14.56

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister-in! (Erheitert:) Die Endung ist mir gerade noch hineingerutscht. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es immer so großartig, mit welcher guten Stimmung hier eine Gemeinsamkeit erzeugt wird, aber erlauben Sie mir doch, jetzt etwas kritischer zu sein, nämlich vor allem gegenüber Herrn Kollegen Leinfellner von der FPÖ.

Zum einen: Ich möchte daran erinnern, was vorhin passiert ist: Er ist hier heraußen gestanden und hat gesagt: Jeder kann früher einmal einen Fehler gemacht haben. – Dann habe ich ihn in einem Zwischenruf gefragt, ob das Schreiben der Nürnberger Rassengesetze während des Nationalsozialismus ein Fehler sei, und dann hat er mich zurechtgewiesen und gesagt, ich könne mich ja später zu Wort melden. – Dann ist er hinausgegangen und ist während dieser Debatte nicht mehr anwesend.

Ich sage einmal etwas ganz Persönliches. Ich bin jetzt von Tagesordnungs­punkt 6 bis 10, glaube ich, eingeteilt. Ich habe einen irrsinnigen Hunger, aber ich bleibe hier herinnen, weil ein Grundsatz einer parlamentarischen Debatte ist, dass, wenn ich etwas sage, ich mir auch die Gegenpositionen anhöre – denn das ist eine Debatte. Hier herauszukommen, seine Meinung zu sagen, nicht hören zu wollen, was die anderen sagen (Bundesrat Spanring: Weißt du, was er macht?), das zu ignorieren und einfach hinauszugehen, das ist keine parlamentarische Debatte (Bundesrat Spanring: Kollege, weißt du, was er macht?), das ist eine Unkultur. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Spanring: Weißt du, was er macht?) – Was macht er denn? (Bundesrat Spanring: Ja? – Ruf: Was macht er? – Heiterkeit. – Bundesrat Spanring: Redet nachher mit ihm, ..., aber so etwas zu behaupten, ist einfach wirklich ...!) – Na ja, er ist ja hinausgegangen! Ich habe ja gesehen, dass er hinausgegangen ist. (Bundesrat Spanring: Er hat vielleicht auch einen Grund dafür gehabt, nicht? Aber das ... gibt, gell? Ihr Gutmenschen, ihr!)

Ich darf an Folgendes erinnern, meine Damen und Herren: 2018 wurde in Österreich zum ersten Mal überhaupt über die Aberkennung von Ehrenzeichen diskutiert – und ein Aberkennen von Ehrenzeichen ist übrigens kein Ändern der Geschichte, sondern behandelt nur die Frage, ob man jemanden ehrt oder ob man ihn nicht ehrt. – Das ist die Kernfrage.

Helmut Konrad und viele andere Zeithistoriker und -historikerinnen richteten im Juli 2018 und dann erneut im Juli 2020 eine entsprechende Petition an die Bundesregierung sowie an den Bundespräsidenten, und jetzt, im Oktober bezie­hungsweise hier im Bundesrat im November 2023, wird diese Aberkennung von Ehrenzeichen ermöglicht.

Warum wird sie ermöglicht? – Wir haben gerade beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt eine einstimmige Allparteienidee diskutiert, dass wir Antisemitismus ablehnen. Wenn wir Antisemitismus ablehnen, aber die Ehrenzeichen für Menschen, die diesen Antisemitismus in ganz besonders brutaler Art und Weise hervorgebracht haben, nicht ablehnen, dann wäre das ja unlogisch.

Sehr oft hat es eine Kontinuität gegeben, und auch darüber müssen wir sprechen, sonst wäre das nicht komplett. Sehr oft hat es eine Kontinuität gegeben, dass Karrieren innerhalb des Nationalsozialismus dann in Republiks­karrieren übergegangen sind, und zwar nahtlos. Hans Globke – um den geht es da – war geradezu ein Musterbeispiel für eine solche nahtlose Karriere.

Globke war ja sogar schon in der Weimarer Republik, also noch vor dem Nationalsozialismus, berüchtigt, weil er damals schon im Parlament antijüdische Gesetze vorgeschlagen hat. An den Rassengesetzgebungen der Nazizeit war er beteiligt, er war Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, und er war verantwortlicher Ministerialbeamter für die Namensänderungs­verordnung 1938 in Deutschland, durch die Juden und Jüdinnen als solche erkennbar gemacht und stigmatisiert wurden, indem sie verpflichtet wurden, Vornamen zu tragen, die sie ganz klar als Juden und Jüdinnen definierten. In der Adenauer-Zeit nach dem Krieg hat er dann wieder eine Karriere auf höchster Ebene gestartet. Während viele ausländische Dienste und Politiker und Politikerinnen Adenauer darauf hingewiesen haben, dass Globke eine Naziver­gangenheit hatte, wurde diese in der BRD gerne einfach verschwiegen. Auch Österreich hat sich dafür nicht besonders interessiert und ihn dann 1956 mit dem Großen goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. (Vizepräsidentin Göll übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind einfach der Meinung, dass grundsätzlich nur an diejenigen verliehen werden soll, von denen man vermuten darf, dass man es ihnen nicht nachträglich wieder aberkennen muss. Das ist ja wohl klar. Es gab aber diese nahtlosen Karrieren, über die wir heute natürlich anders sprechen als 1956. Das ist ja keine Frage, dass wir heute anders darüber sprechen, aber auch nicht leichtfertig damit umgehen wollen. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, das zu sagen.

Es ist übrigens nicht das erste Mal. Es gab bereits Heinrich Gross – viele können sich vielleicht noch erinnern –, einen österreichischen Arzt, der als Stationsleiter der Reichsauschussabteilung an der Wiener Euthanasieklinik Am Spiegelgrund behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und auch an der Ermordung von Menschen mit Behinderungen beteiligt war. Später in der Republik setzte er seine Karriere als Psychiater und Gerichtsgutachter nahtlos fort. Das war auch so ein Fall, und siehe da, auch damals haben wir eigentlich einen ganz guten, vielleicht ein bisschen pragmatischen Weg gefunden, indem der Ministerrat damals gesagt hat, wir erkennen ihm Ehrenzeichen ab. Ich finde es aber sehr richtig, dass wir jetzt eine Gesetzesgrundlage dafür schaffen, und das wird hoffentlich nur sehr, sehr selten zur Anwendung kommen müssen.

Meine Damen und Herren! Wir haben im vorherigen Tagesordnungspunkt über den Kampf gegen Antisemitismus gesprochen. Wer das ernst nimmt, muss auch sagen: Menschen, die Rassengesetze geschrieben haben, kann man nachher nicht noch ein Ehrenzeichen zuerkennen. Das geht einfach nicht.

Ich möchte mich ausdrücklich bei den Sozialdemokraten und bei den NEOS bedanken, die da auch ganz stark agiert haben, damit dieses Gesetz in Kraft treten kann. Ich finde es wichtig, dass das auch hier deponiert und gesagt wird, denn darum geht es: Es geht um ganz wichtige Sachen in der Republik. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

15.03

Vizepräsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte.