13.13

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Bevor ich in meine Rede eingehe, zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Kofler nur eine kleine Aufklärung: Die Hauptschule gibt es schon, ich weiß nicht, über zehn Jahre nicht mehr. Das dürfte sich aber bis zur FPÖ noch nicht ganz durchgesprochen haben, aber ist ja eine Kleinigkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte auch mit einem Zitat beginnen, nämlich von einem Arzt und Lyriker, Ernst von Feuchtersleben, der gemeint hat: „Wenn das Leben das höchste Gut ist, so ist Bildung der Schlüssel zum höchsten Gut.“ In diesem Sinne, glaube ich, kann man Bildung durchaus auch als ganz, ganz wichtige Grundlage für ein selbstbestimmtes, für ein erfülltes Leben, aber vor allen Dingen auch für ein gesundes und zufriedenes Leben verstehen.

In weiterer Folge ist ein Bildungsabschluss auch eine ganz essenzielle Frage der gesellschaftlichen Teilhabe. Das heißt, wenn wir uns vorstellen – und ich glaube, solche Situationen kennen wir alle –, wenn Menschen vielleicht Schwierigkeiten haben, Verträge zu lesen oder Formulare auszufüllen, oder wenn schon der Beipackzettel eines Medikaments oder auch der Fahrplan an der Bahnhofsanzeige zu einer schier überwindbaren Hürde werden, dann geht das oftmals mit ganz großer Verunsicherung und unter Umständen auch mit großer Scham einher.

Ich glaube, das ist durchaus nachvollziehbar und verständlich und führt in weiterer Folge auch dazu, dass Menschen sich zurückziehen, sich aus dem gesellschaftlichen, aus dem öffentlichen Leben zurücknehmen, und sie fallen leider vielfach auch aus dem Arbeitsmarkt, aus dem Arbeitsleben heraus.

Das heißt, Bildung ist mit ein ganz klar wesentlicher Beitrag zu einer offenen und solidarischen Gemeinschaft und zu einer zukunftsgerichteten Gesellschaft, wie wir sie brauchen. Unter diesem Aspekt ist auch der vorliegende Gesetzentwurf aus meiner Sicht zu betrachten.

Zu Grunde liegt ja unter anderem die Piaac-Studie, also das Programme for the International Assessment of Adult Competencies der OECD. Diese Studie gibt uns unter anderem auch großen Aufschluss über die Kompetenzen Erwachsener in den Bereichern der Schlüsselkompetenzen, nämlich Lesen, Schreiben, Rechnen – Kollegin Göll hat es schon angesprochen. Da wird den Menschen in Österreich im Vergleich zu jenen in anderen Nationen, die an der Studie teilgenommen haben, leider eine eher unterdurchschnittliche Lesekompetenz bescheinigt. (Ruf bei der FPÖ: Ja warum wohl?)

Zum Glück hat man diese Problematik in der Bildungspolitik aber schon vor Jahren erkannt, und unter Bundesministerin  Claudia Schmied wurde damals schon, 2012, finanziert von Bund und Ländern, aber auch vom Europäischen Sozialfonds, die Initiative Erwachsenbildung ins Leben gerufen, mit der dann auch ein flächendeckendes standardisiertes Angebot geschaffen wurde, damit auch eine entsprechende grundlegende Basisbildung sowie die Möglichkeit, den Pflichtschulabschluss nachzuholen, gewährleistet werden konnten.

Inzwischen, viele Jahre später, hat man gesehen, dass das Angebot ein gutes ist, ein wichtiges ist, dass das Angebot allerdings noch viel zu gering ist und die Nachfrage immer größer wird. Teilweise gibt es bei den Einrichtungen lange Wartelisten. Wir haben im Ausschuss auch mit den Experten darüber gesprochen und sind informiert worden, dass knapp 70 Prozent der Kursteilnehmer:innen in diesem Zusammenhang unter 25 Jahre alt sind. Seit 2012 waren es insgesamt 10 500 Personen, die über die Initiative Erwachsenenbildung den Pflichtschulabschluss nachgeholt haben, bei immerhin über 50 Einrichtungen. Das ist, glaube ich, eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

Daher gibt es auch von unserer Seite die vollste Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf. Wir haben es schon gehört: Es werden immerhin neuerlich 170 Millionen Euro in die Hand genommen, um das Angebot noch weiter voranzutreiben und auszubauen.

Das bedeutet dann auch in Zahlen, dass weitere 23 000 Menschen im Bereich der Basisbildung unterstützt werden können und rund 11 000 Menschen ihren Pflichtschulabschluss nachholen können. Das ist so weit positiv, da können wir auf alle Fälle mitgehen.

Ich glaube, es muss in unser aller Interesse sein, und das richte ich jetzt auch entsprechend an die FPÖ, die ja offensichtlich ihre Zustimmung hier nicht gibt, dass jeder und jede junge Erwachsene, die vielleicht irgendwo am Bildungsweg verloren gegangen sind oder verloren gehen, auch die Möglichkeit erhalten, diesen Weg, wenn auch später und vielleicht auch über Umwege, weiterzugehen, denn wir wissen: Die Gründe dafür, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, sind vielfältig. Oftmals kann der oder die Betroffene rein gar nichts dafür. Da geht es unter Umständen auch um Krankheitsfälle, da geht es um Depression, da geht es um schwierige Familienverhältnisse, auch um plötzliche Schicksalsschläge und vieles mehr.

