Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin!

1951/M-BR/2023

„Welche Maßnahmen setzen Sie, um auch bei einem allfälligen Lieferstopp von russischem Gas durch die Ukraine, die Versorgung der österreichischen Haushalte und Unternehmen mit Erdgas sicherzustellen?“

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank auch für diese Frage. Wir haben eine Unterbrechung des Transits über die Ukraine ja nicht erst seit ein paar Tagen auf der Landkarte, sondern das ist und war ein Risiko seit Beginn dieses russischen Angriffskriegs und in Wahrheit schon davor, weil wir uns von einer Lieferroute sehr intensiv abhängig gemacht haben. Deswegen ist es auch ein Risiko, auf das wir uns seit Beginn des Angriffskriegs vorbereiten.

Ich habe das bei der ersten Frage dieser Fragestunde schon beantwortet; diese Dinge werde ich jetzt nicht wiederholen, aber ich möchte einen Aspekt dazu erwähnen – zu den vielen Maßnahmen, die wir in den letzten eineinhalb Jahren gesetzt haben –, das ist die Frage der Speicherung. Die Speicher sind unsere größten Sicherheitspuffer.

Wir haben mit vielen Maßnahmen dazu beigetragen, dass die Befüllung der Erdgasspeicher dieses Jahr äußerst erfolgreich verlaufen ist. Wir haben derzeit einen Stand – mit 4.11. – von 99,69 Prozent. So voll waren die Speicher in Österreich historisch gesehen noch nie. Das ist ein Sicherheitsnetz für den kommenden Winter. Deswegen können wir auch sagen, dass die Versorgung für den kommenden Winter gesichert ist, weil hohe Reserven nicht nur Versorgungsengpässe abfedern, sondern natürlich auch Ausschläge beim Preis abfedern können. Natürlich heißt das aber auch, dass wir an all den Maßnahmen, die wir hinsichtlich der Diversifizierung, des Erneuerbarenausbaus, der Energieeffizienz und sozusagen des Gassparens gesetzt haben, dranbleiben müssen.

Ich möchte aber ein Thema schon noch einmal ansprechen, auch in dieser Fragerunde: Wir haben eine Verantwortung der Versorger für die österreichi­schen Gaskunden. Ich nehme einen Versorger heraus, die OMV. Was hat sie in den letzten Monaten gemacht? – Sie hat eine Vielzahl von neuen Lieferverträgen abgeschlossen, Leitungskapazitäten gebucht und so weiter, und sagt jetzt, sie ist imstande, die österreichischen Kunden und Kundinnen zu versorgen, auch unabhängig von russischem Gas.

Diese Anstrengungen sehe ich auch bei einigen anderen. Es gibt punktuell Meldungen auch von anderen Versorgern, die Anstrengungen in Richtung Diversifizierung unternehmen, aber es sind wirklich alle gefordert, auch auf Versorgerseite, dass wir rechtzeitig auf Diversifizierung setzen. Es gibt ja für gewisse Kunden überhaupt eine gesetzlich normierte Pflicht, aber Versorger müssen danach trachten, ihre Verträge im Fall einer Versorgungskrise einhalten zu können. (Bundesrätin Lancaster: Danke!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – (Bundes­rätin Lancaster: Ja, bitte!) – Bitte.

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Zusatzfrage bezieht sich auf eine künftige Erschließung von Erdgasvorkommen in Österreich zum Zwecke der Diversifizierung.

Allgemein wird gesagt, dass die konventionelle Erschließung eines Erdgasvor­kommens zwischen fünf und zehn Jahre dauert. In meinem Bezirk Kirchdorf in Oberösterreich vermutet man ein größeres Erdgaslager, und mit den Probe­bohrungen im direkten Umfeld des Nationalparks Kalkalpen wird demnächst begonnen. Für die Nationalparkgemeinde Molln ergibt sich ein Interessenkonflikt zwischen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung eines Teiles des Gemeinde­gebietes. Als allgemeiner Eigentümer des Nationalparkzentrums leidet die Gemeinde auch unter der fehlenden Indexanpassung des Nationalparkbudgets und somit mangelnder Entwicklung von Angeboten.

