9.09

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten eindreiviertel Jahren wurde uns ganz klar vor Augen geführt, dass der sicherheitspolitische Kurs Österreichs der letzten Jahre völlig neu gedacht werden muss.

Der Krieg in der Ukraine zeigt uns eines deutlich: Wer die Lufthoheit beherrscht, wer dem Gefecht der verbundenen Waffen Rechnung trägt, hat einen wesentlichen Vorteil in der militärischen Auseinandersetzung. Gerade eine leistungsstarke bodengebundene Luftverteidigung reduziert die Einsatzmöglichkeiten von Drohnen, Marschflugkörpern, ballistischen Raketen, Kampfflugzeugen et cetera.

Ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine wurde im vergangenen Jahr im Parlament das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz beschlossen. Darüber hinaus wird ja auf Basis der Initiative der SPÖ und eines Entschließungsantrages der SPÖ von Februar dieses Jahres eine neue Sicherheitsstrategie von der Regierung erarbeitet, in der für uns die Neutralität im Mittelpunkt stehen muss. – So weit, so gut.

Dann aber erfuhren wir Bereichssprecher für Landesverteidigung von dem geplanten Beitritt zum europäischen Luftraumüberwachungssystem Sky Shield. Wieder nur über die Medien erfuhren wir, dass Sie, Frau Ministerin, ganz heimlich, still und leise eine Absichtserklärung und eine Zusatzerklärung mehr oder minder unterzeichnet haben.

Frau Ministerin, ich muss mich da schon fragen: Welches Verständnis von Demokratie haben Sie eigentlich, wenn Sie das Parlament bei diesen wichtigen Entscheidungen in keinster Weise mit einbinden? (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ja unbestritten, dass die österreichische Bevölkerung vor Bedrohungen aus der Luft geschützt werden muss. Dies muss aber zum einen mit der Neutralität vereinbar sein, und zum anderen muss der Beschaffungsvorgang auf transparenten, rechtsstaatlichen Abläufen basieren – und nicht im Hinterkammerl Ihres Ministeriums geschehen. Daher gehört der Landesverteidigungsausschuss zuerst bei jedem Schritt mit einbezogen. Frau Ministerin, Ihre Vorgangsweise, Ihre Intransparenz ist absolut nicht in Ordnung und auf das Schärfste zu verurteilen!

Dazu kommt noch, dass Herr Nationalratspräsident Sobotka eine öffentliche Informationsveranstaltung zu Sky Shield abhält und das Ganze zufällig zwei Tage vor der Aktuellen Stunde hier. Ich war circa für 1 Stunde bei dieser Veranstaltung. Ja, sie war schon sehr interessant, aber wissen Sie, Frau Ministerin: Hätten Sie nur einen Funken Respekt für dieses Haus, dann hätten Sie den Landesverteidigungsausschuss schon im Vorfeld vollinhaltlich darüber informiert und hätten dem Landesverteidigungsausschuss Rede und Antwort gestanden. (Beifall bei der SPÖ.)

Der von mir sehr geschätzte Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Obwexer kam ja bei der Sobotka-Propagandaveranstaltung in seiner Beurteilung zum Schluss – und das, sehr geehrte Damen und Herren, basierend auf Annahmen –, dass ein Beitritt zu Sky Shield mit unserer immerwährenden Neutralität vereinbar wäre. (Ruf bei der ÖVP: Ja!)

Weshalb basierend auf Annahmen? – Offiziell gibt es bisher lediglich eine Absichtserklärung und eben eine Zusatzerklärung. Bis heute gibt es keine umfassende Information an die Parlamentarier:innen im Rahmen des Landesverteidigungsausschusses, wie wir es bereits mehrmals gefordert haben. Es braucht endlich einen ordentlichen parlamentarischen Prozess und ein offizielles neutralitätsrechtliches Gutachten des Verfassungsdienstes und nicht die Meinung Einzelner. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber zurück zum Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz: Dieses Gesetz sieht die Erstellung eines jährlichen Landesverteidigungsberichts vor. Darin finden wir unter dem Punkt „Beschaffungs- und Investitionsplanung“ unter anderem „Fliegerabwehrlenkwaffen mittlerer Reichweite“, also bis 50 Kilometer.

Wie wir erfuhren, wurde anscheinend wieder einmal im Hinterkammerl festgelegt, dass da konkret vier deutsche Kurzstreckensysteme, Iris-T SLS mit einer Reichweite bis 15 Kilometer, sowie vier deutsche Mittelstreckensysteme, Iris-T SLM bis zu 50 Kilometer Reichweite, angeschafft werden sollen.

Laut den „Salzburger Nachrichten“ von gestern, dem 6. Dezember, wurde dem Bundesheer bereits von einem israelischen Rüstungskonzern das Raketenabwehrsystem Spyder angeboten. Dabei handelt es sich auch um ein Boden-Luft-Abwehrsystem kurzer bis mittlerer Reichweite und es soll billiger und schneller verfügbar sein als das deutsche Flugabwehrsystem. Jetzt mögen die obersten Militärs des Landes womöglich ihre Gründe dafür haben, weshalb sie das deutsche System diesem vorziehen, aber bei derart wichtigen Entscheidungen braucht es Transparenz und Nachvollziehbarkeit, und diese sehe ich hier nicht gegeben.

Dem nicht genug wurde am Mittwoch, dem 15. November, im Ministerrat eine Grundsatzentscheidung abgesegnet, um ab 2027 mit der Beschaffung von Langstreckensystemen zu beginnen. Vielleicht habe ich es ja übersehen, aber unter dem Punkt „Beschaffungs- und Investitionsplanung“ des Landesverteidigungsberichts finde ich nichts über Langstreckensysteme. Im Übrigen frage ich mich überhaupt, wie sich ein Langstreckensystem mit unserer Neutralität vereinbaren lässt.

Gemäß der „Kronen Zeitung“ – wir hier im Parlament erfahren ja diesbezüglich alles über die Zeitungen – sprechen wir da von einer Verdreifachung der Kosten auf fast 7 Milliarden Euro.

Frau Ministerin, wo bitte schön ist dafür die budgetäre Grundlage? Und: Parlamentarische Einbindung in diesen Prozess? – Fehlanzeige!

Frau Ministerin, was ist mit unserer neuen Sicherheitsstrategie? Läuft parallel dazu der Beitritt zu Sky Shield?

Dieser Beschaffungsvorgang ist absolut intransparent. Wenn Sie so weitermachen, droht uns mit Sky Shield ein Eurofighter-Debakel 2.0.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich als ehemaliger Berufssoldat, wir von der Sozialdemokratie tragen den Aufbauplan österreichisches Bundesheer 2032 plus für ein modernes wehrhaftes Bundesheer voll und ganz mit, gerade, wenn es um die Fähigkeiten unserer Luftstreitkräfte geht. Die europäische Sky-Shield-Initiative wurde ins Leben gerufen, damit sich die europäischen Nato-Staaten besser gegen Bedrohungen aus der Luft verteidigen können, und Sie, Frau Ministerin, sprechen von einer Einkaufsplattform.

Solange da Intransparenz vorherrscht, im Hinterkammerl Abmachungen getroffen werden, es dazu keinen ordentlichen parlamentarischen Prozess und kein offizielles neutralitätsrechtliches Gutachten des Verfassungsdienstes gibt, so lange stehen wir von der Sozialdemokratie dem Beitritt zur europäischen Sky-Shield-Initiative mehr als skeptisch gegenüber. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.19

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner und ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.