14.31

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Auch ich darf Ihnen gleich eingangs viel Erfolg für Ihre Präsidentschaft in diesem Halbjahr wünschen.

Werter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir läuft ja immer irgendwie ein bisschen ein kalter Schauer den Rücken runter, wenn die Bundesregierung etwas mit Digitalisierung macht. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Echt? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Tatsächlich, ja, und das hat auch einen Grund. Ich habe ein einigermaßen gutes Gedächtnis, aber viele von Ihnen werden sich auch an das Kaufhaus Österreich erinnern können. (Bundesrätin Schumann: Ja!) 1,3 Millionen Euro verbrannt, zerrissen! Für nichts! Diese Website wurde sofort wieder eingestellt, hat keinen Mehrwert für die österreichische Bevölkerung gehabt. Zusätzlich – und das ist nicht so vielen bekannt – gab es viele Youtube-Videos der damaligen Ministerin, und diese Youtube-Videos hatten 30 bis 40 Views. Da funktionieren sogar die des Bundeskanzlers auf Social Media besser; das muss man tatsächlich sagen. – Das war der eine Punkt.

Der zweite Punkt. Das war ja ganz unterhaltsam bis schmerzhaft: Sie haben versucht, die ID-Austria zu promoten. Das ist ja tatsächlich löblich, dass Sie als Staatssekretär für Digitalisierung das tun. Sie haben versucht, das auch live vor der Kamera zu machen. Sie haben dem Redakteur das Handy aus der Hand genommen und versucht, das am Handy praktisch einzurichten. Das ist dann leider gescheitert. Live! Sie haben sich aber nicht entmutigen lassen – auch das ist Ihnen zugute zu halten –, Sie haben es ein zweites Mal probiert. Das ist wieder gescheitert. Sie haben es dann noch ein drittes Mal probiert, und dann war es aber auch wirklich genug.

Also auch da: ID-Austria, die Digitalisierung wieder ein großes Problem. Viele Menschen in der österreichischen Bevölkerung kennen das und die Probleme mit der ID-Austria.

Das Dritte: Bundesregierungsmitglied Minister Kocher, Ihr Kollege im Team der ÖVP, ist gleich zweimal mit der Nase auf dem Boden gelandet, zweimal mit dem AMS. Einerseits hat er ein Rechenmuster genommen, einen Algorithmus, eine KI eingesetzt, die den Berater:innen und Betreuer:innen dabei helfen soll, Personen in neue Jobs zu bringen. Problem dabei war, dass diese KI Mechanismen verwendet hat, die vielleicht nicht so ideal sind. Was meine ich konkret? – Da sind auch die Postleitzahlen reingelaufen, und wenn jemand zum Beispiel aus einer Gegend wie ich kommt, aus Favoriten, die Postleitzahl ist 1100, hat dieser Algorithmus der Person automatisch schlechtere Angebote gemacht oder sie praktisch gar nicht zugewiesen. Es ist kein Wunder, dass dieser Algorithmus jetzt gerade Gegenstand eines Rechtsverfahrens ist, denn genau das ist nämlich passiert.

Und das zweite Mal, wieder Minister Kocher und erst vor Kurzem: ein KI-Chatbot. Ganz großartig! Was macht dieser KI-Chatbot? – Er bringt immer wieder und reproduziert Vorurteile. Es wurde in diesen KI-Chatbot zum Beispiel eingegeben, dass man ein homosexueller Mann ist. Was empfiehlt dieser KI-Chatbot dann? – Man soll etwas im Kreativbereich machen. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Man gibt dort ein, dass man eine junge Frau ist. Was empfiehlt dieser KI-Chatbot, dass man tun soll? – Man soll Philosophie studieren oder Design machen. Gibt man Mann ein, soll man natürlich in die Technik gehen. Das macht dieser KI-Chatbot.

Das ist auch schon das Problem mit KI, wenn man sie nicht gesamtheitlich betrachtet. (Bundesrat Schreuder: KI? Algorithmus, ja!) KI arbeitet mit Korrelationen und nicht mit Kausalität. Man versucht, in großen Datenmengen Gemeinsamkeiten zu finden, und genau das ist auch das Problem, das man verursachen würde, wenn die KI unreguliert in der Arbeitswelt Einzug halten würde: Diese Korrelationen werden wiedergegeben und damit zugleich erneut wiederholt.

Ich möchte Ihnen anhand von drei Menschengruppen oder Personen erklären, warum wir gegen diesen Gesetzesvorschlag sind. (Bundesrat Buchmann: Gut, dass bei euch nie etwas passiert! – Bundesrat Himmer: Bei euch funktioniert immer alles!) Erstes Beispiel: Eine Frau bewirbt sich um einen Job in einem großen Unternehmen; sie hat Bauingenieurwesen studiert und will Bauingenieurin werden. Der Algorithmus bekommt 50 Bewerbungen, lässt diese Bewerbungen durchlaufen und entscheidet sich gegen diese Frau. Warum entscheidet sich der Algorithmus gegen die Frau? – Basierend auf Daten der Vergangenheit, die drinnen sind, ist klar: Das muss ein Mann werden. Diese Vorurteile werden wiedergegeben, wenn man nicht eingreift und darauf schaut, dass es diskriminierungsfrei bleibt.

