihre Wohnung nicht heizen, diese Menschen haben am Ende des Monats nicht genug zu essen im Kühlschrank oder sie können ihre Miete nicht mehr bezahlen, und das nach vier Jahren Schwarz-Grün in Österreich.

Diese Menschen gehen mit ihren Kindern nicht zu McDonaldʼs, obwohl es ja laut Herrn Nehammer so billig ist. Wenn diese Menschen dann einmal mit ihren Kindern zu McDonald’s gehen, dann ist es quasi eine Art Belohnung für die Kinder, weil es einmal etwas anderes, etwas Besonderes ist – unabhängig davon, ob das jetzt gesund ist oder nicht. Das kann Herr Nehammer in jener Welt, in der er lebt, aber nicht verstehen: Dort, wo die Leute nichts haben, werden zu Hause Nudeln gekocht, wird Reis gekocht, werden Erdäpfel gekocht, gibt es Toastbrot oder Sonstiges. McDonald’s kann sich kein Mensch von denen leisten. Herr Nehammer aber glaubt, dass dem so ist. Er hat einfach keine Ahnung. (Beifall bei der FPÖ.)


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Meine Damen und Herren! Es gab ja das berühmte Ibizavideo: Herr Strache war 7 Minuten in einem Video zu sehen. Man musste aus dem Videomaterial mit einer Länge von 12 Stunden und 32 Minuten 7 Minuten manipulativ zusammen­schneiden, dass sich ein wirklich peinliches Video ausgeht. Herr Nehammer ist in einem 6-Minuten-Video, das ungeschnitten ist, zum Fremdschämen. Das ist der Unterschied zwischen Strache und Nehammer. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe heute mit vielem gerechnet. Ich habe geglaubt, vielleicht wird Herr Kogler hier sitzen und die Anfrage beantworten. Ich habe geglaubt, vielleicht wird es Frau Staatssekretärin Plakolm sein, aber die ist auch krank. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass Sie beide hier sitzen. Sie müssen das jetzt ver­teidigen – obwohl: Herr Tursky vielleicht mehr, aber Sie weniger –, das Ganze, was auf uns zukommt. (Bundesrat Himmer: Sie muss ja das Geheimnis kennen! Entschuldige! Sie ist genau die Richtige!)

Zum Schluss möchte ich auch Herrn Nehammer noch einen passenden Burger­vergleich mitgeben. Herr Kanzler, vielleicht schauen Sie zu, wenn Sie krank zu Hause sind: Ein bisschen sind Sie wie das Gurkerl im Cheeseburger, überall mit dabei, aber keiner will es. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

15.32


Vizepräsidentin Margit Göll: Ein paar Worte zu unserer heutigen Sitzung: Ich glaube, die Menschen, die uns zuhören, erwarten sich eine sachliche und respekt­volle Debatte, aber keine beleidigende und respektlose. (Bundesrat Steiner: Übertreiben Sie es nicht! Dauerschleife, Dauerschleife, Dauerschleife!) Das entspricht nicht der Würde des Hauses. Ich würde bitten, das auch bei den Zitaten einzuhalten. (Bundesrat Steiner: „Bei den Zitaten“? Das sind deine ÖVP-Zitate!)

Sehr herzlich darf ich noch einmal Herrn Staatssekretär Florian Tursky begrüßen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

Zur Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage hat sich Frau Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport


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zu Wort gemeldet. – Bitte sehr. (Bundesrat Steiner: Er hat deine ÖVP zitiert, du Lustige!)


15.33.20

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich habe heute die Ehre, den Herrn Bundeskanzler hier im Hohen Haus zu vertreten. Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, um als Staatssekretärin für Kunst und Kultur ein paar Sätze über die politische Kultur in diesem Land zu verlieren.

Wir sind in einer krisenhaften Zeit, und zwar zum zweiten Mal binnen weniger Jahre. Die Menschen im Land spüren das jeden Tag. Was tun wir als Politik? – Wir beschäftigen uns tage- und wochenlang in einer hysterischen Aufgeregtheit mit uns selbst, mit fehlgeleiteten E-Mails oder mit irgendwelchen Videos. Das ist sicher nicht das, was die Menschen von uns Politikerinnen und Politikern erwarten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Österreich ist ein Land, das auf Zusammenhalt, auf dem Prinzip Brückenbauen errichtet ist. (Bundesrat Steiner: Das alles habt ihr in der Coronazeit zerschlagen! Euer Scherbenhaufen!) Jahrzehntelang war das unser Erfolgsrezept. Mir kommt aber vor, dass wir diesen Zusammenhalt in den letzten Jahren und Jahrzehnten verlernt haben. (Bundesrat Steiner: Ja, warum wohl? Corona lässt grüßen!) In welchem anderen Gesellschaftsbereich wird so zerstörerisch, so gehässig, so übertrieben, so unter der Gürtellinie gesprochen, gearbeitet? – Mir fällt keiner ein. (Bundesrat Spanring: Die ÖVP!)

Selbst in der Welt der Konzerne, der Wirtschaftsunternehmen weiß man, dass es nicht zielführend ist, die Konkurrenz völlig abzuqualifizieren, zu zerstören, weil man dort genau weiß, dass es dann alle trifft. Im Fall der Politik trifft es die Demo­kratie. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Gerade in so schwierigen Zeiten müssten wir so weit sein, an einem Strang zu ziehen und an unsere Gestaltungskraft zu glauben, und zwar ganz besonders in unserem Bereich, der Politik. Die Bevölkerung erwartet das zu Recht von uns. Wir müssen die Menschen für die Demokratie begeistern und gemeinsam dafür sorgen, dass sich nicht noch mehr Menschen von der Politik abwenden. Wir brauchen eine neue Kultur des Dialogs, des Miteinanders, der Konstruktivität, des Zuhörens, des Ausredenlassens. Wir müssen uns auf die Tradition des Zusammenhalts zurückbesinnen, die uns in Österreich immer stark gemacht hat.

Wir vonseiten der Bundesregierung machen unsere Arbeit für dieses Land. Natürlich gelingt nicht immer alles und manches auch zu langsam, aber die Bilanz kann sich sehen lassen. Gerade heute haben wir einen Entwurf für das Informationsfreiheitsgesetz vorgestellt – ein Meilenstein für die Transparenz der Verwaltung in Österreich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Erst diese Wochen haben wir beim Finanzausgleich einen Durchbruch erzielt – einen Durchbruch, der für alle Bundesländer positiv ist. Diese Einigung ist historisch und legt den Grundstein für die Gesundheitsreform und den Zukunfts­fonds für viele weitere wichtige Bereiche in unserem Land: Klima, Umwelt, Wohnen, Kinderbetreuung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben die kalte Progression abgeschafft, nachdem das jahrzehntelang gefor­dert wurde und keine Regierung es vorher umgesetzt hat. Wir haben die Valorisierung der Sozialleistungen eingeführt – ein wichtiger Schritt für die sozial Schwächeren im Land. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir haben wichtige Reformen im Bereich Klima, das Klimaschutzgesetz, die CO2-Bepreisung und den damit verbundenen Klimabonus oder das Klimaticket für den öffentlichen Verkehr, durchgesetzt. Weil ich hier auch über meine Zuständig­keit sprechen möchte: Noch nie wurde in Österreich so viel an Budgetmit­teln für Kunst und Kultur investiert. Das ist wichtig und richtig – gerade in Österreich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Wegen Corona! Ihr


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habt alles zugesperrt! – Bundesrat Spanring: Ihr habt euch die Stimmen von den ganzen Künstlern gekauft!)

Wir haben in allen Förderbereichen von Kunst und Kultur wichtige und nachhaltige Akzente gesetzt und wir kümmern uns um faire Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen für alle Künstlerinnen und Künstler in diesem Land. (Bundesrat Spanring: Künstler gekauft! Geht alle impfen, dafür kriegt ihr 2 Millionen Euro ...!)

Für den Bereich, den ich verantworte, kann ich auch sagen, dass wir sowohl auf der parlamentarischen Ebene als auch mit den Bundesländern und den Interessenvertretungen in einem ständigen, positiven, konstruktiven Dialog stehen. Wir werden das weiterhin tun – bis zur nächsten Wahl im Herbst 2024. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir werden weiterhin – da spreche ich für die gesamte Bundesregierung – konstruktiv für dieses Land weiterarbeiten, auch wenn es nicht immer einfach ist. Ich möchte Sie sehr herzlich einladen, sich an dieser politischen Arbeit konstruktiv zu beteiligen. Es ist sicher nicht alles perfekt, was geleistet wird, aber ich bin davon überzeugt, dass die Ergebnisse für sich sprechen und keinen Vergleich zu scheuen brauchen.

Zur Dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler darf ich nunmehr folgendes inhaltliches Statement aus dem Bundeskanzleramt verlesen:

Zu den Fragen 1 bis 3 sowie 16 und 18:

Unser gemeinsames Ziel als Bundesregierung ist es, für Österreich zu arbeiten, und das bis ans Ende der Legislaturperiode. Für uns zählt redliche Politik und redlich für unser Land zu arbeiten, und das tun wir auch. (Bundesrat Steiner: Untersuchungsausschuss!) Erst heute wurde ein großes gemeinsames Projekt vorgestellt: die Abschaffung des alten Amtsgeheimnisses. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Dabei wurde das verfassungsgesetzlich gewähr­leistete Grundrecht auf Zugang zu Information präsentiert. (Ruf: Wenn es kommt!) Jede und jeder hat ein Grundrecht auf Information. Davon sind wir überzeugt,


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und das wird endlich Realität. Der Entwurf garantiert Transparenz mit Augen­maß für die Verwaltung.

Über die Legitimation entscheiden allein die Wählerinnen und Wähler bei Wahlen und nicht Umfragen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Zur Frage 4:

Mit der ökosozialen Steuerreform haben wir vor einem Jahr den Grundstein dafür gelegt, klimaschädliches CO2 wird bepreist. Das begann 2022 bei 30 Euro pro Tonne und steigt jährlich bis auf 55 Euro pro Tonne bis 2025.

Zu den Fragen 5 und 6:

Es liegen dazu keine Gesetzentwürfe vor.

In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch erwähnen, dass die Bundes­regie­rung einen Stopp der Bundesgebühren beschlossen hat. Das bedeutet: Beim Klimaticket, der Mautvignette wird es keine Erhöhungen im nächsten Jahr geben, auch die Lkw-Maut wird im kommenden Jahr nicht an die Inflation angepasst.

Zur Frage 7:

Man muss einige Dinge auseinanderhalten.

Erstens: Es ist wichtig, zu verstehen, dass positive Incentivierung vor Zwang steht.

Zweitens: Sanierungen sind aus vielen Gründen sinnvoll; um ein paar Gründe zu nennen: Energiekosten für den Mieter, ökologischer Fußabdruck, wirtschaftlich ist es auch sinnvoll.


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Drittens: Bei Sanierungen sind die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern geteilt. Wir haben im Finanzausgleich Incentivierungen für den Wohnbereich gesetzt.

Viertens: Beim EWG findet derzeit die Abstimmung unter den Koalitionsparteien statt.

Zur Frage 8:

Nein. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP.)

Zur Frage 9:

Klimaschutz ist uns wichtig. Das ist ein Faktum, und jeder, der das leugnet, liegt absolut falsch.

Klimaschutz kann uns nur gelingen, wenn wir die Menschen mitnehmen. Es muss eine Gesamtleistung sein. Die aktuelle Bundesregierung hat unglaublich viele Klimaschutzgesetze auf den Weg gebracht, vom Klimaticket über das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz bis hin zum Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs­gesetz.

Um die Industrie zu transformieren, stellt die Bundesregierung 6 Milliarden Euro zur Verfügung.

Zur Frage 10:

Die Polizei handelt auf Grundlage der Gesetze im Sinne des Legalitätsprinzips. Die mehr als 32 000 Polizistinnen und Polizisten nehmen ihre Aufgaben professionell und unvoreingenommen wahr, sowohl bei Versammlungen als auch bei der Bekämpfung der illegalen Migration, immer auf Grundlage der Regeln in einem demokratischen Rechtsstaat.

So wurden durch Kontrollen an den österreichischen Grenzen, aber auch entlang der Schlepperrouten in Ungarn, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien zahl­reiche Maßnahmen gegen die Schleppermafia gesetzt.


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Allein in Österreich wurden seit Jahresbeginn mehr als 450 Schlepper festgenommen. Durch die Kontrollmaßnahmen an der Grenze zu Ungarn, aber auch entlang der Routen wurde die Anzahl der Aufgriffe, Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent reduziert. (Bundesrat Leinfellner: ... Polizisten ..., die ihr dort abgezogen habt!)

Zur Frage 11:

Gemäß Art. 7 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden zur Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere durch Beseitigung bestehender Ungleichheiten, sind maßgebend. Die Verwen­dung geschlechtergerechter Sprache ist dabei ein Bestandteil.

Zu den Fragen 12 und 13:

Der Kernauftrag des ORF ist in § 1 des ORF-Gesetzes geregelt.

Gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 des beschriebenen Gesetzes obliegt dem Generaldirektor beziehungsweise der Generaldirektorin die Festlegung allgemeiner Richtlinien für die Programmgestaltung, Programmerstellung und Programmkoordinierung in Hörfunk und Fernsehen mit Zustimmung des Stiftungsrates.

Zur Frage 14:

Keine.

Zur Frage 15:

Der Klimabonus wurde bei der Steuerreform konzipiert, um auf Verkehrslagen, Infrastruktur und die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten einzugehen. Grundsätzlich bekommen Personen, die ihren Hauptwohnsitz im Jahr 2023 für mindestens sechs Monate in Österreich haben, den Klimabonus. Die genaue Ausgestaltung obliegt, wie Sie sicherlich wissen, federführend dem Klimaschutzministerium.


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Zur Frage 17:

Es gab schon zahlreiche Gespräche. Die Fachexperten tauschen sich laufend aus. Die Legistik wurde vonseiten des Finanzministers an den Koalitionspartner übermittelt, auch auf dieser Ebene finden weitergehende Gespräche statt. Darüber hinaus wurde die Taskforce Bargeld im Finanzministerium gegründet, die erste Ergebnisse vorweisen kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.45


Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen Dank.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte.


15.46.24

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Vorsitzende! Geschätzte Staatssekretäre! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist für mich schon bezeichnend, dass unser Bundeskanzler anscheinend dieses Haus, auch wenn ich ihm heute natürlich gute Besserung wünsche, grundsätzlich dieses Haus scheut wie der Teufel das Weihwasser, denn wir haben ihn hier herinnen schon sehr, sehr lange nicht mehr gesehen. Grundsätzlich kommt ja dann seine Staatssekretärin ins Spiel, die ist heute auch verhindert; dieser wünsche ich natürlich auch gute Besserung.

Wir sind ja froh, dass sie somit auch eine Aufgabe gefunden hat, nämlich den Bundeskanzler zu vertreten. Immer wenn es für unseren Bundeskanzler, unseren Burgerking – das ist übrigens nicht die englische Übersetzung für Bundeskanzler, den Namen hat er sich schon selbst zuzuschreiben –, etwas eng oder unange-


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nehm wird, dann schickt er eine Vertretung. Heute hat er uns sogar zwei Vertre­tungen geschickt, der Vizekanzler hat es aus Kärnten anscheinend nicht zu uns geschafft, obwohl es seine Aufgabe gewesen wäre. Vielleicht ist es auch gescheiter, dass er am Nachmittag nicht mehr ins Auto steigt. (Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Ich gehe ja eher davon aus, dass die ÖVP den Grünen einfach nicht mehr vertraut und dass man deswegen einen Staatssekretär von der ÖVP und eine unabhängige, eher der SPÖ zuzuordnende Staatssekretärin für diese Anfragebeantwortung hier herein setzt.

Irgendetwas muss man ja als Staatssekretär auch zu tun haben, denn rund 17 000 Euro im Monat sind ja nicht nichts, wobei man schon sagen kann, dass uns dieser Bundeskanzler – denn viel haben wir von Frau Plakolm bis heute ja noch nicht gesehen – mit seinem Gehalt und dem Gehalt von der Frau Staatssekretärin rund 40 000 Euro im Monat kostet. Na, da kann man grund­sätzlich schon das eine oder andere Mal auch ins Parlament kommen, möchte man meinen.

Zum Vizekanzler sage ich eigentlich gar nichts mehr, aber von dieser Bundes­regierung, man sieht es – Herr Staatssekretär, Sie sitzen ja seit in der Früh schon da –, hat es kein einziger Minister geschafft, in dieses Haus zu kommen. Kein einziger Minister hat es geschafft, heute hier zu sein! Der Staatssekretär sitzt seit in der Früh da. – Na, wohl, Frau Minister Zadić ist hier gewesen, das hätte ich jetzt fast vergessen, ihr will ich nicht unrecht tun (Zwischenruf des Bundesrates Himmer) – aber man setzt den Staatssekretär hier herein: Für den Bundesrat wird das schon reichen! – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine Verhöhnung dieses Hauses, das ist schlicht und ergreifend eine Sauerei! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrät:innen Mertel und Schumann.)

