19.36

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und vor den Bildschirmen! Entgegen meiner Vorrednerin, die natürlich ganz viele wichtige Fakten zu diesem Thema angesprochen und auch erläutert hat, möchte ich mich hier in dieser Debatte sozusagen als Praktikerin zu Wort melden. (Bundesrat Schennach: Ihr seid ja in einer Koalition!) – Wir sind in einer Koalition, das stimmt, Herr Kollege Schennach, und ich habe das auch alles für korrekt befunden, was Frau Kollegin Claudia Hauschildt-Buschberger gesagt hat. (Bundesrätin Hauschildt-Buschberger: Wir reden ja nicht gegeneinander!)

Zu Beginn ist es mir wichtig, zu sagen, dass die Entdeckung des Penicillins ein Meilenstein in der Medizingeschichte war und ist. Der Einsatz von Antibiotika in der Human- sowie in der Veterinärmedizin ist bei lebensbedrohlichen Krankheiten von ungeheurer Bedeutung.

Aus Erfahrung weiß ich als Landwirtin nur zu gut, welche Krankheiten in Tierbeständen, auch wenn die Tiere nach biologischen oder Tierwohlkriterien gehalten werden, auftreten können wie zum Beispiel Lungenerkrankungen. Da ist die Zeit jetzt im Herbst wieder besonders gefährlich: kalte, feuchte Luft besonders in Offenfrontstallungen. Der Wetterwechsel wirkt sich da wirklich oft sehr negativ aus: Stoffwechselerkrankungen, Durchfälle zum Beispiel auch bei Futterumstellungen, wenn die Tiere von der Weide wieder hereinkommen, wenn auf Silage umgestellt wird. Das sind sehr viele oft negative Einflüsse, die die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen, ebenso Verletzungen oder Krankheiten rund um die Geburt.

Das alles sind für die Tierhalter kritische und für das Tier auch gefährliche Situationen, in denen dem Tier wirklich schnell und kontrolliert geholfen werden muss, um das Leiden nicht unnötig zu verlängern.

Ich habe es auch schon im Ausschuss erwähnt: Die österreichische Land­wirtschaft hat eine sehr progressive Haltung zum Antibiotikaeinsatz. Es ist den Bäuerinnen und Bauern nicht nur aus wirtschaftlicher Hinsicht enorm wichtig, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren, sondern auch aus ethischen Gesichtspunkten.

Ich zum Beispiel bevorzuge in meinem Betrieb in der medizinischen Betreuung meiner Tiere einen naturwissenschaftlichen Ansatz und setze seit beinahe 20 Jahren Homöopathie in der Prävention sehr erfolgreich ein. Ich habe in der Tierhaltung – wir haben Rinder und Schweine – den Antibiotikaeinsatz beinahe auf null reduzieren können. Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Aspekt, sondern ich unterstütze mit diesen Maßnahmen auch das Tierwohl. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)

Meine Erfahrungen haben nämlich gezeigt, dass homöopathische Arzneimittel nebenwirkungsfrei und rückstandslos sind, und sie stärken vor allem das Tier und die Bestände auf sanfte und nachhaltige Weise. Für viele Tierhalter und Tierärztinnen – im besonderen Tierärztinnen; ich habe Betreuungstier­ärztinnen – ist es eine interessante Alternative geworden.

Nun aber wieder zurück zum Tierarzneimittelgesetz: Die Landwirtschaft in Österreich ist, was den Einsatz von Antibiotika betrifft, auf einem guten Weg – Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat das gut zusammengefasst –, und im Europavergleich liegt Österreich im besten Drittel.

Das heißt, der Verbrauch von Antibiotika in der Nutztierhaltung ist ausgehend vom Jahr 2018, also von vor fünf Jahren, bis zum letzten Jahr 2022 von 47 Tonnen auf 34 Tonnen gesunken, und allein im letzten Jahr konnten im Vergleich zum Jahr davor 12 Prozent Antibiotika in der Behandlung eingespart werden. Dem liegt natürlich auch zugrunde, dass wir in Österreich einen hohen Anteil an Biobetrieben haben, also auch in diesem Bereich sind wir Vorreiter. (Bundesrat Steiner: Rückläufig!) – Nein, nein, Herr Kollege! (Bundesrat Steiner: Na, na, rückläufig ...!) – Nein, Herr Kollege! Sie können sich nachher gerne zu Wort melden. Es gibt eine hohe Zahl an Tierwohlstellen auf Stroh, auf Weide, Auslauf, also Haltungsbedingungen, die einerseits auf hohem Niveau der gesetzlichen Grundlagen basieren, andererseits gibt es viele Qualitätsprogramme in der Tierhaltung, die bereits ein hohes Maß an Tierwohl und damit einhergehend gesunde Tierbestände sichern.

