13.12

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Hohes Haus! Ich denke, Sie können es an meinem Gesicht sehen: Ich habe heute wirklich eine große Freude, denn der moderne Rechtsstaat ist da, mit Verständnis für das Informationsbedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern im 21. Jahrhundert, aber auch mit Augenmaß für die Verwaltung in diesem Land. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Philosoph Max Weber hat die Politik einmal als „starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“ bezeichnet. Genau das war es, was wir, was Sie alle in den letzten Jahren gebraucht haben, um tatsächlich das Amtsgeheimnis endgültig in die Mottenkiste der Republik verbannen zu können, möchte ich sagen, und den transparenten Staat und die transparente Verwaltung Wirklichkeit werden zu lassen. Durchhaltevermögen, aber auch Optimismus: Das war es, was wir alle gebraucht haben, um diesen Paradigmenwechsel, möchte ich sagen, herbeiführen zu können.

Beharrlichkeit war auch etwas, was notwendig war. Es hat ja heute schon mehrfach Redebeiträge gegeben, in den darauf hingewiesen worden ist, dass ich über fast vier Jahre hinweg in fast jedem Interview darauf angesprochen worden bin, wann es denn endlich kommt, und diejenigen, die mir weniger gut gesonnen waren, haben gesagt: Das kommt eh nie, das bringen Sie nie durch! – Heute ist es soweit, und das freut mich tatsächlich sehr, denn mit Ihrem Beschluss dieser Verfassungsänderung und dem Nichterheben eines Einspruches schaffen wir das Amtsgeheimnis ab und schaffen ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

Frau Bundesrätin Grossmann hat darauf hingewiesen: Es gab viele Vorgängerregierungen, die das versucht haben, aber es ist diese Bundesregierung und es ist dieses Parlament, die diese Änderung jetzt herbeiführen.

Ich möchte einen kurzen Rückblick machen: Es waren über 200 Stellungnahmen, die wir im Begutachtungsverfahren bekommen haben, und die hätten wirklich nicht unterschiedlicher sein können. Den einen ist es viel zu weit gegangen, den anderen nicht weit genug. Das Argument aber, das die FPÖ heute vorgebracht hat, ist eigentlich selten gekommen, dass man deshalb sozusagen nicht zustimmt, weil einzelne Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind. Insofern ist es wichtig gewesen, dass wir dieses Bestreben durchgebracht haben und das heute umsetzen.

Eines möchte ich auch sagen: Frau Bundesrätin Grossmann, es geht ja nicht darum, ein Gesetz gegen jemanden durchzusetzen, sondern darum, dass es, wenn man so einen Paradigmenwechsel einleitet, wenn man ein seit 100 Jahren in der Bundesverfassung verankertes Amtsgeheimnis, das im Grundverständnis aller Beamtinnen und Beamten logischerweise drinnen ist, abschafft, Akzeptanz braucht. Dann geht es darum, dass diejenigen, die es umsetzen müssen und die es anwenden müssen, auch tatsächlich dahinterstehen. Das war der Grund, warum wir uns für diesen Prozess auch richtigerweise, wie ich heute sage, entsprechend Zeit genommen haben und uns auch alle Sorgen und Ängste, die damit verbunden waren, angehört haben.

Wir drehen nämlich dieses Prinzip tatsächlich um 180 Grad. Es ist schon angesprochen worden: Die Regel ist zukünftig die Information, die Transparenz, und die Geheimhaltung ist nur die Ausnahme.

Ich darf schon noch einmal ganz kurz systematisch darauf eingehen, was in diesem Informationsfreiheitsgesetz vorgesehen ist. Es steht auf zwei Säulen. Die eine Säule sind die Informationen von allgemeinem Interesse, die proaktiv zu veröffentlichen sind, und die andere Säule ist die passive Informationspflicht jedem und jeder Bürger:in gegenüber, der oder die vom Staat, von der Verwaltung etwas wissen möchte.

Von der proaktiven Informationspflicht, um das noch einmal ganz deutlich zu machen, sind die Organe der Verwaltung, die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichte, der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof, der Nationalrat, der Bundesrat, der Rechnungshof und auch die Volksanwaltschaft umfasst. Diese Informationen von allgemeinen Interesse sind  – je nach Zuständigkeit – entweder auf den eigenen Seiten oder auf data.gv.at öffentlich zugänglich zu machen. Da reden wir von Amtsblättern, von Tätigkeitsberichten, von Umfragen, von Studien und anderen Dingen mehr.

Ausgenommen sind natürlich solche Informationen, die der Geheimhaltung unterliegen. Auch zukünftig schützen wir selbstverständlich Gesundheitsdaten, wir schützen Daten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreffen, und klarerweise werden wir auch den Datenschutz weiterhin wahren. Das ist ja eine Selbstverständlichkeit.

