11435 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Februar 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Angestelltengesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das Heimarbeitsgesetz 1960 und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden

Die Abgeordneten Tanja Graf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 31. Jänner 2024 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die vorgeschlagenen Änderungen erfolgen in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind zur Umsetzung der letztgenannten Richtlinie daher folgende gesetzlichen Änderungen notwendig:

-       Adaptierung der Bestimmungen über den Dienstzettel/Dienstschein im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), im Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz (HGHAG) und Landarbeitsgesetz 2021 (LAG),

-       Festlegung des Rechts auf Mehrfachbeschäftigung im AVRAG und im LAG,

-       Ausweitung des im AVRAG und LAG gegebenen Benachteiligungsverbots um die Tatbestände der Geltendmachung von im AVRAG und LAG vorgesehenen Rechten im Zusammenhang mit der Ausstellung des Dienstzettels/Dienstscheins, der Mehrfachbeschäftigung, der Aus-, Fort- und Weiterbildung,

-       Normierung eines Motivkündigungsschutzes im AVRAG und LAG für Kündigungen, die wegen der Vorenthaltung eines Dienstzettels/Dienstscheins oder einer zulässigen Mehrfachbeschäftigung erfolgen,

-       Einführung einer Sanktion im AVRAG und im AÜG für die Vorenthaltung eines Dienstzettels in Form einer von der Bezirksverwaltungsbehörde zu verhängenden Verwaltungsstrafe aufgrund einer Anzeige des betroffenen Arbeitnehmers oder der betroffenen Arbeitnehmerin,

-       Schaffung einer Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im AVRAG und im LAG, Aus- Fort- und Weiterbildungskosten zu tragen, sofern die Kostentragung nicht von Dritten vorgesehen ist,

-       Ausweitung des Anspruchs auf Freistellung für die Begleitung von Kindern bei Rehabilitationsaufenthalt im AVRAG und im LAG,

-       Verankerung einer Verpflichtung für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im AVRAG und im LAG, erfolgte Kündigungen schriftlich zu begründen, wenn dies seitens der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers schriftlich verlangt wird,

-       Klarstellung, dass durch die neu geschaffenen Bestimmungen zur Mehrfachbeschäftigung in das im Angestelltengesetz (AngG) festgelegte Konkurrenzverbot nicht eingegriffen wird.

Die im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) und Heimarbeitsgesetz 1960 (HeimAG) erfolgten Änderungen der Bestimmungen über den Dienstzettel resultieren aus der Angleichung an die Neuregelungen der entsprechenden Bestimmungen im AVRAG.

Zu Art. 1 (Änderung des ABGB):

In Umsetzung des Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2019/1152 sind die Bestimmungen des § 2 AVRAG betreffend schriftliche Aufzeichnungen des Inhalts des Arbeitsvertrages (Dienstzettel) zu adaptieren. Da sich die mit BGBl. I Nr. 77/2004 im ABGB gesetzlich festgelegten Regelungen über den Dienstzettel für das freie Dienstverhältnis weitgehend an den Bestimmungen des § 2 AVRAG orientieren, ist auch eine Änderung des § 1164a ABGB in Anlehnung an die in § 2 AVRAG erfolgten Änderungen sinnvoll und angebracht.

Zur durch Ergänzung des § 1164a Abs. 1 ABGB erfolgten Schaffung eines Wahlrechts der freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer, den Dienstzettel ausgehändigt oder in elektronischer Form übermittelt zu bekommen, weiters zu den im Dienstzettel anzugebenden Informationen betreffend Sitz des Unternehmens, Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung und Art der Auszahlung des Entgelts sowie zur in § 1164a Abs. 2 ABGB erfolgten Adaptierung der bei Auslandaufenthalt erforderlichen Angaben betreffend den der Staat, in dem die Arbeitsleistung erbracht werden soll, die Währung des auszuzahlenden Entgelts, allfälligen Aufwandersatz und den Hinweis auf die Website des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, und ebenso zur Ausnahme von der Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels und der schriftlichen Mitteilung allfälliger Änderungen wird auf die zu Artikel  2 (§ 2 AVRAG) dargelegten Erläuterungen verwiesen.

Zum In-Kraft-Treten der Regelungen über den Dienstzettel siehe die Erläuterungen zu § 19 Abs. 2 Z 57 AVRAG.