Wo liegen also die Herausforderungen für die Zukunft? – Wie schon erwähnt, in den Antibiotikaresistenzen. Bei sogenannten multiresistenten Keimen – die gibt es auch in der Humanmedizin, aber auch in der Veterinärmedizin – sind Behandlungen mit Antibiotika erfolglos und können somit Leben kosten. Ein Grund dafür ist auch, dass Antibiotika zu häufig eingesetzt werden, nicht nur in der Tierhaltung, auch in der Humanmedizin, viel zu schnell, viel zu oft, und zwar bei Viruserkrankungen, Entzündungen und Erkrankungen der oberen Atemwege, obwohl wir wissen, dass Antibiotika da wirkungslos sind, zu häufig auch präventiv, in der Hoffnung, gegen weitere Erkrankungen abgesichert zu sein.

Hier an dieser Stelle möchte ich auch noch an Folgendes erinnert haben: Oft muss sich die Landwirtschaft der Kritik aussetzen, dass Antibiotika als Leistungs- und Wachstumsförderer in der Nutztierhaltung eingesetzt werden. Das stimmt nicht! Seit 2006 ist das in der EU bereits verboten; und ich habe recherchiert: Vorarlberg hat das bereits 1999 in der Fütterung verboten und ist da Vorreiter.

Sorge bereitet uns auch oder sollte uns bereiten, dass zu wenig nach neuen Antibiotika geforscht wird, die dann sozusagen als wirksame Reserveantibiotika zurückgehalten werden. Grund dafür ist ein sogenanntes Marktversagen. Was ist das? – Pharmakonzerne fokussieren sich auf die Steigerung der Aktionärswerte und das hat zur Folge, dass die finanziell aufwendige Vorausentwicklung – die Forschung, Entwicklung, all die Genehmigungsverfahren, auch die Produktion – von fast allen großen Pharmakonzernen wegen mangelnder Gewinnaussichten eingestellt wurde. Das sind Auswirkungen einer Gewinnmaximierung, die meiner Meinung nach sehr bedenklich sind, und da sollte die Pharmaindustrie in die Pflicht genommen werden.

Zusammengefasst: Was ist mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz gelungen? – Wir haben den geregelten Verbrauch, kontrollierten Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung für Tierärzte und Landwirte festgelegt. Auf Basis des EU-Rechts ist die Rechtssicherheit für Tierhalter und Anwender wieder gegeben. Und ganz wichtig: Wir können das Vertrauen der Konsumenten und Konsumen­tinnen in Österreich in die Landwirtschaft und vor allem in die heimischen Lebensmittel weiter stärken.

Ich möchte abschließend noch Ihnen Danke sagen, Herr Bundesminister Rauch, und auch Herrn Bundesminister Totschnig für die gute Zusammenarbeit. Ein Dank auch an die Tierärztekammer und den bäuerlichen Verbänden, die im Vorfeld gemeinsam für die bäuerlichen Betriebe praxistaugliche Lösungen ausverhandelt haben!

Es ist mir ein besonderes Anliegen von hier aus auch den Tierärztinnen und Tierärzten, die für uns Tierhalter am Land in den Praxen arbeiten und 24/7 bereitstehen, wenn auch einmal in der Nacht ein Einsatz notwendig oder lebens­rettend wird, Danke zu sagen. Es ist auch nicht immer leicht, vor allem, weil auch bei den Tierärzten ein Ärztemangel spürbar ist und die Arbeit gerade in Großtierpraxen sehr fordernd ist. Ein großer Dank gilt aber vor allem unseren Bäuerinnen und Bauern, die sich mit großem Einsatz 365 Tage im Jahr, Tag und Nacht, um das Wohl und vor allem um die Gesundheit ihrer Tiere kümmern. Das ist nicht immer ganz so leicht und vor allem nicht selbstverständlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In diesem Sinne ersuche ich um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.44

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters ist Frau Bundesrätin Bettina Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte.