11477 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 17. April 2024 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz geändert wird

Die Abgeordneten Rebecca Kirchbaumer, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 28. Februar 2024 im Nationalrat eingebracht und – auszugsweise – wie folgt begründet:

Seit der letzten Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) haben Auslegung und Rechtsanwendung des LSD-BG Schwierigkeiten aufgezeigt, deren Hintergrund jeweils in der Umsetzung von Unionsrecht liegt. Die Probleme sind auf konkrete Einzelpunkte beschränkt, jedoch nur mittels gesetzlicher Anpassung lösbar.

Die Richtlinie (EU) 2020/1057 wurde betreffend Festlegung besonderer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern (mobilen Arbeitnehmern) im Straßenverkehrssektor im Jahr 2022 im LSD-BG umgesetzt. Für den Bereich der mobilen Arbeitnehmer im Sinne dieser Richtlinie erfolgt die Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen über die mit dem Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) verbundene öffentliche Schnittstelle. Dabei gibt die Schnittstelle die Begriffe unveränderlich vor. Um Verfahrens­probleme aufgrund unterschiedlicher Begriffe des LSD-BG einerseits und der Schnittstelle andererseits zu vermeiden, soll eine Harmonisierung der Begriffe bewirkt werden. Die Richtlinie regelt nicht gewisse Fälle, in denen Unterlagen rechtswidrig nicht bereitgehalten werden. Hier haben sich in der Praxis aufgrund der technischen Ausgestaltung der mit dem Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) ver­bun­denen öffentlichen Schnittstelle Probleme bei Aufforderung und Übermittlung von Unterlagen ergeben, weshalb Bestimmungen zur Aufforderung und Übermittlung außerhalb der öffentlichen Schnittstelle geschaffen werden sollen. Weiters sollen auch die allgemeinen Bestimmungen des LSD-BG betreffend Parteistellung und Untersagung der Dienstleistung auf die im Jahr 2022 geschaffenen Verwaltungs­straf­bestimmungen im Falle von Verstößen iZm mit dem Einsatz mobiler Arbeitnehmer erweitert werden.

Die Kommission erhob den Vorwurf, Bestimmungen zur Meldung einer Arbeitnehmerentsendung (§ 19) und zur Ansprechperson (§ 23) verstießen in bestimmten Punkten gegen die Dienstleistungsfreiheit. In Erörterungen dieser Vorwürfe mit der Kommission wurde umrissen, inwieweit punktuelle Anpassungen dieser Bestimmungen die Konformität mit dem Unionsrecht herstellen lassen.

Im Bereich der internationalen Durchsetzung des LSD-BG im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedstaaten geht das LSD-BG derzeit von einer vollumfänglichen, auf der Umsetzung der Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Er­bringung von Dienstleistungen begründeten Verwendbarkeit des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) aus, die anderweitige Instrumente der Amts- und Rechtshilfe obsolet macht. Die seit Inkrafttreten des LSD-BG mit IMI gesammelten Erfahrungen haben jedoch ergeben, dass sich eine prinzipielle Ausschließlichkeit der Verwendung von IMI nicht aufrechterhalten lässt. Von der täglichen Kommunikation in den IMI-Modulen zur Arbeitnehmerentsendung abgesehen ging aus zwischenzeitigen bilateralen Gesprächen und aus Diskussionen in einschlägigen EU-Expertengremien hervor, dass erstens einzelne Mitgliedstaaten und zum Teil auch die Kommission der Rechtsauffassung anhängen, nicht der Richtlinie 2014/67/EU und daher der IMI-Verwendung, sondern dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen und der darin vorgesehenen Amts- und Rechtshilfe käme der Anwendungsvorrang zu. Und zweitens akzeptiert eine Reihe von Mitgliedstaaten die Zustellung von Strafentscheidungen gegen ein Entsendeunternehmen über IMI nur dann, wenn zunächst der Staat der Strafentscheidung die internationale Zustellung selbst (erfolglos) versucht hat. Insgesamt hat es sich auch aus der Praxis der für die grenzüberschreitende Durchsetzung des LSD-BG zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden erwiesen, dass im Einzelnen eine Rechtsverfolgung außerhalb von IMI erfolgreich sein kann, wie z. B. die postalische Zustellung einer Strafentscheidung in einem anderen Staat mit internationalem Rückschein. Um einerseits weiterhin die prinzipielle Verwendbarkeit von IMI in Angelegenheiten der grenzüberschreitenden Durchsetzung arbeitsrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten und andererseits notwendige Alternativen der Durch­setzung offen zu halten, muss das Konzept des LSD-BG über die Verwendung von IMI gelockert werden.

Mit diesen Zielsetzungen sind die folgenden Maßnahmen vorgesehen:

-       Harmonisierung der Begriffe des LSD-BG mit jenen der mit dem Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) verbundenen öffentlichen Schnittstelle für die Aufforderung zur Übermittlung von Unterlagen in Bezug auf die Entsendung mobiler Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie (EU) 2020/1057;

-       Erweiterung der allgemeinen Bestimmungen des LSD-BG betreffend Parteistellung und Untersagung der Dienstleistung auf die im Jahr 2022 geschaffenen Verwaltungsstrafbestimmungen im Falle von Verstößen iZm mit dem Einsatz mobiler Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie (EU) 2020/1057;

-       Änderung der Vorschriften über die Meldung einer Arbeitnehmerentsendung und einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung dahingehend, dass die zu meldende Vertretung des Arbeitgebers oder Überlassers grundsätzlich auf den Vorschriften des Staates beruht, von dem aus die Entsendung oder Überlassung stattfindet;

-       innerhalb der Verpflichtung zur Meldung der Art der Tätigkeit und Verwendung des entsandten Arbeitnehmers bzw. der überlassenen Arbeitskraft entfällt die Bezugnahme auf den maßgeblichen österreichischen Kollektivvertrag;

-       Änderung der Vorschriften über die Ansprechperson, die im Zusammenhang mit einer Arbeit­nehmer­entsendung in Kontakt zu Kontrollbehörden steht: Die Ansprechperson muss nicht notwendig dem Kreis der entsandten Arbeitnehmer oder im Inland niedergelassener berufsmäßiger Parteien­vertreter angehören und kann sich daher an einem Ort im Inland außerhalb des Arbeitsortes auf­hal­ten, soweit dadurch für die Kontrollbehörden die Zugänglichmachung von Unterlagen, die Entgegen­nahme von Dokumenten und die Erteilung von Auskünften gewährleistet ist;

-       Festlegung vom Grundsatz her, dass bei der grenzüberschreitenden Zustellung und Vollstreckung einer Entscheidung im Anwendungsbereich des LSD-BG vorrangig IMI zu verwenden ist, wobei aber erstens die Behörde die grenzüberschreitende Zustellung in einem ersten Schritt über den Postweg versuchen muss und zweitens aus Gründen der Praktikabilität die Verwendung anderer Instrumente der Amts- und Rechtshilfe als IMI vom LSD-BG nicht ausgeschlossen ist.

Im Einzelnen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen im Besonderen Teil der Erläuterungen dargestellt.“

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 22. April 2024 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Ernest Schwindsackl.

An der Debatte beteiligte sich Bundesrat Mag. Sascha Obrecht.

Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Ernest Schwindsackl gewählt.


Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2024 04 22

                            Ernest Schwindsackl                                                        Korinna Schumann

                                   Berichterstatter                                                                         Vorsitzende