Zu Art. 2 (Änderung des AVRAG):

Zu § 1 Abs. 4 AVRAG:

Notwendige Zitatanpassung, da die neu geschaffenen Bestimmungen der §§ 2i und 11b AVRAG in Umsetzung der Artikel 9 und 13 der Richtlinie (EU) 2019/1152 auch auf Arbeitsverhältnisse, für die das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz gilt, Anwendung finden soll.

Zu § 2 AVRAG:

Artikel 4 der Richtlinie (EU) 2019/1152 legt fest, über welche Mindestinformationen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seitens ihrer Arbeitgeberin oder ihres Arbeitgebers unterrichtet werden müssen. In Umsetzung dieser Bestimmung ist § 2 AVRAG zu adaptieren.

Artikel 3 der Richtlinie (EU) 2019/1152 sieht vor, dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen schriftlich in Papierform oder — sofern die Informationen für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält — in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln hat. Dem entsprechend wird nunmehr in §§ 2 Abs. 1 erster Satz ein Wahlrecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgesehen, den Dienstzettel ausgehändigt oder in elektronischer Form übermittelt zu bekommen.

Was den Zeitpunkt des schriftlichen zur Verfügung Stellens der notwendigen Information bei erstmaliger Ausstellung des Dienstzettels betrifft, so sieht Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2019/1152 für bestimmte Informationen eine Frist von sieben Kalendertagen ab dem ersten Arbeitstag vor. Die übrigen Informationen müssen innerhalb eines Monats ab dem ersten Arbeitstag bereitgestellt werden. Da aber schon bisher im AVRAG nicht danach differenziert wurde und der Dienstzettel unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen ist, wird im Hinblick auf das Rückschrittsverbot an der bisherigen Regelung festgehalten. Der Dienstzettel ist daher unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern – nach Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Der Begriff „unverzüglich“ bewirkt, dass eine Übergabe des Dienstzettels im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsbeginn zu erfolgen hat. Eine genaue Festlegung der Unverzüglichkeit hat anhand der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. In der Regel wird man einige Tage nach dem im Arbeitsvertrag geplanten Arbeitsantritt als zulässig erachten können. Der Begriff „unverzüglich“ bewirkt, dass eine Übergabe des Dienstzettels im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsbeginn zu erfolgen hat (vgl. Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2 AVRAG RZ 14).

Die in § 2 Abs. 2 für den Dienstzettel gesetzlich normierten Mindestangaben sind insofern zu ergänzen, als in Umsetzung des Artikels 4 Abs. 2 lit. j der Richtlinie (EU) 2019/1152 ein Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren aufzunehmen ist. Des Weiteren ist neben dem Namen und der Anschrift des Dienstgebers nunmehr in Umsetzung des Artikels 4 Abs. 2 lit. b der Richtlinie (EU) 2019/1152 auch der Sitz des Unternehmens anzugeben. Der Dienstzettel hat über die Angabe der vorgesehenen Tätigkeit hinaus in Umsetzung des Artikel 4 Abs. 2 lit. c der Richtlinie (EU) 2019/1152 auch eine kurze Beschreibung dieser Tätigkeit anzuführen und muss in Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 lit. l gegebenenfalls auch die Vergütung von Überstunden und Angaben zu den Bedingungen für die Änderung von Schichtplänen enthalten. Die nach geltendem Recht vorgesehenen Informationen über das Entgelt und dessen Fälligkeit sind künftig in Umsetzung des Artikels 4 Abs. 2 lit. k der Richtlinie (EU) 2019/1152 um die Information der Art der Auszahlung zu ergänzen. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Vorgaben des Inhalts des Dienstzettels in Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 lit. o durch die Angabe des Trägers der Sozialversicherung, in Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 lit. g durch Angabe der Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit und in Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 lit. h gegebenenfalls durch eine Information über den Anspruch auf eine von der Arbeitgeberin oder vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung zu ergänzen.

