2148/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben

an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend NS-Kindereuthanasie - Involvierung

von Dr. Heinrich Gross, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1. Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Volksgericht vom

29.3.1950, mit dem Dr. Heinrich Gross wegen des Verbrechens der Mitschuld

am Totschlag zu zwei Jahren schwerem Kerker verurteilt worden ist, wurde vom

Obersten Gerichtshof 1951 aufgehoben und an das Landesgericht für Strafsa-

chen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Obwohl

also ein höchstgerichtlicher Auftrag zur Weiterverfolgung des Dr. Heinrich Gross

vortag, wurde das Verfahren in bis heute unverständlicher Weise auf Antrag der

Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. -

a) Aus welchen Gründen erfolgte die Antragstellung zur Verfahrenseinstellung

und warum wurde dem höchstgerichtlichen Auftrag zur Weiterverfolgung

nicht Folge geleistet?

b) War das Bundesministerium für Justiz in diese Verfahrenseinstellung invol-

viert und hat es damals Weisungen an die Staatsanwaltschaft Wien gege-

ben?

c) Trifft der Vorwurf zu, daß das damalige gerichtsärztliche Gutachten lediglich

18 von 772 Krankengeschichten der in der Kinderklinik "Am Spiegelgrund"

.

getöteten Kinder untersuchte und daher das volle Ausmaß der Involvierung

von Dr. Heinrich Gross gar nicht restlos festgestellt werden konnte?

2. ln einem von Dr. Heinrich Gross gegen Dr. Werner Vogt 1 980 angestrengten

Ehrenbeleidigungsverfahren stellte das Oberlandesgericht Wien in einem

rechtskräftigen Urteil am 30.3.1981 fest, "daß Dr. Heinrich Gross an der Tötung

einer unbestimmten Zahl von geisteskranken, geistesschwachen oder stark

mißgebildeten Kindern (die erb- und anlagebedingte schwere Leiden hatten)

mitbeteiligt war". Aufgrund des vorgelegten Wahrheitsbeweises und nach einge-

hender Prüfung wurde Dr. Werner Vogt damals rechtskräftig freigesprochen.

a) Warum wurde nach dem Vorliegen dieses rechtskräftigen Urteils 1981 kein

Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien gegen Dr. Heinrich Gross einge-

leitet? .

b) Wurde damals das Bundesministerium für Justiz involviert, hat es irgendwel-

che Weisungen oder Rücksprachen mit der Staatsanwaltschaft Wien gege-

ben?

3. 1995 hat das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes eine

Sachverhaltsdarstellung betreffend Dr. Heinrich Gross an die Staatsanwalt-

schaft Wien gerichtet, in der ein neues belastendes Dokument vorgelegt worden

ist, das die freiwillige Mitwirkung von Dr. Heinrich Gross an der Kindereuthana-

sie beweist. -

a) Welche Schritte hat die Staatsanwaltschaft Wien zur Klärung dieses massi-

ven Vorwurfes unternommen? -

b) Welche Haltung hat das Bundesministerium für Justiz eingenommen?

c) Warum wurden konkrete weitere Ermittlungen nicht durchgeführt, wie zum

Beispiel eine Einvernahme von Dr. Heinrich Gross oder die penible Durchar-

beitung der gesamten im PKH Baumgartnerhöhe noch vorhandenen Kran-

kengeschichten der Kindereuthanasiefälle?

d) Warum wurde die Anzeige gegen Dr. Heinrich Gross am 2.1.1996 von der

Staatsanwaltschaft Wien zurückgelegt?

e) Welches Prüfungsverfahren ist dieser Einstellung vorangegangen?

4. Im "profil" vom 10.3.1997 wird über eine Göttinger Dissertation über die Kinder-

euthanasie in Wien berichtet, die neuerlich schwere Verdachtsmomente bezüg-

lich der Involvierung von Dr. Heinrich Gross in die Kindermorde am "Spiegel-

grund" beinhaltet. Auch wird die Aussage einer Frau, deren Kind 1944, als

Dr. Gross die Reichsausschußarbeit am ,'Spiegelgrund" durchführte, umgekom-

men ist, zitiert.

a) Werden Sie beziehungsweise die Staatsanwaltschaft Wien diese neuen Um-

stände zum Anlaß nehmen, um eine Prüfung sowohl der rechtlichen Situation

als auch der Faktenlage durchzuführen?

b) Werden Sie auch die Frage, ob der Verdacht des Mordes nach § 211 Rechts-

strafgesetz vorliegt, untersuchen lassen und in diesem Zusammenhang den

Gesichtspunkt der freiwilligen Mitwirkung an der Kindereuthanasie und des

,'wissenschaftlichen" Forschungsinteresses seitens Dr. Heinrich Gross prüfen

lassen?

c) Werden Sie bzw. die Staatsanwaltschaft Wien ohne jede Prüfung und unter

Negierung aller neuen vorgebrachten Fakten Totschlag und damit eine Ver-

jährung annehmen?

