2597/AB XX.GP

 

zur Zahl 2612/J-NR/1997

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben

an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend NS-Kindereuthanasie und Involvierung

von Dr. Heinrich Gross, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1. In der Anfragebeantwortung (zur parlamentarischen Anfrage Zl.

2143/J-NR/1997) heißt es unter Ziffer 4, daß das Vorhaben der Staatsanwalt-

schaft, die Anzeige des Dokumentationsarchivs vom 10.3.1997 gemäß § 90

Abs. 1 StPO zurückzulegen, nicht zur kenntnis genommen, sondern t‘zwecks

Schaffung einer umfassenden Beurteilungsgrundlage um die Vornahme weite-

rer Erhebungen (vor allem die Beischaffung und Auswertung weiterer Unterla-

gen und Akten) ersucht“ wird.

a) Werden im Rahmen dieser Ermittlungen erstmalig auch Gutachten von

Sachverständigen (Historiker, Mediziner) beigezogen werden?

b) Wird die Staatsanwaltschaft Wien, die bisher nie einen Grund zur Strafver-

folgung gesehen hat, diese Ermittlungen leiten?

Wenn ja, warum?

c) Staatsanwalt Dr. Karesch, der den Fall Gross bearbeitet, ist auch für die Er-

mittlungen bei den Kurdenmorden zuständig. Entspricht es Ihrer Ansicht

nach dem gebotenen Interesse an rascher und umfassender Aufklärung,

wenn angesichts der langen Säumigkeit der Justiz im Fall Dr. Gross und

kurdenmorde ein Staatsanwalt zwei so brisante und umfangreiche Fälle be-

arbeiten soll?

Dr. Gross ist über Jahrzehnte hinweg als gerichtlich beeideter Sachverständi-

ger tätig gewesen und hat sogar im hohen Alter von 80 Jahren in über 300 Fäl-

len in den Jahren 1995 und 1996 als Sachverständiger gewirkt.

In der Ausgabe 23197 der Zeitschrift „NEWS“ wird eine Aussage von F. Z. wie-

dergegeben. Herr Z. war offensichtlich während der NS-Zeit in der Klinik „Am

Spiegelgrund“ behandelt worden und hatte dort Dr. Gross kennengelernt. Als

Z. 1975 wegen kleinkrimineller Delikte vor Gericht stand, traf er dort Dr. Gross

wieder, der als Gutachter fungierte:

„Z. erkannte den Arzt aus der Todesklinik wieder. Darauf angesprochen, mein-

te der Arzt laut Z.: „Schauen S‘, tua ma net in diesen alten Geschichten herum-

doktern, das liegt fast vierzig Jahre z‘ruck. Wenn S‘ über diese Zeit ruhig San,

kann ich Ihnen versprechen, daß ich mich für Sie bei Gericht einsetzen wird‘

und Ihnen helf‘.“

a) Seit wann und in wie vielen Fällen war Dr. Gross als gerichtlich beeideter

Sachverständiger tätig?

b) Wie hoch ist die von ihm bezogene Honorarsumme während seiner Tätigkeit

für die Justizbehörden?

c) War Dr. Gross auch zwischen 26.6.95 und 29.11.95, also jenem Zeitraum,

in dem die Staatsanwaltschaft laut Anfragebeantwortung „weiterführende

Erhebungen“ erwog, als Gutachter tätig?

d) In wie vielen Fällen war Dr. Gross innerhalb dieses Zeitraums als Gutachter

tätig?

e) Entspricht es unserer Rechtsordnung, daß ein Sachverständiger, gegen den

strafrechtlich ermittelt wird, gleichzeitig von den Justizbehörden als Gutach-

ter eingesetzt wird?

f) Zumindest im Falle des Herrn Z liegt der Verdacht nahe, daß das Gutach-

ten durch das Wissen des F. Z. um die Euthanasie-Tätigkeit von Dr. Gross

beeinflußt wurde. Welche Konsequenzen hatte das Gutachten von Dr.

