18.09

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher!

Jetzt haben wir ja schon ganz viel gehört, und ich möchte an der Stelle auch sagen – der Minister hat es erwähnt –, 112 000 Asylverfahren mit gutem Rechtsstatus durchzuführen ist nicht trivial. Ich habe selbst lange Jahre im Erstaufnahmezentrum gearbeitet. Dafür, dass wir das mit einem so hohen Standard geschafft haben, gebührt auch von meiner Seite sowohl den Polizist:innen als auch den Beamten des BFA und den Gerichten höchste Anerkennung, weil das wirklich nicht einfach ist und in Österreich auf höchstem Niveau gemacht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Als ich vorgestern die OTS in Bezug auf die Dringliche Anfrage heute gelesen habe, war ich schon etwas erstaunt, wusste aber noch nicht genau, in welche Richtung das gehen würde. Als ich mir das dann heute Morgen genau durchgelesen habe, war ich doch ein bisschen erstaunt über diese spezielle Dringliche Anfrage der SPÖ Burgenland. Noch erstaunter war ich dann, als Kollegin Gerdenitsch geredet hat, über ihre Tonalität. Was mich auch irritiert hat – und vielleicht habe ich das falsch verstanden, weil es ja doch nicht ganz leise im Saal war –, war, dass es sich für mich so angehört hat, als ob es Menschen, die Asyl oder einen Bleibestatus erhalten haben, nicht gestattet sein soll, hier zu bleiben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, es wurde von gut integrierten Familien geredet, die nicht abgeschoben werden sollen. Das habe ich gehört, aber vielleicht schauen wir uns das noch einmal im Protokoll an. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich sage, ich habe ja eingeräumt: Vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden, aber von der Tonalität hat mich das doch schon sehr irritiert.

Es ist ja auch tatsächlich so: Schlepperkriminalität betrifft nicht nur das Burgenland, sondern sie ist ein gesamtösterreichisches und EU-weites Problem und auch ein globales Thema. Organisierte Schlepperei ist massive Kriminalität, eine nicht versiegende Geldquelle und sie verursacht natürlich in erster Linie unendlich viel Leid – sei es durch getötete Geflüchtete, und gar nicht zu reden vom organisierten Menschenhandel. Sie betrifft nicht nur die ungarisch-burgenländische Grenze, sondern auch Slowenien und die Steiermark, Italien und Kärnten und Tirol, Oberösterreich, Salzburg und Deutschland. Der Herr Minister hat es eben auch schon ausgeführt, dass es in diesen Bereichen zu Aufgriffen kommt.

Ich nenne dieses Beispiel, weil es den Kern des Problems zeigt. Als EU-Binnenland im Schengenraum dürfte Österreich eigentlich gar nicht in die Situation kommen. Es greift nämlich grundsätzlich bei jedem in Österreich gestellten Asylantrag die derzeit geltende Dublin-Verordnung, die die Asylverfahrenszuständigkeit nach Erstankunftsland und speziellen Kriterien regelt. Wird nämlich nach Asylantragstellung in Österreich festgestellt, dass gemäß bestimmter Kriterien ein anderes EU-Land zuständig ist, werden Asylwerber:innen meistens in dieses EU-Land überstellt, um dort das entsprechende Asylverfahren zu bekommen. Nun ist es aber so, dass Ungarn schon vor längerer Zeit aus diesem System ausgestiegen ist. Faktisch ist es überhaupt nicht mehr möglich, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen (Bundesrätin Schumann: Genau, genau!) – und das verstößt ganz klar gegen geltendes EU-Recht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: ... mit dem Herrn Orbán hin!)

Dazu gibt es auch schon seit dem Jahr 2020 ein Urteil des EuGH. Die Folge dieses EU-rechtswidrigen Verhaltens ist unter anderem, dass Frontex von der aktiven Grenzsicherung in Ungarn abgezogen wurde, weil es nicht EU-rechtskonform ist, in einem EU-Staat Handlungen zu unterstützen, die dem EU-Recht entgegenlaufen. Um Ungarn dennoch bei der Grenzsicherung zu unterstützen, wurden seitens Österreichs – Sie, Herr Minister, haben die Zahlen genannt – Polizeibeamte nach Ungarn entsandt. Aufgegriffene Personen, seien es nun Schlepper oder Geflüchtete, werden den ungarischen Behörden übergeben – aber was passiert dann? Wir haben es heute schon gehört: Das liegt nicht mehr in unserem Kompetenzbereich, was die ungarischen Behörden dann mit diesen Personen machen. Es ist tatsächlich nicht so, dass Schlepper oder Schutzsuchende von den ungarischen Behörden mit entsprechenden Verfahren bedacht werden, sondern sie werden in der Realität, ich sage das jetzt mal ganz salopp, auf die Weiterreise geschickt. Das ist schon ein wichtiger Punkt, über den man immer wieder reden muss: Wie können wir verhindern, dass sich Ungarn weiterhin EU-rechtswidrig verhält?

