19.54

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich wollte jetzt nicht hier heraus­kommen, weil ich Frau Kollegin Miesenberger gratulieren wollte, aber das tue ich auch. Ich finde das sensationell. Man soll auch einmal loben, nicht immer nur schimpfen. Wenn Sie auf Ihrem Hof, in Ihrer Viehwirtschaft bei den Antibiotika nahezu bei null sind, dann sind Sie sicher ein Leitbetrieb, also sensationell, wenn Sie das so durchziehen und das schon seit 20 Jahren. Da waren Sie definitiv Vordenkerin – dazu herzlichen Glückwunsch.

Wir sehen es natürlich ähnlich oder gleich, was den Einsatz von Antibiotika betrifft. Der ist in unserer heimischen Landwirtschaft die letzten Jahre eh schon, muss man sagen – Herr Minister, Sie wissen das ja selber –, um 75 Prozent zurückgegangen. Das ist einmal begrüßenswert. Österreich ist da in der Landwirtschaft auch schon vor diesem Gesetzesbeschluss und vor der Anpas­sung, die wir jetzt von Brüssel her machen müssen, Vorreiter gewesen. Wir waren nie hoch oder nie massiv hoch im Antibiotikaeinsatz. Da sind andere Länder aufgrund der Struktur und auch aufgrund der Größe der Viehbetriebe ganz woanders, in ganz anderen Sphären, was den Antibiotikaeinsatz betrifft.

Was wir jetzt aber schon ansprechen müssen, und darüber hat leider niemand geredet, weswegen ich mich auch zum Schluss gemeldet habe, weil ich mir gedacht habe, vielleicht sagt es jemand, dann würde sich das bei mir erübrigen: Es ist überbordend, Herr Minister. Es ist nicht überbordend, was den Mitteleinsatz betrifft, aber es ist Gold Plating, könnten wir sagen – ein englisches Wort für: zu viel an Auflagen.

Es gibt jetzt nämlich – und wenn man das nach außen erzählt, wird sich Frau und Herr Österreicher denken, wie es denn so etwas gibt – eine Dokumentations­pflicht. Es muss der Apotheker oder wer auch immer dokumentieren, wenn Augentropfen fürs Meerschweindl oder so etwas in die Apotheke kommen. Wenn sie dann verkauft oder ausgegeben werden, wird es nicht mehr doku­mentiert. Das eine widerspricht also einmal schon dem anderen.

Uns erschließt sich auch nicht, was Ihnen da eingefallen ist, dass jetzt die persönlichen Daten, wenn ein Hundebesitzer kommt und ein Flohmittel oder irgendetwas braucht, wenn jemand irgendetwas für seinen Wellensittich braucht, an den jeweiligen Landeshauptmann und an den Gesundheitsminister geschickt werden. Der Sinn dieser Geschichte erschließt sich mir überhaupt nicht.

Mit dem Gesetz wird es aber leider – dazu muss man schon auch noch etwas sagen, das hat leider niemand angesprochen – für den Landwirt, aber auch für den Veterinär und auch für den Apotheker bürokratischer. Wer nicht Vollzeit Landwirt ist, wird wissen, dass die Zeit knapp bemessen ist. Wenn man neben der Landwirtschaft noch arbeiten muss und dann noch mehr Bürokratie ausgesetzt ist, trägt das sicher dazu bei, dass dem einen oder anderen Landwirt in Österreich, der vielleicht schon am Überlegen war, ob er das überhaupt aufgibt, diese Entscheidung leichter fällt. Somit trägt diese Änderung – hoffent­lich nicht in großen Teilen, aber in einem gewissen Bereich – zum Bauernsterben bei.

Dazu noch ein paar Zahlen, die ich mir gerade herausgesucht habe: 1985 gab es 2,65 Millionen Rinder in Österreich und heute sind es 1,86 Millionen. Das sind um 800 000 weniger. 1985 gab es 3,7 Millionen Schweine in Österreich und heute sind es 2,8 Millionen. Das ist ein Rückgang von rund einer Million. Jetzt gibt es ein schärferes Gesetz beim Einsatz von Antibiotika, obwohl dieser, wie ich vorhin erwähnt habe, eh schon um knapp 70 Prozent zurückgegangen ist.

