15.28

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Vizepräsident! Herr Minister! Viel Geld heißt nicht immer viel und gut und heißt nicht immer gute Reform. Viel Geld heißt in dem Fall 1 Milliarde Euro mehr Schulden, die wir aufnehmen, Herr Minister, für eine – und das muss man sagen – komplett verfehlte - - (Bundesrätin Miesenberger: Zuerst ist alles zu wenig, und dann ...!) – Nein, nicht: Es ist alles zu wenig. – Wenn ich Schulden aufnehme, muss ich es ordentlich machen, und das ist eine komplett verfehlte Gesundheitspolitik.

Es gehen allein 600 Millionen Euro pro Jahr an die Länder für die Krankenhäuser; allerdings brauchen wir die Hälfte von den 600 Millionen Euro – und das sagt niemand dazu – für die Abdeckung des Abgangs, und dann machen Sie es jetzt völlig konträr, genau umgedreht zu dem, was man immer sagt. Man sagt ja immer, man muss schauen, dass man vieles von dem, was wir jetzt in den Ambulanzen haben, wieder in den niedergelassenen Bereich bringt: Wundversorgung, Schmerzversorgung und Diabetesversorgung. Also das gehört doch bitte in den niedergelassenen Bereich und eben nicht in die Ambulanzen, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist immer so interessant, wenn man sich hinstellt und sagt: Wir schaffen jetzt zusätzlich 100 neue Kassenstellen. – Wir haben in Österreich gerundet 300 freie Kassenstellen, schaffen jetzt noch einmal 100 zusätzliche – das heißt, wir haben 400 freie Kassenstellen –, und dann machen wir eine Regelung, die besagt: Wenn die Kassenstelle zweimal erfolglos ausgeschrieben wurde, kriegt man dann beim dritten Mal 100 000 Euro quasi als Bonus.

Herr Minister, wenn ich als Arzt, der sich eventuell für eine Kassenstelle interessiert, das weiß, dann werde ich mich beim ersten und beim zweiten Mal sicher nicht bewerben. Das heißt, das verzögert den Prozess, bis dann die dritte Ausschreibung kommt und dieser Arzt die Kassenstelle dann eventuell nimmt. Warum können wir das nicht gleich verbinden? Ich verstehe es nicht, Herr Minister: Warum müssen wir zweimal erfolglos ausschreiben, bis man einmal zugreift?

Noch etwas anderes dazu: In Tirol haben wir für das Studium ja die Universitätsklinik, und da gibt es ja immer noch Probleme mit den Numerus-clausus-Flüchtlingen aus Deutschland. Auch dieses Problem müssten wir angehen, und ich verstehe nicht, warum man einen Deutschen, der bei uns studiert, nicht verpflichten kann, zumindest für zehn Jahre in Österreich eine Kassenstelle zu bekleiden. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie legen jetzt den vollen Fokus auf die Primärversorgungszentren, vergessen aber – oder es passiert Ihnen, das weiß ich jetzt nicht, keine Ahnung; so lange sind Sie ja noch nicht mit dem Gesundheitswesen in Kontakt, erst seit sie Minister sind – den niedergelassenen Bereich völlig. Das heißt, wenn man ganz, ganz viel in die Primärversorgungszentren steckt, wird es halt schwierig werden, den niedergelassenen Bereich aufrechtzuerhalten.

Was ganzheitlich betrachtet von Ihrer angeblichen Reform übrig bleibt, sind Murks und Pfusch. Man hat nicht daran gedacht, was der Patient will. Was will der Patient? – Eine zeitnahe Behandlung, eine Garantie, dass sich jemand um ihn kümmert, und ein solidarisches Gesundheitssystem. Nur: Was ist mit dem solidarischen Gesundheitssystem passiert? – Aus mehreren Gründen greift das nicht mehr, und zwei davon sind ganz massive und gravierende.

Zum Beispiel haben 300 Pflegekräfte der Klinik in Innsbruck aufgrund Ihrer Impfpflicht den Hut draufgehaut und sind woandershin gegangen. (Bundesrätin Schumann: Na geh, doch nicht wegen der Impfpflicht!) – Nicht? Dann schlagen Sie die „Tiroler Tageszeitung“ auf (Bundesrätin Schumann: Ich rede lieber mit den Beschäftigten als mit der „Tiroler Tageszeitung“!), das ist ein linkes Blatt in Tirol, das wohl keinen Blödsinn schreiben wird. Über 300 Pflegekräfte haben wegen Ihrer Impfpflicht den Job hingeschmissen! (Beifall bei der FPÖ.)