Das heißt, schön, dass sich hier auch über die Fraktionsgrenzen hinweg eine Einigung zeigt und, sagen wir es einmal so, weite Teile des parlamentarischen Prozesses dieser Investition positiv gegenüberstehen.

Spannend finde ich wie gesagt, dass ausgerechnet die FPÖ da nicht zustimmt, schließlich ist die FPÖ immer die Partei, die sich ganz gerne als die Partei des kleinen Mannes bezeichnet. Dass das hier verweigert wird, finde ich insofern ein bissel unverständlich (Bundesrat Spanring: Sie verstehen vieles nicht!), als, und so ehrlich müssen wir schon sein, gerade dieses Angebot eben nicht auf die Bildungselite abzielt, sondern ganz stark und vor allem auf einkommensschwache und armutsgefährdete Personen. Ich glaube, gerade aus diesem Grund wäre es vielleicht an der Tagesordnung, darüber noch einmal nachzudenken und hier zuzustimmen – aber wie gesagt, das muss die FPÖ auch selbst entscheiden.

Eine kleine Anmerkung sei mir noch gestattet, was die Piaac-Studie betrifft: Es wurden im Zuge dessen ja auch Kompetenzen im Bereich der digitalen Bildung überprüft, und da kommt diese Studie leider auch zu – teilweise – erschütternden Ergebnissen, so ehrlich muss man es sagen.

Österreich belegt demnach bei Kompetenzstufe drei – das ist sozusagen keine Raketenwissenschaft, das entspricht ungefähr dem Europäischen Computerführerschein, was die Kompetenzen betrifft – lediglich Platz 14 von 19 teilnehmenden Nationen. Das ist also nichts, worauf man sich in Ruhe ausruhen kann und darf.

30 Prozent, also ein Drittel der 44- bis 65-Jährigen in Österreich geben an, dass sie über keine oder kaum Computerkenntnisse verfügen, und ich glaube, das sollte uns zu denken geben.

Das betrifft selbst die Jungen, also die Digital Natives, wenn man sie so nennen möchte, die grundsätzlich zwar viel ungehemmter und intuitiver mit digitalen Medien umgehen, was aber noch lange keine Garantie ist, dass auch die Kenntnisse dementsprechend sind.

Das heißt: Im Umgang mit Computer und Co hat Österreich einfach noch einen riesengroßen Aufholbedarf. Ich glaube, wir können das auch so interpretieren, dass das mit einer der Gründe dafür ist, dass Österreich im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Digitalisierung einfach grundsätzlich skeptisch gegenübersteht.

Also besonders in diesem Bereich müssen wir versuchen, alle Teile der Gesellschaft mitzunehmen, schließlich geht es auch da wieder – wie zu Beginn meiner Rede schon ausgeführt – in einem ganz hohen Maß um gesellschaftliche Teilhabe, um Partizipation. Wir kennen das alle: Bankgeschäfte gehen heute nur noch digital, mit PC und Smartphone, ohne das geht es einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Selbst, wenn es nur um das Herunterladen des eigenen Lohnzettels geht, wozu ich meine ID Austria brauche: Viele ältere Menschen geben es zu: Ich habe die Kenntnisse und die Kompetenz dazu nicht mehr. – Das erzeugt einfach große Schwierigkeiten und große Verunsicherung.

Ich glaube, damit wird sich die Politik und ganz besonders natürlich die Bildungspolitik auseinandersetzen müssen, und zwar jetzt. Ich glaube, dieser Skepsis – eigentlich ist es ein Mangel – müssen wir möglichst schnell entgegenwirken. Das wäre vielleicht meine Bitte ans Christkind oder vielmehr an den Minister.

Abschließend – weil es mir ein großes Anliegen ist und ich aus dem Bereich komme – darf ich an dieser Stelle, da wir uns ja wieder mit einer großen Grippewelle im Bildungsbereich, in der Schule, im Kindergarten, in den elementarpädagogischen Einrichtungen konfrontiert sehen, ein großes Dankeschön an alle Pädagoginnen und Pädagogen, an alle Lehrkräfte, an alle Schulleiterinnen und Schulleiter richten, die im Moment wirklich Immenses leisten, die teilweise an ihre Grenzen gehen müssen, weil einfach das Personal nicht da ist, weil das Personal grundsätzlich fehlt oder weil es krank ist. Sie haben wirklich meine Hochachtung, es ist eine ganz wichtige Aufgabe, die da trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten erfüllt wird. Ich glaube, das kann man nicht hoch genug schätzen, das muss man wertschätzen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die, die im Bildungsbereich immer wieder ganz gerne vergessen werden, gehören natürlich auch dazu: alle Freizeitpädagog:innen, Betreuer:innen, Sozialarbeiter:innen, auch die Schulpsychologie darf ich nicht außen vor lassen. Ihnen allen sei ein großes Dankeschön ausgerichtet, und ich hoffe, sie haben ein paar schöne, erholsame Tage jetzt über Weihnachten, damit das Jahr 2024 wieder voller Energie starten kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.23

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Simone Jagl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte schön.