17.28

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste im Haus sowie geschätzte Zuseher:innen vor den Bildschirmen zu Hause! Ja, Schulen sind nicht nur Bildungsräume, nicht nur Lernräume, sondern Schulen sind auch ganz wichtige Sozialräume, in denen Kinder und Jugendliche natürlich, wie wir wissen, sehr, sehr viel Zeit ihres Lebens verbringen, wobei sie da ganz besonders wichtige Phasen ihres Lebens durchlaufen.

Das heißt: Schulen sind von immenser Bedeutung für die gesamte persönliche Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. In diesem Sinne ist es aus meiner Sicht ganz zentral, dass Kinder und Jugendliche auch und insbesondere in der Schule ein möglichst förderliches Umfeld vorfinden, in dem sie sich bestmöglich entwickeln können. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass sie vor Gewalt geschützt werden, egal in welcher Ausprägung diese auftreten kann, egal ob in Form psychischer Gewalt, physischer Gewalt oder gar sexualisierter Gewalt. Es geht aber auch darum, möglichen Machtmissbrauch in diesem Bereich hintanzuhalten.

Daher sehen es natürlich auch wir als Sozialdemokraten durchaus positiv, dass dem Thema Kinderschutz jetzt auch im Schulbereich entsprechende Bedeutung beigemessen wird. Insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Tag der Kinderrechte, der, wie wir wissen, am 20. November stattfinden wird, ist das ein besonders positives Signal.

Es geht dabei darum, die unterschiedlichen Gefährdungslagen und Gewalt­situationen, die durchaus vorkommen, zu erkennen und vor allen Dingen auch zu verhindern – Stichwort Umgang mit Aggressionen in den unterschiedlichsten Ausprägungen; Stichwort Mobbing, Cybermobbing, ist teilweise auch leider immer wieder an der Tagesordnung; Stichwort Happy Slapping; Stichwort Rassismus, Sexismus und so weiter und so fort.

Es geht also um Gewaltsituationen, die unter den Schülern selbst stattfinden. Es geht aber auch um das Erkennen von Gewaltsituationen beispielsweise im häuslichen Umfeld, um das Erkennen und Verhindern von Machtmissbrauch in unterschiedlichsten Ausprägungen. Es geht aber auch – und das ist aus meiner Sicht ein ganz besonders wichtiger Aspekt – schon im Vorfeld um entsprechende Beratung, um Prävention, auch um eine Sensibilisierung, ganz besonders der Lehrkräfte, und auch um Aufklärung aller am Schulleben beteiligten Personen. Dazu gehören natürlich nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch alle sonstigen im Dienst befindlichen Personen.

Wie soll nun dieser Kinderschutz im Schulbereich konkret ausschauen? – Wir haben es soeben schon gehört. Es gehören laut dem Gesetzentwurf unter­schiedliche Maßnahmen dazu. Da geht es zum einen um einen Verhaltenskodex für alle am Schulleben Beteiligten, das heißt um die Frage: Wie verhält man sich am besten in unterschiedlichsten Situationen? Es geht um eine Risikoanalyse; das betrifft zum Beispiel auch die räumliche Situation im Schulhaus und im Schulareal. Das heißt, das Schulareal muss dahin gehend zuerst einmal analysiert werden: Wo gibt es schwer einsichtige Räume, womöglich schlecht beleuchtete Ecken oder Winkel, wo man ein bissel genauer hinschauen muss? Wo gibt es vielleicht Situationen, in denen Kinder unbeaufsichtigt sind, seien es auch nur ein paar Minuten? Wie schaut es aus mit Situationen in Eins-zu-eins-Betreuung, worauf man auch ganz besonders ein Auge haben muss? Wie sieht es zum Beispiel mit den Ein- und Ausgängen aus, wer kann wie und wann das Schulhaus betreten, womöglich auch noch ungesehen? All das gehört zu dieser Risiko­analyse dazu.

Wir haben auch schon gehört, die Taskforce, Kinderschutzteams sollen eingerichtet werden, ganz besonders auch – das hat uns der Experte im Ausschuss bestätigt – unter Berücksichtigung von Expertinnen und Experten von außen, die einen entsprechenden Außenblick gewährleisten sollen.

Dann braucht es natürlich auch ganz spezielle Regelungen und Vereinbarungen bei unterschiedlichsten Gefährdungssituationen mit entsprechenden Maßnahmenkatalogen, die festlegen, wie wann konkret zu handeln ist. Das kann von Abmahnungen bis hin zu Betretungsverboten gehen.

Das heißt, wir begrüßen natürlich jede Form der Initiative, die zum Kinderschutz und zur Umsetzung der Kinderrechte beitragen kann, und daher stimmen wir auch ganz klar diesem Gesetz heute zu. Dazu stehen wir auch voll und ganz. Ich muss aber trotzdem noch den einen oder anderen Kritikpunkt anbringen.

Zum einen – und das haben wir heute an anderer Stelle auch schon ange­sprochen – gibt es Schulstandorte, an denen nach wie vor und vor allen Dingen dauerhaft mehrere Lehrpersonen fehlen, und die Kolleg:innen im Team müssen diesen Mangel dann mit vielen, vielen Mehrstunden ausgleichen. Gleichzeitig sind die Herausforderungen in dieser wirklich krisenhaften Zeit übermäßig hoch, möchte ich schon sagen, aufgrund der aktuellen emotionalen und psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche. Wir reden da von Existenzängsten, Angstzuständen ganz generell, von Ängsten im Zusammenhang mit der Klima­krise und jetzt den Kriegssituationen, die wir leider derzeit vielfach haben, und von vielem anderen mehr. All das beschäftigt, verunsichert viele Schülerinnen und Schüler und verursacht dementsprechend auch einen zusätzlichen Mehr­aufwand für die Lehrkräfte im Dienst.