Die für den Dienstzettel oder schriftlichen Arbeitsvertrag gem. § 2 Abs. 3 bei Verrichtung einer länger als einen Monat dauernden Tätigkeit im Ausland vorgesehenen Mindestangaben müssen nunmehr zur Umsetzung des Artikel7 Abs. 1 lit. a der Richtlinie (EU) 2019/1152 auch Informationen über den Staat, in dem die Tätigkeit erbracht werden soll, und in Umsetzung des Artikels 7 Abs. 2 lit. c der Richtlinie (EU) 2019/1152 einen Hinweis auf die Website des Staates nach Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 2014/67/EU, in dem die Tätigkeit erbracht wird, enthalten. War bisher die Währung, in der das Entgelt auszuzahlen ist, nur dann anzugeben, sofern die Auszahlung nicht in Euro erfolgt, so ist zur Umsetzung des Artikel 7 Abs. 1 lit. b der Richtlinie (EU) 2019/1152 die Währung künftig in jedem Fall anzugeben. Überdies sind in Umsetzung des Artikels 7 Abs. 1 lit. c auch Informationen über einen allfälligen Aufwandersatz zu geben. In Umsetzung des Artikels 7 Abs. 2 lit. a und b der Richtlinie (EU) 2019/1152 wird in § 2 Abs. 3 AVRAG nunmehr auch vorgesehen, dass der Dienstzettel auch Angaben hinsichtlich eines höheren Mindestentgelts nach den lohnrechtlichen Bestimmungen des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, sowie über einen allfälligen Aufwandersatz nach anwendbaren österreichischen Bestimmungen und nach den Bestimmungen des Staates, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, zu enthalten hat.

Artikel 3 erster Satz der Richtlinie (EU) 2019/1152 sieht lediglich vor, dass die gemäß der Richtlinie (EU) 2019/1152 erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung gestellt werden. Daher wird in § 2 Abs. 4 festgelegt, dass keine Verpflichtung zur Aushändigung eines Dienstzettels gegeben ist, wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wurde, der alle in Abs. 2 und 3 genannten Angaben enthält, oder bei Auslandstätigkeit die in Abs. 3 genannten Angaben in anderen schriftlichen Unterlagen enthalten sind. In Umsetzung des Artikels 3 in Zusammenhang mit Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2019/1152, die keine Ausnahme der Informationsverpflichtung bei Arbeitsverhältnissen vorsieht, die weniger als einen Monat dauern, war dieses Tatbestandsmerkmal in den Ausnahmebestimmungen des § 2 Abs. 4 zu streichen.

Aus systematischen Gründen wurde die Bestimmung des § 2 Abs. 5 insofern ergänzt, als nunmehr auch die für den Dienstzettel vorgesehenen Angaben zur Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit und den allfälligen Anspruch auf eine von der Arbeitgeberin oder vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung durch Verweisung auf die für das Arbeitsverhältnis geltenden Bestimmungen in Gesetzen oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder in betriebsüblich angewendeten Reiserichtlinien erfolgen können.

Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/1152 sieht vor, dass die Informationen über Änderungen von in Artikel 4 Absatz 2 genannten Aspekten oder über Änderungen der zusätzlichen Informationen gemäß Artikel 7 bei erster Gelegenheit, spätestens aber an dem Tag, an dem diese Änderungen wirksam werden, zur Verfügung stehen. Dem entsprechend wird in § 2 Abs. 6 vorgesehen, dass Änderungen der gesetzlich vorgesehenen Angaben des Dienstzettels unverzüglich, spätestens jedoch am Tag ihres Wirksamwerdens schriftlich mitzuteilen sind.

Zu § 2i AVRAG:

Schon nach bisheriger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist vom Grundsatz her eine Nebenbeschäftigung, die – aus der Sicht des ersten Arbeitsverhältnisses - nicht vertrags- oder gesetzwidrig ist und die die Arbeitspflichten nicht beeinträchtigt, zulässig und kann von der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber nicht eingeschränkt werden (vgl. OGH 15. 9. 1981, 4 Ob 69/81 und OGH 17.03.1993, 9ObA15/93).

Das nunmehr ausdrücklich festgelegte Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern einzugehen und deswegen nicht benachteiligt zu werden, ergibt sich aus der Bestimmung des Artikels 9 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/1152. Diese sieht vor, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht verbieten dürfen, außerhalb des festgelegten Arbeitsplans ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern aufzunehmen. Des Weiteren ist in dieser Richtlinienbestimmung vorgesehen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wegen einer Mehrfachbeschäftigung nicht benachteiligt werden dürfen.

Entsprechend dem für die Mitgliedstaaten in Artikel 9 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1152 vorgegebenen Gestaltungsspielraum wird in § 2i Abs. 2 festgelegt, dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber im Einzelfall das Unterlassen der Mehrfachbeschäftigung verlangen kann, wenn diese mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist oder der Verwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich ist.

Das Recht der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers, die Mehrfachbeschäftigung bei Unvereinbarkeit mit arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen zu untersagen, resultiert daraus, dass bei Vorliegen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse alle Beschäftigungen zusammen die im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Höchstgrenzen der Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 2 zweiter Satz AZG nicht überschreiten dürfen. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung kann für die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber zur Verhängung einer Verwaltungsstrafe führen.