Gross auf das Urteil gegen F. Z.?

g) Wurde die Berichterstattung in NEWS 23/97 zum Anlaß genommen3 gegen

Dr. Gross im Hinblick auf § 288 (1) StGB (Erstattung eines falschen Gutach-

tens als Sachverständiger) zu ermitteln?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

h) Sind Ihnen bzw. den Justizbehörden weitere Fälle bekannt, in denen die

Gutachtertätigkeit des Dr. Gross durch seine eigene Vergangenheit als

Euthanasie-Arzt beeinflußt worden ist?

i) Wurde Dr. Gross auch in Strafverfahren, in denen Verbrechen aus der NS-

Zeit oder Delikte nach dem NS-Wiederbetätigungsgesetz abgehandelt wur-

den, als Gutachter herangezogen bzw. werden Sie eine entsprechende Prü-

fung veranlassen?

j) Ist Dr. Gross auch im Jahr 1997 als Gutachter für die Justizbehörden tätig

geworden?

Wenn ja, in wie vielen Fällen?

3. In Ziffer 3 der Anfragebeantwortung wird von Ihnen die Ansicht der Staatsan-

waltschaft wiedergegeben, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens 1995

auch deswegen nicht gerechtfertigt sei, weil „auch weitere Erhebungen nicht

geeignet (wären), die frühere leugnende Verantwortung des Beschuldigten zu

widerlegen“. Diese Argumentation ist nach Auffassung der Fragestellerlnnen

schon deshalb falsch, weil das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz in der

Strafsache Dr. Vogt in einem eigenständigen Beweisverfahren zu einer gegen-

teiligen Auffassung gekommen ist und dem Dr. Gross auch in mehreren Punk-

ten nachweisen konnte, daß er die Unwahrheit gesagt hatte. Darüber hinaus

wäre es wohl eine Kapitulationder Justiz, wenn sie angesichts leugnender Be-

schuldigter von weiteren Erhebungen Abstand nimmt.

a) Hat die Staatsanwaltschaft Wien bei ihren Erhebungen 1995 die Beweiswür-

digung des Oberlandesgerichts Wien in der Strafsache Dr. Gross gegen

Dr. Vogt einbezogen?

b) Wenn ja, wie erklärt sich dann die Zurücklegung der Strafanzeige gegen

Dr. Gross?

Wenn nein, warum nicht?

c) Wie ist der Satz von der „früher leugnenden Verantwortung“ des Dr. Gross

zu verstehen?

4. Die Staatsanwaltschaft Wien hat sich 47 Jahre lang in ihrer Argumentation,

daß keine strafrechtlichen Verfolgungsgründe gegenüber Dr. Gross gegeben

seien, auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Volksgericht

vom 29.3.1950 gestützt, mit dem Dr. Gross wegen des Verbrechens der Mit-

schuld am Totschlag nach § 5 StG und § 212 AStG zu zwei Jahren Haft verur-

teilt worden war. Dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof aufgehoben

und zur Neuverhandlung an die Erstinstanz zurückverwiesen. Die Staatsan-

waltschaft Wien trat daraufhin am 25.5.1951 von der Anklage gegen Dr. Gross

wegen des Verbrechens des Totschlags als Mord Mitschuldiger zurück und be-

gründete dies im Tagebuch 15 St 12091/51 damit, daß eine neuerliche Haupt-

verhandlung „unweigerlich zu einem Freispruch des Dr. Gross führen“ würde.

Im deutlichen Unterschied dazu stellte das Oberlandesgericht Wien als Beru-

fungsinstanz in der Strafsache Dr. Gross gegen Dr. Vogt fest, daß das Urteil

des Volksgerichtes vom 29.3.1950 „an inneren Widersprüchen und Feststel-

lungsmängeln“ gelitten hatte, das Oberlandesgericht allerdings „zu einer ande-

ren Urteilsgrundlage“ kam, weil Dr. Gross seine leugnende Verantwortung auf-

gab bzw. ihm mehrere Unwahrheiten nachgewiesen werden konnten.