5. Besonderes Ärgernis und Unverständnis erweckt die - ungeachtet aller Vorwürfe

und Belastungen - fortgesetzte Gutachtertätigkeit von Dr. Heinrich Gross für

österreichische Gerichte. -

a) lst dem Bundesministerium für Justiz bekannt, in wie vielen Fällen, für welche

Gerichte und zu welchen Kosten Dr. Heinrich Gross als Sachverständiger

- fungierte? --

b) Wurde Dr. Gross auch noch nach der Anzeige 1995 als Gutachter herange-

zogen?

c) Für den Fall, daß diese Gutachtertätigkeit immer noch andauert: welche

Möglichkeiten hat das Bundesministerium für Justiz, um solche fragwürdige

Praktiken von Gerichten oder Richtern hintanzuhalten?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

a) Die Staatsanwaltschaft Wien trat am 25.5.1951 von der gegen Dr. Heinrich Gross

wegen des Verbrechens des Totschlags als Mitschuldiger nach § 5 StG, § 212

RStGB erhobenen Anklage zurück und begründete dies im Tagebuch 15 St

12091/51 wie folgt:

',Mit Urteil des VG Wien vom 29.3.1950 GZ: Vg 1 a Vr 1601/48 wurde

Dr. Heinrich Gross schuldig erkannt, er habe in Wien als Arzt in den Jahren

1941/43 in der städtischen Nenrvenklinik für Kinder in Wien ,'Am Spiegel-

grund,' durch absichtliche Herbeischaffung der Mittel zur sicheren Vollstrek-

kung der Übeltat der Krankenpflegerin Anna Katschenka nämlich die vor-

sätzliche Tötung eines Pflegebefohlenen durch Verabreichung von Giften

 wie Luminal, Veronal oder Morphium, ohne daß sie Mörderin war, beigetra-

gen; der Täter habe aus Willfährigkeit gegenüber Anordnungen gehandelt,

welche im Interesse der ns Gewaltherrschaft ergangen sind. Hiedurch habe

er das Verbrechen der Mitschuld am Totschlag nach § 5 StG, § 212 RStG

begangen.

Aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens und den Ausführungen in der

Urteilsbegründung ergibt sich folgendes:

Dr. Gross verantwortete sich dahin, er habe wohl von Euthanasierungen

Kenntnis erlangt, sei jedoch auf Grund der in der Folge gemachten Wahr-

nehmungen ein entschiedener Gegner der Euthanasie geworden. Deshalb

habe er eine an ihn durch Dr. Jekelius gestellte Aufforderung zur Mitwirkung

an Euthanasien strikte abgelehnt. Er bestreitet entschieden, jemals den Auf-

trag zu einer Euthanasierung gegeben zu haben. Die von ihm verordneten

Medikamente dienten lediglich der Linderung der Leiden des Patienten, nicht

aber dem Zwecke, den Tod desselben vorzeitig herbeizuführen.

Die Zeugin Katschenka bekundete, sie habe auftragsgemäß etwa

24 Todesbeschleunigungen durchgeführt, es könne möglich sein, daß auch

ein von Dr. Gross angeordneter Fall darunter war. Sie könne jedoch nicht sa-

gen, ob Dr. Gross Medikamente verordnete, um die Schmerzen eines im To-

deskampf liegenden Kindes zu lindern (nicht strafbare Sterbehilfe) oder um

eine Todesbeschleunigung herbeizuführen auf Grund einer Ermächtigung

des Reichsausschusses für wissenschaftl. Erforschung erb- und anlagebe-

dingter schwerer Erkrankungen. Sämtliche weiteren als Zeugen vernomme-

nen Krankenschwestern bestätigten, daß ihnen von irgendeiner Mitwirkung

von Dr. Gross an Todesbeschleunigungen nichts bekannt sei. Sie bekunde-

ten im Gegenteil die besondere Liebe des Dr. Gross bei der Behandlung der

kranken, selbst schwerkranken Kinder, die die Vornahme einer Euthanasie

durch ihn unwahrscheinlich erscheinen lasse. So bestätigte die Zeugin Budin

weiters, daß ihr Dr. Gross den Rat gab, im Interesse ihres Kindes dieses aus

der Anstalt zu nehmen.