Durch die Mehrfachbeschäftigung gesetztes abträgliches Verhalten bedeutet in Anlehnung an die zu den Entlassungsgründen des § 82 lit. e der Gewerbeordnung 1859 ergangene Judikatur ein nachteiliges, unzumutbares Auswirken der neuen Beschäftigung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers auf den Betrieb der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers. Der Nachteil für die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber kann darin liegen, dass die neu aufgenommene Arbeitsleistung die betroffene Person in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, so dass sie ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Ein weiterer Nachteil kann darin bestehen, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer durch das neu aufgenommene Arbeitsverhältnis der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber im selben Gewerbe Konkurrenz macht (vgl. OGH 18.11.1986, 14 Ob 193/86; OGH 22.12.2004, 8 ObA 130/04g). Keine Konkurrenzierung liegt vor, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsverhältnis nur gelegentlich, in größeren Zeitabständen und vereinzelt Arbeiten verrichtet, welche der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber ohnehin nicht zugekommen wären (vgl. OGH 14.9.1995, 8 ObA 293/95).

Beispielhaft und ausdrücklich nennt auch Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1152 Gründe, aus denen eine neue Beschäftigung dem bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich sein kann: eine aus der Mehrbelastung resultierende Gefährdung für die Gesundheit und Sicherheit (den Arbeitnehmerschutz) des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, eine mögliche Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, aus den insgesamt ausgeübten Tätigkeiten entstehende Interessenkonflikte und die Schädigung des Ansehens des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin.

Zu § 7 AVRAG:

In Umsetzung von Artikel 17 der Richtlinie (EU) 2019/1152, der für die Wahrnehmung der in der Richtlinie garantierten Rechte einen Schutz vor Diskriminierung, Benachteiligung oder negativen Konsequenzen vorsieht, wurde das bereits derzeit geltende Benachteiligungsverbot um die Geltendmachung der Rechte im Zusammenhang mit der Ausstellung des Dienstzettels, der Mehrfachbeschäftigung und der Aus-, Fort und Weiterbildung ausgeweitet.

Zu § 7a AVRAG:

In Umsetzung des Artikels 19 der Richtlinie (EU) 2019/1152 wird eine Strafbestimmung iZm einer Nichtaushändigung des Dienstzettels geschaffen. Eine Übermittlung des Dienstzettels per E-Mail an die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer ist einer physischen Aushändigung des Dienstzettels gleichzuhalten. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft hat nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes eine Evaluierung der Bestimmungen vorzunehmen und dem Nationalrat über die Ergebnisse zu berichten. Ein Wiederholungsfall liegt dann vor, wenn nach einer rechtskräftigen Verurteilung nach dieser Bestimmung die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber neuerlich eine Tathandlung (Übertretung) nach dieser Bestimmung setzt. Beispiel: Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber wurde mit 1.2.2025 rechtskräftig verurteilt. Ein Wiederholungsfall liegt vor, wenn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber nach dem 1.2.2025 innerhalb von drei Jahren (bis zum 31.1.2028) neuerlich eine Tathandlung setzt. Der dritte Satz sieht eine einzige Verwaltungsübertretung vor und bezieht sich auf den 1. Fall (höherer Strafrahmen) im zweiten Satz („Sind mehr als fünf Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen betroffen…“). Liegt dieser 1. Fall des zweiten Satzes nicht vor (d.h., es sind nur bis zu fünf Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen betroffen), ist der 3. Satz nicht anzuwenden und es liegt pro betroffenem Arbeitnehmer oder betroffener Arbeitnehmerin jeweils eine Verwaltungsübertretung vor; es ist aber der niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Sinn der Regelung des dritten Satzes ist, den durch die höhere Anzahl von betroffenen Arbeitnehmern oder betroffenen Arbeitnehmerinnen bestehenden höheren Unrechtsgehalt mit einem höheren Strafrahmen zu berücksichtigen, aber durch den Entfall der Kumulation eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung zu vermeiden.

Geringes Verschulden liegt vor, wenn der Gesetzesverstoß gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Das ist insbesondere bei einem erstmaligen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Aushändigung des Dienstzettels der Fall.

