09.36

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Besucher hier im Hohen Haus, willkommen bei uns! Zuallererst möchte ich schon festhalten, dass ich es durchaus sinnvoll finde, dass bei dem heutigen Thema der Aktuellen Stunde, bei dem es um Jugend geht, tatsächlich auch unsere Jugendstaatssekretärin anwesend ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Sie hätten eh beide kommen können!)

Es ist gut, dass es in der heutigen Aktuellen Stunde um die Jugend geht, auch wenn – das muss ich schon ehrlich zugeben – der Titel „Generation Zuversicht“ meiner Ansicht nach eine mittelgut gelungene Anspielung auf die Bezeichnung Generation Z ist. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Dass es heute um die Jugend geht, ist besonders gut, weil Jugendliche oft und gerade in letzter Zeit pauschal dafür kritisiert werden, dass sie entweder zu wenig Interesse an gesellschaftlicher Veränderung zeigen oder auf der anderen Seite zu engagiert und zu radikal sind. Dabei ist es ihr Recht, und seien wir uns ehrlich: Sie haben mittlerweile auch gar keine andere Wahl mehr, als zum Beispiel freitags auf den Straßen für ihre Zukunft zu kämpfen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Bundesrät:innen Schartel und Spanring.)

Studien und Berichte zur aktuellen Situation von Jugendlichen, ihren Interessen, ihren Zukunftswünschen und -erwartungen gibt es zahlreiche. Wir haben schon vom Bericht zur Lage der Jugend in Österreich gehört, den das zuständige Regierungsmitglied einmal in jeder Legislaturperiode vorlegt.

Ein anderer Bericht ist zum Beispiel der YEP-Jugendbericht. YEP steht für youth, empowerment und participation. Das ist ein Verein, der zum Ziel hat, reale Möglichkeiten der Partizipation für Jugendliche, für junge Menschen zu schaffen und sie auch zu ermutigen, diese zu nutzen. Die YEP-Berichte stellen die Ergebnisse von partizipativen Studien dar. An der letzten haben über 1 000 junge Menschen teilgenommen. Bereits an der Ausarbeitung der Studien sind junge Menschen beteiligt. Schaut euch das an, das ist wirklich eine ganz tolle Sache.

Diese Studien und Berichte haben eines gemeinsam: Auch wenn man nicht von einer homogenen Gruppe sprechen kann und die Sorgen und Zukunftserwartungen von Jugendlichen so unterschiedlich sind wie ihre Lebenssituationen, so gibt es doch gewisse, bestimmte Themen, von denen grob gesagt alle Gruppen von Jugendlichen in ähnlichem Ausmaß betroffen sind und die diese beschäftigen.

Einer der letzten YEP-Berichte informiert zum Beispiel darüber, dass den jungen Menschen die Themen Gleichberechtigung, Klimaschutz und Bildung besonders wichtig sind – zum Thema Bildung komme ich dann noch. Der Bericht zur Lage der Jugend in Österreich zeigt auf, dass sich junge Menschen einerseits der Themen unserer Zeit bewusst sind und die vielfältigen Auswirkungen auch spüren.

Die jungen Menschen sind gleichzeitig so konservativ wie schon lange nicht mehr. Ihnen ist eine funktionierende Gemeinschaft wichtig, ihnen ist Familie wichtig, Freunde sowie ein Leben in Ruhe, Ordnung und Sicherheit, so die Studie.

Das klingt möglicherweise im ersten Moment wie ein Widerspruch. Man kann die Aussagen der Studien und Berichte, wie man heute schon ganz deutlich gesehen hat, natürlich unterschiedlich interpretieren. Auch wenn ich der Meinung bin, leistbarer Wohnraum ist ganz, ganz essenziell für junge Menschen: Was ich nicht tun würde, ist, den Teil über konservative Wertvorstellungen dahin gehend auszulegen, dass wir jungen Menschen in erster Linie ein günstiges Eigenheim ermöglichen sollten, weil das ihr oberstes und wichtigstes Ziel ist. (Ruf bei der SPÖ: So ist es!)

Vielmehr zeigt der Trend zu konservativen Wertvorstellungen etwas, das auch in der Entwicklungspsychologie gut beschrieben ist, nämlich, dass Menschen in Krisenzeiten dazu neigen, sich wieder dem Gewohnten, dem Sicheren zuzuwenden. Das ist bei jungen Menschen eben in erster Linie die Familie, die Herkunftsfamilie, die Freunde, das Zuhause, die bekannte, gewohnte Umgebung.

Gerade junge Menschen erleben die Welt der multiplen Krisen, die wir nun einmal vorfinden, Katastrophen und Zukunftssorgen besonders stark. Sie waren tatsächlich in einer besonderen Art von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Die Zeit der Pandemie hat wieder einmal deutlich gemacht, dass Bildung in Österreich nach wie vor vererbt wird und wenig mit dem eigenen Ehrgeiz und dem Willen dahin gehend zu tun hat, wie junge Menschen sich für ihre Zukunft bestmöglich bilden können. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Die Jugendstudie zeigt den Einfluss der Bildung an den Zahlen und an der Herkunft von Studierenden. 2020 und 2021 kamen über 53 Prozent der Studierenden aus Akademikerhaushalten, während gleichzeitig weniger als 20 Prozent der Bevölkerung insgesamt einen Hochschulabschluss haben. Es kam während der Pandemie ganz stark auf den Hintergrund, auf den Bildungsgrad der Eltern an, wie gut die Kinder und Jugendlichen schulisch durch diese Zeit gekommen sind.