Wenn wir jetzt noch einmal auf die Gemeinden kommen: Dabei, dass diejenigen Gemeinden mit unter 5 000 Einwohnern von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen sind, haben wir uns etwas gedacht, da können Sie sich ganz sicher sein, geschätzte Bundesräte von der FPÖ! Ich habe das Argument ja oft gehört. Frau Bundesrätin Geieregger hat es ausgeführt – und sie weiß, wovon sie spricht; sie ist Bürgermeisterin in einer Gemeinde in Niederösterreich in der Nähe von Wien, in Kaltenleutgeben –: Das sind oft sehr kleine Einheiten, und deshalb müssen wir natürlich auch dafür sorgen, dass die Verwaltungsmöglichkeit aufrecht bleibt, dass das Verwaltungshandeln möglich bleibt, und deshalb ist da diese Ausnahme vorgesehen. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass, egal wie klein eine Gemeinde ist, natürlich jeder Bürger und jede Bürgerin – auch egal, wie er oder sie sich betitelt; Sie erinnern sich an „Hasi123“, das, glaube ich, war es – in Zukunft Auskunft bekommen muss und dass diese Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Das ist es, was wir schaffen wollen.

Die zweite Säule betrifft den Umstand, dass endlich ein Grundrecht, ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zu Informationen in der Bundesverfassung verankert wird, und das ist schon ein Meilenstein. Ich glaube, ein Quantensprung ist für die Physikerinnen und Physiker auch etwas sehr, sehr großes gewesen. Ich bleibe dabei, es ist jedenfalls ein Paradigmenwechsel – auch, dass vorgesehen ist, dass diese Informationen innerhalb von vier Wochen zu erteilen sind und diese Frist nur im Ausnahmefall auf acht Wochen verlängert werden kann.

Ja, aber wie ist es so mit Grundrechten? – Man muss sie vor allem auch vor Missbrauch schützen. Deshalb haben wir uns auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiert, dass nur solche Informationen herausgegeben werden müssen, die ready und available sind, die also fertig und auch abrufbar sind. Es kann nicht sein, dass man Beamtinnen und Beamte dann mit Rechercheaufgaben zupflastert und sie ihren eigentlichen Verwaltungstätigkeiten nicht mehr nachgehen können. Das war mir persönlich ein großes Anliegen. Da gibt es auch internationale Vorbilder, etwa, dass es in Verfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch eine Missbrauchsklausel gibt.

Was ist ganz neu? – Ganz neu ist, dass rechnungshofkontrollierte Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen umfasst sind – da reden wir etwa von der Wien Energie, aber auch vom ORF –, und da kann nur dann von der Auskunfts- und Informationserteilung Abstand genommen werden, wenn die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wäre.

Ich nenne Ihnen auch eine andere Ausnahme, um völlig transparent zu sein: Börsennotierte Unternehmen sind von der Informationspflicht ausgenommen. Warum? – Weil sie ohnehin schon sehr viele Transparenzpflichten haben und Dinge veröffentlichen müssen, deshalb gibt es da eine Ausnahme.

Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass nach den Verhandlungen im Regierungsteam und mit den Regierungspartnern dann auch noch Änderungen hinzugekommen sind, als wir mit der SPÖ in Detailverhandlungen gegangen sind. Da sind schon auch noch wichtige Dinge reingekommen. Ich bin da offen transparent und auch ehrlich.

Es gibt eine Neufassung der Geheimhaltungsgründe, was das Interpellationsrecht betrifft. Was ist neu? – Es muss noch mehr geprüft werden, ob nicht doch die Auskunft erteilt werden kann, selbst wenn ein Geheimhaltungsgrund vorliegt, indem man einen Schutz vorsieht und diese Informationen entsprechend klassifiziert erteilt. Was heißt das? – Dass diese Interpellationen dann eben nicht zu veröffentlichen sind, sondern geheim gehalten werden müssen, aber die Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen diese Auskunft bekommen.

Wir haben auch in § 9 Informationsfreiheitsgesetz klargestellt, dass dann, wenn kein direkter Zugang zur Information möglich ist, also das entsprechende Dokument aus verschiedenen Gründen nicht herausgegeben werden kann, jedenfalls Auskunft darüber – etwa was drinnen steht – erteilt werden muss. Wir haben in den Erläuterungen auch klargestellt – das war nämlich etwas, was beim Expertenhearing im Verfassungsausschuss zutage getreten ist –, dass die Behörden den Gerichten selbstverständlich alle Informationen vorlegen müssen, sodass die Gerichte in die Lage versetzt werden können, festzustellen, ob zu Unrecht nicht Auskunft erteilt worden ist, und sich dann auch eine Judikatur herausbilden kann.

Eines möchte ich auch sagen, weil das wahrscheinlich in diese Richtung geht: Meine Spitzenbeamten im Verfassungsdienst schwitzen nicht (Heiterkeit der Bundesrätin Grossmann), wenn es kritische Fragen gibt, sondern – ganz im Gegenteil – sie sind höchst qualifiziert und haben sich jetzt mehr als dreieinhalb Jahre damit beschäftigt. Was auch Spitzenbeamte aber nicht können: Sie können die Judikatur nicht vorhersehen. Wir können in den Erläuterungen das nur bestmöglich im Sinne des Gesetzgebers festhalten. Die Judikatur ist Gott sei Dank im Sinne der Gewaltenteilung davon getrennt. Deshalb gibt es da natürlich einen Spielraum für die Judikatur, um dann die Details auch noch zu klären, nachdem es in Kraft getreten .