Das ist nicht die Art und Weise, wie ich sie mir erwarte, dass Regierungsmit­glieder mit dem Bundesrat oder mit dem österreichischen Parlament umgehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber ja, anscheinend will diese


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Bundesregierung nicht mehr arbeiten. Sie will nicht mehr arbeiten und sie kann es auch nicht mehr. Das zeigt sie jetzt seit rund vier Jahren, und deswegen darf ich an dieser Stelle auch einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Interesse Österreichs, dem Bundes­präsidenten seinen Rücktritt sowie den Rücktritt der gesamten Bundesregierung anzubieten.“

*****

Und ja, dafür ist es höchst an der Zeit. Die Liste des Versagens dieser Bundes­regierung ist inzwischen schon viel zu lang geworden. Ich möchte nur das eine oder andere aus dieser Liste hervorstreichen: ein Totalversagen bei der Terror­bekämpfung. Ich darf nur an den 2. November 2020 in Wien erinnern. – Da schmunzeln Sie (in Richtung Staatssekretärin Mayer), ich finde das nicht lustig. Ich finde das nicht lustig, wenn diese Bundesregierung Menschenleben zu verantworten hat, Frau Staatssekretärin! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Totalversagen bei der Coronapolitik, verfassungswidrige Coronamaß­nahmen. Ich darf nur daran erinnern, dass man Handtaschen von Müttern durchsucht hat, die im Geschäft Schulhefte für ihre Kinder eingekauft haben. Pfui!, kann ich da nur sagen! Das ist Ihre Politik, das ist Ihre Politik des Versagens.

Die Polizei haben Sie vorhin gelobt. Ja, ich lobe die Polizei auch, weil sie großartige Arbeit leistet. Es ist die Politik, die sich einmischt, Ihre Politik, Ihre ÖVP-Politik. Dass es dann Anordnungen gibt, rechtschaffene Bürger


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einzukesseln, zu Tausenden Anzeigen zu schreiben, das ist Ihr Versagen, das ist Ihre Politik, und ja, das ist auch der Grund dafür, warum viele Polizisten inzwischen der Polizei – vielleicht nicht der Polizei, aber dieser Politik – den Rücken gekehrt und sich einen anderen Arbeitsplatz gesucht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ein Totalversagen beim Grenzschutz: Es gibt keine oder so gut wie keine Abschiebung von Illegalen.

Es gibt zum Teil keine Auszahlung von Coronaförderungen für EPUs: Die warten zum Teil noch immer darauf, seit Monaten; KMUs warten seit Monaten darauf – das ist ein Totalversagen.

Bis heute gibt es keine Rückzahlung von Strafen, die aufgrund von verfassungs­widrigen Gesetzen und Verordnungen eingehoben worden sind.

Denunzierung und Herabwürdigung von Wissenschaftlern: Wenn wir uns an den Beginn von Corona erinnern, dann sehen wir, dass es da schon Experten gegeben hat, die denunziert wurden. Heute wissen wir, dass das die Experten gewesen wären, und nicht Ihre Leute, auf die Sie gehört haben und von denen wir wissen, dass sie einen Blödsinn nach dem anderen verzapft haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Einführung einer Impfpflicht: Ich glaube, heute wissen alle, dass das Glumpert mehr geschadet hat, als es genutzt hat. (Bundesrat Kornhäusl: Ja, vor allem du!)

Die Bundesregierung hat im Jahr 2021 – das ist ja sowieso der Gipfel – 225 Millio­nen Euro für Regierungs-PR ausgegeben. Im Gegenzug haben Sie die Hacklerregelung abgeschafft. Na gratuliere!, kann ich da nur sagen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Teil Ihrer Bilanz.

Sie reden von einer Bekämpfung der Teuerung und führen eine CO2-Bepreisung ein. Treibstoff wird zum Luxusgut; Wohnen ist für viele inzwischen


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nicht mehr leistbar; ein Totalversagen bei der Bekämpfung der Teuerung bei Lebensmitteln.

Ein Totalversagen in der Außenpolitik: Sie treten unsere Neutralität mit Füßen. Ein Totalversagen in der Gesundheitspolitik: Wir haben einen Ärztemangel, wir haben einen Pflegenotstand, uns fehlen die Pflegekräfte.

Und ja, nachdem diese Bundesregierung von einem Chaos ins nächste taumelt, ist dann der Zeitpunkt da, an dem diese ÖVP auch noch einen Unter­suchungs­ausschuss gegen den eigenen Koalitionspartner vorbereitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Liste lässt sich endlos fort­setzen, aber da geht mir vorher die Zeit aus. Ich kann nur sagen, diese Regierung ist am Ende, diese Regierung ist arbeitsunfähig, und deswegen: Bitte, beenden Sie diesen Leidensweg! Die ÖVP hat ja schon einen Untersuchungs­ausschuss vorbereitet. Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag heute zu, denn jeder Tag, an dem diese Regierung nicht mehr im Amt ist, ist ein gewon­nener Tag für Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

15.54


Vizepräsidentin Margit Göll: Es liegt ein Entschließungsantrag, der von den Bundes­räten Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen eingebracht wurde, betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Er ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen weiter in der Debatte.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte sehr.


15.55.23

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Lieber Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber auch liebe Damen und Herren, die über den Livestream zugeschaltet sind! Es ist eigentlich eh fast schon zu einer – Klammer auf:


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Sarkasmus, Klammer zu – lieben Gewohnheit geworden, dass die Freiheitliche Partei das eine um das andere Mal eine Dringliche Anfrage stellt. (Bundesrat Leinfellner: Zur Gewohnheit ist es geworden, dass eure Minister nicht kommen!) Was aber nicht besser geworden ist, das ist die Art und die Qualität der Inhalte. Es ist ein hohes demokratisches Gut, so eine Anfrage zu stellen – auf jeden Fall, das wird jeder hier unterstreichen. Nur: Wenn ich mir diesen Kauderwelsch anschaue, der da dahergeschrieben wird (Bundesrat Leinfellner: Das kannst du nicht beurteilen!), ein Sammelsurium aus irgendwelchen haltlosen Vorwürfen, Behauptungen, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Lasst euch bitte einmal etwas Neues einfallen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Heiter­keit der Bundesrätin Miesenberger.)

Das gilt übrigens im gleichen Maße für eure Reden. Es tut mir leid, wir kennen die schon auswendig, und so geht es jedem hier im Saal, sicherlich den Kollegen von der Sozialdemokratie auch. Ich kann fast schon mitreden (Heiter­keit bei der ÖVP), wenn Herr Spanring sein Buch öffnet. (Bundesrat Leinfellner: ... dort, wo es was bringen täte!) Das wäre doch einmal ein bisschen eine intellektuelle Herausforderung, dass wir uns einmal etwas Neues einfallen lassen! (He-Rufe bei der FPÖ.) Was haltet ihr davon? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrat Spanring: Sobald die nächste Korruption aufgedeckt ist, werde ich was Neues erzählen!)

Ich verstehe, dass Opposition kritisch sein muss (Ruf bei der FPÖ: Ja eh!), das soll sie sogar. Ich verstehe auch, wenn Opposition kritisiert, auch das soll sie machen. Ich glaube, da müssen Sie uns recht geben: dass die Regierung natürlich auf viele Stellungnahmen, die zu Gesetzentwürfen einlangen, eingeht – beziehungsweise das Parlament im parlamentarischen Prozess darauf eingeht und auch die zuständigen Regierungsmitglieder – und dass gute, konstruktive Vorschläge natürlich ihren Niederschlag finden. Nur kommt von der Freiheitlichen Partei natürlich leidlich wenig, das muss ich an dieser Stelle schon auch sagen. (Bundesrat Spanring: ... von der Schallplatte, gell?) Das Einzige,


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was Sie können (Ruf bei der FPÖ: Ja, ja!), die einzige Sprache, die Sie verstehen, das ist Hass, das ist Hetze und das ist Spaltung, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Es ist heute an dieser Stelle, von diesem Rednerpult aus schon gesagt worden: „Gewalt beginnt mit der Sprache.“ Wenn ich mir Ihre Mandatarinnen und Mandatare anschaue, dann muss ich ganz ehrlich sagen, dieses Zitat ist zutref­fender denn je.

So wie Sie versuchen, die Gesellschaft zu spalten, aufzuwiegeln, zu hetzen – da klopft man sich auf die Brust: wir sind die einzigen Patrioten in diesem Land! (Ruf bei der FPÖ: Ja, eh!) –, so versuchen Sie es auch mit dieser Bundes­regierung, weil es Ihnen natürlich ein Dorn im Auge ist, dass diese Bundesregierung Erfolge vorzuweisen hat (Heiterkeit bei der FPÖ), die Bundes­regierungen vor ihr noch nie zustande gebracht haben (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), ich darf sie Ihnen aufzählen.

Sie lachen. Sie haben das Coronathema, das Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen, das will aber auch schon keiner mehr hören, weil es in Wahrheit schon gar nicht mehr wahr ist, und davon leben Sie halt noch ein bisschen und zehren noch ein bisschen, aber die Erfolge dieser Bundesregierung werden dadurch nicht gemindert oder weniger, Herr Kollege Steiner. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: ... ÖVP-Propaganda-Heftl ...!) – Meine Kollegin­nen und Kollegen, ich habe sicherlich noch welche von diesen Heften, wir haben sie gut verteilt. (Bundesrat Steiner: Ja eben! ... weil sie keiner haben will!) Das eine oder andere werden wir noch finden. (Bundesrat Steiner: Weil sie keiner haben will, die ÖVP-Propaganda-Heftln!) Das eine oder andere werden wir noch finden. Nur, ich sage dir eines, lieber Kollege Steiner: Als Nachtlektüre geht sich das bei dir nicht aus, da brauchst du mehrere Nächte, bis du das durch­gearbeitet hast, weil das so viel ist, dass es ja kaum fassbar ist. (Bundesrat Steiner: Wie viele Seiten? Sechs? Wie viele Seiten? Das sind fünf Seiten!)


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Ich werde die wichtigsten Punkte herausnehmen – einiges ist dankenswerter­weise auch schon von der Frau Staatssekretärin gesagt worden –: die Abschaffung der kalten Progression – ein Meilenstein der österreichischen Politik, Jahrzehnte ist darüber geredet worden, diese Regierung hat es umgesetzt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das sind 20 Milliarden Euro bis 2026, lieber Christoph Steiner. (Bundesrat Steiner: Unglaublich!) Das ist eine unvorstellbare Summe, die allein durch die Abschaffung dieser schleichenden Steuererhöhung plötzlich geltend gemacht wird. (Bundesrat Steiner: Die aber durch die Korruption ...!)

Es gibt die Antiteuerungsmaßnahmen und Entlastungspakete, die Stromkosten­bremse, den Energiekostenzuschuss, Klima- und Antiteuerungsbonus, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Einmalzahlungen für vulnerable Gruppen – keine Frage, in Einmalzahlungen liegt nicht das Seelenheil, aber sie mildern die akute Not, wenn sie denn da ist. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Wir haben aber wie gesagt mit der Abschaffung der kalten Progression auch wirklich nachhaltig das System verändert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Es gibt eh kein ...!)

Etwas, worauf ich ganz besonders stolz bin, weil es die Familien entlastet (Bundes­rat Steiner: Die Impfpflicht!), ist die Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen. Die Familien sind die Keimzelle des Staates. Das ist ein gesellschafts- und sozialpolitisches Jahrhundertprojekt, das die Volkspartei gemeinsam mit den Grünen in der Regierung umgesetzt hat. (Bundesrat Steiner: Das ist unser Parteipro­gramm!) – Ja, was du jetzt da auf deine Zettel schreibst – du kommst nicht dazu, dass du es umsetzt, wir machen das, mein Lieber! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Reigen geht es munter weiter: die Senkung der Körperschaftsteuer (Bundesrätin Schumann: Jössas!), Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro für Menschen, die natürlich arbeiten gehen und Steuern zahlen – die bekommen 2 000 Euro zurück.


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Weiter geht es: die Gesundheits- und Pflegereform, Pensionserhöhungen, Erhöhung des Heeresbudgets – das war noch nie höher. – Das hat diese Regierung zustande gebracht, die Volkspartei gemeinsam mit den Grünen. Eure Minister sind zwar stramm die Front abgeschritten (Bundesrat Spanring: ...! Geh bitte! Du bist ja ...!), aber zusammengebracht haben sie nichts, das muss man an dieser Stelle einmal ganz ehrlich sagen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuer­licher Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Kollege Leinfellner ist jetzt leider draußen: Er mimt ja auch gerne den strammen Maxi, aber wenn es dann darum geht, die PS auf den Boden zu bringen, lässt er meistens aus. – So schaut es leider Gottes aus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Kindergartenmilliarde, Gemeindepaket und, und, und – es würde jeglichen zeit­lichen Rahmen sprengen, wenn ich auf all diese Punkte eingehen würde. (Heiterkeit des Bundesrates Spanring. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Deshalb steht Österreich auch so da, wie es dasteht (Bundesrat Spanring: Ja! Jawohl! – Bundesrat Steiner: Super! Bravo!), und das lassen wir uns von euch nicht schlechtreden, weil wir an Österreich glauben (Beifall bei ÖVP und Grünen) und weil wir im Gegensatz zu euch für dieses Land arbeiten – weil wir im Gegensatz zu euch für dieses Land arbeiten (Bundesrat Spanring: Geh bitte!) und an dieses Österreich glauben. (Bundesrat Spanring: Glaub an die Korruption! Glaub an die Korruption!)

Da gibt es Indikatoren, und die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Ich habe ein paar mitgebracht, denn ihr tut euch mit Bildern (einige Tafeln vom Boden auf das Redner:innenpult hebend) leichter als mit anderen Dingen.

Zum Beispiel – Kollege Pröller hat es, glaube ich, gesagt, Spanring genauso –: Den Menschen geht es nur mehr schlecht. – So in diese Richtung ist es gegangen. (Bundesrat Steiner: Das ist eine aufgewärmte Gschicht aus dem Natio­nalrat!) Es ist also quasi so, als sei Österreich ganz knapp vor einem Kollaps. Hier wird unser Land bewusst schlechtgeredet. Das ist alles, was Sie


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können. (Bundesrat Steiner: Eine aufgewärmte Gschicht aus dem Nationalrat! Das hat ja der Nationalrat schon gebracht!)

Jetzt sage ich Ihnen eines: Ich werde nie jene übersehen – das hat die Volkspartei noch nie getan, und das hat diese Bundesregierung noch nie getan (Bundesrat Steiner: Da, der Schwindsackl! Es gibt kein ...!) –, die den Euro dreimal umdrehen, bevor sie ihn ein halbes Mal ausgeben – denn die gibt es. (Bundesrat Steiner: Da, der Schwindsackl, da! Da sitzt er! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Auf die schauen wir aber, und denen helfen wir (Bundesrat Steiner: Die gibt es nicht!) – jenen, die sich selber nicht helfen können. (Bundesrat Spanring: Er hat aber gesagt, ...!) Wer sich aber helfen kann, den fordern wir auf, seinen Beitrag zu leisten, und das sollten Sie auch einmal tun. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Der Schwindsackl!)

Aber (eine Tafel mit einem Diagramm zum Vergleich der Entwicklung des verfügbaren Haushaltseinkommens in den genannten Ländern in die Höhe haltend) – Quelle OECD, bitte, das werden Sie ja wohl glauben –: viertes Quartal 2022, erstes Quartal 2023 (Bundesrat Steiner: Das habts ja im Nationalrat alles schon hergezeigt! Das ist ein alter Hut! Lassts euch selber was einfallen! – Zwischenruf der Bundesrätin Platzer) – ja, schau, es lebt halt auch von der Wiederholung, vielleicht geht es auch einmal in deinen Kopf hinein, Kollege Steiner, es wäre zu wünschen, glauben tu ich es nicht –, Österreich plus 2,3 Prozent mehr Haushaltseinkommen, Deutschland minus 1 Prozent, Frankreich minus 0,5 Prozent, Spanien plus 0,9 Prozent.

Und so geht es weiter: die Kaufkraft (eine Tafel mit Zahlen zur Kaufkraft in Österreich, Frankreich, Europa und Spanien im Jahr 2022 in die Höhe haltend): Österreich 24 700 Euro (Bundesrat Steiner: Nutzen niemandem was, deine Zahlen!) – Österreich ist Spitzenreiter (Bundesrat Spanring: Ja, die Reichen können sich mehr kaufen! Toll, die Reichen können sich mehr kaufen, und es gibt immer mehr Arme! Auf das bist du stolz? Die Schere geht so auseinander und der Mittelstand wird ausgedünnt!) –, Spanien 15 000 Euro. Das hochgelobte Spanien ist leider doch nicht so gut, wie es oft angepriesen wird. Auch Frankreich


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und überhaupt ganz Europa sind deutlich hinter Österreich. (Bundesrat Spanring: Diese Zahlen heißen gar nichts! Das solltest du wissen!) – Ja, die Zahlen passen nur, wenn sie von euch kommen. Das kennen wir eh, diese Geschichte: Eure Zahlen sind gut und richtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es geht ja weiter; weil es vorhin geheißen hat: das Asylchaos (Unruhe bei der FPÖ.) – Jetzt warte ich kurz, denn es wäre mir wirklich wichtig, dass es jetzt ruhig würde, weil die Zahlen einfach so spannend sind und weil die Zahlen so viel darüber aussagen, wer wirklich arbeitet und wer die wirklichen Patrioten sind. (Bundesrat Steiner: Wie bei Corona, da waren die Zahlen auch ...!)

