16.24

Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Auf Tagesordnungspunkt 12 werde ich nicht näher eingehen. Wir von der Sozialdemokratie begrüßen diese Maßnahmen und werden dem selbstverständlich zustimmen.

Dafür erlauben Sie mir bitte, etwas ausführlicher auf Tagesordnungspunkt 13 einzugehen. Als ich vor circa einem Monat den Initiativantrag zur Fachkräfteverordnung zugespielt bekommen habe, habe ich ihn mir natürlich angeschaut. Ich habe meinen Augen nicht getraut. Seien Sie mir nicht böse, aber um solch einen Initiativantrag zu erstellen, braucht es eine ganze Portion Inkompetenz und Ignoranz, gepaart mit purer Verzweiflung. – Das muss ich an dieser Stelle jetzt wirklich einmal sagen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es gemäß der deutschen Onlineplattform Statista eine Erwerbsbevölkerung von 212 Millionen Menschen. Mit Oktober 2023 gab es in der Europäischen Union 13,2 Millionen Menschen ohne Arbeit. Wie Sie vielleicht bemerken, beziehe ich mich auf die Europäische Union mit ihren 27 Mitgliedstaaten und nicht ausschließlich auf Österreich. Bitte erklären Sie mir, weshalb es nicht möglich ist, ausreichend beispielsweise Buslenkerinnen und Buslenker zu rekrutieren! Wissen Sie was? – Sie suchen gar nicht! Mit dieser Gesetzesänderung entfällt die Arbeitsmarktprüfung. Das heißt, das Arbeitsmarktservice sucht auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union und in Österreich gar nicht mehr nach Buslenkerinnen und Buslenkern. Ist das wirklich so? (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: ... keine gibt!) – Na, Entschuldigung, ist das wirklich so, haben wir den ganzen europäischen Markt nach Personal abgegrast? Ich wiederhole noch einmal: Gemäß Statista gibt es eine Erwerbsbevölkerung von 212 Millionen. Seid mir also nicht böse!

Nun zum Nächsten: Wir reden von Fachkräften. Wisst ihr, was Fakt ist? – In Wirklichkeit werden gerade bei den Buslenkerinnen und Buslenkern angelernte Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter – künftig zum Beispiel aus Tunesien, Kolumbien, oder von mir aus Vietnam – angeworben. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: ... die Qualifikation haben!) Das geschieht, um jahrelangen Versäumnissen diverser Verkehrsunternehmen und auch zu einem gewissen Teil Versäumnissen und der falschen Politik mancher Verkehrsverbünde entgegenzuwirken. Viele Verkehrsunternehmen leben von öffentlichen Aufträgen – die öffentlichen Aufträge werden von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanziert –, gehen dann aber ins Ausland und holen sich das Personal aus Drittstaaten. Ja, es gibt Verkehrsunternehmen, die eine ordentliche Personalpolitik betreiben. Das sind jene, die nicht verzweifelt Fahrerinnen und Fahrer suchen – die gibt es.

Ich möchte allerdings nicht den Eindruck zu erwecken, ich wäre der große Gegner der vom Personalmangel geplagten Verkehrsunternehmen. (Ruf bei der ÖVP: Das klingt aber so!) – Nein, nein! Da gibt es immer noch die Verkehrsverbünde, die entsprechend an den Vergabekriterien arbeiten müssen. Wo wird denn gespart? – Gespart wird überraschenderweise beim Personal. Wie wird beim Personal gespart? – Indem es zum Teil massive Versäumnisse in der Zurverfügungstellung sozialer Infrastruktur gibt, wie zum Beispiel adäquater Aufenthaltsräume oder auch sanitärer Anlagen. Daran mangelt es sehr häufig. (Beifall bei der SPÖ.) Hinzu kommt, dass viele dann auch noch sogenannte geteilte Dienste haben, die ja besonders familienfreundlich sind. Darauf werde ich noch näher eingehen.

Verkehrsunternehmen, die keine geteilten Dienste haben und ihren Mitarbeiter:innen soziale Infrastruktur zur Verfügung stellen – ja, sehr geehrte Damen und Herren, es gibt auch Verkehrsunternehmen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wohnungen zur Verfügung stellen (Beifall bei der SPÖ) –, verlieren dann bei Ausschreibungen auch noch die öffentlichen Aufträge.