Bürgermeister Andreas Rußmann hat mich ersucht, folgende Frage an Sie zu richten: Wie gedenken Sie die Nationalparkgemeinde Molln, die sich im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und fossiler Gasförderung befindet, am Weg in eine klimafitte Zukunft zu unterstützen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage hat jetzt ganz viele ver­schiedene Aspekte. Einen Teil davon habe ich, glaube ich, im Zuge einer der vorigen Fragen beantwortet, nämlich: Wie unterstützen wir Gemeinden ganz konkret mit den unterschiedlichsten Förderprogrammen, um den Weg in die Klimaneutralität zu gehen? Ich kann jetzt nicht sagen, ob, aber ich glaube, Molln ist in einer KEM-Region dabei (Bundesrätin Lancaster: Ja!) – sehr schön, da unterstützt man schon. Von den Förderprogrammen im Klima- und Energiefonds bis zu den Förderungen aus dem Umweltfördergesetz, aus dem kommunalen Investitionsprogramm, aus den Forschungsförderungen haben wir wirklich ein umfassendes Paket aufgesetzt.

Zum Hinweis zur Nationalparkförderung: Daran, dass wir auch die Nationalparke auf eine solide Basis stellen können, haben wir in den letzten Jahren sehr intensiv gearbeitet. Da gibt es halt den Disclaimer, dass wir das immer nur im Einklang mit dem Land können. Wir haben da eine 50:50-Finanzierungs­verantwortung, ich kann also meinen Beitrag nur dann anheben, wenn auch das Land den Beitrag anhebt. Ich müsste Sie über die konkrete Budgetsituation später informieren, das kann ich jetzt nicht aus dem Stand sagen. (Bundesrätin Lancaster: Danke!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sie haben die Verantwortung der Gas­versorger angesprochen. Dazu gehört auch die Infrastruktur. Eingangs ist schon die fehlende Verbindung zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden, diese parallele Leitung, besprochen worden. Sie haben angesprochen, dass es im Juli die Genehmigung gab oder ein Genehmigungsverfahren abgeschlossen worden ist.

Wie schaut es generell mit der Bauzeit aus? Wann sollte das fertiggestellt werden? Wann kann dann so quasi das Gas durchfließen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur konkreten Bauzeit von Gaspipelines können Experten, Expertinnen oder die Betreiber aus der Erfahrung mit Pipelines heraus solidere Aussagen machen als ich. Es gibt ja verschiedene Prognosen von unabhängigen Experten, Expertinnen aus dem Unternehmen, die jetzt gerade öffentlich diskutiert werden. Entscheidend ist aber, dass die Planungen laufen, dass es nun möglichst rasch in eine konkrete Umsetzung geht.

Sie haben es gesagt: Die E-Control hat den Ausbau im Sommer genehmigt. Damit liegen die Voraussetzungen rechtlicher und finanzieller Natur nach dem GWG, also nach dem Gaswirtschaftsgesetz, vor, und damit auch die Verpflichtung des Leitungsbetreibers, zu bauen. Deswegen sind wir in laufendem Kontakt, um das tatsächlich in Umsetzung zu bringen, denn uns hilft nicht der Plan – uns hilft, wenn konkret Projekte eingereicht werden und wenn dann konkret Projekte auch gebaut werden. Aber wie gesagt: Unsererseits sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen. (Bundesrätin Miesenberger: Danke schön!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Markus Leinfellner zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Sie haben erwähnt, dass die Speicher noch nie so voll waren wie jetzt. Ja, es war aber auch noch nie so teuer wie jetzt, das muss man auch klar und deutlich sagen. Wenn ich auch anmerken darf: Russland hat uns das Gas bis heute noch nicht abgedreht.

Da jetzt ja im Raum steht, dass uns die Ukraine das Gas abdrehen könnte, meine Frage: Welche Sanktionen werden Sie in diesem Fall gegen die Ukraine setzen, gegen dieses schädliche Verhalten gegen uns Österreicher?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Russland hat letztes Jahr einseitig Liefermengen gekürzt. Das ist in den Lieferstatistiken nachvollziehbar und nachlesbar. Die Anteile russischen Gases sind auch alle sehr transparent. Ich darf alle auf die famose Website energie.gv.at verweisen. Dort gibt es einen wirklich guten Überblick über die Energiesituation in unserem Land.

