916/A XX.GP
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Dr. Krüger
und Kollegen
betreffend restlose Aufklärung der Bereicherung von SPÖ und ÖVP zu Lasten der NS -
Opfer
Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Jahr 1945
wurde die Republik Österreich als bewußte Antithese neu errichtet. Dieses freie und
unabhängige Österreich, das von den Alliierten bereits 1943 in der Moskauer
Außenministerkonferenz als Kriegsziel verheißen wurde rezipierte folgerichtig das bisher
geltende - auch reichsdeutsche - Recht nur insoweit, als es nicht mit den Bestand eines
freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten
Demokratie unvereinbar war.
Außer Kraft gesetzt wurden auch alle Bestimmungen, die dem “Rechtsempfinden des
österreichischen Volkes widersprachen oder typisches Gedankengut des
Nationalsozialismus” enthielten.
Während von ganzen Politikergenerationen der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP in
Sonntagsreden und gegenüber dem staunenden Ausland immer wieder die Opferrolle
Österreichs als 1. Opfer Hitlerdeutschlands betont wurde, haben die früheren
Repräsentanten dieser Parteien gegenüber den tatsächlichen Opfern des
Nationalsozialismus - wie sich auf Grund von Forschungsergebnissen jüngerer Historiker
herausstellt - wenig Bereitschaft zur Wiedergutmachung und Rückgabe geraubten
Vermögens gezeigt. Legendär sind etwa bereits die Ministerratsprotokolle der
Nachkriegszeit, die belegen, daß die österreichische Bundesregierung, gestellt von ÖVP
und SPÖ, nicht das geringste Interesse hatte, etwas dazu beizutragen, daß
“österreichischen Juden Recht und Gerechtigkeit widerfahren sollte. Um der Alliierten,
vor allem der USA, willen bequemte sich diese Regierung der Antifaschisten zu
Lippenbekenntnissen. Waren die Herrschaften unter sich, beschlossen sie, alles zu tun,
um die Sache in die Länge zu
ziehen” (Anton Pelinka in Format 1/98).
Es bestand jedoch nicht nur keinerlei Bereitschaft, den Opfern zu ihrem guten Recht zu
verhelfen, sondern es wurde darüber hinaus begonnen, die von den Nationalsozialisten
arisierten Unternehmen und andere Vermögenswerte in Raubrittermanier unter die
Koalitionsparteien aufzuteilen. Dazu schreibt Format 1/98:
,,ÖVP und SPÖ verschleppten nach dem Krieg gezielt die Rückgabe jüdischen Eigentums.
Sie schanzten es ihren Günstlingen zu, bedienten sich selbst oder verlangten von
zurückgekehrten Juden sogar Parteispenden für die Rückgabe ihres Besitzes. Der
sozialdemokratische Vorwärts Verlag, die Dianabad - AG, die Kurier - Druckerei Waldheim -
Eberle und zahlreiche Wiener Kinos sind nur einige von vielen Fällen, in denen sich die
Nachkriegsparteien von den Nazis geraubtes Vermögen einverleibten, unter ihren
Einfluß brachten oder die früheren Eigentümer mit Almosen abspeisten.
In ihrer Lieblingsrolle als erste Opfer des Nationalsozialismus begannen SPÖ und ÖVP
nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Aufteilung des Landes. “Wiedergutzumachen hat
immer nur der, der ein Übel verschuldet oder verursacht hat. Und das war nicht die
Republik”, lautete die Devise von Peter Krauland, dem Chef des Ministeriums für
Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung.
Schon bald hatten sich in dem von ihm geführten und für die Rückstellung zuständigen
Ressort Zustände breitgemacht, die ein Mitarbeiter so beschrieb: “Es gibt auffällige
Tendenzen, Ariseuren die Unternehmungen gegen die derzeitigen gesetzlichen
Bestimmungen wieder zu überantworten, wenn sie bereit sind, einen Tributteil
zugunsten der ÖVP zu leisten.”
In den Parteisekretariaten kursierten Listen, auf denen öffentlich verwaltete
Unternehmen verzeichnet waren: Wer spendete bekam den Zuschlag. Selbst
Staatsvertragskanzler Figl intervenierte für Parteifreunde.
“Man suchte sich die enormen Werte zunutze zu machen. Überall scharten sich die
Geschäftemacher der Parteien um den großen Topf herum”, beschreibt der Historiker
Peter Böhmer in einer unveröffentlichten Dissertation die Goldgräberstimmung: “Die
Parteien haben sich eindeutig
bereichert.”
Karl Ruhmann, von den Nazis enteigneter Vorbesitzer der “Guggenbacher
Papierfabriken” in der Südsteiermark, fand harte Worte: Er sah sich einer “neuerlichen
Arisierung” ausgesetzt. ÖVP - Emissäre hatten für die Rückstellung seines Unternehmens
eine Parteispende in Höhe von 1,8 Millionen Schilling verlangt
Die SPÖ hat bis heute eine Prüfung des Vorwärts Verlages verhindert. Dadurch konnte
man nie feststellen, ob der Verlag arisiertes Vermögen besitzt.
Die ÖVP spielt das Thema ebenfalls herunter. Generalsekretärin Maria Rauch - Kallat
macht sich keine Sorgen: “Diese Dingen wurden ganz klar geregelt.” Dennoch
beauftragte Parteivorsitzender Schüssel den Leiter der politischen Abteilung, Clemens
Auer, mit Nachforschungen.
