11033 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktförderungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden

Mit dem vorliegenden Beschluss wird die Anwerbung und der Arbeitsmarktzugang von qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten im Rahmen einer kontrollierten Zuwanderungsstrategie nach den Vorgaben des Regierungsprogramms für die XXVII. Legislaturperiode 2020 bis 2024 erleichtert werden. Unter Beibehaltung des One-Stop-Shop-Verfahrens bei den Aufenthaltsbehörden und beim Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) wird das Zulassungsverfahren gestrafft, die im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft angesiedelte Austrian Business Agency österreichische Industrieansiedlungs- und WirtschaftswerbungsgmbH (ABA) als Plattform zur Unterstützung und Information der Antragsteller/innen eingerichtet und die Digitalisierung des Verfahrens weiter vorangetrieben werden. Bei der Prüfung der Qualifikationen und Berufserfahrungen der Rot-Weiß-Rot – Karten-Werber werden die bisherige strenge Verknüpfung von Qualifikation und Berufserfahrung im Punktesystem gelockert, die gesetzliche Mindestentlohnung für „sonstige Schlüsselkräfte“ altersunabhängig festgesetzt und für Studienabsolventen beseitigt werden. Die betroffenen Behörden werden Verfahrensschritte soweit möglich parallel vornehmen, um so das Verfahren einschließlich der Arbeitsmarktprüfung insgesamt weiter zu beschleunigen. Sprachzeugnisse und sonstige Nachweise für den Erhalt der erforderlichen Punkte werden künftig länger gelten und jedenfalls während des Verfahrens nicht neuerlich vorgelegt werden müssen. Ziel ist, die Anwerbung von Fach- und Schlüsselkräften im globalisierten Standortwettbewerb zur Sicherung des Wohlstands und des Wirtschaftswachstums zu verbessern und so dem in vielen Wirtschaftsbereichen zunehmenden Mangel an Fachkräften nachhaltig zu begegnen.

Ergänzend zu der mit 1. Jänner 2022 eingeführten neuen Stammsaisonierregelung wird in einem weiteren Schritt langjährig in Österreich beschäftigten Mitarbeitern/innen in den Saisonbranchen Tourismus und Landwirtschaft die Möglichkeit des dauerhaften Arbeitsmarktzugangs im Wege der Rot-Weiß-Rot – Karte eröffnet werden. Saisonbetriebe, die auf einen Ganzjahresbetrieb umgestellt haben, sollen ihre Stamm-Saisonarbeitskräfte in ein Dauerarbeitsverhältnis übernehmen und damit auch deren arbeitsrechtliche Position verbessern können.

Mit der vorliegenden Novelle wird außerdem die Richtlinie (EU) 2021/1883 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hoch qualifizierten Beschäftigung und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/50/EG des Rates, ABl. Nr. L 382 vom 28.10.2021, S. 1 (im Folgenden: „Blaue-Karte-EU-Richtlinie“) umgesetzt.