Der Transitvertrag ist ein Vertrag zwischen Gazprom und Naftogaz. Da gibt es zwei Vertragspartner, die zu Verhandlungen oder zu einem Ergebnis kommen müssen. Die aktuellen Gastransitverträge laufen noch bis Ende 2024.

Das heißt aber nicht – das können Sie auch den Aussagen der Gasexpertin der E-Control entnehmen –, dass die Gaspipeline technisch unbenutzbar ist. Das heißt nur, es gibt keinen langfristigen Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern. Es gibt aber andere Möglichkeiten, Gaspipelines zu nutzen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir haben schon darüber gesprochen, aber vielleicht wollen Sie dazu auch noch etwas ergänzen: Welche Rolle spielt jetzt noch einmal dieser WAG-Loop für unsere Versorgungssicherheit im Fall eines Lieferstopps?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es bei der ersten Frage und auch bei dieser schon beantwortet, deswegen mache ich es jetzt wirklich ganz kurz: Es ist ein wesentlicher Baustein zur Erhöhung der Versorgungssicherheit. Wir haben uns leider – historischer Fehler – in vergangenen Bundesregierungen, in der gesamten Energiepolitik völlig einseitig von Gaslieferungen aus Russland abhängig gemacht und dementsprechend auch die Infrastruktur in diese Richtung ausgerichtet. Das muss sich jetzt drehen.

Drehen heißt: Lieferungen aus Deutschland, Lieferungen aus dem Süden, aus Italien, und dafür ist der WAG-Loop ein wesentlicher Baustein, dass wir die Importkapazität insbesondere von norwegischem Pipelinegas und von Flüssig­gasimporten aus den Routen über Deutschland und Italien erhöhen können, denn der Weg über Überackern und Oberkappel ist aus österreichischer Sicht der schnellste und stabilste, auch im Hinblick auf eine spätere Wasserstoffversorgung.

Es gibt jetzt eine technische Grenze von 90 Terawattstunden pro Jahr, und durch die Auflösung dieses technischen Engpasses auf österreichischer Seite könnte dies deutlich erhöht werden. Damit ist auch klar, warum das für uns so eine Priorität hat. Es ist nicht die einzige Maßnahme, die es braucht, aber eine wesentliche. (Bundesrätin Huber: Danke!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch ich komme zurück auf die West-Austria-Gasleitung.

Eine Stellungnahme der Gas Connect Austria in einem „Kurier“-Artikel vom 6. November 2023 lässt erahnen, dass die Gas Connect Austria für die Umsetzung dieses Projektes alternative Finanzierungsformen wie zum Beispiel eine Staatsgarantie und eine Förderung zur Absicherung als notwendig erachtet.

Daher meine Zusatzfrage: Verzögert die Gas Connect Austria aus Sicht des BMK die Realisierung des Projekts WAG-Loop bewusst, um eine staatliche Finan­zierung zu erwirken?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe erst gestern wieder ein Telefonat geführt, in dem mir zugesichert wurde, dass die Planungen auf Hochdruck laufen, und davon – wie formuliere ich das? – muss ich auf der einen Seite ausgehen: dass das auch tatsächlich passiert. Ich setze aber auf der anderen Seite auch alles daran, dass es auf den unterschiedlichsten Ebenen – auch auf der Expertenebene – passiert.

Ich glaube, in diesem Zeitraum ist es jetzt das Wichtigste, dass die Planungen auf Hochtouren laufen und da absolut keine Verzögerung eintritt. Deswegen habe ich mich ja so intensiv dafür eingesetzt, dass die E-Control alle Schritte setzt, auch um das Risiko rauszunehmen, um die Unterstützung für die Umsetzung zu geben.

Wie gesagt, mein Wissensstand ist, es wird auf Hochdruck geplant. The proof is in the pudding: Wann wird eingereicht?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1949/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Markus Steinmaurer, um die Verlesung der Anfrage.