Wir müssen auch nach wie vor sagen, es gibt viel zu wenige Schulsozial­arbeiter:innen. Ja, ich weiß, das Budget dafür wurde aufgestockt, aber nach wie vor ist von einem wirklich guten Einsatz nicht die Rede, weil immer noch zu wenige da sind. An meiner Schule beispielsweise habe ich eine Schulsozial­arbeiterin für 3 Stunden in der Woche, und ich könnte sie aufgrund des großen Aufwands wahrscheinlich voll beschäftigen. Wir haben viel zu lange Wartezeiten im Bereich der Schulpsychologie, und vom Übermaß an administrativen Tätigkeiten, die zu erledigen sind, brauche ich, glaube ich, gar nicht zu sprechen. Auch das hatten wir heute schon. Die Lehrkräfte sind in Wahrheit permanent durch Aufgaben weit abseits ihrer eigentlichen Tätigkeit, nämlich der Wissens- und Kompetenzvermittlung, gefordert. Das heißt, die Belastung für die Lehrkräfte ist ganz enorm, und aus meiner Sicht ist eine wirkliche Entlastung, eine wesentliche Entlastung, die es bräuchte, nicht in Sicht.

Wir aufseiten der Sozialdemokratie befürchten, dass durch diese geforderten Maßnahmen, die wichtig und richtig sind – darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren –, schon auch eine gewisse zusätzliche Belastung entstehen kann. Daher sollten aus meiner Sicht jene Lehrkräfte, die sich da ganz besonders einbringen – im Kinderschutzteam, beim Erstellen der Risikoanalysen, der Schutzkonzepte und bei all dem, was wir gerade genannt haben –, zumindest die Abschlagstunden dafür geltend machen können, damit dieser Mehraufwand auch ein bisschen honoriert und goutiert wird.

Zum anderen, muss man sagen, wird meine Kritik auch noch durch einen weiteren Aspekt verstärkt. Nach wie vor müssen wir nämlich kritisieren, dass es auch da keine zusätzlichen Mittel geben wird. Es wird aber Mittel seitens des Ministeriums geben müssen, nämlich besonders was die Aus- und Weiterbildung anbelangt, denn es ist ganz klar: Die Lehrkräfte brauchen eine entsprechende Aus- und Weiterbildung auch im Bereich des Kinderschutzes, der Gewaltpräven­tion. Da braucht es ganz viel Feingefühl, auch was die Sensibilisierung der Lehrkräfte betrifft, und da braucht es einfach viel, viel mehr Budget, ganz besonders dann, wenn, wie das Ministerium betont, auch externe Expertinnen und Experten ins Boot geholt werden sollen. Egal ob das dann Vorträge, Workshops, Schilfs oder sonstige Angebote sind, die gibt es selten kostenfrei. Daher wird es einfach ohne zusätzliches Budget, ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht gehen – und, nebenbei gesagt, das sagen nicht nur wir Sozialdemokrat:innen, sondern das sagen viele andere Einrichtungen auch. Das sagt sogar der Katholische Familienverband, das sagen auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften und viele andere mehr. Also da würden wir uns schon eine gewisse Aufstockung wünschen, damit die Umsetzung dann auch wirklich ordentlich gelingen kann.

Ich persönlich würde mir auch noch, und das sehe ich als ganz zentral, ent­sprechende Leitfäden für die Umsetzung an den einzelnen Standorten wünschen, das heißt, dass man die Schulen damit nicht gänzlich alleine lässt und sozusagen alleine vor sich hin wurschteln lässt. Es muss auch das Rad nicht immer neu erfunden werden. Ich denke, wenn es da entsprechende Leitfäden gäbe, an denen sich die Schulen orientieren könnten, würde das in vielen Fällen sicher Erleichterung schaffen.

Eines, was mir in Bildungsdiskussionen, in Schuldiskussionen auch immer wieder fehlt, ist ein ganz wichtiges Thema: das Thema Supervision. Die Lehrkräfte sind mit dermaßen vielen Herausforderungen, auch was die psychischen, psychosozialen Problematiken der Jugendlichen betrifft, konfrontiert, sodass es ohne Supervision in Wahrheit über kurz oder lang nicht mehr gehen wird. Daher braucht es auch dahin gehend zusätzliche Ressourcen, zusätzliche Angebote, gerade natürlich auch im Sinne einer Resilienz der Lehrkräfte, die ganz immens wichtig ist.

Alles in allem kurz zusammengefasst: Ja, wir stimmen zu. Wir sehen das genauso als wichtig und richtig wie vermutlich alle Fraktionen heute im Haus, dennoch müssen wir Kritik anbringen. Mein Wunsch ist es, dass da noch einmal nach­ge­arbeitet und nachgeschärft wird, weil es im Sinne der Kinder und Jugendlichen in den Schulen ganz, ganz wichtig wäre. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klemens Kofler. Ich erteile ihm dieses.