Das Ganze ist ja auch dahin gehend zu beleuchten, dass eben, obwohl es offensichtlich ist, dass Ungarn im Rahmen der Dublin-Verordnung für die Führung eines Asylverfahrens zuständig wäre, keine Dublin-Rücküberstellungen nach Ungarn möglich sind und nun all diese Verfahren tatsächlich, sofern die Menschen sich nicht entziehen, in Österreich geführt werden müssen. So ist auch bei der Operation Fox zu fragen, weil dort genau dasselbe passiert: Die Menschen, die Schlepper werden aufgegriffen und wenn es nicht schon einen Straftatbestand für den Schlepper in Österreich gibt, dass er hier ein Verfahren bekommt, wird er den ungarischen Behörden übergeben. Dann kommt es wiederum nicht zu einem Verfahren.

Ganz kurz vielleicht noch zu den Kolleg:innen von der SPÖ, weil ich in der Dringlichen Anfrage auch die Forderung nach mehr Kontrolle und nach mehr Personal gelesen habe: Das läuft für mich darauf hinaus, die Grenze noch mehr zu militarisieren, aber ich glaube, wir haben heute auch schon gehört, wie viel gemacht wird. (Heiterkeit des Bundesrates Kovacs.) Kollegin Gerdenitsch hat es sogar gesagt: über 1 100 Aufgriffe. Hätten wir zu wenige Ressourcen, könnte es ja gar nicht zu diesen hohen Zahlen an Aufgriffen kommen, mit denen wir sicher im Spitzenfeld liegen.

Ich will aber nicht nur hier stehen und die Probleme beleuchten. Wir brauchen Lösungen: Lösungen, die an die Wurzel gehen, im Unionsrecht verankert sind und vor allen Dingen die Grundrechte hochhalten. Wir Grüne stehen in Österreich und in der EU für eine Asylpolitik im Gleichgewicht zwischen Menschenrechten, Humanität und Ordnung – und das ist ganz wichtig – auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Jene, die Schutz benötigen, müssen einen effektiven Zugang zu Asylverfahren haben, hier in Österreich und überall in der EU.

Was ganz wichtig und wesentlich ist: Wir brauchen den Ausbau legaler Fluchtwege. Insbesondere ist da auch Resettlement zu nennen (Beifall bei den Grünen), denn schlussendlich ist das aus unserer Sicht der effektivste Weg, um Schlepperei und Menschenhandel zu bekämpfen.

Vielleicht eine Anmerkung, weil ich mich schon so lange mit der Thematik beschäftige: Bis 2001 hat es zum Beispiel die Möglichkeit der Botschaftsasylantragstellung gegeben, die seitdem nicht mehr möglich ist. Da mussten die Leute nicht vorher in die EU oder nach Österreich kommen, das war von außerhalb möglich. Flucht darf nämlich auf keinen Fall bedeuten, sich einer noch größeren Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, um eben sein Leben, das vorher schon in Gefahr war, schlussendlich zu retten. (Beifall bei den Grünen.) Das ist insbesondere – und das ist auch wichtig und wesentlich – für vulnerable Personengruppen wie Frauen und Kinder von allergrößter Bedeutung. Es wurden heute schon Zahlen genannt, diese Zahl wurde noch nicht genannt: Im Jahr 2023 ertranken mindestens 2 797 Menschen im Mittelmeer, die gezählt wurden. Seit dem Jahr 2014 sind bis zum heutigen Zeitpunkt fast 30 000 geflüchtete Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen. (Heiterkeit des Bundesrates Kovacs. – Bundesrat Schreuder: Da lacht er, der Herr Kovacs!)

Abschließend möchte ich noch zwei Dinge sagen: Wir müssen endlich konsequent von allen EU-Mitgliedstaaten einfordern, dass sie sich an die geltenden Regeln im Bereich Asyl- und Migrationsrecht halten und die entsprechenden Aufnahmebedingungen und Verfahrensgarantie für Schutzsuchende schaffen. Wir müssen klar und deutlich auf allen Ebenen Rechtstaatlichkeit und solidarische Übernahme der Verantwortung einfordern.

Ein letzter Satz zur Erinnerung: Das EU-Primärrecht sieht auch Sanktionsmöglichkeiten für EU-Mitgliedstaaten vor, die die gemeinsamen Aufnahmestandards nicht einhalten und daher Quelle von Sekundärmigration nach Österreich sind. In diese Richtung sollten wir handeln. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

18.19

Präsidentin Margit Göll: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Dominik Reisinger. – Ich erteile ihm dieses.