Es erscheint auch merkwürdig, daß die Anzeigen bzw. Sachverhaltsdarstellun-

gen gegen Dr. Gross von der Staatsanwaltschaft unter Berufung auf ein aufge-

hobenes Urteil des Volksgerichtes Wien und mit der Begründung, bei dem

Dr. Gross zur Last gelegtem Straftatbestand handle es sich um (verjährten)

Totschlag und nicht um Mord, zurückgelegt worden sind.

In der Anfragebeantwortung (2148/AB) vertreten Sie die Auffassung, „eine al-

lenfalls erweisbare Mitwirkung von Dr. Gröss an Euthanasiehandlungen im

Jahr 1944 sei rechtlich ebenfalls nach § 212 RStGB zu beurteilen und damit

verjährt“.

Diese Ansicht kontrastiert mit der Anklage bzw. dem Urteil gegen Dr. Illing, den

Primar und Leiter der klinik „Am Spiegelgrundt‘, der in einem Verfahren vor

dem Volksgericht Wien 1946 wegen des Verbrechens des vollbrachten Meu-

chelmordes nach §§ 134,135 Z. 1 StG angeklagt und schließlich zum Tode

verurteilt worden ist.

a) Warum wurde Dr. Illing 1946 wegen des Verbrechens des vollbrachten Meu-

chelmordes nach dem alten österreichischen Strafgesetz angeklagt und ver-

urteilt, Dr. Gross im Jahre 1950 aber nach dem NS-Strafrecht?

b) Der sogenannte „Anschluß“ im Jahr 1938 war sowohl völkerrechts- als auch

verfassungswidrig (vgl. dazu etwa Wiederin, März 1938 - staatsrechtlich be-

trachtet. In: Nationalsozialismus und Recht, Davy u.a. (Hrsg.)). Die österrei-

chische Rechtsordnung von vor 1938 galt daher auch in der Okkupation

Österreichs fort. Sie war lediglich vorübergehend nicht effektiv. Die gegen-

teilige Ansicht würde im übrigen zum unerträglichen Ergebnis führen, daß

verbrecherische Handlungen in der Zeit der Naziokkupation ausschließlich

nach dem damals geltenden Strafrecht zu beurteilen wären. Welche Auffas-

sung teilen Sie als Justizminister bzw. die Justizbehörden?

c) Selbst wenn man die unter b) dargelegte Rechtsauffassung nicht teilt, ist

das Verhalten von Dr. Gross nicht am Reichsstrafgesetzbuch, sondern am

österreichischen Strafgesetz zu messen. Die Nationalsozialisten haben

nämlich die Geltung des Strafgesetzes in Österreich nicht beseitigt. Es gal-

ten sowohl in Österreich als auch im „Altreich“ die jeweils früheren Gesetze

auf dem Gebiet des Strafrechts (vgl. Loebenstein, Strafrecht und

Strafenpraxis im nationalsozialistischen Staat, 201). Teilen Sie bzw. die Ju-

stizbehörden diese Auffassung?

d) Darüber hinaus ist völlig unverständlich, warum von den österreichischen

Justizbehörden das Verhalten von Dr. Gross nach § 212 RStGB und nicht

nach § 211 RStGB beurteilt wird. § 211 erfordert neben dem Tötungsvorsatz

die Begehung der Tat aus „niedrigen“ Beweggründen. Dr. Gross hat die Er-

mordung von wehrlosen Kindern veranlaßt, die ihm als Arzt anvertraut wa-

ren, hat offensichtlich ohne äußere Veranlassung in zumindest einem Fall

ein Kind in einem Kinderheim für die Euthanasie selektioniert (vg. Urteilsbe-

gründung des Oberlandesgerichts Wien, Prozeß Dr. Gross gegen Dr. Vogt)

und hat in der Zeit einer von ihm verschwiegenen Beurlaubung vom Kriegs-

dienst "reichlich einen Monat lang .... einen guten Teil der Reichsausschuß-

arbeit", also des Ansuchens um Mordbewilligung, geleistet. Ein niederträch-

tigeres Verhalten ist kaum vorstellbar. Das Verhalten von Dr. Gross wäre

demnach zweifellos selbst nach dem NS-Recht nach § 211 RStGB zu beur-

teilen. Warum haben die Justizbehörden diese Beurteilung nicht vorgenom-

men bzw. wie ist aus heutiger Sicht Ihre Auffassung dazu?