Was hat das zur Folge? – So kommt es, dass ein Busfahrer oder eine Busfahrerin eines faktisch ausländischen Unternehmens aus einem Nachbarland das ÖBB-Klo am Bahnhof um 50 Cent benutzen (Zwischenrufe bei der SPÖ) und die Pause in der öffentlichen Wartehalle eines Bahnhofs verbringen muss – so lange, bis er oder sie der nächsten Verkehrsleistung nachzugehen hat. (Bundesrat Spanring: Wenn er überhaupt eine Pause hat!)

Ich rede jetzt zum Beispiel von Dienstteilern. Richtig toll wird es nämlich, wenn es einen Dienstteiler gibt. Was ist denn überhaupt ein Dienstteiler? – Ein Dienstteiler ist: Man beginnt in den frühen Morgenstunden, um die Hauptverkehrszeit abzuwickeln, dann hat man eine Dienstunterbrechung von mehreren Stunden, wird in den frühen Abendstunden zur Hauptverkehrszeit wieder eingesetzt und fährt bis in den Abend hinein. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Das Problem mit den langen unbezahlten Dienstunterbrechungen ist, dass diese Zeit nachweislich nicht als wirklich freie Zeit empfunden wird. (Bundesrätin Platzer: Herzlich willkommen in der Gastronomie!) – Werte Kollegin, Sie kommen mit der Gastronomie: Ja, es gibt in der Gastronomie die Zimmerstunde. Wenn man aber – Hausnummer – in Innsbruck bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben arbeitet und aus dem Ötztal kommt, dann fährt man während des Dienstteilers nicht von Innsbruck ins Ötztal und zurück, sondern dann kann es passieren, dass man stundenlang unbezahlt in einem Warteraum hockt (Beifall bei SPÖ und FPÖ), damit man in der Nacht wieder Bus fahren kann – und dann wundern wir uns, dass wir kein Personal kriegen. Seid mir nicht böse! Entschuldigung – ja, da komme ich in Rage! (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schumann und Steiner.)

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist denn die Konsequenz daraus? (Zwischenruf bei der FPÖ.) Die Konsequenz daraus sehen wir bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben. Die hohe Fluktuation an Fahrer:innen bei den IVB führte ja bereits zum Ausfall von Fahrten und zu einer Ausdünnung des Fahrplans. Deswegen hat die schwarz-rote Tiroler Landesregierung in guter Tradition in ihrem Einflussbereich mit den Sozialpartnern vereinbart, dass geteilte Dienste bei künftigen Ausschreibungen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Daher gilt mein persönlicher Dank dem ÖGB-Chef von Tirol, Herrn Philip Wohlgemuth, und seinem Team von der Gewerkschaft Vida, das sich tagtäglich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Würde die öffentliche Hand bei der Vergabe vermehrt auf faire und vernünftige Arbeitsbedingungen pochen, würden so manche Unternehmer:innen – in diesem Wort steckt ja unternehmen drin – endlich etwas unternehmen. Man könnte eine gemeinsame Offensive in Sachen ordentliche Arbeitsbedingungen starten und den Beruf endlich attraktivieren, anstatt ständig wegen des Personalmangels zu sudern.

Den Bock abgeschossen haben Sie aber mit der Aufnahme eisenbahnspezifischer Berufe in die Mangelberufsliste. Seien Sie mir nicht böse, ich gebe Ihnen jetzt ein wunderbares veranschaulichendes Beispiel betreffend den Lokführer und die Lokführerin. Ja, Sie haben richtig gehört, Lokführerinnen und Lokführer sollen künftig aus Sri Lanka, Kolumbien und Dschibuti angeworben werden. (Bundesrat Spanring: Das ist jetzt aber rassistisch! – Bundesrat Steiner: Sehr rassistisch!) Ich zitiere aus einem Ausschnitt einer Jobbeschreibung für Lokführerinnen und Lokführer (Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig): „Sie verfügen über sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift“ – Zitatende. Nun, eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Matura versteht sich ja bei diesem Berufsbild von selbst. Wissen Sie, was beispielsweise jemand aus Kolumbien macht, wenn er oder sie einen entsprechenden Bildungsgrad hat und über sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift verfügt? – Vermutlich sehr vieles, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit werden solche Menschen nicht Lokführer, Fahrdienstleiter, Wagenmeister oder Zugbegleiter in Österreich.

