14.18

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Vorsitzende! Hoher Bundesrat! Ich würde im Zuge dieser Debatte gerne jedenfalls zwei Punkte festhalten wollen, weil es mir einfach wichtig erscheint.

Erstens: Das österreichische Pensionssystem ist sicher und ist ein gutes, ich möchte es nicht tauschen, mit keinem einzigen anderen System in Europa. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und FPÖ.) Ich sage Ihnen auch ganz klar, warum: In Österreich beträgt die Nettoersatzrate – das ist der Anteil, den man von seinem letzten Gehalt bekommt – 76,5 Prozent, im OECD-Vergleich – das sind 36 Länder – liegen wir somit an dritter Stelle. Vor uns sind Luxemburg – die haben mehr Geld als wir, weil Steueroase – und die Italiener, aber die haben ein Antrittsalter von 66,5 oder 66,6 Jahren. Das heißt, wir sind da im Spitzenfeld. Das muss man einfach auch dazusagen, weil manchmal so getan wird, als wären wir in dieser Frage im Hintertreffen.

Zweiter Punkt: Eine Erhöhung des Antrittsalters ist weder geplant noch beabsichtigt, noch liegt das in irgendeiner Schublade. Das ist nicht der Fall. Worüber wir reden müssen, Frau Bundesrätin Schumann, das sind die Punkte, die Sie angesprochen haben: Wie können wir es Menschen durch Arbeitsbedingungen, die passen, ermöglichen, so lange in ihrer Arbeit zu bleiben, dass sie nicht vorzeitig, sondern beim Regelpensionsantrittsalter in Pension gehen? Das ist keine einfache Aufgabe, denn wo ist die Abgrenzung?

Natürlich teile ich Ihre Einschätzung, dass es Menschen, die am Bau oder in der Pflege arbeiten oder Schwerarbeit oder Schichtarbeit verrichten, nicht möglich sein wird. Man kann nicht mit – ich weiß nicht – 55, 56 oder 57 Jahren Menschen umlagern, die übergewichtig sind, oder die Tätigkeiten dort verrichten.

Das stellt uns aber vor die Herausforderung, zu definieren: Welche Berufsgruppen sind betroffen, welche wollen wir dort mitnehmen? Sie haben – ich habe das irgendwo aufgeschrieben – von einer Exit-Strategie gesprochen. Ich würde von einer Übergangsstrategie reden. Es muss möglich gemacht werden, dass Menschen, die länger oder überhaupt bis zum Pensionsantrittsalter arbeiten wollen, auch andere Tätigkeiten ausüben und innerhalb des Unternehmens die Chance bekommen, zu bleiben.

Das hat nämlich zwei Effekte: Sie wollen ja gerne bleiben und sie wollen auch ihr Wissen weitergeben. Worin wir in Österreich komplett schlecht sind, ist die Weitergabe von Wissen von älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich einen enormen Erfahrungsschatz angeeignet haben und dann oft gezwungenermaßen von heute auf morgen weg sind. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Genau!) Also, diese Transformation oder Übergangsstrategie braucht es.

Was wir auch brauchen – das teile ich –: Die Schwerarbeiterregelung entlang dieser Kalorienberechnungsgrenze, diese Kalorienregelung, ist inzwischen untauglich, weil sich die Bedingungen und die Arbeitswelten komplett geändert haben. Die Berechnung auf Kalorienbasis war okay, solange es vor allem die Leute betroffen hat, die am Bau arbeiten, Schwerarbeiter aus der Stahlindustrie und so weiter. Wir haben heute Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen, die sich geändert haben. Deshalb braucht es eine Neuregelung. Die Kalorienberechnungsgeschichte ist also nicht mehr tauglich. Da müssten halt Modelle entwickelt werden, wie wir damit umgehen.

Die Schaffung von mehr Flexibilität und das stärkere Ermöglichen von Arbeitsbedingungen, die eben Rücksicht auf das Alter nehmen, sind eine gemeinschaftliche, sozialpartnerschaftliche Aufgabe. Dann – aber erst dann – können wir auch darüber reden, wie wir Anreize schaffen können, länger zu arbeiten, und nicht gezwungenermaßen das Pensionsantrittsalter erhöhen, beispielsweise auch dadurch, dass den Menschen – das ist schon Teil – über das Pensionskonto klargemacht wird: Schaut euch an, was es monatlich netto bringt, wenn man ein Jahr oder zwei Jahre bis zur regulären Pension oder ein Jahr darüber hinaus arbeitet.

Das, was jetzt auf der Website der PVA abgebildet ist, ist aus dem vorigen Jahrhundert: technisch überaltert und nicht tauglich. Das ist im Übrigen auch letzte Woche im Finanzbildungsrat im Finanzministerium Thema gewesen, wo es jetzt auch einen gemeinschaftlichen Beschluss gibt, an die PVA heranzutreten, das zu modernisieren und zu ändern.

Das sind ein paar Punkte, die ich einfach noch anführen wollte.– Ich bedanke mich bei Ihnen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.23