Was wir aber bei dieser Gesetzesnovelle wieder nicht betrachten – das sollte man schon immer mitbedenken, wenn man so etwas macht und so ein Gesetz verabschiedet –: Wir in Österreich haben super gute Standards. Das Ziel ist jetzt, mit dem Antibiotikaeinsatz noch weiter runterzufahren. Beim Importgeschichtl aber ist es völlig wurscht, da ist es egal, da beißt sich dann die Katze in den Schwanz. Wenn wir in Österreich die schärfsten Regeln aller schärfsten Regeln haben, es aber dann beim Import völlig egal ist, wie viel Antibiotika in dem Fleischstück drinnen sind (Ruf bei der SPÖ: Kennzeichnungspflicht!): Das kann es doch nicht sein! Da muss man sich als Land hinstellen und sagen: Wenn du zu uns importieren willst, dann hast du diese und jene Regeln zu beachten und zu befolgen, sonst kannst du nicht importieren! – Ganz einfach. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir aber diese Politik so weitermachen, sind wir natürlich nicht selbsterhaltungsfähig. Das ist mir schon bewusst. Wie ich vorhin gesagt habe: Bauernsterben und so weiter. Wir erhalten uns ja leider nicht selber. Es gab 1995 in Österreich 195 000 Landwirte und heute sind es unter 109 000. Seit 2010 hat jeder neunte Landwirt zugesperrt. Die gibt es nicht mehr. Das ist auch nicht mehr wiederbringbar, also das ist erledigt.

Frau Miesenberger, ganz aktuell: Irgendwann im Juni oder so haben die „Oberösterreichischen Nachrichten“ den Bericht der AMA veröffentlicht – Sie haben gesagt, das stimmt nicht, aber schauen Sie nach, das ist in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ –: Die Zahl der Biobetriebe sank bundes­weit um 579 auf lediglich noch 22 000 Biobetriebe in Österreich. Also auch das ist rückläufig – leider, leider Gottes. (Bundesrätin Miesenberger: Aber ein hohes Niveau ...!) So, das muss man ganz ehrlich sagen, werden wir halt die Autarkie und die Selbsterhaltungsfähigkeit, die Eigenversorgung Österreichs nicht sicherstellen. Das muss man ganz ehrlich sagen.

Und wo kommt das Ganze her? – Herr Minister, da nehme ich Sie jetzt ein wenig aus der Pflicht, denn: Wenn wir so weitermachen – den Spruch kennt ihr –, helfen nur Alkohol oder Psychopharmaka. In diesem Fall hilft etwas anderes, denn ein ÖVP-Landwirt hat – in derselben Zeitung – den Spruch geprägt und gesagt: „Wir sind näher dran am Ende der“ heimisch-kleinstrukturierten „Land­wirtschaft, als wir denken, wenn es so weitergeht.“ Und da hat er völlig recht. Also das ist ein ÖVP-Bauernbundmitglied – steht zumindest in der Zeitung –, er hat den Satz geprägt, und der Satz stimmt auch.

Wenn wir so weitermachen, sind wir schneller am Ende der heimisch-kleinstrukturierten Landwirtschaft, als wir denken. Da hat jetzt nicht der Minister allein die Schuld; das Gesetz fällt jetzt quasi in seinen Bereich, aber in Österreich gibt es ein Landwirtschaftsministerium, das – zumindest einmal seit ich denken kann, aber weit darüber hinaus – seit Langem in den Händen der ÖVP ist. Wir haben einen Landwirtschaftsminister, den in Österreich wahrschein­lich nicht einmal die Bauern kennen, geschweige denn der normale Bürger. Ich habe es eh schon einmal gesagt: Es gibt zwei Totschnig in Österreich; der eine war ein guter Radlfahrer und der andere ist Minister.