Das Volksgericht stellte daher ausdrücklich fest, daß nicht nachgewiesen

werden konnte, es habe Dr. Gross an irgendeiner Todesbeschleunigung teil-

genommen, bzw. Anna Katschenka zu einer oder mehreren der von ihr vor-

genommenen Todesbeschleunigungen angestiftet. Das Volksgericht nahm

aber als erwiesen an, es habe Dr. Gross die vorgeschriebenen Krankmel-

dungen an den Reichsausschuß verfaßt und so mitgeholfen, eine Rücken-

deckung für die verbrecherische Handlungsweise desjenigen, der die Eutha-

nasierungen anordnete, oder durchführte, zu schaffen. In dieser Handlungs-

weise des Dr. Gross erblickte das VG eine Mitschuld an den Todesbeschleu-

nigungen und stützte darauf sein verurteilendes Erkenntnis. -

Der OGH stellte jedoch fest, daß der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen

ist, es habe eine der von Dr. Gross pflichtgemäß erstatteten Krankmeldun-

gen zum Anlaß einer Euthanasierung überhaupt oder insbesondere einer

durch die Krankenpflegerin Anna Katschenka durchgeführten Tötung ge-

führt. Es wurde deshalb das Urteil des VG Wien soweit es Dr. Gross schuldig

erkannte und zu einer Strafe verurteilte, aufgehoben.

Es müßte demnach erwiesen werden, daß Dr. Gross durch die von ihm er-

stattete Meldung an den Reichsausschuß zu der er verpflichtet war, Anlaß

zu einer Euthanasierung gegeben habe. Dieser Beweis läßt sich aber weder

durch Anna Katschenka noch durch Marianne Türk als Zeugin erbringen. An-

dere Beweismittel gegen Dr. Gross liegen in dieser Richtung nicht vor. Eine

neuerliche Hauptverhandlung würde bei dieser Sachlage unweigerlich

.

zu einem Freispruch des Dr. Gross führen."

Bei den in der zuvor ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom

27.4.1951 enthaltenen Ausführungen, daß "die Sache an das Landesgericht für

Strafsachen Wien als Volksgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Um-

fange der Aufhebung zurückverwiesen', wird bzw. daß "dem Volksgerichte eine neue

Verhandlung und Entscheidung aufzutragen', war, handelt es sich um eine bei kas-

satorischen Urteilen übliche Diktion, die den öffentlichen Ankläger auf Grund des im

Strafverfahren geltenden Anklagegrundsatzes nicht bindet und für den Fall, daß die

Beweislage als für einen Schuldspruch nicht ausreichend eingeschätzt wird, auch

nicht hindert, von der Anklage zurückzutreten. -

b) Das Bundesministerium für Justiz war in diese Anklagezurückziehung nicht einge-

bunden und erteilte in diesem Zusammenhang auch keine Weisungen.

c) ln dem gegen Dr. Heinrich Gross zu Vg 1 Vr 174/51 - Hv 60/51 (ursprünglich Vg

1 a Vr 1601/48 - Hv 128/50) des Landesgerichts für Strafsachen Wien geführten

Strafverfahren selbst wurde kein gerichtliches Sachverständigengutachten einge-

holt. '

Zu einer Begutachtung von achtzehn Krankengeschichten durch zwei vom Gericht

bestellte Sachverständige war es jedoch - und darauf dürfte sich die Frage beziehen

- in der gegen den Leiter der Heilpädagogischen Klinik ',Am Spiegelgrund" und zwei

dort tätige Ärztinnen zu Vg 1 a Vr 2365/45 - Hv 1208/46 des Landesgerichts für

Strafsachen Wien anhängigen Strafsache gekommen. Mit Erlaß vom 15.5.1946 er-

suchte der damalige Bundesminister für Justiz die Oberstaatsanwaltschaft Wien, die

Staatsanwaltschaft Wien anzuweisen, von einer Überprüfung und Begutachtung

weiterer Krankengeschichten durch die beiden Sachverständigen abzusehen und

umgehend Anklage zu erheben, weil sich eine weitere Verzögerung der Voruntersu-

chung nicht vertreten lasse. Durch die Geständnisse des Dr. E. 1. und der Dr. M. T.

im Zusammenhalt mit dem Sachverständigengutachten sei erwiesen, daß gegen

zahlreiche Menschen auf solche Art gehandelt wurde, daß daraus deren Tod erfolg-

te. Dieses Strafverfahren endete am 18.7.1946 mit zwei Schuldsprüchen und einem

Freispruch.