Der Jugendbericht zählt als weitere Sorgenthemen auch noch die Inflation, den Krieg in der Ukraine und – wieder – den Klimawandel auf. Die aktuelle Inflation ist eine zeitlich doch hoffentlich eingrenzbare Krise. Der Krieg in der Ukraine beschäftigt junge Menschen sehr und wirkt auch sehr bedrohlich. Gleichzeitig sind sich junge Menschen durchaus dessen bewusst, dass die Bedrohung keine ist, die sie unmittelbar betrifft.

Bei der Klimakrise hingegen ist die Lage eine ganz andere: Jugendlich spüren ganz deutlich, dass es da um unumkehrbare Veränderungen geht – um Veränderungen, die sie ihr Leben lang begleiten werden, die ihr Leben lang einen Einfluss auf ihre Zukunft und auf die Zukunft ihrer Kinder haben werden.

Jugendliche wie unsere beiden jüngsten Söhne haben beispielsweise noch keinen einzigen Sommer erlebt, der nicht zu den heißesten und extremsten der Messgeschichte gezählt hat. Ihre älteren Geschwister erzählen ihnen von den Wintern der Zeit, als sie klein waren, als es tatsächlich noch ein- oder zweimal weiße Weihnachten gegeben hat, als die Februare klirrend kalt waren und als es tatsächlich verregnete Sommer gab, in denen sie nicht einmal schwimmen gehen konnten. (Bundesrat Spanring: ... auf der Welt waren!)

Die jungen Menschen spüren und wissen, dass die ausschlaggebenden Entscheidungen, die zentral dafür sind, wie ihr Leben verlaufen wird, jetzt getroffen werden – oder auch nicht –, und zwar meist von Menschen, die älter sind als sie. Sie erwarten von uns zu Recht, dass wir alles daransetzen, ihnen das Überleben zu ermöglichen. – So drastisch muss man das mittlerweile leider sagen.

In dieser Zukunft wird es nicht vordergründig darum gehen, ob sich jemand ein Eigenheim erarbeiten konnte. Der diesen Montag präsentierte Klimabericht der Europäischen Umweltagentur zeigt endlich in unerwartet drastischer Weise auf, auf welche Zukunft wir uns zubewegen, und zwar selbst wenn wir die Klimaziele erreichen. Er zeigt, dass sich der europäische Kontinent weltweit am schnellsten und am stärksten aufheizt und weiter aufheizen wird. 2023 war wieder einmal – wir wissen es; wir werden schon müde, das immer zu wiederholen – das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die Umweltschäden durch Extremwetterereignisse nehmen ungekannte Ausmaße an. Die Schäden durch die Klimaerwärmung wurden zwischen 1980 und heute auf 650 Milliarden Euro geschätzt. Geschätzt 1 000 Milliarden Euro werden jährlich dazukommen – aufgrund von Ernteausfällen, der Verluste von Biodiversität und Boden. Steuereinnahmen werden aufgrund von Krankheiten zurückgehen, die bisher bei uns unbekannt waren, Schulden werden zunehmen und immer mehr Schäden werden zu beseitigen sein. All das zeigt der Klimabericht der Europäischen Umweltagentur ganz gut.

Die spontane Reaktion der EU-Kommission auf den Bericht wirkt ein bisschen wie die eines Schulkindes, das gerade erfahren hat, dass die Nachprüfung vorverlegt wurde: panisch, hektisch und ein bisschen unkoordiniert. Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz werden gefordert. Das ist selbstverständlich wichtig, doch hat man bereits aufgegebene Maßnahmen zur Eindämmung der Klimakrise einzufordern? Es wird nur noch versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben und Anpassung an immer lebenswidrigere Gegebenheiten vorzunehmen.

Junge Menschen wissen um die vielfältigen Folgewirkungen und das gibt in Wahrheit wenig Anlass zur Zuversicht. Ich möchte zum Schluss kommen mit den Worten unseres Bundespräsidenten, damit, was er gesagt hat, als ihm der YEP-Bericht übergeben wurde. Er hat gesagt – ich zitiere –: „Ich möchte daran erinnern: junge Menschen sind nicht Zuschauer im Warteraum, sondern aktive Gestalter unserer Gesellschaft. Es ist unsere Pflicht und Verantwortung, ihre Ideen und Visionen ernst zu nehmen und in unsere politischen Entscheidungen einfließen zu lassen.“

In diesem Sinne: Geben wir unser bestes für die Zukunft unserer Jugendlichen! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

9.46

Präsidentin Margit Göll: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich die Frau Staatssekretärin. Ich erteile ihr das Wort. Auch ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte sehr.