Zu § 11b AVRAG:

Gem. Artikel 13 der Richtlinie (EU) 2019/1152 muss sichergestellt sein, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Fortbildung kostenlos angeboten wird und als Arbeitszeit angerechnet wird, wenn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften oder Kollektiverträgen verpflichtet ist, die Fortbildung den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Hinblick auf die Arbeit anzubieten, die sie ausüben. Nach dem Erwägungsgrund 37 der Richtlinie (EU) 2019/1152 sollen die Kosten für eine solche Fortbildung den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weder in Rechnung gestellt noch vom Entgelt einbehalten oder abgezogen werden.

Daher wird nunmehr gesetzlich festgelegt, dass die Teilnahme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Aus-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen jeweils als Arbeitszeit zu werten ist und die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber die Kosten für diese Bildungsmaßnahmen dann zu übernehmen hat, wenn diese nicht von einem Dritten (z.B. vom AMS) getragen werden. Dies soll für jene Aus-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen gelten, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages für die Ausübung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit erforderlich ist.

Im Arbeitsvertragsrecht gilt der Grundsatz, dass die Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf bestehende gesetzliche Regelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Günstigeres vereinbaren können. § 11b Abs. 2 soll daher lediglich der gesetzlichen Klarstellung dienen, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch weiterhin freiwillig über die normierte Verpflichtung hinausgehende Weiterbildungskosten übernehmen dürfen.

Zu § 14e Abs. 1 und 3 AVRAG

Die mit 1. November mit der Gesetzesänderung BGBl. I Nr. 85/2023 in Kraft getretene Regelung eines Anspruchs auf Freistellung für Arbeitnehmer, die ihre Kinder während einer stationären Rehabilitation betreuen müssen, stellt auf die Bewilligung dieser Rehabilitation durch den Träger der Sozialversicherung ab. Das von der Sozialversicherung durchgeführte Vergabeverfahren zur Kinder-Rehabilitation umfasst drei Einrichtungen nicht (siehe dazu Österr. Rehabilitationskompass (https://rehakompass.goeg.at/#/start).

Soweit eine Bewilligung für eine Reha in einer dieser drei Einrichtungen durch das Land im Rahmen der Behindertenhilfe erfolgt, soll dies einer Bewilligung durch den Sozialversicherungsträger gleichgestellt werden und auch hier der Anspruch auf Freistellung gebühren. Gleichzeitig besteht auch Anspruch auf Pflegekarenzgeld nach § 21c Abs. 3b BPGG.

Zu § 15 Abs. 1 AVRAG:

Durch den im ersten Satz des § 15 Abs. 1 festgelegten Motivkündigungsschutz für Kündigungen, die wegen des Verlangens der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nach Ausstellung eines Dienstzettels oder einer zulässigen Mehrfachbeschäftigung erfolgen, wird der Bestimmung des Artikels 18 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/1152 Rechnung getragen.

Die neu geschaffene Bestimmung des § 15 Abs. 1 betreffend die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Kündigungen schriftlich zu begründen, wenn dies seitens der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers schriftlich verlangt wird, erfolgt in Umsetzung des Artikels 18 der Richtlinie (EU) 2019/1152 und in Umsetzung des Artikels 12 der Richtlinie (EU) 2019/1158.

In der Literatur wird davon ausgegangen, dass bei einem Motivkündigungsschutz analog zu § 105 Abs. 4 zweiter Satz ArbVG von einer Anfechtungsfrist von 14 Tagen auszugehen ist.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können binnen fünf Kalendertagen ab Zugang einer seitens der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers erfolgten Beendigungserklärung (Kündigung) schriftlich eine Begründung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Tun sie das nicht, erlischt ihr Recht auf die schriftliche Begründung. Entsprechend § 902 Abs. 1 ABGB wird der Tag der Kündigung bzw. der Tag des Zugangs des Verlangens für den Beginn der jeweiligen Frist nicht mitgezählt. Das Verlangen der Begründung muss der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber spätestens am fünften Kalendertag zugegangen sein.

Für die schriftliche Begründung durch die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber sind die Fristen analog zu berechnen.

Zweck der Begründungspflicht ist es, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschätzen können, ob eine Klage Erfolg haben könnte.

Eine Klage wegen erfolgter Kündigung kann jedenfalls angestrebt werden, unabhängig davon, ob eine schriftliche Begründung verlangt wurde und welche Begründung die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber anführt. Daher wurde das wichtige Instrument der Klage vorangestellt und das Verlangen der schriftlichen Begründung der Kündigung erst danach normiert.