Ja, jetzt die Vergleiche: Innenminister Kickl, Ritter von der traurigen Gestalt (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen), gegenüber Innenminister Karner (eine Tafel mit der Zahl der Personen in der Grundversorgung sowie der Gesamtkosten der Grundversorgung unter den genannten Ministern in die Höhe haltend). Anzahl der Personen in der Grundversorgung unter Kickl: 61 000; unter Gerhard Karner: 42 000. (Bundesrat Spanring: Das ist alles ...!) – Ja, weil ihr es nicht hören wollt, die Wahrheit tut weh, aber sie ist den Menschen zumutbar, Kollege Spanring. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gesamtkosten der Grundversorgung: Herr Kickl hat fast eine halbe Milliarde Euro ausgegeben, Gerhard Karner 339 Millionen Euro. Er führt das Ranking an, jetzt könnt ihr euch freuen: Er ist Erster!, aber dort wollt ihr ihn nicht an erster Stelle haben. (Bundesrat Steiner: Kickl hat von der ÖVP übernommen! – Bundesrat Spanring: Wer war denn vor dem Kickl der Innen­minister?) Das (auf die Tafel weisend) sind die Fakten, und die sind unwidersprochen.

So, aber es geht weiter: Da stellt er sich her, Herr Kickl – Push-back, Rückweisung. Wisst ihr, wie viele Rückweisungen Herr Kickl hat durchführen lassen? – Null, zero, keine einzige (Bundesrat Spanring: ... weil nur 13 000 Leute gekommen sind in dem Jahr!), weil er ein Schaumschläger ist,


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weil er nur reden kann. Er kann nur laut reden und krakeelen, durchsetzen kann er nichts. (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)

Unter Herbert Kickl (eine Tafel mit Diagrammen zu Asylanerkennungen und Verfahrensdauer unter den genannten Ministern in die Höhe haltend) gab es 50 Prozent Asylanerkennungen. (Bundesrat Spanring: 50 Prozent von 13 000 gegen 60 Prozent von 120 000!) Ja meine Herren, das verstehe ich nicht: 50 Prozent! (Bundesrat Spanring: Jetzt fängst schon an wie die SPÖ...!) Unter Gerhard Karner sind es 15,6 Prozent. Verfahrensdauer unter Herbert Kickl: 21,5 Monate. – Der (in Richtung Bundesrat Spanring) kriegt ein immer röteres Gsichterl, jetzt mache ich mir Sorgen um deinen Blutdruck, mein Freund (Heiterkeit bei der ÖVP), aber ich helfe dir natürlich, weil mein ärztlicher Kodex das von mir verlangt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring: Sag deinem Schwager ..., bitte mach du nichts!) – Verfahrensdauer mittlerweile unter Minister Karner: 3,5 Monate.

Dann habe ich noch ein Geschenk mitgebracht, einfach um zu sehen, wie zweideutig – zweideutig ist jetzt das euphemistische Wort, denn die, die mir in den Sinn kämen, sage ich an dieser Stelle nicht –, wie doppelbödig die Freiheitliche Partei ist. (Bundesrätin Doppler: Ah geh!) Da agieren Sie gegen jeden und jede, die nur ein bisschen anders ausschauen und vielleicht von irgendwo anders kommen, und dann fahren die eigenen Freunde – und ich muss sagen, es ist auch wirklich gut getroffen – nach Afghanistan zu den Taliban – ich habe ein Foto für das Familienalbum mit (eine Tafel mit einem Foto des Treffens von Mölzer und Hübner mit den Taliban in die Höhe haltend) –, sitzen dann dort mit einem terroristischen Regime und verhandeln wie unter Freunden um die Freilassung eines verurteilten Rechtsextremen. (Bundesrat Spanring: Woher wissen Sie, dass ...?)

Das ist die Freiheitliche Partei: Bei uns in Österreich tun sie so, als ob alle, die anders ausschauen, Kriminelle wären, und in Wahrheit besuchen sie sie, fahren zum terroristischen Talibanregime und versuchen, Kontakte zu knüpfen und Rechtsradikale freizukaufen. – Das ist die Freiheitliche Partei.


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Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Sie sich jetzt nicht schämen! (Bundesrat Spanring: Ich schäme mich eh, für diese Regierung! Ich schäme mich für diese Rede! Eine Schande für das Parlament!) – Da sitzt er (auf die Tafel weisend), schauen Sie, da erkennen Sie ihn eh, Herrn Hübner, da hinten (auf die Seite der FPÖ weisend) ist er gesessen, hat auch immer groß geredet. Da ist er gesessen. – Ich gebe dir das (in Richtung Bundesräte Spanring und Steiner), das kannst du in dein Buch kleben, das kannst du in dein Familienalbum kleben. Dort hinten ist er gesessen und hat gegen alles und gegen jeden gehetzt, und da verbündet er sich jetzt – weil euch alles recht ist.

Aber dem nicht genug – warte, ich lasse es am besten da liegen (die Tafel auf die Regierungsbank neben dem Redner:innenpult legend) –, nicht nur dass er dort war, er lobt auch noch das Talibanregime und sagt wortwörtlich: „Die Taliban haben dazugelernt und bemühen sich, Sicherheit“ im Land „herzu­stel­len“. (Bundesrat Spanring: Im Gegensatz zu euch!) – Ein Terrornetzwerk, mit dem Ihre Partei anscheinend zusammenarbeitet und kooperiert – schämen Sie sich, meine Herren, schämen Sie sich in Grund und Boden! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Spanring: Wir haben mit der ÖVP nicht ...!)

Das, was Sie hier tun, ist nicht glaubwürdig, denn Sie gehen her und sagen das eine und tun das andere, nämlich mit terroristischen Netzwerken die Zusammenarbeit suchen (noch einmal die Tafel in die Höhe haltend) – so schaut die Realität aus.

Da muss ich ganz ehrlich sagen: Das erregt mich selber. Da ist sogar mein Blutdruck einmal erhöht, wenn ich mir diese Doppelbödigkeit anschauen muss. (Bundesrat Steiner: Ganz nervös ist er schon, schau!)

Nichtsdestotrotz, wir bleiben dabei: Diese Regierung arbeitet für Österreich, diese Regierung arbeitet für dieses Land, und das bis zum Herbst 2024. Da wird auch von Ihnen kein Keil dazwischengetrieben werden können. (Bundesrätin Schartel: Das macht ihr selber!) Ihr macht das, was ihr selber am besten könnt, tut weiter herumplärren, tut weiter versuchen, zu hetzen und zu spalten. Mehr


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habe ich von Ihrer Partei leider noch nie erlebt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Du hast mir das Heftl versprochen! – Bundesrat Kornhäusl: Ja, ja! Kriegst du dann!)

16.11


Vizepräsidentin Margit Göll: Wir gehen weiter in der Debatte. Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.11.10

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist schon einmal grundlegend festzuhalten, dass der Umgang mit der Entschuldi­gungs­politik der Regierungsmitglieder und des Kanzlers wirklich ein ganz, ganz schlechter ist. Den Bundesrat so zu behandeln ist ganz, ganz übel, denn der Bundesrat braucht Wertschätzung, der Bundesrat verdient Wertschät­zung. So kann man mit uns nicht umgehen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundes­rätin Eder: Wo ist der Babler?) – Der Babler ist krank. Ja, er ist entschuldigt, weil krank; so einfach ist das. (Bundesrat Schwindsackl: Andere auch! Ja, die anderen sind auch krank!) – Genau. Bevor man Sachen hinausruft, immer erst erkundigen – so schaut es aus!

Die Dringliche ist ein ganz wichtiges Instrument und darf nicht kleingeredet und nicht schlechtgeredet werden. Sie bietet die Möglichkeit, Dinge zu erfahren. Darum ist es wichtig, dass man ordentliche Antworten bekommt. Es ist auch wichtig, dass die Dringlichen so strukturiert sind, dass es für die Menschen, für die wir arbeiten – das ist ganz wichtig –, Antworten gibt und klargestellt wird: Wo sind Problemstellungen? Wo sind Dinge, die man anders machen müsste? – Diese Dringliche Anfrage ist leider vom Niveau her – ich muss es ehrlich sagen – ein bisschen wie Kraut und Rüben. Nehmen wir es jetzt, wie es kommt; es ist so, wie es ist.

Fakt ist: Die Menschen leiden ganz, ganz stark unter der Teuerung. Das können Sie jetzt von Regierungsseite schönreden, soviel Sie wollen. Die Menschen


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leiden wirklich furchtbar darunter. Sie leiden unter den Preissteigerungen. Manche leiden darunter, dass sie wirklich arm sind – das kann man nicht wegreden, nur weil man das gerne nicht hätte. Viele leiden darunter, dass sie armutsgefährdet sind. Viele Menschen leiden darunter, dass sie Angst haben, in die Armut abzurutschen.

Das ist eine Angst – eine reale Angst! –, die man wahrnehmen und ernst nehmen muss. Da kann man nicht sagen: Na, die Einmalzahlungen, wir haben ihnen eh Geld gegeben! – Wenn Sie das sagen wollen, stellen Sie sich bitte vor den Super­markt und sagen Sie den Leuten: Bitte regt euch nicht über die Wahnsinns­preise und über die Preissteigerungen auf, wir haben euch eh mit Einmalzahlungen entlastet! – Nein, das reicht nicht!

Die Teuerung ist unglaublich gestiegen, sie ist unglaublich hoch, und Sie haben es nicht geschafft, die Inflation wirklich herunterzubringen. Die Vorschläge der Sozialpartner von vor fast schon zwei Jahren und die Vorschläge der Sozialdemokratie, der Gewerkschaftsbewegung: Bitte senkt die Inflation, greift in die Preise ein, senkt die Mehrwertsteuer, setzt sie aus, macht wirklich einen Mietpreisdeckel, der seinen Namen verdient, greift wirklich in die Strom- und Gaspreise ein, verwehrt euch gegen die Regelungen der Meritorder auf europäischer Ebene!, wurden nicht umgesetzt. All das ist nicht passiert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Pröller.)

Es gab eine extrem hohe Inflation, und noch jetzt haben wir die höchste Inflation in Westeuropa. Ganz ehrlich: Das ist schwierig, das ist für die Menschen schwierig und ist für die Preissituation noch schwieriger. Es ist auch schwierig für unsere Wirtschaft, denn bei dieser hohen Inflation entsteht langsam ein Wettbewerbsproblem. Das kann doch einer Wirtschaftspartei ÖVP, wie sie sich nennt, nicht egal sein.

Noch etwas – und das ärgert mich als Gewerkschafterin wohl sehr –: Jetzt sind Kollektivvertragsverhandlungen. Sie finden das ganze Jahr über statt, aber jetzt sind die großen Kollektivvertragsverhandlungen. Vorher schon auszurichten,


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man möge sich in Lohnzurückhaltung üben, ist schon wirklich unverschämt, ganz ehrlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Zuerst steigen die Preise und dann müssen die Löhne steigen, denn wir verhandeln rückwirkend. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ihre Leistungen erbracht, sie haben die Vorleistung erbracht, und jetzt brauchen sie etwas im Geldbörsel, weil sie ihr Leben fristen wollen.

Es ist das Recht der Gewerkschaftsbewegung, dafür zu kämpfen, und das wird sie auch tun. Wir haben dabei die Unterstützung der Sozialdemokratie, das ist doch selbstverständlich. Es können doch nicht am Ende dieser Kette die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer jene sein, die jetzt sozusagen die Krot’ fressen und mit weniger im Taschl nach Hause gehen. Das kann es nicht sein und das wird es nicht sein!

Ganz ehrlich: Wir haben so viele Vorschläge gemacht, und was noch einmal mehr ärgert: Wir haben im Bundesrat auch zwei Anträge zur Shrinkflation und zur Skimpflation eingebracht, also zu jenen Dingen, durch die sich die Wirtschaft noch mehr Gewinne holt, weil man einfach gleiche Packungsgrößen mit weniger Füllmenge macht oder statt Qualitätsprodukten billigere Inhalts­stoffe verwendet. Das sind Themen gewesen, und sie wurden abgeschmettert: Nein, ist kein Thema! – In anderen Ländern ist es Thema und in anderen Ländern wird es aufgegriffen. Im Ausschuss wurde uns wortreich erklärt, warum man diesen Antrag sozusagen gar nicht aufnimmt, nämlich weil das kein Problem sei. – Es ist ein Problem!

So geht es mit vielen Dingen – das ist ein Beispiel von vielen –, bei denen wir als Sozialdemokratie gesagt haben: Bitte greift dort ein, macht dort etwas, macht da etwas!

Das Gleiche passiert bei der Kinderbildung. Ich freue mich natürlich über jeden Schritt in Richtung Ausbau der Kinderbildung. Wenn jetzt etwas passiert, ist es wunderbar, aber ganz ehrlich: Wir haben kein Vertrauen darauf, denn wie


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oft wurde angekündigt: Jetzt kommt der große Booster in der Kinderbildung! Jetzt kommt die größte Pflegereform aller Zeiten! Jetzt kommt et cetera. – Hunderte von großen Ankündigungen, aber dabei ist kein Gesetz vorgelegt worden, man konnte es nicht beurteilen. Übrig bleibt eine große Blase von Ankündigungen, die sich dann in Schall und Rauch auflöst. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden jetzt beim Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen genau schauen, was wirklich passiert. Den Druck machen wir seit Jahren, auch von den Sozialpartner:innen her.

Noch ein Punkt ist ganz wichtig: Das, was der Kanzler in seiner weinseligen Rede gesagt ist, ist darum so schwierig, weil es eine Doppelzüngigkeit ist. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, man ist Kanzler für die Menschen in diesem Land, und auf der anderen Seite im Hinterkammerl bei einem Glaserl Wein sagen, was man sich wirklich denkt, wo man die Probleme sieht. Darum ist dieser McDonald’s-Sager so schlimm, weil er jene abwertet, die wenig haben, und jene abwertet, die es jetzt wirklich schwer, schwer haben. Es ist noch einmal schlimmer, weil es den Frauen – ich habe es heute in einer Rede schon gesagt –, die Teilzeit arbeiten, noch mehr Schwierigkeiten macht. Diesen zu sagen: Ihr seid auf dem falschen Weg, alles ist euer Problem; ihr Armen gehts doch zu McDonald’s und ihr Frauen fangts halt an zu hackeln, egal was für Rahmenbedin­gungen wir haben, dafür haben wir nicht gesorgt, das haben wir verhindert, das machen wir jetzt!

Was mich ganz stark trifft – und das ist wirklich eine Beleidigung –, ist, dass man sagt: Die Sozialpartnerschaft stellt die Blockade in diesem Land dar! – Das hat heute noch niemand erwähnt, die FPÖ vor allen Dingen nicht, denn sie hätte die Arbeitnehmer:innenvertretung gerne schwächer, das ist mir schon klar. Das sagt der Kanzler der Republik, der genau gewusst hat, dass die Sozialpartnerschaft in der Krisenzeit jenes Instrument war, das gut durch die Krise gebracht hat. Sie hätten keine Kurzarbeit, die so schnell aufge­stellt worden ist, wenn es nicht die Sozialpartnerschaft gäbe.


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Ganz ehrlich: Der Wohlstand dieses Landes hängt an der Sozialpartnerschaft, an einem sozialen Frieden, an einem guten Miteinander. Dass wir so derartig wenige Streiksekunden haben, ist ein Verdienst der Sozialpartnerschaft und des Miteinanders. Und dann stellt sich der Herr Kanzler mit dem Weinglas hin und sagt: Ich kann ja nichts machen, Wahnsinn, 98 Prozent aller Leute sind in kollektivvertraglichen Arbeitsverhältnissen!

Ganz ehrlich: Ganz Europa, die Welt bewundert uns für dieses System, und der Kanzler redet es schlecht und sagt, die Sozialpartner seien die Blockierer. – Das ist wirklich unanständig und das ist eine Doppelzüngigkeit, die unerträglich ist und die man wirklich ganz scharf ablehnen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Unter den vielen Ankündigungen, die es gegeben hat, war auch die einer Arbeitslosengeldreform. Sie hat aber nicht stattgefunden. Die Arbeitslosen­geldreform wurde groß mit Enqueten und: jetzt werden wir!, und: es wird auf jeden Fall!, angekündigt. Wir haben darauf gehofft, weil das endlich die Chance gewesen wäre, das Arbeitslosengeld anzuheben. – Nichts, abgesagt! Hat nicht funktioniert! Der Minister ist daran gescheitert, das ist eine Tatsache. Die Arbeitslosenzahlen aber steigen und das Arbeitslosengeld ist immer noch zu gering. Das ist für die Menschen eine riesige Belastung. So schaut es aus!

Diese Regierung weiß um die Bedeutung des Klimaschutzes, das glaube ich schon, aber das Klimaschutzgesetz fehlt seit 1 000 Tagen. Es ist nicht da! Es gibt auch kein Gesamtkonzept für den Klimaschutz. Wir diskutieren auf einem Niveau, das der Klimaschutz, der so dringend notwendig ist, nicht verdient hat – auf keinen Fall.

Es braucht einen gesamtheitlichen Blick, und da muss man die Menschen mit­nehmen, man muss ihnen die Ängste nehmen. Wir befinden uns in einer Situation des Wandels – in einer Dimension, wie sie die Republik noch nie zuvor gesehen hat. Uns beschäftigen Fragen des Klimawandels, Fragen der


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künstlichen Intelligenz und ihrer Auswirkungen auf die Berufs- und auf die gesamte Bildungswelt – es werden Berufe verschwinden, es werden neue entstehen. Es müssen jenen Menschen, die sich fragen: Komme ich da mit?, Habe ich da eine Chance?, Chancen und Möglichkeiten gegeben werden.