Wir haben auch eine Evaluierung nach zwei Jahren vorgesehen. Da geht es darum, die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz für die Gemeinden und für die Länder, vor allem für die kleinen Einheiten, entstehen, entsprechend zu klären, damit man da im Endeffekt auch anpassen kann.

Ein letzter Punkt, der sich nach dem Expertenhearing, nach den Verhandlungen mit der SPÖ auch geändert hat, ist, dass es eine Verbesserung für Journalistinnen und Journalisten, was das Informationsfreiheitsgesetz betrifft, gibt. Es soll der Rechercheauftrag, es soll der Public Watchdog nicht eingeschränkt werden. Auch das ist etwas, glaube ich, das gut ist, und es ist richtig, dass wir das noch aufgenommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren Zuseher:innen! Es ist ein neues Verständnis für den Staat, dass heute hier im Bundesrat beschlossen wird, es ist eine umfassende Änderung der Bundesverfassung. Ich sage Ihnen ganz offen, ich glaube, alle, die da heute mitstimmen, können stolz darauf sein, dass Österreich tatsächlich reformierbar ist und wir es ins 21. Jahrhundert bringen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ich glaube, Sie merken es, das lassen wir uns nicht schlechtreden – von niemandem! –, denn es ist ein großer Erfolg.

Ich darf auch noch erklären, warum wir da eine Legisvakanz vorsehen: weil wir uns darauf einstellen müssen, nämlich diejenigen, die Informationen erteilen müssen. Wir müssen auch noch viele andere Gesetze ändern. Das Amtsgeheimnis ist in so vielen Verordnungen, Richtlinien, Gesetzen verankert. Angefangen bei der Strafprozessordnung, beim Strafgesetzbuch: Da sind Änderungen vorzunehmen, für die es natürlich Zeit braucht, und darauf ist die Verwaltung vorzubereiten. Und in aller Deutlichkeit sei gesagt: Wir lassen niemanden auf dem Weg zum modernen Rechtsstaat im Regen stehen. Wir werden mit Leitfäden, mit Studien begleiten. Wir werden entsprechende Schulungen anbieten. Der Verfassungsdienst, aber auch die Datenschutzbehörde stehen bereit, und wir sind schon dabei, diese Dinge auszuarbeiten.

Wir arbeiten gemeinsam für ein noch stärkeres Österreich. Deshalb ist es an dieser Stelle angebracht, all jenen Danke zu sagen, die daran geglaubt haben, dass es dieses Gesetz geben wird. An erster Stelle ist aus meiner Sicht da schon Vizekanzler Werner Kogler zu nennen, mit dem ich immer ein unglaublich gutes Verhandlungsklima gehabt habe. Ich habe vor allem auch in meinem Verfassungsdienst, unter den dortigen Expertinnen und Experten, und in meinem Team im Kabinett großartige Unterstützerinnen und Unterstützer gehabt. An dieser Stelle möchte ich schon sagen: Bitte applaudieren Sie einmal jenen, die wirklich mit allem, was ihnen zur Verfügung gestanden ist, die ganze Zeit daran gearbeitet haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Bedanken möchte ich mich auch beim Gemeindebund, beim Städtebund, bei den Ländern, bei den Sozialpartnern, bei der Zivilgesellschaft, bei der Wissenschaft und auch bei jenen, die teilweise im Raum anwesend sind und beim Expertenhearing dazu beigetragen haben, dass wir da noch kleinere Änderungen und, wie ich glaube, Verbesserungen schaffen konnten. Selbstverständlich bedanke ich mich bei den Verfassungssprechern: bei Jörg Leichtfried von der SPÖ, er ist auch der Obmann des Verfassungsausschusses, bei Abgeordneter Sirkka Prammer – sie ist heute schon genannt worden –, die mit Beharrlichkeit daran beteiligt war, und natürlich bei Wolfgang Gerstl, unserem Verfassungssprecher in der ÖVP. Es wäre nicht gegangen, wenn wir nicht gemeinsam an einem Strang gezogen hätten. Wenn man nach 100 Jahren etwas ändert, dann, glaube ich, ist es für eine Verfassungsministerin etwas, worauf man durchaus stolz sein kann.

Offenheit und Transparenz sind zukünftig das Gebot der Stunde. Die Informationsfreiheit ist ein Meilenstein. 100 Jahre nach der Einführung des Amtsgeheimnisses im Jahr 1925 schaffen wir es im Jahr 2025 ab. Streichen Sie sich den 1. September 2025 rot im Kalender an! Der heutige Beschluss ebnet den Zugang zum Grundrecht auf Information für alle Bürgerinnen und Bürger in Österreich. Ich glaube, Sie alle können stolz darauf sein. – Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

13.26

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Ich begrüße sehr herzlich bei uns im Bundesrat Herrn Abgeordneten zum Nationalrat Reinhold Einwallner. – Herzlich willkommen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses.