Schlussansprache der Präsidentin

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben das zweite Halbjahr 2023 im österreichischen Bundesrat der Zukunft gewidmet – der Zukunft unseres Landes und vor allem nachfolgender Generationen.

Junge Menschen leben heute in einer Welt, in der sie sich mit zahlreichen Krisen konfrontiert sehen: von der Teuerung bis zum Krieg, von Corona bis zum Terror, von Klimakrise bis hin zu fehlenden Perspektiven. Tatsächlich gibt es mittlerweile eine Generation, die beinahe ihr gesamtes bisheriges Aufwachsen im Zustand der Krisenhaftigkeit erlebt hat. Mit dem inhaltlichen Schwerpunkt „Kindern Perspektiven geben“ haben wir einen Kontrapunkt gesetzt – einen Kontrapunkt, der jungen Menschen wieder Zuversicht zu geben und die Prioritäten neu zu setzen vermag.

Bildung ist eine dieser Prioritäten. Bildung entscheidet ja maßgeblich über das berufliche und wirtschaftliche Fortkommen junger Menschen, und wir wissen, dass Benachteiligungen in diesem Bereich gravierende Auswirkungen auf das spätere Leben haben. Da gilt es, schon früh Chancenungleichheiten entgegenzuwirken. Wir müssen daher die Bildung weiter ausbauen und schon in Kindergärten – das ist ja unsere erste Bildungseinrichtung – investieren und das auch flächendeckend machen.

Soziale und gesellschaftliche Herkunft dürfen auch kein Hindernis sein, um jenen Bildungsabschluss erreichen zu können, den sich junge Menschen für die Gestaltung ihres Lebens wünschen. Ein chancengerechter Zugang zu Bildung und ein wirtschaftlich stabiles Umfeld sind für das Aufwachsen von Kindern eine zentrale Priorität, schließlich prägt die Erfahrung von Armut ein ganzes Leben und wirkt sich auf die soziale und gesellschaftliche, aber auch auf die kulturelle Teilhabe aus.

Teuerung, Pandemie und weltweites Kriegsgeschehen haben die Einkommenssituation von Familien mit Kindern am härtesten getroffen. Wohnen, Energie, Lebensmittel sind Grundbedürfnisse und Grundgüter, die für alle Menschen, insbesondere für jüngere Menschen, in unserem Land sichergestellt werden müssen. Die Prinzipien der Solidarität und des Zusammenhalts sichern ja ein geregeltes und friedliches Zusammenleben in unserem Land und müssen insbesondere in Zeiten sich verschärfender sozialer und ökonomischer Verhältnisse unser politisches Handeln einfach leiten.

Junge Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen am gesellschaftlichen Leben nicht teilnehmen können, erfahren Ausgrenzung und Herabsetzung und werden empfänglich für Radikalisierung und Extremismus. Dem müssen wir mit Blick auf die Sicherung unseres rechtsstaatlichen Prinzips entschieden entgegentreten.

Als Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrates, als überzeugte Demokratinnen und Demokraten sollen wir unser Augenmerk stets auf ein geregeltes, gebotenes Gleichgewicht von Chancen, auf eine gerechte Verteilung der Möglichkeiten legen. In unserer Demokratie sind Wahlen auf allen Ebenen eine zentrale Möglichkeit der Mitbestimmung und dienen dazu, Interessen und Meinungen möglichst aller Menschen zu berücksichtigen. Unser Anspruch ist aber zusätzlich, ihre Teilhabe an politischen Prozessen und Entscheidungen zu ermöglichen, aber auch zu stärken.

Wir haben den Perspektiven junger Menschen daher eine umfassende Enquete gewidmet. Es war die dritte Enquete in Folge, die sich mit den drängenden Herausforderungen für die Menschen in Österreich auseinandersetzte. Neben der Daseinsvorsorge und starken öffentlichen Strukturen während der Wiener Präsidentschaft und den Fragen der Pflege während der burgenländischen Präsidentschaft habe ich in der Zeit der Kärntner Präsidentschaft den Fokus auf Kinder, Jugendliche und junge Menschen gelegt. Es waren jene Fragen im Zentrum der Betrachtung, denen sich Eltern stellen müssen, sowie die Herausforderungen, die wir als Staat für die nächste und nachfolgende Generation gut lösen sollten.