Was wir jetzt dringend bräuchten, und um das geht es, was bräuchten wir in einer Zeit, in der es wirtschaftlich schwieriger wird dringend? – Wir bräuchten ein Investitionsprogramm für den Standort und für die Beschäftigung, den Ausbau der erneuerbaren Energien in einem Gesamtkonzept. Wir brauchen dringend einen Ausbau der Netzstruktur. Die Netzstrukturen in Österreich sind wesentlich zu schwach, um die erneuerbaren Energien wirklich auch transportieren zu können. Da haben wir ein riesiges Problem. Wenn wir die Strukturen ausbauen – und das wäre ganz, ganz dringend notwendig –, dann kann das nicht auf Kosten der Kundinnen und Kunden gehen.

Wir brauchen einen Impuls in der Bauwirtschaft, besonders im sozialen Wohnbau. Ganz ehrlich gesagt: Wir haben einen Einbruch in der Bauwirtschaft, da müssten jetzt Sanierungsprojekte forciert gefördert werden. Dafür ist es an der Zeit. Wir brauchen einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der seinen Namen verdient, und wir müssen schauen, dass wir möglichst viele Transport­wege auf die Schiene verlagern. Das ist das Gebot der Stunde. Das waren nur wenige Beispiele, aber darum geht es.

Der Booster in der Elementarpädagogik hin zum Rechtsanspruch ist schon erwähnt worden. Und wir müssen die Sorgen der Menschen wahrnehmen und ernst nehmen. Und ganz ehrlich: Es ist unerträglich, dass derartig viele wesentliche Positionen, Schlüsselpositionen, in diesem Land nicht besetzt sind. Ich kann mit Blick auf wichtige Positionen an Gerichten, Positionen in der Wettbewerbsbehörde, Positionen in der Nationalbank nicht sagen: Na ja, wir haben eh eine Ersatzlösung, das wird schon irgendwie laufen! – Nein, es läuft nicht, wir brauchen diese Positionen besetzt! (Bundesrätin Arpa stellt einen Becher auf das Redner:innenpult.) – Danke dir vielmals. Diese Blockadepolitik ist wirklich in jeder Form unerträglich. (Beifall bei der SPÖ.)


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Lassen Sie mich noch etwas zu den Frauen sagen: Überlagern Sie mit Ihrer Genderwahnsinnsdiskussion nicht die Anliegen der Frauen! Wir haben in Österreich einen Einkommensunterschied von 18,8 Prozent, wir haben in Österreich einen Pensionsunterschied von fast 42 Prozent. Da ist hinzuschauen und da ist zu handeln. Machen Sie die Frauen und ihren Wunsch, ein eigenständiges Einkommen zu haben und in Berufstätigkeit zu sein, nicht schlecht!

Wir brauchen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit, da geht es nicht um die Genderfrage. Genderbudgeting – und das möchte ich noch einmal sagen – ist in der Verfassung festgehalten. Das steht dort nicht, weil es so nett ist und weil man das Wort Gender gerne in der Verfassung gehabt hätte, sondern ganz einfach deshalb, weil es um eine gerechte Verteilung der budgetä­ren Mittel auf Frauen und Männer geht. Das ist ein wichtiges Instrument, wir machen das nicht lächerlich, weil man damit die Frauen schwächt. (Bundesrat Spanring: Uns geht’s um die Verhunzung der Sprache!) Das, hoffe ich, wollen wir alle nicht – auch die FPÖ hoffentlich nicht, auch wenn ich mir bei euren Reden gestern und heute schon denke: Oje, man hat kein Herz für die Frauen, oder nur für gewisse Gruppen von Frauen; man ist nicht für eine wirkliche Wahlfreiheit von Frauen.

Und eines sei noch gesagt: Es geht um ein Menschenbild, das humanistisch geprägt ist, es geht um ein Menschenbild, das allen die Möglichkeit gibt, sich zu entfalten und sich zu entwickeln, egal, woher sie kommen, egal, welche sexuelle Orientierung sie haben. Das ist wichtig. Jeder Mensch in Österreich muss ein Recht auf ein positives und gutes Leben ohne Ausgrenzung haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Zur Verrohung der Sprache: Ich halte es für ganz, ganz gefährlich, die Sprache so derartig herunterzuregeln. Wir können uns dann alles sagen, können Fäkalworte verwenden und so weiter – das ist nicht gut und es ist nicht richtig; nicht in unserer Vorbildhaltung und nicht mit Blick darauf, wie Politik sein soll. Das ist einfach nicht gescheit, egal, von welcher Fraktion man ist.


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Es sei noch eines gesagt, weil ich mir auch regelmäßig anhöre, wie die Reden in den Bundesländern sind und welche Dinge dort gesagt werden: Dort, wo die FPÖ in der Regierung ist, haben wir die ganz feine Klinge, dort hört man kein Schimpfwort, dort wird fein geredet, weil man dort eine Regierungsbeteiligung hat. Ganz ehrlich, da passt etwas nicht zusammen. Zu diesem wilden Gegen­einander, ÖVP gegen FPÖ: Na ja, dann geht man halt doch in eine Koalition, weil man sich ja so viel näher ist. – Vieles ist also Geplänkel und nicht so ernst zu nehmen, weil man sich doch näher steht, als mancher denken möge. Erst herrscht wildes Getümmel, und dann ist es doch die beste Variante, dass man mit der FPÖ zusammengeht – egal, in welchem Zustand sie ist.

Ich kann mich noch an die großen Wahlkämpfe in Niederösterreich erinnern und daran, welche Ausdrücke man sich da gegenseitig hingeschleudert hat. (Bundesrätin Prügl: Hand abhacken!) Dann hat man aber gesagt: Es ist doch besser, wir gehen zusammen! Jetzt ist alles wieder eitel Wonne und Sonnenschein. So kann es gehen. Wir nehmen diese Dinge also nicht zu ernst, aber wir nehmen (Bundesrat Himmer: Aber niemand wollte sich die Hand abhacken!) – ja, es wäre klug gewesen, da anders zu handeln – sehr wohl ernst – und das ist es, was ernst zu nehmen ist –, dass die Menschen in einer Vertrauenskrise sind.

Wir müssen klar sehen, sie sind in einer Vertrauenskrise, was ihre eigene Existenz angeht. Sie sind in einer Vertrauenskrise, was die Handlungsfähigkeit der Politik in dieser Krisenlage angeht, und sie sind in einer Vertrauens­krise, da sie nicht glauben, dass ihre Interessen in dieser politischen Situation vertreten werden. Das zu sehen, wären wir alle gut beraten. Für die Sozialdemokratie kann ich da die Hand ins Feuer legen: Wir wollen, dass die Menschen ein gutes Leben haben, wir wollen, dass die Menschen von den Ängsten und von dem Hass weg und hin zu einem guten und positiven Miteinander kommen. Das Spalten der Gesellschaft kann uns nicht vorwärts­bringen, sondern wird uns zurückwerfen. Ganz ehrlich: Wichtig ist, dass es den Menschen in diesem Land gut geht, und nicht, dass wir uns hier im


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Bundesrat beflegeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.)

16.27

16.27.26*****


Vizepräsidentin Margit Göll: Das vorläufige Stenographische Protokoll liegt mir nun vor, und ich darf Herrn Bundesrat Andreas Arthur Spanring für seine Aussage „teilweise faschistisch agierende Klimasekte“ einen Ordnungsruf erteilen. (Bundesrat Spanring: Ich nehme nur das „teilweise“ zurück!)

*****

Wir gehen weiter in der Debatte.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes- -, Herr Bundesrat Marco Schreuder. (Bundes­rat Schreuder: Jetzt war ich schon erstaunt!) – Entschuldigung, Entschuldigung! (Heiterkeit bei Bundesrät:innen bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)


16.28.00

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen! Frau Präsidentin! Mir geht es ja so ähnlich wie Frau Schumann mit dieser doch – ich möchte den Ausdruck eigentlich auch verwenden, ich hatte ihn sogar notiert – Kraut-und-Rüben-Dringlichen, in die man einfach alle Themen, die man für ein kleines, schnelles Facebook- oder Tiktok-Posting gerade braucht, hineinschmeißt, damit man dann zu allen Themen irgendetwas parat hat, um wieder irgendwelche Likes zu generieren.

Das ist keine seriöse Politik und ich muss leider schon auch sagen, dass man auf diese Dringliche Anfrage nur reagieren kann, indem man eine Kraut-und-Rüben-Rede hält, weil man zu allen Themen reden kann, die da drinnen stehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Eines finde ich schon auffällig, nämlich wie unlogisch die FPÖ reagiert: In der einen Rede werfen Sie uns vor: Wie könnt ihr diesen Wahnsinn der ÖVP überhaupt noch mitmachen, liebe Grüne?, und in der nächsten Sekunde wird gesagt: Wie, liebe ÖVP, könnt ihr diesen Wahnsinn der Grünen überhaupt noch mitmachen? (Ruf bei der ÖVP: Schizophrenie! – Bundesrat Himmer: Sonst wäre es ja nicht Kraut und Rüben!) – Tja, ihr wisst es nicht genau, gell? Hauptsache, ihr könnt irgendetwas behaupten, damit ihr irgendwie das Gefühl habt: So, jetzt hauen wir einen Keil in diese Bundesregierung hinein! (Bundesrat Spanring: Den brauchen wir nicht reinhauen!) – Doch, doch, das versucht ihr ja (Bundesrat Spanring: Das machen die E-Mails von der ÖVP!), aber es gelingt euch nicht. Wir werden weiterregieren, das sei hier ganz deutlich gesagt. Wisst ihr, warum wir das machen? – Weil wir nicht die FPÖ sind! (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Denn: Immer dann, wenn die FPÖ in diesem Land regiert hat, gab es danach Chaos, wurde das Land verscherbelt, wollte man Zeitungen an irgendwelche nicht vorhandenen Oligarchennichten verscherbeln, oder man hat sich, so wie davor, in irgendwelchen Korruptionsskandalen in Luft aufgelöst – man hat sich in Knittelfeld gespalten. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.) Keine einzige Regierung mit FPÖ-Regierungsbeteili­gung hat bis zum Ende durchgehalten. Wir werden es tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Und warum werden wir das tun? – Weil die Leute nicht jedes halbe Jahr wählen wollen. Sie wollen, dass wir hier stehen, dass wir hier Gesetze machen, dass wir uns hier mit diesen Gesetzen, mit diesen unterschiedlichen Konzepten auseinandersetzen. Da dürfen die verschiedenen Meinungen hier im Plenum diskutiert werden. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Bitte, alle haben andere Meinungen, da kann man sich auch einmal beschimpfen, ich verstehe das eh. Auch ich habe schon einmal einen Ordnungs­ruf bekommen. Das verstehe ich alles – das ist mit Emotionen verbunden –, aber es soll zumindest eines sein: Es soll redlich sein, und die jetzigen Debatten sind nicht mehr redlich, sie sind unredlich geworden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Ein Grund, warum wir weiterregieren werden – das werdet ihr, liebe FPÖ, nicht gerne hören –, ist: Weil ihr immer dann, wenn es ums Klima geht – ihr kommt selber aus Regionen, wo es Gletscher gibt; ihr seht die Gletscher schmelzen, ihr seht, wie die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen verschwindet –, noch immer den Kopf in den Sand steckt und so tut, als ob das eine Lüge wäre. Wenn es irgendeine Sekte gibt, dann sind es die Klimaleugner, die nicht auf die Wissenschaft hören. Das ist derzeit die gefährlichste Sekte auf diesem Planeten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler und Spanring.) Wir werden nicht müde werden, hier zu agieren.

Auch uns ist es manchmal zu wenig, ja, es ist halt so in einer Koalition: Da gibt es unterschiedliche Meinungen, man ist nicht immer einer Meinung, man versucht zusammenzuhalten, aber sogar ich – ich bin ja so ein Zuwandererkind – habe eines gelernt: Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich gelernt, dass dieses Land stolz darauf ist, dass Menschen zusammensitzen und am Ende eine Entscheidung herauskommt. Die Sozialpartnerschaft wurde von Frau Kollegin Schumann zu Recht als ein Beispiel dafür genannt. Man war stolz darauf, dass man Kompromisse schließt und dass es Verhandlungen gibt und am Ende etwas Gemeinsames herauskommt.

Wenn wir wegen jeder ungleichen Meinung Koalitionen platzen ließen, würde es in diesem Land nie wieder irgendeine Regierung geben. So funktioniert Politik ganz sicher nicht, und das wollen die Österreicherinnen und Österreicher auch nicht. Es ist nämlich so viel zu tun.

Während hier irgendwie unter der Gürtellinie Politik diskutiert wird, wurde gleichzeitig das Informationsfreiheitsgesetz präsentiert, auf das ich ganz beson­ders stolz bin. Ich bin seit 20 Jahren politisch aktiv, und ich kann mich erinnern: Ich musste in Wien, im Wiener Landtag, noch erklären, was Open Data überhaupt ist. Das kannten viele überhaupt nicht, dass man Dinge aus Transparenzgründen automatisch veröffentlicht, und jetzt, 20 Jahre später – heute, an diesem Tag, an diesem Tag, an dem der Bundesrat stattfindet –, wurde zum allerersten Mal ein ganz konkretes Gesetz präsentiert, und das lasse


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ich mir sicher nicht von einer Freiheitlichen Partei in irgendeiner Art und Weise schlechtreden. Das ist ein Meilenstein in dieser Republik – ein Meilenstein! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Da ist die ÖVP ...!)

Es ist ja auch traurig, zu sehen, wie eine Partei, die sich immer so gerne auf die Werte der Revolution 1848 beruft, in keinster Weise mehr in eine liberale, demokratische Richtung marschiert, sondern sich immer mehr an Diktaturen, immer mehr an Terroristen und immer mehr an Regime anbiedert, die nicht davor zurückscheuen, das Völkerrecht zu brechen (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler), ein anderes Land zu überfallen, Schulen zu zerstören, Theater zu zerbomben.

Gerade heute, so habe ich gehört, sind in der Ukraine wieder wahrscheinlich 48 Menschen bei einem Raketenangriff getötet worden, und ihr kritisiert, dass wir mit einer leidenden Bevölkerung solidarisch sind (Bundesrat Spanring: Nein, wir kritisieren, dass ... geschickt werden!) Das ist unredliche Politik! Und dann setzt ihr euch mit den Taliban zusammen. Das ist übrig geblieben von der bürgerlichen Revolution 1848: dass man sich mit den Taliban zusammensetzt. Das ist wirklich zum Totschämen, das ist wirklich zum Schämen, FPÖ! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Ich musste lachen, weil Frau Schumann das quasi jetzt schon vorweggenommen hat, denn eines finde ich auch auffällig: Wenn wir von Sprache sprechen – von gerechter Sprache, von gewaltfreier Sprache, von einer Sprache, die der Würde dieses Hauses entspricht, von einer Sprache, die gerecht ist, von einer Sprache, die die Vielfalt der Geschlechter berücksichtigt (Bundesrat Spanring: Es gibt nur zwei!) –, dann sind es immer die Freiheitlichen, die das ganz oben auf ihrer Prioritätenskala haben. Also wenn irgendjemand hier in diesem Land von diesem Thema besessen ist, dann ist es die Freiheitliche Partei, die das ständig zum Thema macht. Wir empfehlen – ihr in Nieder­österreich bestraft. Das ist der große Unterschied!


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In dieser Dringlichen Anfrage sind auch wieder einmal homophobe Äußerungen gegen die LGBTIQ-Community gerichtet. Ich bin ein Mitglied dieser Community, ich möchte das hier auch ganz deutlich sagen. Es wird zum Beispiel kritisiert, dass es im Gesundheitsministerium Safer-Sex-Aufklärung gäbe. Ich kann mich erinnern – es war in den Neunzigerjahren –: Ich kam nach Wien, das war noch in der schlimmsten Aids-Zeit, und Freunde von mir sind damals noch wie die Fliegen gestorben. Ich glaube, man kann sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Damals wurden auch Aids- und Safer-Sex-Broschüren an den Grenzen zu Deutschland, die dort verteilt worden sind, beschlagnahmt, weil das pornografisch wäre.

Wir haben lange, lange – ich bin ja selber ein Aktivist – kämpfen müssen, um klarzumachen: So eine ganz offene Aufklärung, die zeigt, wie man sich, sein eigenes Leben schützen kann, rettet Leben, und zu skandalisieren, wenn ein Gesundheitsminister die Menschen und die Jugend heute darüber aufklären möchte, wie sie sich schützen können, um keine Krankheiten zu bekommen, um für ihr Leben einzutreten, das finde ich so schäbig – das finde ich so schäbig! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Das bedeutet, euch sind Jugendliche mit Krankheiten lieber als aufgeklärte Jugendliche. Dagegen werde ich mich, solange ich politisch aktiv bin, mit aller Vehemenz wehren, aber mit aller Vehemenz wehren. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: ... mit der Volkspartei! Ja, ja, ja!)

Wir haben noch viel zu tun. Ich weiß, ihr hättet gerne, dass wir nicht weiter­arbeiten – den Gefallen werden wir euch nicht tun! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.37


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel zu Wort gemeldet. – Bitte schön.



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16.38.04

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen! Herr Kollege Schreuder hat jetzt in seiner Rede sehr, sehr bemüht immer wieder wiederholt, dass es an und für sich unsere Intention sei, dass wir diese Regierung sprengen wollen, aber wenn man sich jetzt die letzten Tage anschaut, was da so alles passiert ist, und sich unter anderem zum Beispiel auch Interviews von grünen Spitzenpolitikern anhört, dann macht ihr das eigentlich eh gerade selber. Ihr wehrt euch dagegen, aber ihr macht es selber.

