9.37

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch für Ihre Worte für die Verteidigung der Würde dieses Hauses! Auch danke allen Fraktionsvorsitzenden! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Das Thema Verteidigung, Landesverteidigung, Verteidigung unseres Landes, unserer Demokratie hat mich im ersten Moment – und da muss ich eine kleinen Exkurs machen; ich hoffe, Sie verzeihen mir – natürlich an: Frauen, Leben, Freiheit!, im Iran denken lassen.

Warum mache ich diesen Exkurs? – Weil wir angesichts der vielen eben auch kriegerischen Krisen leider immer wieder die Proteste im Iran und die aufgrund dessen verhafteten Menschen im Iran vergessen. Sie werden nicht nur verhaftet, sie werden gefoltert, sie werden getötet, und das eigentlich immer mehr als damals, vor mehr als einem Jahr. Wir – ich glaube, hier recht viele, aber auch im Nationalrat – haben Patenschaften für die inhaftierten Menschen übernommen, und ich möchte daran erinnern, dass wir das nicht vergessen und sie auch immer wieder sozusagen unterstützen und das aber auch bekannt machen – daher nutzte ich jetzt diese paar Minuten. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir haben es von Herrn Kollegen Zauner schon gehört: Die Sicherheitsarchitektur in Europa ist erschüttert, sie ist vor allem durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erschüttert. Es sind die Kriege heute weitaus komplexer, die nationalen Interessen werden mit Kriegen verfolgt.

Ich war auch bei der Veranstaltung zu Sky Shield, die sehr gut war, und auch dort hat ein Analyst, Stefan Gady, gesagt, er nennt das Zeitalter von heute das Zeitalter der Kabinettskriege. Das erinnert an Clausewitz, der sagte: Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln. – Ich muss lächeln, weil Herr Schmid mich so anlächelt und das unterstreicht. Es ist aber eigentlich nichts Lustiges, weil Krieg – die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln – eigentlich etwas ist, das wir schon lange vergessen geglaubt haben. Das ist es aber nicht mehr.

Zudem sind die Hauptakteure in der Geopolitik vielfältiger geworden, die Kriege und die Bedrohungslagen sind eigentlich nicht mehr sehr vorhersehbar. Mein Kollege Adi Gross war vor Kurzem auf der Cosac, der Konferenz der Europaausschüsse, und hat erzählt, dass sich die baltischen Staaten und auch die Balkanstaaten vor dieser Aggression und der Erweiterung Russlands extrem fürchten – dass der Krieg sozusagen nicht weit vor unserer Tür steht.

All das – der Schutz unseres Landes, der staatlichen Souveränität, der Unabhängigkeit, aber auch der Sicherheit – braucht leider Verteidigung. Ich muss wirklich sagen: leider, weil wir Grünen natürlich sehr stark friedenspolitisch geleitet sind – aber leider wird es nichts helfen, wenn wir nur sagen, die Neutralität schützt uns und die Neutralität wird von anderen verteidigt. (Bundesrat Spanring: Ja, genau! – Bundesrat Tiefnig: Kaffeehaus! – Bundesrat Leinfellner: Sky Shield!) Nein, die Neutralität müssen auch wir verteidigen. (Bundesrat Spanring: Frieden!)

Leider müssen wir sie auch  und das hilft am besten – mit Waffen verteidigen, mit einer gewissen Abschreckungspolitik. Das Gute daran – das ist auch gefallen und das hat mir sehr gefallen –, das Beste an dieser Abschreckungspolitik ist: Sie funktioniert dann am besten, wenn wir Waffen haben, mit denen wir abschrecken; wenn diese Waffen aber in den Kellern und in den Lagern verstauben, dann haben wir, glaube ich, die beste Politik damit gemacht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Zur unterzeichneten Absichtserklärung zur europäischen Sky-Shield-Initiative (Bundesrat Schennach: Bist mit ... nicht wirklich sicher?): Ja, wir müssen unsere Neutralität aufgrund der Neutralitätserklärung mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen. Wir leben aber in Europa, wir sind der Europäischen Union beigetreten und verpflichten uns in der Europäischen Union auch zu Solidarität. (Bundesrat Schennach: Aber nicht militärisch!) Dazu können wir einerseits sicher ein bisschen beitragen, denn wir haben ja dieses recht gute Radarsystem Goldhaube, andererseits wollen wir jetzt auch durch die europäische Sky-Shield-Initiative dazu beitragen.

Das Wichtige bei dieser Absichtserklärung – Herr Kollege Zauner hat es gesagt – ist aber auch diese Zusatzerklärung: die Zusatzerklärung, die eben besagt, dass wir die Neutralität aufrechterhalten und uns in keine Konflikte anderer Länder einmischen. (Bundesrat Schennach: Diese dünne Erklärung!) Das bedeutet auch, keine Kommandos oder Stützpunkte in Österreich zu haben.

Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Der Verfassungsexperte hat auch gesagt, die Verteidigung der Neutralität erfordere tatsächlich auch eine militärische Verteidigung – er nannte es militärische Neutralität. (Bundesrat Schennach: Aber Sky Shield ist eine andere Nummer!) – Das ist eine andere Nummer, und ich vertraue der Ministerin, dass sie das auf dem Schirm hat und dass sie genau nachschaut und in allen Punkten, die notwendig sind, um die Neutralität zu wahren, nachjustiert. (Ruf bei der SPÖ: Ich vertraue ...!)

Ein zweiter Punkt, der angesprochen wurde, ist die Transparenz: Ja, die sehen wir als sehr wichtig an, aber auch da freuen wir uns, dass es zukünftig eine Beschaffungs-Prüfkommission geben wird – es gibt sie jetzt schon, aber sie wird zukünftig arbeiten –, die beim Bundesministerium für Landesverteidigung angesiedelt ist und dann natürlich auch dem Parlament gegenüber auskunftspflichtig ist.