Die neue Blaue-Karte-EU-Richtlinie muss bis spätestens 18. November 2023 im nationalen Recht verankert werden und sieht gegenüber der ursprünglichen, mit Novelle BGBl. Nr. I 25/2011 umgesetzten Richtlinie 2009/50/EG über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung, ABl. L 155 vom 18.06.2009 S 17 weitere Erleichterungen bei der Zulassung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten und ihrer Familienangehörigen vor. Ziel ist, die EU noch besser als attraktive Zielregion im internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Arbeitskräfte zu positionieren. Um jedoch den spezifischen Erfordernissen der Arbeitsmärkte der einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin Rechnung tragen zu können, sind die EU-Mitgliedstaaten berechtigt, ihre nationalen Zulassungssysteme – in Österreich die gut eingeführte und bedeutend stärker nachgefragte Rot-Weiß-Rot – Karte – grundsätzlich beizubehalten. Allerdings sieht die neue Richtlinie vor, dass für Inhaber einer Blauen Karte EU und Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels für hochqualifizierte Beschäftigung bei Verfahrensrechten, Gleichbehandlungsrechten und Zugang zu Informationen gleiche Wettbewerbsregelungen gelten werden. Insbesondere werden die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für die Inhaber einer Blauen Karte EU und ihren Familienangehörigen keine geringeren Verfahrensrechte gelten als für Inhaber eines nationalen Aufenthaltstitels für qualifizierte Zuwanderung. Die materiellen Zulassungsvoraussetzungen hingegen dürfen für einen nationalen Aufenthaltstitel, der denselben Personenkreis wie die Richtlinie umfasst, in zentralen Punkten wie der Gehaltsschwelle oder der Arbeitsmarktprüfung günstiger als jene für die Blaue Karte EU sein (Art. 3 Abs. 3 iVm. Art. 4 Abs. 2 und Erwägungsgrund 7). Für die Zulassung nach der neuen Richtlinie reicht ein Arbeitsvertrag für sechs Monate (statt bisher für ein Jahr). Für bestimmte hochqualifizierte Tätigkeiten in der Informations- und Kommunikationstechnologie wird anders als bisher kein Hochschul- oder Fachhochschulabschluss mehr benötigt. Der Nachweis einer dreijährigen einschlägigen Berufserfahrung auf dem Niveau eines Hochschul- oder Fachhochschulabschlusses ist ausreichend, um in den Genuss der Vorteile der Richtlinie und insbesondere der Mobilitätsrechte innerhalb der EU zu kommen. Die Gehaltsschwelle kann nunmehr zwischen dem 1,0- bis 1,6-fachen des im jeweiligen Mitgliedstaat gegebenen durchschnittlichen Brutto-Jahresgehalts festgelegt werden (Art. 5 Abs. 3). In der Vorgänger-Richtlinie aus 2009 gab es für die Gehaltsschwelle keinen solchen Regelungsrahmen, sondern nur eine fixe Untergrenze, nämlich das 1,5-fache des im jeweiligen Mitgliedstaat gegebenen durchschnittlichen Brutto-Jahresgehalts. Bei Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie wurde die Untergrenze mit dem 1,5-fachen festgelegt. Weiters sind für die Inhaber einer Blauen Karte EU Erleichterungen bei der Mobilität (Art. 20 und 21 der Blaue-Karte-EU-Richtlinie, welche insbesondere Änderungen im NAG und FPG erfordern) zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten und beim Arbeitgeberwechsel (Artikel 15 Abs. 2) vorgesehen.

Alle übrigen Voraussetzungen für die Blaue Karte EU wurden bereits im Rahmen der Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie aus 2009 im nationalen Migrationsrecht (AuslBG und NAG) verankert. Hiezu zählen insbesondere das Vorliegen eines Hochschul- bzw. Fachhochschulabschlusses, der nach einer mindestens dreijährigen Studiendauer erworben wurde, die Prüfung der Einhaltung der im Beschäftigungsstaat geltenden Arbeits-und Lohnbedingungen sowie der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften und der Ablehnungsgrund der illegalen Beschäftigung durch den Arbeitgeber. Auch der Wegfall der Arbeitsmarktprüfung für Familienangehörige von Inhabern einer Blauen Karte EU ist bereits geltendes Recht. Die arbeitsmarktpolitischen Steuerungsmöglichkeiten bleiben auch mit der neuen Blaue-Karte-EU-Richtlinie gewahrt. Die Arbeitsmarktprüfung ist weiterhin möglich (Art. 7 Abs. 2 lit. a und Art. 21 Abs. 8).

Einer Anregung des Bundesministeriums für Finanzen folgend werden außerdem die Befugnisse des Amtes für Betrugsbekämpfung (ABB) und seiner Organe bei gerichtlich strafbaren Tatbeständen im Bereich der Ausländerbeschäftigung erweitert werden.

Die im Jahr 2002 im AMFG eingeführte Regelung, die privaten oder gemeinnützigen Arbeitsvermittlern die Vermittlung von Drittstaatsausländern nur dann erlaubt, wenn diese entweder bereits unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt haben oder wenn das AMS der Vermittlung in Einzelfall zustimmt, entspricht nicht mehr den Erfordernissen eines dynamischen Arbeitsmarktes. Angesichts des steigenden zusätzlichen Bedarfes an Fach- und Schlüsselkräften, der vom AMS immer schwerer aus dem Potential der vorgemerkten Arbeitslosen abgedeckt werden kann, wird diese Beschränkung ersatzlos entfallen.

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 12. Juli 2022 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Mag. Franz Ebner.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Johannes Hübner, Andrea Kahofer, Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber, Marlies Steiner-Wieser, Andrea Michaela Schartel und Dr. Karlheinz Kornhäusl.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Mag. Franz Ebner gewählt.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2022 07 12

                              Mag. Franz Ebner                                                    Andrea Michaela Schartel

                                   Berichterstatter                                                                     Stv. Vorsitzende