Wenn ich zum Beispiel die „TT Kompakt“ zitieren darf: Darin hat der grüne Chef Gebi Mair ein Interview gegeben. Da war eigentlich Stillschweigen ausgemacht, und man sollte mehr oder minder nur darauf verweisen, was die Frau Generalsekretärin gesagt hat, dann hat er aber doch nicht anders können und hat Folgendes gesagt: „‚Die ÖVP ist auf dem falschen Dampfer‘ [...] Mair ortete zudem ein Ablenkungsmanöver von der ‚Burger-Affäre‘ [...] ‚Die Wähler werden sich ein Bild von der ÖVP machen.‘ Die Volkspartei solle sich statt ,Anschüttungen‘ besser mit den drängenden Themen des Landes beschäftigen. Und zu guter Letzt“ sagt er noch: „‚Die SPÖ kann offensichtlich nicht Excel. Und die ÖVP nicht Outlook. Ich bin gespannt, was als Nächstes‘“ daherkommen wird. – So viel zu: Wir sind die Spalter der Regierung. Das macht ihr schon selber. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Herrn Kollegen Kornhäusl: Der liebe Herr Kollege Kornhäusl hat in seiner Rede sehr sachlich und fachlich versiert, muss ich sagen, gesagt: Ja, also erstens einmal kommt von der FPÖ sowieso nie ein guter Lösungsvorschlag!, und zweitens: Ihr geht ja wirklich so ordentlich mit Kritik der Opposition um, ihr nehmt auch Stellungnahmen, die zu Gesetzesgutachten kommen, durchaus ernst.

Was war denn mit den 30 000 Stellungnahmen von jenen Menschen, die gegen die Impfpflicht waren? Wie ernst habt ihr denn das genommen? Ich kann mich


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nicht erinnern, dass da in irgendeiner Art und Weise von eurer oder von Regierungsseite auch nur auf eine einzige negative Stellungnahme gegen die Impfpflicht Rücksicht genommen wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir erfinden Dinge nicht, sondern wir sind diejenigen, die die Dinge beim Namen nennen und nach Fakten handeln. Natürlich, das ganze Land ist noch nicht kurz vor dem Kollaps, aber wenn sogar der Rektor der Med-Uni Graz sagt: Wenn nicht demnächst – und demnächst heißt sofort – etwas passiert, steht das österreichische Gesundheitssystem vor dem Kollaps!, dann ist das Fakt und ist das die Wahrheit. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es gibt natürlich durchaus immer wieder Dinge, die man unterschiedlich sehen kann, aber auch die Ökonomen – mehrere, nicht nur österreichische, auch deutsche – haben bestätigt, dass vor allem diese Gießkannenausschüttungen von Einmalzahlungen sehr wohl die Inflation befeuert haben, und zwar nur in Österreich, weil es das nämlich nur in Österreich gegeben hat.

Ich möchte noch auf ein paar Punkte eingehen, was vor allem die ganze Klimaschutzgeschichte betrifft. Die Frau Staatssekretärin hat erwähnt, dass die Regierung die Vignettenmaut nicht erhöhen wird. – Ja, ist ja klar, dass sie sie nicht erhöhen wird, wenn geplant ist, dass ab 2024 die kilometerabhängige Autobahnmaut kommt. Dann brauchen wir ja keine Vignette mehr, oder? Also hier zu sagen: Nein, die Vignettenmaut wird nicht erhöht!, ist in dem Fall die Wahrheit, aber Sie erhöhen sie deshalb nicht, weil Sie es nicht mehr zu tun brauchen.

Ein Riesenproblem gerade bei dieser Klimageschichte wird sein – daran denken Sie nicht; Sie denken leider immer nur extrem ideologisch und daran, was Sie den autofahrenden Menschen in Österreich nur antun können –, dass Sie damit eine wesentliche Berufsgruppe unter ganz schlimmen Zugzwang bringen und diese unter Umständen ihre Dienste einstellen wird, und da rede ich von der mobilen Krankenpflege. Da braucht man das Auto, damit man die Men­schen versorgen kann. Ihr könnt ja nicht die ganze Zeit hergehen und sagen:


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Pflege, Pflege, da müssen wir etwas tun!, und dann nehmt ihr diesen Men­schen ein wesentliches Arbeitsinstrument weg, das es überhaupt erst möglich macht, dass es eine mobile Hauskrankenpflege gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann geht es weiter: Was passiert mit den ganzen Krankenhausfahrten? – Es gibt so viele Menschen am Land, die in irgendeine Stadt fahren müssen, weil sie dort eine dringende und wichtige Behandlung brauchen. Was glauben Sie, wie das in Zukunft mit den Krankenhausfahrten sein wird, wenn Sie das Benzin so verteuern – nur damit der Finanzminister mehr Mineralölsteuer kassieren kann, um dann die 26 Millionen Euro auf der anderen Seite wieder zurückgeben zu können –, wenn diese Menschen 1 Euro mehr pro Liter Benzin zahlen müssen? Wie sollen diese Menschen dann ihre Behandlungen in Anspruch nehmen können?

Was passiert generell mit den ganzen Einsatzfahrzeugen? Soll die Feuerwehr dann warten und sagen: Nein, wir können nicht kommen, weil momentan das Benzin zu teuer ist!? Wir hatten das schon einmal! Wir hatten das schon einmal, dass unsere Einsatzkräfte, nämlich die Polizei, aufgrund nicht vorhandener Budgetmittel teilweise die Einsatzfahrzeuge nicht benutzen konnten, weil sie sich den Treibstoff nicht haben kaufen können. Wollt ihr das wirklich, dass wir wieder so weit kommen? Ihr denkt eigentlich nie weiter, welche Aus­wirkungen das haben wird.

Dann gibt es zum Beispiel dieses Sanierungsgesetz, bei dem die ÖVP Frau Bundesminister Gewessler in der EU einfach hat schalten und walten lassen, wie ihr ihre Ideologie das vorschreibt. Ihr trefft damit so viele ältere Menschen. Ihr verkauft die Generation, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass wir heute in diesem Österreich leben können. Es gibt so viele Familien, so viele Personen, die Einfamilienhäuser haben. Meine Eltern haben sich vor 21 Jahren diesen Traum erfüllt, ein Haus mit einem Garten zu kaufen. Es ist ein altes Haus, es wurde vor 1990 gebaut. Wollen Sie meinen Eltern das Haus wegnehmen und sie aus der Wohnung jagen, nur weil sie das Geld nicht aufbrin­gen können, weil sie mit 80 nie mehr in ihrem Leben einen Kredit bekommen,


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damit Sie Ihre eigenen Klimaziele verfolgen können?! Ist das eure Politik? (Beifall bei der FPÖ.)

Dann geht es weiter: der Verbrennermotor, das Schlimmste, das es gibt. Steier­mark, mein Bundesland, ist ein Autoland. Es leben sehr viele Menschen davon, dass Autos produziert werden, dass es Zubehör für Autos gibt, dass es die Zulieferindustrie gibt. Wollt ihr, dass die alle von heute auf morgen – und das sind in der Steiermark fast 200 000 Menschen – keine Arbeit mehr haben?

Ein E-Auto ist ja schön, aber dass die Batterie überhaupt nicht klimaneutral, umweltschädlich, mit Kinderarbeit erzeugt wird, dass dafür in Ländern, für die ihr immer so eintretet, die Kinder, die Menschen ausgebeutet werden, das ist dann vollkommen egal. Hauptsache, es steht E-Auto drauf.

Eine Berufsgruppe, für die es auch ganz, ganz wichtig ist, günstige kleine Fahr­zeuge zu bekommen, das ist wieder der mobile Krankenpflegedienst. Die können sich kein E-Auto leisten, die sind zu teuer! Außerdem kann man mit einem E-Auto diesen Dienst gar nicht machen, weil nämlich das Laden viel zu lange dauert. Das sind alles Dinge, die ihr nicht weiterdenkt – aber sich hier herstellen und sagen: Ja, Pflege ist wichtig, wir müssen für die Pflege etwas tun! (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Dass ein Pflegedienst kein E-Auto haben kann, das ist ein Blödsinn!)

Was macht jetzt der Pflegedienst? – Der Pflegedienst geht her und bestellt sich, weil sie dort um zwei Drittel billiger sind, bei den Chinesen E-Autos, die sie verwenden können. Damit fördern wir wieder mit unserem Geld – weil ihr sagt, dass das alles ja so wichtig ist – eigentlich einen der Hauptverursacher dafür, dass wir überhaupt über Klimaschutz nachdenken müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring: Bravo!)

Ihr werft uns auch immer vor, wir seien so demokratiefeindlich. Jetzt seids mir nicht bös, aber wenn ich so schaue, was in euren eigenen Reihen momentan los


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ist, dann muss ich euch schon etwas dazu sagen. Es gibt anscheinend Personen und Mitarbeiter in euren Reihen, denen es jetzt langsam auch schon reicht und die ein bissel zu denken anfangen, denn: Wie kann es pas­sie­ren, dass ein Video von einem Gespräch, bei dem der Bundeskanzler glaubt, sich im geschützten Raum zu befinden, und sich von seiner Seele redet, wie er halt denkt, an die Öffentlichkeit kommt?

Und: So ein gut vorbereiteter Antrag für die Einsetzung eines Untersuchungs­ausschusses gegen ehemalige Regierungsparteien, gegen eine aktuelle Regierungspartei, das kann nicht irgendeine allgemeine Vorbereitung sein, das ist bewusst gemacht. Wenn da drinnen steht: „vom 11. Jänner 2007 bis zum XX. Oktober 2023“, dann hättet ihr das wahrscheinlich vorgehabt. Natürlich ist Angriff immer die beste Verteidigung, das ist mir schon klar.

Das sind Dinge, die momentan passieren, hauptsächlich vonseiten der ÖVP, die das Vertrauen der Menschen in die Politik erschüttern, denn: Wie sollen Menschen uns vertrauen können (Bundesrätin Prügl: Euch eh nicht!), dass wir für sie nur irgendetwas machen wollen, wenn sie das alles täglich mitbe­kommen?!

Deswegen muss ich Ihnen ehrlich sagen, der Herr Bundeskanzler kann sich noch so oft im Fernsehen hinstellen und sagen: Herbert Kickl ist der größte Unsicherheitsfaktor Österreichs. (Bundesrat Kornhäusl: Das war der beste Teil seiner Rede!) – Nein, er braucht sich nur in den Spiegel zu schauen: Er und sein ganzes Team, das ist ein Unsicherheitsfaktor für Österreich! Und deswegen, meine Damen und Herren: Treten Sie endlich zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

16.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte, Herr Bundesrat.



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16.47.49

Bundesrat Matthias Zauner (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Donnerstagnachmittag, und wir treffen uns alle zur Politshow der FPÖ im Bundesrat, denn all das, was in dieser Anfrage steht – unser Fraktionsvorsit­zen­der Charly Kornhäusl hat es schon gesagt –, ist in Wahrheit nichts Neues. Kollege Spanring hat in 36 Minuten 52 Sekunden hier all das dargelegt, was wir in Wahrheit in fast jeder Bundesratssitzung von den Freiheitlichen hören. Alleine durch die Wiederholung wird es nicht richtiger. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn man sich diese Anfrage durchliest, sieht man: Es gibt ganz viele Punkte darin, die gar keine Regierungspositionen behandeln, sondern die Partei­positionen behandeln – und ja, es ist kein großes Geheimnis, dass es Positionie­rungen der Grünen gibt, mit denen wir als Volkspartei nicht können, und es gibt auch viele Positionierungen der Volkspartei, mit denen wohl die Grünen nicht können, und das ist ja per se nichts Überraschendes.

Da sollte man auch ein wenig die Kirche im Dorf lassen. Bekannterweise komme ich aus Niederösterreich, und auch dort gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Volkspartei und Freiheitlicher Partei. Da diskutieren wir auch unterschiedliche Parteipositionen, wie zum Beispiel aktuell die Tempolimits. Udo Landbauer lässt 150 km/h prüfen, die Grünen wollen 100 km/h, und wir nehmen – Überraschung! – die Position der Mitte ein und wollen bei 130 km/h bleiben. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Wenn man Ihre Anfrage liest, müsste man eigentlich unterstellen: Deswegen, weil wir unterschiedlicher Meinung sind, funktioniert die Arbeit im Land nicht gut. So, wie ich das erlebe, meine Damen und Herren, auch wenn es viele im Saal hier nicht freuen wird: Meiner Meinung nach funktioniert die Arbeit in Nieder­österreich sehr, sehr gut.


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Auf der anderen Seite muss man gleichfalls attestieren: Ja, es funktioniert auch die Arbeit dieser Bundesregierung gut (Bundesrätin Schumann: Das sieht man genau, das ist das Schlimme daran!), auch wenn man da und dort unterschiedlicher Meinung ist.

Wenn hier heute vonseiten der Freiheitlichen der Begriff der Dauerkrisen­koalition gebraucht wird: Ja, meine Damen und Herren, in Wahrheit ist es eine Dauerkrisenkoalition, weil unmittelbar nach Amtsantritt, ab diesem Zeitpunkt, die Republik, Europa, die Welt, das gesamte globale Handeln in Wahrheit von einer Krise in die nächste gestolpert ist. Deswegen: Ja, dieser Begriff der Dauerkrisenkoalition ist richtig, und es ist gut, dass diese Koalition in Zeiten dieser Krisen agiert hat und das Regierungsprogramm auch auf Punkt und Beistrich umsetzt.

Ein Wort auch noch, weil hier kritisiert wird, dass Bundeskanzler und Staatssekretärin – Staatssekretärin Plakolm – heute nicht anwesend sind: Ja, das ist halt eine ungünstige Fügung, keine Frage, aber wer krank ist, ist krank. Nur, da bitte ich schon um Ehrlichkeit: Soweit ich das mitbekomme, ist ja die Anwesenheit des Bundesparteiobmanns Kickl im Nationalrat auch nicht unbedingt besonders ausgeprägt. (Bundesrat Kornhäusl: Er ist nie da, der heilige Herbert!) Also da würde ich schon bitten, dass man vor der eigenen Tür kehrt. (Beifall bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Schumann, wenn Sie uns hier Doppelzüngigkeit und das Auseinan­der­teilen an den Kopf werfen (Bundesrätin Schumann: Nicht Ihnen, dem Herrn Bundeskanzler!) – oder dem Herrn Bundeskanzler –, dann können wir kurz einmal über das Video reden und darüber, warum das Video auf einmal da war. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Diese Funktionärsveranstaltung des Herrn Bundeskanzlers war ja im Juni. (Bundesrätin Schumann: Aber gesagt hat er es schon selber, der Herr Bundeskanzler, oder, was er gesagt hat?) – Ja, wir kommen dazu. Alles gut! Ich will ja nur kurz herleiten, dass der Herr Bundeskanzler diesen Funktionärstermin im Juni hatte, und irgendwie hat dieses Video halt den Weg in die Löwelstraße gefunden, oder zu Sora. (Bundesrat Leinfellner: Mit dem Schubertring hat das nichts


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zu tun, oder? – Heiterkeit. – Ruf bei der SPÖ: Nein, nein, nein, das sind ja jetzt wieder ganz die - -! – Bundesrätin Schumann: Lehnen Sie sich nicht zu viel an, es wird nicht besser!)

Und dann – ich glaube, es war am Montag – taucht auf einmal dieses Sora-Papier auf, aus dem klar wird: Sora, der Hochrechner des ORF, berät jetzt auch die Sozialdemokratie. (Ruf bei der SPÖ: Er hat ein Angebot gemacht! – Bundesrat Kornhäusl: Mit Ministerliste! Mit Ministerliste! Komplette Regierung!) Und das Spannende ist: In diesem Papier bietet Sora der Sozialdemokratie für den Wahl­tag exakt die gleichen Leistungen an, die wir am Wahlabend über die Fernsehbildschirme flimmern sehen. Das war natürlich unangenehm für die Sozialdemokratie (Bundesrätin Schumann: Wieso? Wieso ist das unange­nehm?), und daher – zack! –: Spielen wir halt dieses Video des Herrn Bundes­kanz­lers aus!

Reden wir jetzt aber nicht über das Video, sondern reden wir über das, was in diesem Sora-Papier drinnen steht! (Ruf bei der SPÖ: Sozialpartnerschaft blockiert! Sozialpartnerschaft blockiert!) Wenn Sie uns hier nämlich Auseinander­teilen an den Kopf werfen, dann darf ich ganz kurz ein bisschen erzählen – ich weiß nicht, ob das schon allgemein bekannt ist –, was Sora da der Sozialdemokratie rät, nämlich: „Hoffnung auf Erlösung“ (Bundesrätin Schumann: Was geht uns das an? Das ist doch nicht unser Problem! Das ist ja nicht unser Problem! – Ruf bei der SPÖ: Erzähl das dem Ogris! – Bundesrätin Schumann: Erzähl es dem Herrn Ogris, aber nicht uns! Was geht uns das an?) – da die Verdammnis, dort die Verheißung. „Die FPÖ“ – sagt Sora für die SPÖ – „macht aus Jugendlichen [...] Kriminelle“. – Das steht so drin in dem Papier. Die ÖVP ist die „H- -“ – dieses Wort sage ich nicht, Frau Präsidentin – „der Reichen“. Zu Grünen und NEOS fällt Sora nur wenig ein. Da weiß ich nicht: Sind sie vielleicht doch nicht so gut? (Bundesrätin Schumann: Das ist aber nicht unser Problem! – Ruf bei der SPÖ: Kümmern Sie sich um den Kollegen Landbauer!)