Was kommt noch dazu? – Noch gravierender ist, dass Sie alle miteinander die ganze Welt zu uns eingeladen haben und jeden Flüchtling in Österreich kostenlos behandeln. Damit haben wir das Desaster und das Problem, und das bedeutet, bei einem eh schon desolaten Gesundheitssystem noch Öl ins Feuer zu gießen.

Das Gesundheitssystem oder die Gesundheitspolitik dieser Regierung auf den Punkt gebracht – oder was das am besten auf den Punkt bringt –: Wegen Covid-19 waren die Krankenhäuser voll, und Sie haben zu den Patienten nach Hause anstelle des Hausarztes die Polizei zur Kontrolle der Quarantäne geschickt. – Das bringt Ihre Gesundheitspolitik auf den Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Damals hätte es oft nur eine Infusionstherapie gebraucht (Bundesrat Schennach: Oder Pferdemedizin!) und der Krankenhausaufenthalt wäre zu verhindern gewesen. Vor Kurzem ist die Ärztekammer an Sie herangetreten: Bei Covid-19-Patienten soll doch bitte ein Hausbesuch gemacht werden dürfen! – Nach drei Jahren kommt die Ärztekammer und dann hoffentlich auch der Minister auf etwas drauf, was den Bürgern eigentlich ganz, ganz viel Leid erspart hätte.

Kurzum: Diese Reform ist leider Gottes nix. Wir haben deshalb einen Antrag vorbereitet, den ich jetzt einbringen darf:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Maßnahmen im österreichischen Gesundheitswesen organisatorisch, personell und finanziell umfasst:

- Evaluierung des Personalbedarfs auf allen Ebenen des Gesundheitswesens

- Finanzielle Fairness gegenüber allen Mitarbeitern im Gesundheitswesen

- Entbürokratisierung und Kompetenzerweiterung in den Berufsfeldern des Gesundheitswesens

- Weiterbeschäftigung älterer Kassenärzte und Erweiterung der Ausbildung

- Bundesweit einheitliches Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung

- Einbindung der Wahlärzte ins Kassensystem und Aufhebung des Doppelbeschäftigungsverbotes

- Erhalt der Möglichkeit für behandelnde Ärzte auch weiterhin lege artis Behandlungen in den einzelnen Krankenanstalten an schwerkranken Patienten vorzunehmen, ohne dass ‚Gesundheitsökonomen‘ in einem ‚Superboard‘ über Medikationen und damit Leben und Tod entscheiden.

- Anpassung des Arzneimittel-Spannensystems zu Gunsten der österreichischen Vertriebsebenen und Erweiterung des Notfallparagraphen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“

*****

Das ist ein Antrag, der weit über zehn Seiten umfasst und in dem ein Haufen Sinnvolles drinsteht. Wenn Sie schon nicht zustimmen, Herr Minister, würde ich Ihnen empfehlen, diesen Antrag durchzulesen. (Bundesminister Rauch: Ich darf nicht abstimmen!) – Bitte? (Bundesminister Rauch: Ich darf nicht abstimmen!) – Wenn Ihre beiden Fraktionen schon nicht zustimmen, dann würde ich zumindest Ihnen als Minister empfehlen, diesen Antrag zu lesen und sich vielleicht ein paar Gedanken darüber zu machen, welche Vorschläge andere hätten.

Das Einzige, was mich positiv stimmt, ist: Herr Rauch, Sie haben irgendwo vor Kurzem gesagt, Sie gehen dann nach dem Jahr, in dem die Neuwahl ist, in Pension. Ich hoffe für Sie – und das meine ich ernst und persönlich –, dass Sie als Person in dem von Ihnen verpfuschten Gesundheitssystem dann nie Leidtragender sind. (Beifall bei der FPÖ.)

15.36

Vizepräsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Echte Gesundheitsreform statt Verschlimmbesserung der Strukturen und der Versorgung im österreichischen Gesundheitswesen jetzt!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Bitte sehr.