Zweites Problem: Angenommen, Sie sitzen zu Hause und wollen einen Flug nach Rom buchen. Sie haben schon alles herausgesucht. Da steht 190 Euro – ein gutes Angebot. Das wollen Sie nehmen. Im selben Browser gehen Sie auf irgendeinen großen Anbieter und buchen ein Hotel. Der Browser nimmt diese Daten auf, und auf einmal kostet der Flug nicht mehre 190 Euro, sondern 430 Euro, weil das Programm im Hintergrund weiß, dass Sie den Flug jetzt brauchen, weil Sie ja schon ein Hotel gebucht haben.

Drittes Problem – es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die da noch kommen könnten, uns geht es insbesondere um den Konsumentenschutz –: Datenschutz; da hätten wir gleich das nächste.

In diesen drei Bereichen, also Arbeitsrecht, Konsumentenschutz und Datenschutz, haben wir das Problem, dass die Betroffenen keine Ansprechstelle haben.  Konkret beim Datenschutz habe ich im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI den bedauerlichen Fall vor Augen, der in der Realität leider auch immer wieder passiert: Stellen Sie sich vor, Sie sind Vater oder Mutter einer Tochter, die 15 oder 16 Jahre alt ist. Es gibt ein Foto von ihr, es gibt halbstarke Schulkolleginnen, Schulkollegen, die es durch irgendeine KI rennen lassen; es werden anzügliche Fotos daraus gemacht, und die machen auf dem Schulhof die Runde. Sie müssen dann schauen, wie Sie damit zurechtkommen können.

Diese drei Szenarien habe ich also vor Augen. Diese drei Personen suchen Rat, wollen Hilfe, gehen damit zur KI-Servicestelle. Was wird diese KI-Servicestelle machen? – Sie wird sagen, dass sie nicht zuständig ist. Das ist das Problem an der KI-Servicestelle. Die KI-Servicestelle macht nämlich nur eines: Sie hilft Unternehmen bei der Implementierung und Anwendung von KI, und das war es. Und die ÖVP tut das, was sie immer tut: Sie schaut durch das Guckrohr und macht nur etwas für Unternehmen. Und ich sage dazu: Da habe ich ja auch prinzipiell nichts dagegen, man soll Unternehmen dabei helfen, das kann sogar für den Wirtschaftsstandort förderlich sein, aber es gibt halt auch ganz, ganz viele andere Menschen in diesem Land. Österreich besteht nicht nur aus Unternehmern, es besteht nicht nur aus Landwirten und es besteht nicht nur aus Lobbyisten. Es gibt ganz, ganz viele andere Gruppen in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie richten eine Servicestelle ein und sagen, dass das sozusagen ein Vorgriff auf die Künstliche-Intelligenz-Verordnung der Europäischen Kommission ist, die kommen wird. Warum immer dieser Fokus nur auf Unternehmen? (Staatssekretär Tursky: Das stimmt nicht!) Ich verstehe das einfach nicht.

„Das stimmt nicht!“, sagt der Herr Staatssekretär. Da bin ich aber gespannt! Ich habe mir das nämlich auch als Jurist angeschaut, denn der Staatssekretär hat ja schon im Nationalratsplenum gesagt, dass das nicht stimmt und die Servicestelle selbstverständlich auch Konsumentinnen und Konsumenten helfen wird. Das finde ich spannend. Als Jurist schaue ich mir nämlich immer an, was im Gesetzestext steht, und da gibt es einen Katalog von Aufgaben für diese Servicestelle, und in dem steht das nicht drin. Die wird Konsumentinnen und Konsumenten also nicht helfen. Insofern bin ich sehr gespannt, wenn Sie sagen, dass das nicht stimmt, wie Sie das entkräften wollen. Mit dem Gesetzestext können Sie das jedenfalls nicht. Die Behörde wird nicht anders können, als nach diesem Gesetz zu agieren, denn so funktioniert unser Rechtsstaat. Daher stimmt das also sehr wohl.

Abschließend will ich noch auf etwas hinweisen, was mehrere anerkannte Forscher in diesem Land gesagt haben, etwa die von der TU Wien. Die haben vor einem halben Jahr eine Pressekonferenz gemacht und die Arbeit der österreichischen Regierung im Bereich der künstlichen Intelligenz und ihren Umgang damit kritisiert. Sie haben gesagt: Die Bundesregierung lobt sich immer dafür, dass sie im Bereich der KI so viel Geld ausgibt, so viel hilft und macht. Der Sprecher, ein Professor der TU-Wien, hat Folgendes gesagt: Das ist bis zu einem gewissen Grad Selbsttäuschung. Es wird zwar Geld für Projekte ausgegeben, in deren Namen Computer und Daten vorkommen, und das ist dann auf einmal ein Künstliches-Intelligenz-Projekt. Das ist aber viel zu wenig. Künstliche Intelligenz wird ein Zukunftsthema sein, und da reicht es nicht, wenn wir einfach nur Projekte fördern, in deren Namen Computer und Daten vorkommen, stattdessen müssen wir wirklich in die Sache selbst eingreifen.

Ich weiß, Herr Staatssekretär, dass Sie in diesem Bereich bemüht sind, eine Lösung zu finden; das weiß ich auch anzuerkennen. Es ist nur so, und das gleich als Vorgriff für die Wahl in Innsbruck: Bemühen allein reicht nicht! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Aha!)

14.39

Präsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte, Frau Bundesrätin.