Damit einhergehend war mir sehr wichtig, den Fokus auf die Kinderrechte und deren aktuelle Umsetzung zu legen, weil klar ist: Kinderrechte sind Menschenrechte, und als solche verdienen sie unseren besonderen Schutz. Es ist unsere Verantwortung, die Ideen der Jugend ernst zu nehmen und sie auch in politische Entscheidungen mit einzubinden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Auch beim Tag des Bundesrates zum Thema Kinderrechte haben sich zahlreiche Expertinnen und Experten wie schon zuvor bei der Enquete klar dazu geäußert, dass es ein zentrales Hemmnis bei der Umsetzung von Kinderrechten gibt, nämlich die Armut. Die Bekämpfung und die Minderung der Folgen von Kinderarmut müssen eine zentrale Aufgabe von Politik sein, die sich zum Anspruch nimmt, an einer besseren Zukunft zu bauen.

Mit dem gestern von der Regierung vorgelegten Aktionsplan zur EU-Kindergarantie wurde ein erster Schritt zur Umsetzung unserer Bundesratsinitiative „Kindern Perspektiven geben“ gemacht. Dafür sage ich herzlichen Dank, und ich bedanke mich auch bei Ihnen allen, dass Sie dazu beigetragen haben, dass das jetzt auch noch auf Bundesebene hinübergeschwappt ist beziehungsweise übernommen wurde.

Im Hinblick auf Demokratiebildung möchte ich besonders die wichtige Arbeit des Parlaments und auch Ihre Mitwirkung als Parlamentarierinnen und Parlamentarier hervorheben. Mit der Demokratiewerkstatt, dem Demokratikum, dem Jugendparlament und den Führungen für Schülerinnen und Schüler wird sehr viel getan, um Kindern und Jugendlichen Demokratie und deren Grundsätze näherzubringen. Diese großartigen Initiativen des Hauses verdienen Anerkennung und Würdigung vor allem an dieser Stelle.

Wenn wir uns die Zukunft und die Perspektiven für unsere Jugend anschauen, wenn wir darüber sprechen, dann ist in diesem Zusammenhang natürlich auch eine europäische Perspektive gemeint, und dafür müssen wir auch die Entwicklung Europas in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mitgestalten.

Im November besuchte ich mit einigen Mitgliedern des Bundesrates Georgien – ein Land, mit dem wir bereits seit dem Wirken unserer Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner eng verbunden sind und dem nun von Staats- und Regierungschefs der EU der Status des Beitrittskandidaten zuerkannt wurde.

Georgien ist seit 2011 Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Wir unterhalten viele Verbindungen und unterstützen mit sozialen Projekten, die vor allem für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen die notwendige Versorgung sicherstellen.

Gerade wenn wir darüber sprechen, dass wir über den EU-Beitritt von Ländern verhandeln, muss auch klar sein: Beitrittskandidatinnen und -kandidaten müssen oft noch viele große Schritte machen und sich zu der zentralen Wertehaltung bekennen, mit der Geschwindigkeit in der Europäischen Union auch Schritt halten, um letztendlich auch Teil einer gemeinsamen europäischen Familie zu sein. Sie müssen aber auch ihre Rechte und ihre Pflichten haben. Dass das in der Vergangenheit nicht immer geglückt ist, sehen wir an der Haltung einzelner Mitgliedstaaten und bei entscheidenden Fragen auch immer wieder.

Die Krisen vergangener Monate und Jahre haben gezeigt, wie notwendig es ist, in unserem Land zusammenzuarbeiten. Das gilt natürlich auch europaweit, schließlich werden wir den kommenden Herausforderungen wie Klimaveränderung, Transformation am Arbeitsmarkt, den sozialen Herausforderungen im Bereich der gerechten Verteilung von Ressourcen oder der notwendigen Energietransformation nur gemeinsam entgegentreten können.

Gleichzeitig fordern politische Extreme die Stabilität der EU aber auch heraus, indem sie die Abkehr von den Menschenrechten fordern, zu denen wir uns als Europa als Folge des Zweiten Weltkrieges gemeinsam bekannt haben – und sie haben ein Ziel: Das gemeinsame Haus der EU zu verlassen. Wir müssen an diesem gemeinsamen Haus weiterbauen, statt es abzureißen. Es geht darum, dass Europa Chancen für die Menschen hervorbringt, die wir nur gemeinsam erreichen und wahrnehmen können. Bauen wir an diesem, an unserem sozialen europäischen Haus, und machen wir es besser, damit die Menschen in Europa das Vertrauen haben, dass es ein stabiles Fundament, eine gute Umgebung und ein dichtes Dach hat, das schützt und auch ein Zuhause gibt! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Verlassen wir nun das europäische Haus und kommen wir in dieses Haus hier, in dieses Parlament, in unser aller Haus, denn als Präsidentin verbinde ich viele Erfahrungen dieses letzten halben Jahres mit diesem Hohen Haus, und es ist an der Zeit, Danke zu sagen – allen voran Dr.in Susanne Bachmann, Dr.in Alice Alsch-Harant, Frau Paula Jenner, Frau Dr.in Angelika Hable, Herrn Dipl.-Päd. Lugmayr, aber auch Dr. Philipp Neuhauser. Diese standen mir stets mit Rat und Tat zur Seite.