5. Zum Zeitpunkt des Volksgerichtsprozesses gegen Dr. Illing waren noch 772

krankengeschichten gestorbener Kinder vorhanden, das gerichtsärztliche Gut-

achten im Prozeß Dr. Illing überprüfte aber nur exemplarische 18. Aus der Dis-

sertation von Matthias Dahl, Endstation Spiegelgrund, Göttingen 1996, geht

hervor, daß heute Aktenbestände, Krankengeschichten und Gehirnpräparate

fehlen. Nach uns vorliegenden Informationen ist es denkbar, daß Dr. Gross

auch in anderen Abteilungen der Klinik „Am Spiegelgrund“ tätig geworden ist.

So soll ein Johann Jädige, der die Einberufung zum Volkssturm verweigert hat,

in die Klinik „Am Spiegelgrund“ eingeliefert worden sein und kurz darauf an

Lungenentzündung verstorben sein. Dr. Gross soll in diesem Fall die Totenbe-

scheinigung ausgestellt haben. Im Zuge der von der Stadt Wien vorgesehenen

Bestattung der Gehirnpräparate der ermordeten Kinder haben sich verschiede-

ne Angehörige gemeldet, deren Verwandte am Spiegelgrund ermordet worden

sind. Einige von ihnen haben Dr. Gross offensichtlich belastet.

Dr. Gross hat offensichtlich in seiner eigenen Erinnerung große Lücken, die

durch die Herbeischaffung der Personalakten der Stadt Wien bzw. aus dem

Kriegsarchiv bzw. von deutschen Archiven und einschlägigen Gerichtsverfah-

ren beseitigt werden könnten.

a) Wie viele Krankengeschichten existieren noch?

b) Wie viele KrankengeschichtöP existieren noch, in denen Dr. Gross auf-

scheint? Sind Aktenbestände bzw. Gehirnpräparate verschwunden?

d) War Dr. Gross auch in anderen Abteilungen der Klinik „Am Spiegelgrund“

tätig bzw. hat er beim Tod des Johann Jädige eine wie auch immer geartete

Rolle gespielt?

e) Werden die Personen, die sich bei der Gemeinde Wien bzw. bei verschiede-

nen Medien („profil“, „News“) gemeldet haben, zeugenschaftlich befragt?

f) Werden im Rahmen der von Ihnen angekündigten „Schaffung einer umfas-

senden Beurteilungsgrundlage“ Unterlagen zur Kindereuthanasie aus deut-

schen Archiven bzw. die oben erwähnten Akten angefordert?

6. Zu den Aufgaben der Justiz zählt auch, Opfern von Verbrechen und ihren An-

gehörigen zu ihrem Recht auf Entschädigung zu verhelfen. Welche Anstren-

gungen werden Sie diesbezüglich unternehmen?“

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1a):

Ob im vorliegenden Fall die Einholung von Sachverständigengutachten geboten ist,

werden - zunächst - die staatsanwaltschaftlichen Behörden nach Vorliegen der Er-

gebnisse der bisher veranlaßten Erhebungsschritte zu beurteilen haben.

Zu 1 b):

Die Ermittlungen werden von der Staatsanwalt Wien geführt. Gemäß § 31 StPO fällt

diese Strafsache in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wien.

Nach Mitteilung des Leiters der Staatsanwaltschaft Wien reicht die Arbeitskapazität

von Staatsanwalt Mag. Karesch ohne jeden Zweifel aus, um neben dem übrigen An-

fall nach der Geschäftsverteilung auch die Strafsachen betreffend Dr. Heinrich

Gross und „kurdenmorde“ sachgerecht und..verzögerungsfrei zu bearbeiten. Seine

Befassung mit der Angelegenheit steht daher inkeinem Spannungsverhältnis zum

Interesse an einer möglichst zügigen Bearbeitung und an umfassender Aufklärung.