Zu § 19 Abs. 2 Z 57 AVRAG:

Die Änderung sämtlicher ausgestellter Dienstzettel nach In-Kraft-Treten der neuen Vorgaben würde einen erheblichen und in Relation zum Nutzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand darstellen. Die adaptierten Regelungen über den Dienstzettel sollen daher nur für jene Arbeitsverträge Anwendung finden, die ab In-Kraft-Treten der Regelungen des § 2 AVRAG begründet werden.

Zu Art. 3 (Änderung des AngG):

Zu § 7 Abs. 1 AngG:

In dieser Regelung wird klargestellt, dass das im AngG derzeit bestehende Konkurrenzverbot weiterhin unverändert bleibt. Die Regelungen des § 7 AngG und § 2i AVRAG bestehen unabhängig voneinander, durch die neu geschaffene Bestimmung des § 2i AVRAG wird in das im AngG festgelegte Konkurrenzverbot nicht eingegriffen.

Zu Art. 4 (Änderung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes):

Die einschlägigen Änderungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes hinsichtlich des Dienstzettels werden für den Bereich der Arbeitskräfteüberlassung im § 11 AÜG nachvollzogen. Dem entsprechend werden in § 11 Abs. 7 und 8 die Bestimmungen des § 2 Abs. 5 und 6 AVRAG nachgebildet.

Zu Art. 5 (Änderung des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes):

Es wird die Abkürzungsbezeichnung „HGHAG“ im Titel des Gesetzes angefügt. Als wesentliche Neuerung werden die vorgesehenen Änderungen des AVRAG hinsichtlich des Dienstzettels für den Dienstschein des HGHAG in den Z 4 bis 7 und in der Anlage nachvollzogen. Der ebenfalls vorgesehene § 11b AVRAG betreffend Aus-, Fort- und Weiterbildungen findet auch auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, für die das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz gilt. Eine eigene Umsetzung im HGHAG ist daher dafür nicht notwendig.

Zu Art. 6 (Änderung des Heimarbeitsgesetzes 1960):

§ 8 Heimarbeitsgesetz 1960 verpflichtet Auftraggeberinnen und Auftraggeber Heimarbeiterinnen und Heimarbeitern unverzüglich nach Abschluss des Vertrags eine schriftliche Aufzeichnung über die jeweils geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere über die Berechnung des Entgelts, zu übergeben.

Durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 77/2004 wurde die Verpflichtung eines Dienstzettels für freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in § 1164a ABGB mit einer detaillieren Auflistung des Inhaltes dieses Dienstzettels eingeführt. Mit dieser Bestimmung sollten freie Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer im Sinne § 4 Abs. 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus ihrem Vertragsverhältnis besser als bisher informiert und andererseits sollte ihnen ein Instrument zur Beweissicherung in die Hand gegeben werden. Diese Neuerungen sollten eine Stabilisierung derartiger Beschäftigungsverhältnisse und eine Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten schon im Vorfeld bewirken.

Eine an diese Regelung angelehnte Klarstellung des erforderlichen Inhaltes der Aufzeichnung über die jeweils geltenden Arbeitsbedingungen erfolgte im Heimarbeitsgesetz 1960 jedoch nicht. Dies soll nunmehr vorgenommen werden.

Darüber hinaus wird die Bezeichnung „Aufzeichnung über die jeweils geltenden Arbeitsbedingungen“ durch den aktuelleren Begriff „Dienstzettel“ ersetzt.

Zu Art. 7 (Änderung des LAG):

Zu den §§ 5, 6, 6a, 12 Abs. 3 und 4, 64 Abs. 1, 66a Abs. 1 und 3, 113 und 430 Abs. 10 LAG:

Die Änderungen im AVRAG hinsichtlich des Dienstzettels samt Motivkündigungsschutz, des Rechts auf Mehrfachbeschäftigung, der Ausweitung des derzeit bestehenden Kündigungs- und Entlassungsschutzes und Benachteiligungsverbots zur Umsetzung von Artikel 17 der Richtlinie (EU) 2019/1152 sowie hinsichtlich der Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Aus- Fort- und Weiterbildungskosten zu tragen und der Ausweitung des Anspruchs auf Freistellung für die Begleitung von Kindern bei Rehabilitationsaufenthalt, werden für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft nachvollzogen.“

Im Zuge der Debatte im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Nationalrates wurde ein Abänderungsantrag eingebracht und beschlossen.

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 12. März 2024 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Günther Ruprecht.

An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Mag. Sascha Obrecht.

Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Günther Ruprecht gewählt.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2024 03 12

                              Günther Ruprecht                                                          Korinna Schumann

                                   Berichterstatter                                                                         Vorsitzende