Außerdem möchte ich mich auch noch bei allen Kolleginnen und Kollegen der Parlamentsdirektion bedanken, ohne die weder die Sitzungen noch die Veranstaltungen, keine Besuche, keine politische Arbeit hier in diesem Haus möglich wären. – Vielen herzlichen Dank Ihnen allen, danke schön! (Allgemeiner Beifall.)

Mein Dank gilt auch dem Kärntner Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser, der den Bundesrat besonders unterstützt hat. Der Besuch des Bundesrates rund um den Kärntner Landesfeiertag hat nicht nur in würdevollem Rahmen im Landhaus stattfinden können, sondern auch beim Besuch bei Infineon Technologies, aber auch im Lakeside Park konnten wir interessante Einblicke in diesen Technologiestandort Kärnten bekommen. Nicht zuletzt hat Peter Kaiser ja auch hinsichtlich der Kinder- und Familienpolitik wichtige Schritte im Bereich der Kinderbildung gesetzt, die ein klares Bekenntnis zu unserem Schwerpunkt „Kindern Perspektiven geben“ waren.

Natürlich möchte ich mich bei Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bedanken. Politische Debatten sind notwendig und mit verschiedenen Meinungen, aber auch mit verschiedenen Ansichten verbunden. Gemeinsam haben wir uns fast immer auf einen wertschätzenden Ton verständigen können und so auch zum allgemeinen Vertrauen in die politischen Gremien beigetragen.

An dieser Stelle möchte ich einmal mehr die Bedeutung des Bundesrates hervorheben, und zwar als verbindendes Element zwischen Ländern, Gemeinden und dem Bund. Auf Landesebene verankert und häufig auch in den jeweiligen Heimatgemeinden vertreten vereinen die Mitglieder des Bundesrates die kleinsten politischen Einheiten mit der bundesweiten Politik. Sie verhelfen dem föderalistischem Prinzip zu seiner Verwirklichung und verleihen dem bundesstaatlichen Grundsatz jene Vielfalt, die Österreich einfach ausmacht. Das ist eine Qualität, die besondere Aufmerksamkeit verdient. – Noch einmal herzlichen Dank für die Zusammenarbeit. (Allgemeiner Beifall.)

Es ist aber auch eine besondere Verantwortung, die wir als Mitglieder des Bundesrates haben. Als Teil der Gesetzgebung sind wir auch Teil des aktiven Parlaments und damit auch Repräsentantinnen und Repräsentanten einer Berufsgruppe, die sich besonders um einen guten Ruf bemühen muss. Das gilt einerseits für den Umgang mit anderen und andererseits für unser Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit und auch zur Demokratie. Nur wenn wir alle Angriffe gegen diese Prinzipien klar und unmissverständlich abwehren, können wir erwarten, dass sich die Menschen in Österreich auch dazu bekennen. Das ist gerade in Zeiten von multiplen Krisen besonders wichtig, und ich ersuche Sie daher: Begegnen wir einander mit Respekt und stehen wir gemeinsam für umfassende Demokratie und den Schutz unserer Rechtsstaatlichkeit!

Abschließend danke ich Ihnen für die gute Zusammenarbeit, und ich wünsche Kollegin Göll alles Gute für Ihre Präsidentschaft.

Für mich war es eine intensive und spannende Zeit, und ich möchte betonen, dass ich sehr dankbar bin, dass ich diese Funktion innehaben konnte. Die vielen Begegnungen auf nationaler und internationaler Ebene sind Erfahrungen, die mich reich beschenkt haben.

Ich wünsche Ihnen allen ruhige Feiertage im Kreise jener Menschen, die Ihnen wichtig sind, und: Auf ein gutes 2024! – Herzlichen Dank. (Allgemeiner, lang anhaltender und von der SPÖ stehend dargebrachter Beifall.)