Zu 2: .

a) Nach dem rechtskräftigen Abschluß des von Dr. Heinrich Gross gegen Dr. Wer-

ner Vogt angestrebten Ehrenbeleidigungsverfahrens berichtete die Staatsanwalt-

schaft Wien am 3.8.1981 über ihr Vorhaben, die wegen des Vorwurfs von Tötungs-

handlungen eingelangten Anzeigen gegen Dr. Gross gemäß § 90 Abs. 1 StPO zu-

rückzulegen. Dem Vorhaben der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 21.8.1981 , die-

sen Bericht der Staatsanwaltschaft Wien zu genehmigen, wurde mit Erlaß des Bun-

desministeriums für Justiz vom 14.10.1981 zugestimmt. Maßgeblich für diese Vor-

gangsweise war im wesentlichen, daß die Dr. Gross vorgeworfenen Euthanasie-

handlungen diesem stets unter Verneinung der Niedrigkeit der Beweggründe nicht

als Mord nach § 21 1 RStGB, sondern als Totschlag nach § 21 2 RStGB angelastet

worden waren, so auch in dem später vom Obersten Gerichtshof aufgehobenen Ur-

teil des Volksgerichts Wien, und daß in Ansehung eines Totschlags nach § 212

RStGB die Verjährungsfrist bereits abgelaufen war.

b) Nach den mir vorliegenden Akten gab es in diesem Zusammenhang seitens des

Bundesministeriums für Justiz weder Weisungen an die noch Rücksprachen mit der

Staatsanwaltschaft Wien. -

Zu 3:

Auf Grund der-Sachverhaltsdarstellung des Dokumentationsarchivs des österreichi-

schen Widerstandes verfügte die Staatsanwaltschaft Wien die Beischaffung sämtli-

cher bezughabender Gerichtsakten und erwog gleichzeitig in ihrem Bericht vom

26.6.1995 mögliche weiterführende Erhebungen. In einem weiteren Bericht vom

29.11.1995 gelangte die Staatsanwaltschaft Wien nach Vergleich der ihr vorliegen-

den Unterlagen mit dem Inhalt des Strafaktes Vg 1 Vr 174/51 - Hv 60/51 des Lan-

desgerichts für Strafsachen Wien jedoch zum Ergebnis, daß die vorhandenen Be-

weismittel eine Antragstellung auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens nicht recht-

fertigen würden. Auch weitere Erhebungen wären nicht geeignet, die frühere leug-

nende Verantwortung des Beschuldigten zu widerlegen. Von einer gerichtsmedizini-

schen Untersuchung der seitens des Magistrats der Stadt Wien noch verwahrten

Gehirnpräparate sei Abstand genommen worden, weil anhand einer derartigen Un-

tersuchung lediglich ein gewaltsamer Tod der Kinder etwa durch Gift hätte festge-

stellt werden können. Dadurch könne jedoch kein Nachweis für eine von Dr. Gross

begangene, strafrechtlich zu ahndende Tat erbracht werden.

Das übereinstimmende Vorhaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden, das Ver-

fahren nach § 90 Abs. 1 StPO zu beenden und von einer Antragstellung auf Wieder-

aufnahme im seinerzeitigen Verfahren abzusehen, wurde vom Bundesministerium

für Justiz mit Erlaß vom 18.12.1995 zur Kenntnis genommen. Zusätzlich zu den von

der Staatsanwaltschaft Wien angestellten Überlegungen hielt das Bundesministe-

rium für Justiz das Vorhaben der Anklagebehörden schon deshalb für zutreffend,

weil eine allenfalls erweisbare Mitwirkung von Dr. Gross an Euthanasiehandlungen

im Jahr 1944 rechtlich ebenfalls nach § 212 RStGB zu beurteilen und damit verjährt

sei.