Was mir überhaupt nicht einleuchtet: Mitte Juni erfahren wir von der Geschäftsführung eines Eisenbahnverkehrsunternehmens aus den Medien, dass wir in Österreich bei den Lokführer:innen keinen Personalmangel haben – wir haben gerade einmal einen erhöhten Personalbedarf. (Ruf bei der SPÖ: Na geh!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir einmal vom West-Ost-Gefälle absehen, erkennen wir, dass es in Österreich mit Ausnahme Vorarlbergs kein wirkliches Rekrutierungsproblem gibt. (Bundesrätin Eder: Oh!) Es scheitert einfach an den Ausbildungskapazitäten, einhergehend mit einer über Jahre hinweg völlig falschen Personalpolitik, das heißt, dass kein Personal ausgebildet wurde. Nun fehlt diesen Verkehrsunternehmen das Personal, und das fällt ihnen auf den Schädel. (Rufe bei der FPÖ: Christian Kern!)

Dann sagt die ÖBB: Durch die Aufnahme der eisenbahnspezifischen Berufe in die Mangelberufsliste werde man ihre insgesamt rund 3 000 ausgeschriebenen Stellen pro Jahr nunmehr besetzen können. Ich weiß da nicht, ob ich anfangen soll zu weinen oder zu lachen. Das schaue ich mir nämlich an, wie viele Kolleginnen und Kollegen aus Tunesien, Kolumbien, Sri Lanka et cetera wir künftig als Lokführer:innen, Fahrdienstleiter:innen und Wagenmeister:innen begrüßen dürfen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Vorhaben wird so was von einem Rohrkrepierer.

Ich komme langsam zum Ende: Im ursprünglichen Gesetzentwurf war angeblich noch eine gesetzliche Klarstellung enthalten, dass für die Rot-Weiß-Rot-Karte ein existenzsicherndes Beschäftigungsangebot von mindestens 30 Wochenstunden und die Anmeldung zur inländischen Sozialversicherung erforderlich ist. Ich habe mich gestern im Ausschuss erkundigt: Ja, das stimmt wirklich, das stand im Entwurf so drinnen. Dann hat allerdings der politische Prozess zwischen Türkis und Grün begonnen, und siehe da: Weg ist der Absatz! Das ist ein völliger Wahnsinn. Das ist für mich völlig unverständlich. (Ruf bei der FPÖ: Für uns auch!) Letztendlich geht es dieser Bundesregierung nur darum, billige Arbeitskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, statt endlich an guten Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Dass Sie diesen Absatz aus dem Entwurf wieder herausgenommen haben, beweist das. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Die schwarzen Schafe unter den Verkehrsunternehmen werden belohnt, indem sie durch Ihre Maßnahmen vom Verbesserungsdruck befreit werden, anstatt an den Arbeitsbedingungen arbeiten zu müssen. Je mehr ich mich mit Stellenausschreibungen befasse, umso eher komme ich zu dem Schluss, dass Fachkräftemangel nicht bedeutet, dass man keine Fachkräfte für eine Stelle findet. (Ruf bei der FPÖ: ... der Regierung auch nicht!) Nein, das bedeutet, man findet niemanden, der für so wenig Geld und/oder unter so schlechten Rahmenbedingungen arbeiten will. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir Sozialdemokrat:innen sagen Ja zur Verkehrswende – sie ist notwendig, aber nicht auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund von Lohn- und Sozialdumping, nicht auf Kosten der Ausbildungsqualität und damit einhergehend auf Kosten der Sicherheit. Deshalb werden wir dieser Gesetzesänderung nicht zustimmen. Es ist höchste Zeit, dass zum Wohle Österreichs sowohl das Arbeitsministerium als auch das Verkehrsministerium wieder in rote Hände kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Nein! Nur das nicht! –Bundesrat Spanring: Nein!)

16.39

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Inzwischen ist Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić, die ich an dieser Stelle recht herzlich begrüßen darf, im Bundesrat eingetroffen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

 

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger zu Wort gemeldet. – Bitte schön.