Erstes Ergebnis: Auch die Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse und das Wiener ÖVP -
Hauptquartier in der Falekstraße befinden sich in einst von den Nazis arisierten
Gebäuden. Die ÖVP habe die Häuser allerdings nach dem Krieg “zu einem
marktgerechten Preis” (Auer) erstanden.
Eine intensivere Prüfung steht noch der ÖVP - Parteiakademie in der Wiener Tivolistraße
bevor, die im Springer - Schlössl residiert. Die Jahrhundertwende - Villa, erbaut von Baron
Gustav Springer, einem der reichsten Männer der k. und k. Monarchie, wurde im Jänner
1940 von den Nazis enteignet. Nach dem Krieg erhielt die aus der Emigration
heimgekehrte Springer - Tochter Maria das völlig zerstörte Anwesen zurück; eine
Entschädigung wurde ihr verweigert. Zynische Begründung der
Rückstellungskommission: “Gerade ihre Ausreise erwies ja, daß sie die Liegenschaft
nicht mehr für ihre Zwecke benötigte.”
1945 kaufte die ÖVP die Villa und das 100.000 Quadratmeter große Grundstück. Die
näheren Umstände sind noch ungeklärt.”
Diese nunmehr bekanntgewordenen Vorgänge enthüllen in aller Deutlichkeit einmal
mehr die Doppelmoral der Koalitionsparteien: nicht einmal die einzigartigen Greuel des
Holocaust vermochten sie davon abzuhalten, sich am Vermögen eben dieser Opfer zu
bereichern.
In dieses Bild paßt auch, daß etwa die offenkundig rechtswidrigen
Ausfuhrgenehmigungen für Kunstgegenstände im Eigentum von Emigranten erst dann
erteilt wurden, wenn dem Eigentümer zuvor ein Teil zu günstigen Konditionen für die
Bundesmuseen abgepreßt werden konnte, der ÖGB große Vermögenswerte der
früheren DAF ohne Prüfung der Eigentumsverhältnisse einstreifen konnte und die SPÖ -
nahe KIBA die Zahl der von ihr betriebenen Kinos auf wundersame Weise vermehren
konnte. Das Verhalten der von ÖVP und SPÖ proporzmäßig beherrschten Betriebe der
Verstaatlichten Industrie gegenüber den zuvor ausgebeuteten Zwangsarbeitern spricht
ebenfalls Bände.
Die Bundesregierung, die auch derzeit von SPÖ und ÖVP - also jenen Parteien, die im
Verdacht stehen, sich am Vermögen der NS - Opfer bereichert zu haben gestellt wird,
hat eine Historikerkommission unter Vorsitz der Präsidenten des
Verwaltungsgerichtshofes Dr. Clemens Jabloner eingesetzt, die das Schicksal des
Vermögens der NS - Opfer in der Nachkriegszeit prüfen soll. Die Kommission sieht sich
noch vor Antritt ihrer Tätigkeit heftiger Kritik ausgesetzt. Der Vorstand des Institutes für
Zeitgeschichte Prof. Dr. Gerhard Jagschitz (“Wenn das alles gewesen sein soll, was der
Regierung einfällt, dann blamiert sich Österreich”) kritisiert insbesondere die
Zusammensetzung der Kommission mit nahezu ausschließlich österreichischen, darunter
sehr parteinahen, Mitgliedern. So übt etwa der Vizepräsident der ÖVP - Parteiakademie,
die im oben erwähnten Springer - Schlössl ihren Sitz hat, erheblichen Einfluß auf die
Zusammensetzung der Kommission aus.
Von dieser Kommission ist sohin eine schonungslose, unparteiische, objektive und
vollständige Aufklärung des Umganges mit dem Schicksal und dem Vermögen der NS -
Opfer - abgesehen von den weiteren ungelösten Problemen des freien Zuganges zu
allen Archiven - nicht zu erwarten; sie ist im Gegenteil von Anfang an mit einem
Glaubwürdigkeitsdefizit behaftet. Dabei ist insbesondere auch der Umstand von
Bedeutung, daß die Kommission von der Bundesregierung bestellt wird und unter
Vorsitz und Verantwortung eines österreichischen Richters - ohne dessen juristische
Qualifikation in geringster Weise in Zweifel zu ziehen - arbeiten soll. Die Absicht der
Bundesregierung, sich gleichsam die Richter in eigener Strafsache auszusuchen, erzeugt
nur den Verdacht, die Bundesregierung sei an der schonungslosen Aufklärung nicht
wirklich interessiert, und kann nur als absurd
bezeichnet werden.
Nur eine wirklich von den österreichischen Parteien unabhängige, internationale mit
anerkannten Experten besetzte Historikerkommission kann eine erfolgreiche
Aufarbeitung der Versäumnisse der Nachkriegszeit bewerkstelligen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher den nachfolgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich die erforderlichen Veranlassungen
zur Einsetzung einer wirklich von den österreichischen Parteien unabhängigen, mit
internationalen Experten besetzten Historikerkommission zur Aufarbeitung der im
Zusammenhang mit dem Schicksal und dem Vermögen der NS - Opfer festzustellenden
Versäumnisse der Nachkriegszeit und insbesondere der Rolle der österreichischen
Bundesregierung und der damaligen Koalitionsparteien zu treffen.
Dabei ist es unverzichtbar, daß die Funktion des Vorsitzenden der Kommission
international ausgeschrieben wird und alle Mitglieder der Kommission im Einvernehmen
mit den Organisationen der NS - Opfer und deren Nachkommen bestellt werden.
In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Verfassungsausschuß zuzuweisen.