Man muss es in Erinnerung rufen, ich mache das gerne: Liebe Bevölkerung, liebe Landwirte in Österreich, es gibt einen Landwirtschaftsminister, auch wenn man ihn nicht kennt, weil er natürlich nichts macht, das ist der Herr Totschnig. Melden Sie sich bei ihm! Er wäre eigentlich dafür zuständig, dass das einmal aufhört, dass dem Bauernsterben endlich einmal ein Riegel vorgeschoben wird.

Was mich so aufregt, Frau Kollegin Miesenberger: Sie haben da heraußen geredet, und das kann wahrscheinlich jeder Landwirt sofort unterschreiben. Das kann die FPÖ unterschreiben, das kann die SPÖ unterschreiben, das passt alles. Alles gut! (Ruf bei der SPÖ: Aber?) Aber das Problem ist, dass ihr immer nur über Dinge redet, den Bauern, den Landwirten etwas versprecht und ganz das Gegenteil macht. Das hat jetzt 70 Jahre lang funktioniert, Frau Kollegin Miesenberger, aber ich sage Ihnen, bei der nächsten Nationalratswahl werden die Landwirte in Österreich euch und eurem Bauernbund mit Sicherheit ein blaues Wunder verpassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Situation allgemein: Was macht ihr? – Ihr redet ja immer von den kleinen Bauern, von den großen redet ihr ja nie. Was aber macht der Bauernbund? Was macht die Landwirtschaftskammer? Was macht die Raiffeisenkasse? Was macht die ÖVP-Politik? (Eine Mitarbeiterin der Parlamentsdirektion spricht mit Vorsit­zender Vizepräsidentin Göll.) – Ich habe so lange, wie ich will, Frau Bundesrats­direktorin, das brauchen Sie der Frau Präsidentin nicht zu erklären, wie lange der Christoph Steiner Redezeit hat. (Bundesrat Schennach: Herr Minister Totschnig wäre auch schon draußen!) Ich glaube, Sie kennen die Geschäfts­ordnung des Bundesrates länger als ich, und ich rede da, so lange ich will; und nicht: 2 Minuten hat er noch!, nur damit wir das auch geklärt haben. (Bundesrat Schennach: Sollen wir ihn hereinholen?)

Man muss ganz ehrlich sagen: Ihr habt einfach in den letzten 70 Jahren – oder lassen wir es 65 sein, aber es sind wahrscheinlich eh über 70 – kläglich versagt, denn sonst wären wir ja nicht da, wo wir sind, sonst würde sich ja auch der ÖVP-Bauernbündler nicht hinstellen und diesen Spruch prägen, mit dem er völlig recht hat, der auch unwidersprochen so hingenommen werden muss, weil es halt so ist.

Aber wieso sind wir da, wo wir sind? – Es ist leider Gottes – und das könnt ihr jetzt wahrscheinlich auch nicht verneinen – die Verflechtung der ÖVP mit dem Bauernbund, mit der Raiffeisen, mit der Landwirtschaftskammer das Problem. Da haben es sich ein paar in den gewissen Bereichen gemütlich gemacht, setzen sich da rein und machen drinnen (den Daumen seiner rechten Hand abwechselnd nach oben und nach unten drehend) so oder so. Da können wir, Frau Kollegin Miesenberger, da herinnen reden, was wir wollen, das ist völlig uninteressant, solange draußen in dem System ÖVP, in dem ganzen Klüngel ÖVP, das Problem nicht gelöst ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Wie wird es gelöst? – Das ist quasi – wie soll man sagen? – wie ein gordischer Knoten. Könnt ihr euch erinnern: Alexander der Große ist hergegangen und hat den Gordischen Knoten durchschlagen – und das werden die Landwirte gemeinsam mit den Österreichern spätestens nächstes Jahr im Herbst machen. Da haben wir Nationalratswahl und dann wird der gordische Knoten ÖVP ein für alle Mal gelöst sein. (Bundesrätin Platzer: Oder auch nicht!) – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.04

Vizepräsidentin Margit Göll: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Tiefnig hebt die Hand.) – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt aber der Bauernbund ...!)