Was aber heute von der Fraktion schon super umgesetzt worden ist, ist die „Applausfalle“. Die „Applausfalle“, die dort exakt beschrieben wird – wie Herr


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Babler die Reden zu halten hat, damit dann die Genossinnen und Genossen applaudieren –, ist heute – gratuliere! – bei den Reden der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte schon perfekt umgesetzt worden. (Beifall bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Der ist ja gar nicht da! Der Kanzler redet die Sozialpartnerschaft schlecht!) – Ja, das ist wirklich Stuss, was in diesem Papier steht (Bundesrätin Schumann: Der Kanzler redet die Sozialpartnerschaft schlecht!), aber ihr zahlt dafür, ich kann euch nicht helfen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Der Kanzler redet ... die Sozialpartnerschaft schlecht! So schaut’s aus! – Ruf: Aber dafür kann man sich wirklich genieren, echt genieren!)

Aber diese Methoden, die kennen wir ja schon – jetzt ist es Sora, früher war es der Silbereisen. (Ruf: -stein! – Heiterkeit und Zwischenrufe.) – Silberstein! Entschuldige, ich kenne ihn nicht so gut. (Ruf bei der SPÖ: Nicht einmal das kann der Kollege! Nicht einmal das ...!) Ich kenne ihn nicht so gut wie die Sozial­demokratie, tut mir leid. – Der war jetzt gut. Also: der Herr Silberstein. – Und in Wahrheit ist ja das, was wir hier auch - - (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Nein, nein, kommt schon noch. (Bundesrätin Schumann: Die Sozial­partnerschaft ist schlechtgeredet worden vom Kanzler der Republik! So ist es! Das ist die Tatsache!)

Jetzt noch einmal zurück: Frau Kollegin Schumann, Sie haben als Wienerin Nieder­österreich angesprochen – das haben wir immer besonders gern, wenn aus der Bundeshauptstadt Ratschläge nach Niederösterreich kommen (Ruf bei der SPÖ: Keine Ratschläge!) –, und da die Zusammenarbeit in Nieder­österreich. – Dazu darf ich Ihnen schon sagen: Es war die Sozialdemokratie, die Forderungen aufgestellt hat (Bundesrätin Schumann: Ja geh! Ah! Die große Ausrede! – Ruf bei der SPÖ: Sie sind eh so glücklich mit der FPÖ!), die eine Zusam­menarbeit nicht möglich gemacht haben. (Bundesrätin Schumann: Die Ausrede! Die Ausrede!) Von heute auf morgen sind da Leute am Verhandlungstisch gesessen, die von Niederösterreich keine Ahnung haben (Bundesrätin Schumann: Die Ausrede! Die Ausrede!), und, Frau Schumann, ich kann auch nichts dafür, wir


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wollten halt den Herrn Hergovich schützen, bevor er sich eine Hand abhackt (Bundesrat Kornhäusl: Beide! Beide!), damit er nicht ins Spital kommt. (Bundesrätin Schumann: Die Ausrede, ja! Die Ausrede!) Ich glaube, das ist schon aufgrund unserer christlichsozialen Gesinnung notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber verlassen wir den Bereich Sora und Silberstein, Silbereisen und wie all die Beraterinnen und Berater der Sozialdemokratie heißen, und kommen wir wieder zurück zu dieser Anfrage! Darin wird ja schon auch der Versuch unter­nommen, seitens der Freiheitlichen einen Keil zwischen Volkspartei und Grüne in der täglichen Regierungsarbeit zu treiben. Und ja, ich gestehe es, wenn ein ÖVP-Minister oder eine ÖVP-Ministerin das eine oder andere Ressort besetzen würde, das jetzt in grüner Hand ist, würden wir das eine oder andere anders entscheiden. Genauso würde wohl eine grüne Ministerin oder ein grüner Minister in unseren Ressorts auch das eine oder andere anders entscheiden. Daher gilt auch in diesem Fall: Lassen wir die Kirche im Dorf!

Was wir aber jedenfalls anders gemacht hätten als ein früherer Regierungs­partner, das betrifft die Vorkommnisse im Innenministerium: Wir hätten nicht den Verfassungsschutz zerschlagen und die Sicherheit des Landes gefährdet. Wir hätten keine Pferde für die Polizei gekauft. Ich meine, es war schön zum Anschauen in Wiener Neustadt (Bundesrat Kornhäusl: Na ja, der war nicht schön zum Anschauen! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring), aber außer Spesen nichts gewesen. Und die Zahlen sprechen Bände – ich wiederhole es noch einmal, weil ja diese gesamte Sitzung von der Dublette lebt –: positive Asylan­träge unter Kickl im Jahr 2018: 50 Prozent, unter Karner im Jahr 2022: 15,6 Prozent. Dauer der Asylverfahren: 21,5 Monate unter Kickl und 3,5 Monate unter Gerhard Karner. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP. – Bundesrat Kornhäusl: Der heilige Herbert, ein Arbeitsverweigerer ist er! – Ruf bei der ÖVP: Der hat nichts getan!) – Zu Gast bei den Mullahs, genau.

Das bringt uns zu dem Punkt, zu dem wir seitens der Volkspartei am Ende einer solchen Debatte immer kommen: Wenn sich die politischen Ränder radikalisieren (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Genau: dann koalieren wir mit


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der FPÖ!), ist es umso wichtiger, eine gute, klare und starke Politik für die breite Mitte in unserer Gesellschaft zu machen, bei der es um Leistungs­bereitschaft und Leistungsgerechtigkeit geht, und da macht uns der Vergleich jedenfalls sicher. (Bundesrätin Schumann: Dann gehen wir mit den Freiheitlichen in eine Koalition, genau!) Unser Österreich steht mit einem Bundeskanzler Karl Nehammer und einem Innenminister Gerhard Karner besser da. Unserem Österreich schaden in Wahrheit Politshows, wie wir sie hier gerade einmal mehr erleben müssen.

Wir sind jedenfalls davon überzeugt, dass wir diese Zeiten bewältigen – und ja, wir glauben an die Stärke dieses Landes (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann), wir glauben an die Schaffenskraft unserer Landsleute, wir glauben an dieses Österreich. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Und nicht an die Sozialpartnerschaft! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Der Kollege Zauner hat Steiner-Niveau!)

16.58


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Marlies Doppler. – Bitte schön.


16.58.46

Bundesrätin Marlies Doppler (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren muss Österreich ja unter dieser schwarz-grünen Bundesregierung leiden. Sie (in Richtung Staatssekretärin Mayer) waren dabei für mich am Anfang ein bisschen eine Ausnahme, weil Sie da doch als Unabhängige oder sogenannte Unabhän­gige ins Rennen gegangen sind. Es hat mir unheimlich imponiert, wie Sie sich bei uns, in meinem Heimatbundesland Salzburg, durchgesetzt haben und nicht die ursprüngliche Kandidatin, also die ÖVP-Kandidatin, zur Festspielpräsidentin ernannt haben, sondern wirklich eine Unabhängige ernannt haben. Aber das, was Sie heute in dieser Anfragebeantwortung abgeliefert haben (Bundesrat


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Kornhäusl – Beifall spendend –: Das war großartig!) – also so etwas! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Das war großartig – noch einmal!)

Sie sprechen zwar von Gehässigkeit und von „unter der Gürtellinie“, aber das, was Sie da heute abgeliefert haben, hat mich mehr als erstaunt und sehr enttäuscht. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Menschen für die Demokratie begeistern: Ja wie sollen wir denn mit so einer Performance dieser schwarz-grünen Regierung die Menschen für die Demokratie begeistern? – Ich weiß es nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerliche Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Die Kultur des Zuhörens – ich brauche da nur nach vorne zu schauen – darf ja wohl keine Einbahnstraße sein. Man kann sich ja wechselseitig den nötigen Respekt entgegenbringen. Ihr braucht euch auch nicht zu wundern, denn wer Wind sät, wird Sturm ernten, und wir Freiheitliche sind wirklich couragiert genug und nicht auf den Mund gefallen, dass wir uns zu wehren wissen.

Sie haben von Zusammenhalt gesprochen. – Ja wie soll denn das funktionieren, wenn ihr über die Menschen drüberfahrt? Wie soll denn noch ein Mensch Vertrauen in diese Regierung und in euch haben? Sie und die Bundesregierung sagen: Ja, wir machen unsere Arbeit. – Na ja, das kann man sich bei Ihrem Salär von circa 15 000, 16 000 Euro im Monat, vierzehnmal, ja wohl erwarten. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Herr Vizekanzler, der aus unerklärlichen Gründen heute nicht da ist – Sie tun mir ja fast leid, dass Sie sich das jetzt alles anhören dürfen, obwohl es Ihre Aufgabe ist –, verdient 20 000 Euro und ist heute nicht da. Der Herr Kanzler ist bedauerlicherweise heute krank – auch ich sende ihm die besten Genesungs­wünsche –, aber er kommt ja sonst auch nicht. Seit Monaten haben wir den Herrn Kanzler hier nicht mehr gesehen, obwohl unsere Termine über ein Jahr in die Zukunft bekannt sind. Der verdient rund 22 000 Euro im Monat, vierzehnmal im Jahr, und es gibt auf der anderen Seite tatsächlich Menschen in


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diesem Land, die hungern müssen. Wir haben gestern die Enquete gehabt, und ich habe gestern zum wiederholten Male von den Toastbrotkindern gesprochen. Ihr seid ja wirklich betriebsblind geworden, und es ist an der Zeit, dass ihr das Handtuch werft, den Hut nehmt und den Weg für Neu­wahlen frei macht.

Budget für Kunst und Kultur – es sollte eine faire Bezahlung sein, jawohl, das unterstütze ich ja. Was ich nicht unterstütze, was ich ankreide, was ich schwer kritisiere, ist, dass ihr die Hacklerregelung abgeschafft habt. Auch Sie waren dabei und auch Sie haben da mitgestimmt. Das sind Menschen, die 45 Jahre lang hart gearbeitet haben. Das waren Nettozahler für die Pension und keine Bittsteller, die haben sich nach 45 Jahren harter Arbeit ihre Pension selbst bezahlt. (Beifall bei der FPÖ.) Frau Staatssekretärin, wenn Sie dann in Ihrer Rede sagen, wir werden weiterarbeiten, dann empfinde ich das als gefährliche Drohung und als großen Schaden für Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht hört Herr Klubobmann Kornhäusl (hinter den Sitzreihen stehend in ein Gespräch vertieft) einmal zu? – Nein, wenden wir uns zuerst Kollegen Zauner zu: Wenn Sie eine Dringliche Anfrage als Politshow abtun, haben Sie keinen blassen Tau vom Parlamentarismus (Bundesrat Schreuder: Lesen Sie die Dringliche, es ist doch schade!), haben Sie keine Ahnung, wie das Geschäft läuft. Dann muss ich mich aber offen und ehrlich fragen, ob Sie als Bundesrat geeignet sind, und da würde ich mir auch überlegen, ob Sie nicht Ihren Zivilberuf als Landesge­schäftsführer bei der FPÖ – ah, der ÖVP (Heiterkeit bei der ÖVP) – in Niederöster­reich an den Nagel hängen.

Herr Kornhäusl: Ja, Herr Dr. Kornhäusl hat uns heute unqualifizierterweise mangelnde – Intelligenz war es nicht gerade, aber – Intellektualität vorgehalten. Na ja, das kann ich jetzt aber bitte nur an Sie zurückgeben. Ein bisschen mehr Intellekt würde ich mir auch in Ihren Ausführungen erwarten, das würde ich mir erwarten. Ein Doktortitel alleine macht es auch nicht aus, macht das Kraut auch nicht fett. (Bundesrat Kornhäusl: Das stimmt!)


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Sie haben da so großartig über das Bundesheer gesprochen und welche großartige Glanzleistung die Frau Minister da an den Tag gelegt hat. Ich darf Sie schon noch daran erinnern – ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Sie können es vielleicht nicht wissen, Sie sind ja erst im Dezember 2019 in den Bundesrat gekommen –: Es war schon unser Minister Kunasek, der das Budget für die Hubschrauber ausverhandelt hat. Er hat ursprünglich 500 Millionen Euro für die Hubschrauber budgetiert. (Bundesrat Kornhäusl: Jetzt sind wir bei 3,8 Mil­liar­den!) – Ich rede von den Hubschraubern, nicht vom Gesamtbudget.

Ihr schwarzer Finanzminister – war es Löger, war es Schelling?; einer von den zweien, keine Ahnung – hat dieses Budget sogar auf ursprünglich 250 Millionen Euro gekürzt. Es ist unserem freiheitlichen Verteidigungsminister Kunasek gelungen, 450 Millionen Euro Budget für die Hubschrauber aufzutreiben; Frau Minister Tanner hat sie nur mehr aus der Schublade heraus­ziehen müssen. Es ist ein freiheitlicher Erfolg gewesen, und das Budget wurde von Minister Kunasek erstellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie dann schon zynisch erwähnen, wie stramm die freiheitlichen Minister die Front abgeschritten sind, dann kann ich schon noch replizieren: Da ist mir doch ein strammer freiheitlicher Minister zehnmal lieber als eine ÖVP-Ministerin, die im rosaroten Zuckerlanzug mit Stöckelschuhen die Front abschreitet, was nicht stramm ausgeschaut hat. (Bundesrat Schreuder: Geh bitte, was ist das für ein Bild, unglaublich!)

Das Oberpeinlichste war ja, wie Ihre Ministerin (Zwischenrufe bei der ÖVP) – Sie brauchen nicht zu sagen: unsere Ministerin –, Ihre Ministerin sich mit der Dienstgradtafel vor die laufende Kamera gestellt hat. (Zwischenruf des Bundes­rates Kornhäusl.) – Dann dürfen Sie nicht zynisch sein: stramm abgeschritten. Was haben Sie denn über Kollegen Leinfellner gesagt? – Er gibt sich auch immer gerne stramm und so weiter. Was haben Sie denn vorhin gesagt? – Ich habe es ja gesagt: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.


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Die Liste eurer Pannen, eures Pechs und eurer Pleiten ist ja lang – elendslang! – und scheint kein Ende zu nehmen, angefangen von den unnötigen Corona­maßnahmen, wir haben es schon gehört, bis zur Teuerungswelle, wir haben es schon gehört, Grund- und Freiheitsrechte, die Impfpflicht. Durch eure Politik sind tatsächlich der Wohlstand in Österreich und die soziale Sicherheit gefährdet.

Seitenweise kann man darüber schreiben, was bei euch danebengegangen ist: Die Arbeitslosigkeit ist schon wieder gestiegen. 2015 wurde versprochen: Nie mehr so eine Völkerwanderung! – Unter Herbert Kickl haben wir im Jahr 13 000 Asylanten gehabt, momentan sind es schon über 100 000 Asylanten. (Bundesrätin Grimling: Wo?) Und da Kollege Zauner vorhin gefragt hat, wo denn Herr Kickl bei den Nationalratssitzungen ist: Unser Innenminister, der beste Innenminister aller Zeiten, ist bei jeder Dringlichen Anfrage da gewesen. (Beifall bei der FPÖ.) Die Grünen und die Sozialdemokraten werden wissen, wie viele Dringliche Anfragen es gegen Innenminister Kickl gegeben hat. Er hat nie gekniffen, er war Manns genug, dass er sich der Diskussion gestellt hat! (Bundes­rat Schreuder: Der hat keine Staatssekretärin gehabt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Zauner, Sie sind wirklich nicht gut informiert: Die Pferde waren wirklich optimal. Schauen Sie einmal ein bisschen über den Tellerrand! Schauen Sie einmal in der Welt herum, öffnen Sie Ihre Augen! Sie werden sehen: In London gibt es Pferde, in New York gibt es Pferde, in Barcelona gibt es Pferde, in München gibt es Pferde, in Tschechien gibt es Pferde – fantastisch. (Allgemeine Heiterkeit und anhaltende Zwischenrufe.) Bei den Lipizzanern gibt es Pferde. Schauen Sie über Ihren Tellerrand, öffnen Sie die Augen und lassen wir die Kirche im Dorf, lassen auch Sie die Kirche im Dorf!

Wie gesagt, die Liste eurer Verfehlungen ist lang. Frau Staatssekretär, Sie haben heute wirklich allen Ernstes die CO2-Steuer als Erfolg im Klimaschutz benannt? (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Wissen Sie, was das die Menschen kostet? Wissen Sie, wie das die Menschen belastet? (Bundesrat Schreuder: Wissen Sie,


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was Klimaschaden kostet?!) Dann haben wir die Karenzzeit, die von 24 auf 22 Monate verkürzt wird, die Hacklerregelung habe ich schon angesprochen. Die geblockte Altersteilzeit wird eingefroren, wird gestrichen, die geblockte Altersteilzeit, die wichtig wäre für die Menschen. Wahrscheinlich wollt ihr als Nächstes noch das Bargeld abschaffen. (Oh-Rufe bei ÖVP und Grünen.)

