11.40

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Frau Bundesministerin, ich darf Sie ganz höflich und mit großer Eindringlichkeit daran erinnern, dass Sie Frauenministerin sind. Vielleicht ist Ihnen die Situation der Frauen in Österreich nicht ganz klar, sonst hätten Sie jetzt eine andere Rede gehalten. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Sie haben schon seit Sommer die Zeitverwendungsstudie in Ihrem Ministerium liegen, eine Studie, die nach vielen Jahren wieder durchgeführt wurde, um die Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit in Österreich zu dokumentieren. Nun, Sie haben diese Studie sehr lange liegen gelassen und wahrscheinlich, und ich darf das unterstellen, bewusst kurz vor Weihnachten die Ergebnisse bekannt gegeben – und die sind erschütternd: Die Anzahl der Stunden, die Frauen täglich an unbezahlter Arbeit leisten, ist nicht zurückgegangen. Frauen leisten noch immer den Großteil der unbezahlten Arbeit. Diese Studie wäre dazu da gewesen, zu sagen: Hallo, da ist etwas zu tun, die Verteilung ist nicht gerecht! – Sie haben kein einziges Interview zu diesem Thema gegeben, Sie haben nicht das Wort für die Frauen ergriffen, und das ist für eine Frauenministerin wirklich peinlich.

Ich darf Ihnen die Situation der Frauen in Österreich nahebringen: Viele der Frauen arbeiten in Teilzeit. Die Anzahl der Frauen in Teilzeitarbeit ist in der Coronazeit gestiegen. Wir sind jetzt bei fast 51 Prozent. Wir haben eine Einkommensschere zwischen Frauen und Männern von 17 Prozent, wir haben eine Pensionsschere zwischen Frauen und Männern von über 40 Prozent. Es gibt viele Frauen, die in der Pension armutsgefährdet sind. Es gibt Alleinerzieherinnen, die aufgrund der Teuerung nicht mehr wissen, wie sie den Alltag mit ihren Kindern finanzieren sollen. Und Sie haben nicht hingegriffen, Sie haben nicht hingesehen.

Die Väterbeteiligung steigt nicht, sondern sie geht zurück. Warum geht sie zurück? – Aus mehreren Gründen. Erstens: Sie mit Ihrer Partei haben gemeinsam mit der FPÖ die Arbeitszeitregelungen so gestaltet, dass Beruf und Familie nicht mehr miteinander vereinbar sind. Die Anhebung der Arbeitszeit war einer der großen Schritte, der die Väterbeteiligung zurückgedrängt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch haben Sie nicht dafür gesorgt, dass die Teuerung zurückgeht. Familien müssen schauen: Wie kommen wir mit dem Geld aus, wenn wir dann eine größere Familie sind, wenn das Baby auf die Welt kommt? Natürlich wird jene Person zu Hause bleiben, die weniger verdient, darüber brauche ich eigentlich gar nicht zu reden, das ist ganz klar. So wird die Väterbeteiligung nicht steigen.

Auch haben Sie den Frauen das Leben schwer gemacht, indem Sie die Karenzzeit um zwei Monate verkürzt haben. Das wird für viele Frauen in 22 Monaten ein riesiges Problem werden, weil sie keinen Kinderbildungsplatz haben, weil keiner zur Verfügung steht. Der Arbeitgeber aber kann sagen: Du musst jetzt arbeiten gehen, und wenn du nicht kommst, dann verlierst du halt deinen Arbeitsplatz! – So schaut die Realität aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Pensionsantrittsalter von Frauen wird ab 1.1. des nächsten Jahres sehr rasch angehoben. Sie haben dazu kein Wort gesagt. Frau Frauenministerin, Sie sind Frauenministerin, und in der Frauenpolitik gilt: Wer schweigt, stimmt zu! In der Frauenpolitik gilt auch: Wenn man die Anliegen der Frauen nicht wahrnimmt und nicht anspricht, dann kommt es zu Rückschritten in der Frauenpolitik! Wir erleben Rückschritte ohne Ende. (Beifall bei der SPÖ.) Wir erleben Rückschritte hinsichtlich der Rolle der Frauen und wir erleben Rückschritte hinsichtlich der Situation der Frauen.

Ich darf darauf hinweisen, dass die Genderdebatte beziehungsweise die Debatte über das Gendern natürlich eine Alibidiskussion ist. Es geht nicht so sehr um die Frage der sprachlichen Realität, dass Frauen abgebildet werden – was doch selbstverständlich sein muss, darüber brauchen wir doch gar nicht zu diskutieren –, nein, es ist insofern eine Alibidiskussion, als man Frauen wieder in alte Rollenbilder zurückdrängen möchte. So etwas darf man doch nicht unterstützen!

Ich wende mich hier mit einer großen Bitte an die Frauen der ÖVP: Lassen Sie nicht zu, dass Frauenthemen nur als Familienthemen gesehen werden! Lassen Sie nicht zu, dass man die Debatte über das Gendern als Ausrede nimmt, um die Frauen wieder zurückzudrängen! (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) Es hat in dieser Republik noch nie so viele gut ausgebildete, gut geschulte Frauen gegeben wie jetzt. (Bundesrat Himmer: Und woher kommt das, dass wir so viele gut ausgebildete Frauen haben?) Wir müssen ihnen den Platz geben, den sie brauchen. Wir müssen ihnen die Möglichkeit der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung geben. (Bundesrat Himmer: Ja!)

Ganz ehrlich, Sie applaudieren sich selbst für den Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen. Dabei kann ich rückblickend auf viele Jahre Frauenpolitik ganz genau sagen, wie viele Widerstände dafür überwunden werden mussten, wie oft ich Gegenwind bekommen habe (Zwischenruf bei der SPÖ), wie stark wir als Sozialpartner:innen uns auf die Füße haben stellen müssen, damit endlich etwas passiert. Es ist wieder nur eine Schmähpartie, denn es sind nicht die 4,5 Milliarden Euro, die Sie angekündigt haben. Außerdem wird es für die Gemeinden ganz schwierig sein, das umzusetzen, weil viele Gemeinden kein Geld mehr haben.

Frauen brauchen eine starke Stimme, wir brauchen jetzt eine starke Frauenministerin, und Frauenministerin Raab, das stellen Sie derzeit nicht dar. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Arlamovsky.)

11.46

Vizepräsidentin Margit Göll: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Spanring: Da habt ihr zuerst ..., sonst ginge gar nichts!)