Zu 4:

Die im Artikel "Tod am Spiegelgrund,' in der Zeitschrift ,'profil" Nr. 11 vom 10.3. 1997

enthaltenen Ausführungen sind Gegenstand einer an die Staatsanwaltschaft Wien

gerichteten Anzeige des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes

vom 10.3.1997. Ein inzwischen eingelangtes Vorhaben der staatsanwaltschaftlichen

Behörden, diese Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückzulegen, wurde vom Bun-

desministerium für Justiz nicht zur Kenntnis genommen. Vielmehr wurde zwecks

Schaffung einer umfassenden Beurteilungsgrundlage um die Vornahme weiterer Er-

hebungen (vor-allem die Beischaffung und Auswertung weiterer Unterlagen und Ak-

ten) ersucht. Nach deren Abschluß wird die Staatsanwaltschaft Wien neuerlich im

Wege der Oberstaatsanwaltschaft Wien über das beabsichtigte Vorhaben zu berich-

ten haben. Auf der dann gegebenen Sachverhaltsgrundlage wird auch die Frage der

rechtlichen Qualifikation erneut zu prüfen sein.

Zu 5:

Nach § 3 des Bundesgesetzes vom 19. Februar 1975 über den allgemein beeideten

gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher werden von den Präsidenten der

Gerichtshöfe erster Instanz (mit Ausnahme des Landesgerichts für Strafsachen

Wien, des Jugendgerichtshofs Wien und des Landesgerichts für Strafsachen Graz

sowie des Arbeits- und Sozialgerichts Wien) sogenannte Sachverständigenlisten ge-

führt, in die die allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen eingetragen

sind. Ein Sachverständiger darf nur in eine einzige Liste eingetragen werden.

Nach den aus Anlaß dieser Anfrage eingeholten Berichten der Präsidenten der

Oberlandesgerichte scheint Dr. Heinrich Gross seit 1984 nicht mehr in den Listen

der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen des Oberlandesgerichts-

sprengels Wien auf und ist auch in keiner Sachverständigenliste im Bereich eines

anderen Oberlandesgerichtssprengels als gerichtlich beeideter Sachverständiger

eingetragen.

Den Sachverständigenlisten kommt allerdings nur eine Hilfsfunktion zu; die Gerichte

können auch nicht in die Sachverständigenliste eingetragene Personen zum Sach-

verständigen bestellen. Die Frage, wer im Einzelfall zum Sachverständigen bestellt

wird, ist eine Entscheidung des unabhängigen Gerichts, in die vom Bundesministe-

rium für Justiz nicht eingegriffen werden darf.

Soweit für das Bundesministerium für Justiz überblickbar, wurde Dr. Heinrich Gross

nach seiner Streichung aus der Sachverständigenliste noch in zahlreichen Fällen

vom Landesgericht für Strafsachen Wien und vom Landesgericht Eisenstadt als

Sachverständiger herangezogen. Außerhalb dieser beiden Gerichtshöfe ist nur eine

Bestellung durch das Landesgericht Wels und eine weitere durch das Bezirksgericht

Innere Stadt Wien bekannt. Seit dem Jahr 1995 wurde Dr. Gross - von der soeben

erwähnten Bestellung durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien aus dem Jahr

1995 oder 1996 abgesehen - nur noch in Verfahren vor dem Landesgericht für

Strafsachen Wien als Sachverständiger herangezogen, und zwar im Jahr 1995 in

179 Fällen, wobei Sachverständigenhonorare in einer Gesamthöhe von S 595.231 ,--

bestimmt wurden, und im Jahr 1996 in 123 Fällen mit einem Gesamthonorar von

S 413.871 ,--. Daten für das Jahr 1997 konnten nicht eruiert werden.

Wie bereits ausgeführt, ist die Bestellung eines Sachverständigen in einem Ge-

richtsverfahren eine Angelegenheit der Rechtsprechung, in die das Bundesministe-

rium für Justiz wegen des verfassungsgesetzlichen Grundsatzes der Gewaltentren-

nung nicht eingreifen kann. Es wurde jedoch bereits veranlaßt, daß der Präsident

des Oberlandesgerichts Wien die Richter des Landesgerichts für Strafsachen Wien

im Rahmen einer - bereits terminisierten - Richterbesprechung auf die Problematik

hinweisen wird.