Schaut einmal, im Nachhinein schaut alles anders aus. Wir Freiheitliche sind während Corona als Aluhutträger und als Verschwörungstheoretiker bezeichnet worden. Es hat sich alles als wahr erwiesen, es haben sich viele Dinge als wahr erwiesen, und es wird sich auch als wahr erweisen, dass ihr den Ansatz habt, dass ihr es probieren wollt. Faktum ist – darum unsere Anfrage –, es liegt tatsächlich vieles im Argen. Da glauben ja wirklich manche Politiker – hauptsächlich ÖVP- und mittlerweile auch grüne Politiker –, Österreich ist ein Selbstbedienungsladen, das sieht man ja aus der Anfrage: wie eigenartig die Stellenbesetzungen ablaufen, die Auftragsvergaben, die Inserate, die Werbeaufträge. (Bundesrätin Huber: Was ist mit der FPÖ in Graz?!) Korruption, immer wieder höre ich das Wort: Na, es wird schon etwas dran sein. Dass aber die Grünen und ihre grünen Vorfeldorganisationen da kräftig mit­schnei­den, ist ja auch kein Geheimnis mehr.

Ich kann nur unseren Antrag unterstützen: Packt euch bitte zusammen, nehmt den Hut und macht den Weg frei für Neuwahlen! Ihr würdet dem österreichischem Volk einen Riesendienst erweisen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer vor. – Bitte schön.


17.10.22

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Ich bin schon aufgefordert worden, nicht allzu lange zu reden, und


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dem komme ich gerne nach. (Bundesrat Schreuder: Entschuldigung! – Ruf bei der FPÖ: Ich habe Zeit!)

Heute ist ja tatsächlich eine sehr interessante Dringliche Anfrage eingebracht worden. Es war eigentlich von allem ein bisschen etwas dabei, viele haben schon darüber reflektiert, manche ein bisschen hysterischer, manche ein bisschen ruhiger.

Ich kann mich in einem Punkt sehr gerne der Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten anschließen: dass man Sprache so anwenden kann, dass man sich Unhöfliches ausrichten kann, ohne dass man bestimmte Kraftausdrücke strapaziert. Ich glaube, das ist auch für die Zuseher angenehmer, die dann nicht nur sehen, dass wir alle in der Lage sind, Kraftausdrücke zu verwenden, dass wir alle in der Lage sind, uns wechselseitig zu beleidigen. Ich glaube, da haben wir insgesamt eine relativ hohe Glaubwürdigkeit.

Daher möchte ich jetzt eigentlich nicht noch einmal mit besonders aggressiven Worten in bestimmten Wunden wühlen, nur so viel in der Summierung – weil es heute eigentlich so war, dass die SPÖ in diese Flanke, die die FPÖ über diese böse, verdorbene ÖVP aufgerissen hat, normalerweise mehr hineinspringt, und dass dann auch immer betont wird, dass sie zwar den Freiheitlichen nicht recht gibt, ihnen aber in dem Punkt, dass die ÖVP so verdorben ist, schon recht geben muss –:

Ich möchte schon noch ein bisschen erwähnen, weil ja immer von der Sauberkeit in der Politik gesprochen wird: Dass man in Wien einen Kleingarten nur dann kriegt, wenn man ein SPÖ-Parteibuch hat, wissen wir schon lange (Zwischenrufe bei der SPÖ), aber kürzlich ist das Ganze auch entsprechend transparent geworden; und das interpretiere ich auch ein wenig als Zeichen – deswegen ist es heute ein bisschen ruhiger, weil wir darüber nicht sprechen. Ich habe es somit kurz erwähnt und will es schon damit bewenden lassen.


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Der böse Bundeskanzler war heute nicht da, weil er krank war. Deswegen war der Bundeskanzler nicht im Bundesrat. Der Vorsitzende der Sozialdemokratie ist selbst Bundesrat. Wo war er? – Auch nicht da. Ich glaube, da sehen wir, dass so etwas natürlich sein kann, dass man dann und wann auch Entschuldigun­gen braucht.

Ich weiß genau, wenn ich diesen Punkt anspreche, dann wird es immer lauter, da gibt es viel zum Hineinrufen und so weiter: wenn ich mich dagegen wehre, dass die Volkspartei generell damit verunglimpft wird, dass sich die Korruption sozusagen durch alle Fasern durchzieht. Ich gebe zu, das ist ganz gut gelungen: Wenn man ein Wort in Verbindung mit einer Partei häufig sagt, dann bleibt etwas hängen.

Ich möchte auch gar nicht sagen, dass nicht bei allen Parteien, so auch bei der Volkspartei, sicher schon Dinge passiert sind, die korrigiert gehören. Ich will aber nur in Richtung der Freiheitlichen sagen: Ich möchte überhaupt nicht irgend­welchen Leuten irgendetwas unterstellen, aber – um die geschichtliche Wahrheit ein bisschen auf den Tisch zu legen – es gibt schon viele prominente Freiheit­liche, die in Korruptionsverfahren verurteilt worden sind, ob das Rumpold war (Ruf bei der FPÖ: Diversion!), ob das Meischberger war oder zum Beispiel Westenthaler – ich habe es übrigens unfair gefunden, dass er verurteilt wurde, aber er wurde verurteilt. Es wurde Herr Dörfler verurteilt, es wurde Herr Scheuch verurteilt, es wurde Herr Dobernig verurteilt und es gibt auch zwei Landesparteiobleute der Freiheitlichen, die gegenwärtig strafverfolgt werden.

Ich bin der Letzte, der dem Wiener oder dem Steirer hier eine Vorverurteilung hinwerfen möchte – wirklich nicht! –, aber sagen möchte ich schon, dass es einfach extrem einseitig ist, da zu versuchen, das Bild zu vermitteln, man würde sozusagen aus der sauberen Ecke kommen, in der man eigentlich ein­wandfrei agiert, sodass nicht einmal ein Verdacht entstehen kann. Das ist einfach nicht gegeben.


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Daher möchte ich mich abschließend bei all jenen bedanken, die das Wort dafür ergriffen haben, dass wir vielleicht in den nächsten Debatten doch wieder ein Thema aufgreifen, damit wir uns darauf fokussieren und konzentrieren können. Reden wir über die Wirtschaft, reden wir über den Verkehr oder reden wir über die Gesundheit, damit wir dann entsprechend fokussiert ein Thema abhandeln können!

Da fällt mir noch dieser eine kleine Punkt ein, den ich noch bringen möchte, weil immer wieder Schweden genannt wurde: Ich finde es schon toll, wie klug man im Nachhinein ist. (Bundesrat Steiner: Nein, nein!) Ich bin auch am Montag immer ursuper, was die Lottozahlen betrifft, da kommen sie mir immer bekannt vor. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin kein Gesundheitsexperte. Ich sage auch, ich hätte gerne gerade in der Berichterstattung oft mehr darüber erfahren, wie sich die Coronasituation welt­weit und in anderen Ländern weiterentwickelt hat. Es hätte mich nicht gestört, da und dort eine differenzierte Aufarbeitung zu haben. Eines finde ich aber schon interessant: Wenn das nicht völlig falsch ist, war es in Schweden so, dass sie im ersten Jahr (Bundesrat Steiner: Richtig!) etwa viereinhalbmal so viele Todesopfer gehabt haben. (Bundesrat Steiner: Genau, wegen der Altersheime!) – Genau, im ersten Jahr. Ich rede nur vom ersten Jahr (Bundesrat Steiner: Wegen der Altersheime! Da haben sie einen Fehler gemacht!), in dem sie die vier­einhalbfache Zahl an Todesopfern gehabt haben.

Jetzt im Nachhinein weiß man, dass noch diese harmlose Variante gekommen ist, aber genug Immunisierung vorhanden war. Ihr alle habt wahrscheinlich gewusst, dass das kommen wird. – Dass aber Politiker, die in der Zeit Entschei­dungen treffen müssen, keine Begeisterung für ein Modell aufbringen, bei dem einmal fürs Erste viereinhalbmal so viele Menschen sterben, finde ich einfach nicht so lächerlich, wie das hier immer wieder dargestellt worden ist.

Ich habe das jetzt als einen von 97 Punkten noch einmal herausgenommen. Ich lasse es damit bewenden und hoffe, dass wir wieder darauf zurückkommen,


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uns zwar ein bisschen zu befetzen, aber das mit Stil und mit einer guten Wortwahl. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.18


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Es liegt doch eine Wortmeldung vor. – Bitte, Herr Kollege Steiner. (Bundesrat Kornhäusl: Jetzt geht die Stimme wieder, Gott sei Dank!)


17.18.41

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsident! (Ruf bei der SPÖ: -in!) – Gesundheit! Kollege Himmer, ich mag dich wirklich: Du gehst raus und verredest dich einmal und dann muss ich mir noch etwas auf­schreiben. Du hast ja weit zurückgeblickt. Die SPÖ hat ihren Schrebergarten, ihr habt euer Grafenwörth. Riedl, oder wie heißt der, der in Grafenwörth ein Klein-Dubai gebaut hat (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), das mit den Umwid­mungen dann plötzlich ein Millionengeschäft wurde?

Ich glaube, beim Schrebergarten ist es nicht so viel – (in Richtung SPÖ) ich will euch nicht verteidigen! –, aber Grafenwörth ist, glaube ich, millionenschwerer als die zwei, drei Schrebergärten, die sich die SPÖ-Abgeordneten unter den Nagel gerissen haben. Das ist aber wurscht, ihr könnt euch das gegenseitig vorwerfen, SPÖVP, das ist uns gleich. Die SPÖ hat ihr Sora und ihr Excel, die ÖVP hat ihr Outlook. (Ruf bei der ÖVP: Die FPÖ hat nichts?) Das ist alles gut, kein Problem, es ist für uns kein Thema.

Wahrscheinlich redet Kollege Himmer aus Erfahrung – das kann natürlich sein –, wenn er über Strafverfolgungen redet. Wie wir alle wissen, hat Kollege Himmer das leidvoll mitgemacht, darüber brauchen wir gar nicht zu reden, es ist dann zu einer Diversion gekommen.

Sich aber dann hierher zu stellen, Herr Kollege, bei aller Wertschätzung, und über andere zu reden, dass die quasi schlechter wären, und selber ist man nur


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aufgrund einer Diversion straffrei geblieben: das lasse ich jetzt einmal so stehen. Ich glaube, das ist auch nicht das Gescheiteste.

Gut, dann hat Herr Kollege Himmer wegen Corona und wegen Schweden noch gesagt: Im Nachhinein ist man gescheiter! – Nein, nein, nicht im Nachhinein ist man gescheiter, sondern – ich will es auch gar nicht mehr auf­wärmen und weit, weit ausbreiten – wir haben es euch immer schon gesagt, und ihr habt halt nicht darauf gehört, weil ihr geglaubt habt, ihr könnt auf dieser Welle weiterreiten, die euch Kurz bereitet hat. Am Anfang sind alle dahintergestanden, aber wir haben schon gesehen, dass das nicht gutgeht und dass das ein Schas wird. Ihr habt aber die Eskalationsspirale immer weiter nach oben getrieben, obwohl wir es euch hier herinnen immer und immer wieder gesagt haben. Das hat mit im Nachhinein oder damit, das Buch von hinten nach vorne zu lesen, überhaupt nichts zu tun, Herr Kollege Himmer.

So, jetzt komme ich zum eigentlichen Grund, warum ich herausgekommen bin. Frau Staatssekretärin, grüß Gott. Sie haben gesagt, so viel Geld für die Kunst wurde noch nie ausgegeben. Das war aber selbst verschuldet, denn Sie haben es ausgeben müssen, weil Sie die Kunst in mehrere Lockdowns geschickt haben. Und Sie haben dann auch, und das ist ja das Tolle, sonst wäre es nie so viel gewesen für die Kunst - - (Bundesrat Schreuder: Es war aber auch insgesamt mehr!) – Geh, lügen wir uns nicht selber an, Herr Kollege! Lügen wir uns nicht selber an! Das wäre sich nie und nimmer ausgegangen.

Ihr habt das Geld ja auch gebraucht, Frau Staatssekretär, weil ihr die Kunst quasi gekauft habt. Ich erinnere nur – das ist ja dann aufgeflogen – an die Künstler, die sich Millionenbeträge eingeschoben haben, weil sie teuflisch Impfwerbung gemacht haben, vorher aber noch gejammert haben, wie arm sie doch sind, weil sie keine Aufträge mehr bekommen. Der Auftrag war dann, Impfwerbung zu machen, und plötzlich haben sie Millionen an Steuergeld eingeschoben – Niavarani oder so irgendwie heißt der Kollege, von dem ich etwas in der Zeitung gelesen habe.


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Wir kommen weiter zu Herrn Kollegen Kornhäusl. Was mit dem heute war, weiß ich nicht, er hat hier heraußen so gezittert. Ich habe keine Ahnung, ich weiß nicht, was gewesen ist. Ich habe nur am Rande mitgekriegt, dass in der Steiermark ein Landesrat zurückgetreten ist, und wie man so gehört hat, hätte sich Kornhäusl einen Anruf von Landeshauptmann Drexler erwartet, den er aber nicht bekommen hat. Herr Kollege, jetzt ist es mit dem Landesrat wieder nichts geworden. (Bundesrat Kornhäusl: Agrarlandesrat!) Musst du halt noch ein bissel bei uns da bleiben. Das ist schon das zweite Mal passiert, wahr­scheinlich daher die Aufregung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann hat sich Herr Kollege Kornhäusl noch beschwert über die - - (Bundesrat Kornhäusl: Ich werde Agrarlandesrat! Ich weiß, dass die Kuh ...!) Herr Kollege Kornhäusl! (Bundesrat Schreuder: Er muss ja nicht zuhören!) – Nein, er muss ja nicht zuhören, das ist ja kein Problem, aber es ist nett, wenn man zuhört. Herr Kollege Kornhäusl, dann hast du dich noch über den Intellekt mancher Reden da herinnen beschwert, und du selber hast aber eine Rede aus dem Nationalrat vorgetragen, die zwei oder gar schon drei oder vier Wochen alt ist. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein, das stimmt auch nicht!) Das passt dann auch nicht zusammen. (Bundesrat Kornhäusl: Weil es noch aktuell ist!) Das waren dieselben Taferln, es war dieselbe Rede. (Bundesrat Kornhäusl: Gut, dass die Taferln ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir können es uns anschauen, stellen wir es einander gegenüber: Nationalrat und Kornhäusl hier (Bundesrat Schreuder: Du hältst auch immer dieselbe Rede!), der das Gleiche wie im Nationalrat vorliest. Das ist auch nicht gerade das Beste. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kornhäusl.) – Bitte? Das habe ich nicht verstanden. Was? (Bundesrat Kornhäusl: Bei diesem Taferl wäre ich auch nervös! Bei den Fotos deiner Freunde mit den Taliban, wo ihr nicht einmal Konseque­nzen zieht!) – Ach so, ja gut. Nein, da werde ich nicht nervös, das ist überhaupt kein Thema. (Bundesrat Kornhäusl: Schon, schon, schon! Doch, doch! Man merkt es!) Schau, Herr Kollege, wir wissen nicht, warum du so nervös warst und du so


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gezittert hast hier heraußen, das wissen wir nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Man merkt es!)

Wir sind ganz geerdet, wir sind am Boden. Was habe ich mir noch aufge­schrie­ben? Du hast auch noch gesagt - - (Bundesrat Kornhäusl: Wasser predigen und Wein trinken!) – Ja, das ist ÖVP-Manier: Ihr trinkt ja den richtig teuren Wein und redet über Hamburger. (Bundesrat Kornhäusl – eine Tafel in die Höhe haltend –: Da schau, da sind sie, deine Freunde, da sitzen sie!)

Herr Kollege Kornhäusl, dann hast du noch gesagt, Corona kann niemand mehr hören. Gestern war ich im Burgenland auf einer Veranstaltung, und da kam eine ehemalige – muss man mittlerweile sagen – Krankenpflegerin zu mir. Die hat am ganzen Körper gezittert (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schon wieder!) und mir erzählt, was für einen Leidensweg sie hinter sich hat. Sie hat einen mega­mäßigen Impfschaden, weil sie der Arbeitgeber in diese Impfung gezwungen hat. Dreimal! Jetzt hat sich eine Nervenkrankheit aus dieser Impfung entwickelt, mittlerweile ist das ein durch einen Arzt – nach einer Mordstortur – bestätigter Impfschaden, und dann reden Sie, Herr Kollege Kornhäusl, davon, dass von Corona niemand hören soll oder niemand mehr hören will. Erklären Sie das einmal dieser Frau im Burgenland, die aufgrund Ihrer Politik einen Mordsschaden hat, aufgrund Ihrer Impfpflicht einen Mordsschaden hat! (Bundesrat Kornhäusl: Und wie erklärst du die Tausend Toten? Wie erklärt ihr die den Angehörigen?) Erklären Sie das dieser Frau, dass Sie von dem nichts mehr hören wollen! Erklärt das dieser Frau, die jetzt einen Mordsimpfschaden davongetragen hat! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Wie erklärst du das den Angehörigen?)

Wenn man darüber redet, wie gut oder schlecht diese Regierung ist, muss man natürlich schon auch dazusagen: Das bewertet der Wähler. Der hat euch auch schon bei einigen Landtagswahlen im vergangenen Jahr bewertet, das ist mir in Erinnerung geblieben. Ich glaube nicht, dass die ganz positiv für euch ausgegangen sind, aber ihr sagt in euren Reden, ihr seid so gut.