Ein kleiner Wermutstropfen: Leider sitzt keine einzige Frau in dieser Kommission. Vielleicht ändert sich das noch, weil ich weiß, dass es Ihnen (in Richtung Bundesministerin Tanner) ein großes Anliegen ist, mehr Frauen zum Heer zu bekommen und das Heer für Frauen attraktiver zu machen.

Damit komme ich auch gleich zu dem Punkt, der mir immer wichtig ist: Beim Heer sind derzeit – schon seit langer Zeit – 4,5 Prozent Frauen. Das ist sehr, sehr wenig und es stagniert leider. Bei den Luftstreitkräften – ich habe es mir angeschaut – sind es circa 8 Prozent. Das ist fast doppelt so viel, das ist gut. Es gibt vier Pilotinnen und sogar eine Eurofightertechnikerin, aber auch dort wäre es, glaube ich, für uns alle wichtig, mehr zu haben.

Damit möchte ich auch einen wichtigen Punkt ansprechen: Warum sind es so wenige Frauen? Ich glaube, Sie haben sich sehr bemüht. Es gibt einerseits mehr elementarpädagogische Betreuung bei den einzelnen Standorten. Es sind mehr Frauen in Ausbildung, ich glaube, wir haben gehört, in Wiener Neustadt; auch beim Bachelorstudiengang Militärische Führung sind siebenmal mehr Frauen als vorher – das sind noch immer nicht Unmengen, aber immerhin. Ich glaube aber, das, woran es vor allem scheitert, ist, dass Österreich immer noch ein Land der Machos ist. (Bundesrat Himmer – erheitert –: Ordnungsruf! – Bundesrat Buchmann: Das ist ja diskriminierend!) – Ja, da schauen die Herren, aber es ist so.

Ich habe eine kleine Geschichte: Ich habe eine Freundin aus Argentinien, die immer geglaubt hat, in Argentinien leben die größten Machos. Sie hat dann zehn Jahre in Österreich gelebt und musste leider ihre Meinung revidieren. In Österreich leben weltweit nicht die größten, aber sicher große Machos. (Heiterkeit bei Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Tiefnig.)

Das ist einerseits lustig, man kann lächeln, aber andererseits ist Machismus leider immer noch mit Sexismus verbunden. Machismus ist auch mit sexuellen Übergriffen verbunden – auch die gibt es beim Heer immer wieder. Da würde ich mich freuen, wenn Sie, Frau Ministerin, aber auch die Vertreter – meistens sind es Vertreter – des Bundesheers definitiv und viel stärker dafür eintreten, dass es keinen Sexismus beim Heer gibt.

Ich bin auch froh, dass – verzeihen Sie (in den Unterlagen blätternd), ich versuche, ein bisschen freier zu reden, deswegen muss ich meine Punkte suchen – ja eine Kommission eingerichtet wurde, an die man sich wenden kann, wenn man von sexuellen Übergriffen beim Bundesheer betroffen ist. Das sind nicht nur Frauen, das betrifft leider alle. Ich glaube also, wenn wir da im ganzen Land, vor allem aber beim Bundesheer mit gutem Beispiel vorangehen, wird es auch mehr Frauen beim Heer geben.

Ein kleiner Punkt noch am Schluss, auch in Verbindung mit den Luftstreitkräften beziehungsweise der Ausrüstung der Luftstreitkräfte: Das Heer ist ja auch – das ist aus unserer Sicht, aus Sicht der Grünen, einer der wichtigsten Punkte – für Friedenssicherung, Friedenserhalt sowie für Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe zuständig. Es kann nicht sein, dass, wie damals bei der Rückholaktion von israelisch-österreichischen Staatsbürger:innen, eine Maschine nicht starten kann, weil sie zu alt ist. Dahin gehend zu investieren sehen wir also als gut an. (Bundesrat Spanring: Wenn’s dann funktioniert für die Abschiebungen!)

Ein letzter kurzer Punkt, den ich als Grüne noch erwähnen möchte, ist: Die umfassende Landesverteidigung hat einen fünften Punkt dazubekommen, nämlich die ökologische Landesverteidigung. Das freut mich. Es wäre aber auch sehr schön, wenn man im Hinblick auf Krisen und Katastrophenschutz in der gesamten Politik mehr täte, wenn man Dinge besser und leichter umsetzen könnte. Der Klimanotstand, den wir haben und der diese Krisen und Katastrophen auslöst (Bundesrat Steiner: Deswegen haben wir bei uns 2 Meter Schnee!), wäre mit vielen Dingen leicht zu beseitigen – sei es Tempo 100 auf den Autobahnen, seien es autofreie Tage, keine Subventionen für fossile Energien, mehr Bäume, mehr Öffis, mehr Radwege, keine neuen Straßen, keine Versiegelung. (Bundesrat Spanring: Bei der Klimakonferenz haben sie euch alle ausgelacht! Alle!)

Ich könnte das irrsinnig lang weiter ausführen (Bundesrat Steiner: Nein, nein, lass nur!), das werde ich aber nicht, keine Sorge. Jedenfalls danke ich der Frau Ministerin, dass sie immer wieder ein Auge auf den Bereich der Frauen hat. Ich hoffe, das bleibt auch so, wenn keine Frau mehr Ministerin ist. Es ist gut, was Sie machen. Ich hoffe auch, dass (kurz ohne Mikrofon weitersprechend) mehr Geld für das Heer ausgegeben wird – für den Friedenserhalt und für die Friedensgewinnung. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Da war jetzt das Mikro schon ausgeschaltet!)

9.49

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Danke schön.

Zu einer ersten Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr; auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte sehr.