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Ich habe es mir in der Schnelle herausschreiben müssen – denn ich habe es vergessen –, wie viele Wechsel wir eigentlich gehabt haben, denn an manche hat man sich ja schon gar nicht mehr erinnert. Das ist ein Wahnsinn, deshalb muss man vielleicht noch einmal festhalten, wie viele Wechsel es gegeben hat. Anschei­nend ist in dieser Regierung oder in der ÖVP und bei den Grünen sowieso jeder zu allem fähig, das ist einmal außer Frage gestellt, denn so viele Wechsel – und so viele Staatssekretäre, im Übrigen – hat es überhaupt noch nie in einer Regierung gegeben.

Wir haben drei Kanzler gehabt: Kurz, Schallenberg und jetzt halt den Dritte-Wahl-Kanzler Nehammer. Gesundheit: Anschober, Mückstein – ui, könnt ihr euch noch an Mückstein erinnern?, ein Wahnsinn!, den Hausarzt von Van der Bellen; Van der Bellen ist echt ein zäher Beißer mit diesem Hausarzt, aber gut –, und jetzt haben wir Rauch, der die ganze Zeit gelogen hat, was die Verlängerung der abgelaufenen Impfstoffe betrifft.

Äußeres: Schallenberg, und jetzt kommt ein Name, den werdet ihr gar nicht mehr wissen. Wisst ihr, wer nach Schallenberg der nächste Außenminister war? Weiß das jemand? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Linhart!) – Linhart, genau, eine weiß es, gut, der Rest hat es nicht gewusst. Jetzt stellt euch einmal vor, wie es den Leuten draußen geht! Und plötzlich war dann Schallenberg wieder Außenminister.

Staatssekretäre: Da haben wir zuerst eine ganz gute gehabt, das war Lunacek. Die ist dann über das ganze Kunst-und-Kultur-Gschichtl gestolpert. Dann kam Frau Mayer. – Übrigens bin ich froh, dass Sie wieder einmal da sind, denn ich habe Sie schon ewig nicht mehr gesehen. Freut mich sehr. – Dann haben wir Staatssekretär Brunner gehabt, dann Staatssekretär Plakolm, dann Staats­sekretär Tursky und jetzt Staatssekretär Kraus-Winkler. Das sind sechs Staats­sekre­täre, sechs Staatssekretäre in nicht einmal vier Jahren. Sechs! Das ist doch irre.


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Finanzen: Blümel und jetzt Brunner. Bildung: Faßmann. Der ist im Übrigen vom Linksruck ein wenig abgekehrt und hätte wieder vernünftige Bildungspolitik gemacht, ist dann aber gleich gegen Polaschek ausgetauscht worden.

Inneres: Nehammer, jetzt Karner; dann die Landwirtschaft: Köstinger, jetzt Totschnig – nein, nicht der Radfahrer; es gibt noch einen Totschnig in Österreich, der ist anscheinend Landwirtschaftsminister. Man hört und sieht nichts von ihm, aber den gibt es auch noch.

Kommen wir zur Wirtschaft: Schramböck. Ich erinnere an das Kaufhaus Öster­reich – also quasi die Konkurrenzunternehmung zu Amazon –, das Frau Schramböck installiert hat. Jetzt haben wir Kocher. Dann gab es noch zwei Arbeitsminister: Das war einerseits Frau Aschbacher, die dann wegen dem Doktor oder Magister hat gehen müssen, und jetzt ist Herr Kocher der Minister.

Es sind also ganze drei Minister noch da, die bei der Angelobung dabei gewesen sind. Drei in nicht ganz vier Jahren! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Drei, das muss man sich einmal vorstellen! Drei! Und dann stellt sich Herr Kollege Schreuder heute hierher und sagt allen Ernstes hier ins Mikrofon, quasi in die Welt hinaus: Diese Regierung hält durch! – Herr Kollege Schreuder, das ist eine Drohung für 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ.)

Die restlichen 30 Prozent halten euch ja noch die Stange, aber die anderen 70 Prozent, die schlafen heute in der Nacht nicht mehr. Sie haben der österreichi­schen Bevölkerung heute offen gedroht: Wir halten durch bis zum regulären Wahltermin! Das ist eine offizielle Drohung. Ich wundere mich, dass es da keinen Ordnungsruf gegeben hat.

Wie das so funktioniert und wie das die ÖVP halt auf Dauerschleife und auf Dauerwalzer betreibt, das wissen wir ohnehin alle. Dieses Spiel ist aber jetzt vorbei, die Leute haben das durchschaut. Ihr werdet es ja selber spüren, wenn


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ihr hinausgeht zu den Leuten, also wenn ihr euch nicht im guten Vino-Lokal trefft und über Burger sinniert, sondern einmal zu den normalen Leuten hinausgeht, wo der Wein, ein guter Spritzer, 2,50 Euro kostet – und nicht 250 Euro. Dann werdet ihr ja mitbekommen, dass die Schmähpartien – wir kündigen A an, machen aber genau das Gegenteil, also: die Coronaversöhnung ankündigen, aber weiterhin Milliarden Euro an die Pharmaindustrie überweisen und Impfdosen kaufen, denn wir kaufen immer noch Impfdosen, mehr als genug – vorbei sind.

Gerade heute habe ich von einem Arzt eine E-Mail bekommen. Er hat mir geschrieben: in Tirol massive Probleme! Die Ärztekammer bittet die Ärzte in Tirol, sie mögen doch wieder mit dem Impfen beginnen, denn sie finden im niedergelassenen Bereich keine Ärzte mehr, die Coronaimpfungen anbieten wollen. Na, warum wohl? – Ich bin ja gespannt, wie Kollege Rauch, wenn er das nächste Mal hier herinnen sitzt, das mit seinen Millionen Impf­dosen argumentiert, die er jetzt wieder gekauft hat.

Dann hat Herr Nehammer gesagt: Kinder sind unsere Zukunft. – Das sagt man ins Mikrofon hinein, macht aber dann genau das Gegenteil, setzt die Kinder stundenlang mit Maske in die Schule und macht als Topping noch einen Ninja­pass: Gutes Kind und böses Kind, wir dividieren euch auseinander, alle in jeder einzelnen Klasse: Da sitzt das gute Kind, das hat die goldenen Ninjasterne im Ninjapass, und da sitzt das schlechte Kind aus dem schlechten Elternhaus. – Das habt ihr gemacht! So viel zu: Kinder sind unsere Zukunft. – Schämt euch! (Beifall bei der FPÖ.)

Sach- statt Geldleistungen bei Asyl: Ihr arbeitet aber konsequent dagegen. Ihr könnt es sofort umsetzen, wir sind sofort dabei, wir stimmen mit. Sachleistungen statt Geldleistungen bei Asyl: kein Problem. Das ist morgen umgesetzt, wenn ihr einmal das tun würdet, was ihr den Menschen versprecht.

Mehr Macht zurück nach Österreich hat er in seiner interessanten Rede an die Nation versprochen. Was macht die ÖVP in Brüssel? – Sie stimmt allen


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Gesetzesvorhaben im Parlament in Brüssel zu, das genau das Gegenteil macht. Immer mehr wird vom Nationalstaat an Brüssel abgegeben, und der EU-Pfarrer Othmar Karas ist an vorderster Front dabei. Ihr macht einfach immer das Gegenteil.

Dann hat er gesagt: Es reicht jetzt mit den Teuerungen, es ist genug!, also ihr werdet jetzt schauen, dass es besser wird. Dann führen wir die CO2-Steuer ein, die Mineralölsteuer, und nächstes Jahr kommt dann auch noch die generelle Kilometermaut, wo drinnen steht: pro gefahrenem Kilometer 10 Cent. Jetzt kommt der Oberknüller: Bis 2040 soll sich das automatisch auf 40 Cent pro gefahrenem Kilometer erhöhen.

Wisst ihr, was jetzt ein Packerl Milch kostet und was das Packerl Milch 2040 kosten wird, wenn ihr die Maut pro gefahrenem Kilometer beinhart auf 40 Cent festsetzt? Ja wer wird das denn zahlen? Die Produkte müssen natürlich von A nach B. Die fallen ja nicht vom Himmel ins Supermarktregal. Da ist jedes Mal die Steuer zu zahlen: 40 Cent pro gefahrenem Kilometer. Schon so kann sich niemand mehr das Leben leisten, ihr aber klopft noch oben einen drauf und sagt: Bis 2040 zocken wir euch noch einmal so richtig ab mit 40 Cent pro gefah­renem Kilometer!

Das ist doch nicht normal, ÖVP. Das ist doch nicht normal. Ihr müsst doch einmal mit den Leuten reden. Dass es die Grünen so wollen, ist mir schon recht. Das passt auch, das ist deren Ideologie. Ich verstehe aber nicht, dass ihr da immer mitmacht. Ich verstehe es einfach nicht. Da muss ich denen einmal sagen: Liebe Grüne, bis hierhin und nicht weiter! – Es ist halt einfach für die Grünen. Ich verstehe das. Es ist momentan einfach für die Grünen. (Heiterkeit des Bundesrates Kornhäusl.) Ihr lacht. Ich weiß es, es ist einfach, weil ihr eine ÖVP habt, die natürlich ganz massiv Angst vor Neuwahlen hat. Warum hat die ÖVP Angst vor Neuwahlen? – Die kommen jetzt auf knapp 40 Prozent. Das heißt, es wäre eine Halbierung der Sitze im Nationalrat, wenn sie auf die 20 Prozent, die sie in den Umfragen erreicht, herunterfallen. Das wäre eine Halbierung der Parteiförderung – da reden wir von Millionen –, das wäre eine


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Halbierung der Klubförderung – auch da reden wir von Millionen –, das wäre eine Halbierung der Akademieförderung – auch da reden wir von Millionen.

Deshalb könnt ihr Grünen jetzt lachen, weil ihr die ÖVP am Verhandlungstisch natürlich jedes Mal herüberziehen könnt und sagen könnt: Wenn ihr das jetzt nicht mitmacht, ÖVP, dann gehen wir in Neuwahlen! – Die ÖVP ist eh schon so verschuldet, die braucht jeden Cent an Steuergeld, und plötzlich ist es dann die Hälfte an Steuergeld. Das ist mir klar.

Und: Was machen wir denn mit all jenen, die dann plötzlich kein Mandat mehr haben, die dann plötzlich nicht mehr versorgt werden? Wie vermitteln wir denn diese am freien Arbeitsmarkt? – Das wird schwierig, das ist mir klar. Es ist mir klar, dass die Grünen da momentan mit euch leichtes Spiel haben.

Deshalb sind wir seit vier Jahren in der Dauerkrise. Wir haben seit vier Jahren eine Koalition, die sich eigentlich selbst nicht mag. Wir haben seit vier Jahren eine Koalition, die nicht einmal mehr das Vertrauen von 30 Prozent der Österreicher hat. Ihr wurschtelt euch durch. Ihr wurschtelt weiter, tiefgreifend korrupt. Ein Haufen Verfahren ist anhängig. Es ist aber wurscht. Der Sauber­partei der Grünen ist alles egal. (Bundesrat Schreuder: Was ist denn mit der FPÖ Graz? Die FPÖ Graz! – Bundesrat Kornhäusl: Mittlerweile 1,8 Millionen! Kunasek!)

Die Kollegin (in Richtung ÖVP) hat mir gerade auf die Uhr gedeutet. Müssen Sie nach Hause, Frau Kollegin? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) Sie werden gezahlt, um hier herinnen zu sitzen. Ob Sie es wollen oder nicht: Ich rede so lange, bis ich fertig bin – es tut mir leid.

Es ist halt leider Gottes so, dass jede wichtige Entscheidung zuverlässig falsch ist. (Bundesrat Schreuder: FPÖ Graz! Wie geht’s der FPÖ Graz? – Bundesrat Kornhäusl: Schau, wie das Gsichterl rot wird!) – Wieso, was ist passiert? Worum geht es denn? (Bundesrat Schreuder: Um die FPÖ Graz!) Was ist da das Problem? (Bundesrat Kornhäusl: 1,8 Millionen! Saubermänner!) Die sind alle


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ausgeschlossen. Wir machen das sofort. In euren Reihen sitzen sogar Leute mit einer Diversion. Das gibt es bei uns nicht. (Bundesrat Kornhäusl: Das ist schon ein wenig ...! Unser Jura- und Jusprofessor!) Dann ganz ruhig sein.

Wenn wir draufkommen, dass es in unseren Reihen ein Problem gibt, dann ziehen wir durch und schließen aus. So schaut’s aus. Wir säubern – das ist der große Unterschied zu euch von der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: War der Herr Mölzer FPÖ-Mitglied? Hübner in der Bundeswahlbehörde! Was tut der dort? In der Bundeswahlbehörde sitzt der Herr Hübner und fährt zu den Taliban! Kassegger!) – Da könnt ihr noch so einen Blödsinn herein­schreien, es wird nicht besser.

Es ist halt seit vier Jahren jede wichtige Entscheidung zuverlässig falsch. Ich sage euch das: Es wird der Tag kommen – denn er ist gesetzlich vorgeschrieben –, an dem ihr euch dann gemeinsam von diesen Bänken da links und rechts – auch Sie, Frau Staatssekretärin – verabschieden könnt, hoffentlich bald. Dann ist endlich der Tag da, an dem Österreich wieder durch­schnaufen kann, an dem wieder Politik mit Hausverstand für unsere Leute gemacht wird – und im Übrigen, Herr Schwindsackl, auch für die Armen, die es laut ÖVP anscheinend nicht gibt. Auch für die wird dann wieder Politik gemacht in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ.)

17.37


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte schön.


17.38.02

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir schon die Kulturstaatssekretärin da haben und dann der Vorwurf kommt, wir würden Künstlerinnen und Künstler kaufen, dann muss ich mich auch heraus­stellen und mich mit aller Vehemenz dagegen wehren. Das ist nicht wahr! (Bundes­rat Spanring: Tatsache!)


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Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Steiner, gehen wir ja zu Kulturveranstaltungen. Wenn es irgendeine Gruppe gibt, die uns so kritisch wie nur irgendwie möglich begegnet (Heiterkeit des Redners), dann sind es die Künstlerinnen und Künstler. Sie sind nämlich immer unzufrieden. Wir müssen ständig mit denen streiten. Würde ich die kaufen können (Bundesrat Steiner: Hättest du es schon längst gemacht!), dann würden sie es trotzdem nicht zulassen. (Bundesrat Steiner: Niavarani!)

Wenn Sie schon Herrn Niavarani nennen: Das ist wirklich eine perfide Unterstellung. Dieser Mann hat ein erfolgreiches Open-Air-Theater, wo er Shakespeare auf Wienerisch und solche Sachen macht, wo Hunderte und Hunderte Leute hingehen – übrigens auch FPÖ-Wählerinnen und -Wähler –, weil sie das super finden. (Bundesrat Spanring: Ich war auch dort!) Er konnte es in den Lockdowns nicht machen, und er hat so wie alle anderen auch, wenn das nicht gegangen ist, eine Kompensation bekommen. (Bundesrat Spanring: Und er hat sich hingestellt und gesagt, er kriegt kein Geld! Und dann hat er Werbung gemacht für eure Politik! Und komischerweise hat er dann wieder 2 Millionen gekriegt!)

Nebenbei bemerkt: Die Erhöhung des Kulturbudgets ist nicht wegen der Lockdowns entstanden. Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. (Bundesrat Spanring: Ja, welch Zufall!) 2023 wurde das Kulturbudget um 63 Millionen Euro erhöht – da gab es schon zwei Jahre lang keine Lockdowns mehr –, weil uns als Bundesregierung Kunst und Kultur so wichtig sind.

Weil hier immer wieder auch seitens der SPÖ vorgeworfen wird, wir würden nichts gegen Armut unternehmen: Diese Erhöhung des Budgets (Bundesrat Spanring: Für Staatskünstler!), des Staatsbudgets für Künstlerinnen und Künstler und für die Kunst bedeutet eine Bekämpfung von Armut, denn es war diese Staatssekretärin, die Fair Work und Fair Pay eingeführt hat, damit endlich diese Selbstausbeutung, die in der Kunst und Kultur schon eine gewisse Selbstver­ständlichkeit war, nicht mehr stattfindet, sondern auch die Arbeit fair entlohnt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)


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Das hat sie geschafft, und das ist ganz praktische Armutsbekämpfung. Ich lasse mir nicht vorwerfen, dass wir Künstlerinnen und Künstler kaufen würden. Das weise ich mit aller Vehemenz zurück! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.40 17.40.45


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Markus Leinfellner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rücktritt der Bundesregierung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

17.41.18 Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung elf Anfragen – 4115/J-BR/2023 bis 4125/J-BR/2023 – eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 394/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Mag.Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt vorlegen – Kritik des Rechnungshofes ernst nehmen!“, der dem Gleichbehandlungsausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 395/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Mag.Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rettung der österreichischen Wirtschaft durch Preiseingriffe“, der dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen wird,


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der Entschließungsantrag 396/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Mag.Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutz an Schulen und elementarpädagogischen Einrichtungen“, der dem Unterrichtsausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 397/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Klemens Kofler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“, der dem Kinderrechteausschuss zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 398/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Marlies Doppler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Privilegien, Parteipolitik, Spitzengagen und Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiter- und Wirtschafts­kam­mer!“, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 399/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kinderschutzpaket“, der dem Justizausschuss zugewiesen wird, sowie

der Entschließungsantrag 400/A(E)-BR/2023 der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Altersteilzeitmodelle erhalten – keine Experimente auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitgeber“, der dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Als Sitzungstermin wird Mittwoch, der 8. November 2023, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit


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diese dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, den 6. November, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche einen guten Abend und ein gutes Nachhauskommen!

Die Sitzung ist geschlossen.

17.43.21 Schluss der Sitzung: 17.43 Uhr

 

 

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