Zu 2 a) und b):

Anhand der bei den Gerichten geführten Aufzeichnungen läßt sich nicht exakt eruie-

ren, seit wann und in wie vielen Fällen Dr. Gross als gerichtlich beeideter Sachver-

ständiger tätig war. Fest steht jedoch, daß Dr. Gross hauptsächlich vom Landesge-

richt für Strafsachen Wien - aus dessen Sachverständigenliste er im Jahr 1984 ge-

strichen wurde - als Gerichtsgutachter herangezogen wurde. Aufgrund der beim

Rechnungsführer des Landesgerichts für Strafsachen Wien aufliegenden Listen

kann - allerdings nur bis ins Jahr 1980 zurück - nachvollzogen werden, wie viele

Geldanweisungen an Dr. Gross erfolgten: Im Jahr 1980 wurden mit 592 Anweisun-

gen Sachverständigengebühren von insgesamt S 1.040.690,-- an Dr. Gross ausbe-

zahlt; für das Jahr 1981 sind 567 Anweisungen zu insgesamt S 1.009.848,-- ver-

zeichnet, für das Jahr 1982 578 Anweisungen zu insgesamt S 1.099.013,--, für das

Jahr 1983 schließlich 509 Anweisungen zu insgesamt S 1.035.639,—-. In den Jahren

ab 1984 bewegt sich die Anzahl der Anweisungen zwischen 100 und 300 jährlich.

Die Zahl der Geldanweisungen läßt jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf die Anzahl

der Verfahren zu, in denen Dr. Gross zum Sachverständigen bestellt wurde. Häufig

erfolgen nämlich in einem Gerichtsverfahren mehrere Anweisungen zur Auszahlung

von Sachverständigengebühren, so etwa für die Erstellung eines Gutachtens im

Vorverfahren, allenfalls für die Erstattung eines Ergänzungsgutachtens und schließ-

lich auch für die Teilnahme des Sachverständigen an der Hauptverhandlung.

Zu 2 c) und d):

Dr. Gross war auch im Zeitraum zwischen 26.6.1995 und 29.11.1995 als Gutachter

tätig. Die Anzahl der Fälle, in denen er in diesem Zeitraum seine Sachverständigen-

tätigkeit entfaltete, ist nicht genau feststellbar. Allerdings wurden ihm in den Mona-

ten Juni bis November 1995 - auf Grund von 118 Anweisungen - insgesamt

S 275.448,-- an Sachverständigengebühren ausbezahlt. Dazu ist zu bemerken, daß

zwischen der Bestellung einer Person zum Sachverständigen und der Auszahlung

der Sachverständigengebühr für die geleistete Arbeit in der Regel mehrere Monate

vergehen.

Zu 2 e):

Wie schon in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ZI. 2143/J-NR/1997

ausgeführt, ist die Frage, wer in einem Verfahren zum Sachverständigen bestellt

wird, eine Entscheidung des unabhängigen Gerichts, in die das Bundesministerium

für Justiz wegen des verfassungsgesetzlichen Grundsatzes der Gewaltentrennung

nicht eingreifen darf. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien hat jedoch bereits

die Richter des Landesgerichts für Strafsachen Wien im Rahmen einer Richterbe-

sprechung auf die Problematik der Bestellung von Dr. Gross zum Gerichtssachver-

ständigen hingewiesen.

Zu2f):

F. Z. wurde am 11.12.1975 (rechtskräftig am 15.12.1975) von einem Schöffensenat

des Landesgerichts für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Diebstahls

nach den §§ 171,173,174 l lit. d, II lt. a, 176 1 lt. a und b, 179 StG zu einer Frei-

heitsstrafe in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt; gleichzeitig wurde seine

Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß §§ 23, 322

Abs. 2 StGB angeordnet. Im Zeitpunkt der Verurteilung wies F. Z. 13 Vorstrafen,

darunter fünf wegen des Verbrechens des Diebstahls, au{ Der in diesem Verfahren

beigezogene Sachverständige Dr. Gross hatte den Geisteszustand des Beschuldig-

ten im allgemeinen und zum Zeitpunkt der inkriminierten Straftaten im Hinblick auf

seine strafrechtliche Verantwortlichkeit vom psychiatrischen Standpunkt aus zu klä-

ren. Dabei hatte er auch zur Frage Stellung zu nehmen, ob zu befürchten sei, daß

der Beschuldigte wegen seines Hanges zu strafbaren Handlungen in der Art der An-

laßtat oder weil er seinen Lebensunterhalt überwiegend durch solche strafbare

Handlungen zu gewinnen pflege, ohne die Unterbringung weiterhin solche strafbare

Handlungen mit schweren Folgen begehen werde (§ 23 Abs. 1 Z 3 StGB). Nach

dem Gutachten von Dr. Gross lagen beim Beschuldigten die medizinischen Voraus-

setzungen für die Annahme eines schuldausschließungsgrundes im Sinn des § 11

StGB (Zurechnungsunfähigkeit) nicht vor. Überdies erstellte Dr. Gross für F. Z. vom

psychiatrisch-psychologischen Standpunkt aus eine ungünstige Prognose. Damit

war das Gutachten von Dr. Gross eine wesentliche Grundlage für die Verurteilung

des Beschuldigten und für dessen Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche

Rückfallstäter. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die persönliche Vergangenheit von

Dr. Gross einen Einfluß auf sein Gutachten in diesem Verfahren gehabt oder daß er

dabei ein falsches Gutachten erstattet hätte, ergibt sich aus diesem Geschehen

nicht.

Zu 2 a):

Wie bereits zu 2 f) dargestellt, erbringt das geschilderte Geschehen keinen Hinweis

für eine Straftat nach § 288 Abs. 1 StGB. Darüber hinaus sah sich die Staatsanwalt-

schaft Wien aber auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der angeblichen Tat im Jahr

1975 und den daraus resultierenden Ablauf der gemäß § 57 Abs. 3 StGB fünfjähri-

gen Verjährungsfrist durch die Berichterstattung in der Zeitschrift "News" nicht zu Er-

hebungen veranlaßt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die Staatsanwalt-

schaft Wien schon am 19.1.1981 eine von F. Z. am 20.3.1980 gegen Dr. Gross we-

gen § 288 Abs. 1 StGB erstattete Strafanzeige gemäß § 90 Abs. 1 StGB zurückge-

legt hatte.

Zu 2 h)und i):

Aus den zu den Fragen 2 a) und b) angeführten Zahlen kann geschlossen werden,

daß Dr. Gross in den vergangenen Jahrzehnten in einigen tausend Gerichtsverfah-

ren als Sachverständiger herangezogen wurde. Eine händische Durchsicht all dieser

Akten - die nicht automationsunterstützt registriert sind - würde einen unvertretba-

sen Arbeitsaufwand erfordern. Aus diesem Grund können diese beiden Fragen nicht

beantwortet und auch nicht näher geprüft werden. Zur Frage, ob die Gutachtertätig-

keit von Dr. Gross durch seine eigene Vergangenheit beeinflußt wurde, ist überdies

auch ungeachtet dieses quantitativen Hindernisses eine objektive Aussage nicht

möglich. Dazu würde nämlich auch die Durchsicht der Akten nicht ausreichen, son-

dern müßten in jedem Fall sämtliche Nebenumstände, wie etwa Herkunft und Le-

bensumfeld der Beschuldigten bzw. Zeugen oder deren allfällige Beziehung zu

Dr. Gross oder zum Nationalsozialismus, durchleuchtet werden.

Zu 2i):

Im Zeitraum zwischen 1.1. und 14.7.1997 erfolgten beim Landesgericht für Strafsa-

chen Wien 47 Anweisungen von Sachverständigengebühren an Dr. Gross. Daraus

kann geschlossen werden, daß Dr. Gross auch noch im Jahr 1997 in mehreren Fäl-

len von Richtern des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Sachverständiger

herangezogen wurde. Allerdings ist auch hier - wie schon zu Punkt 2 c) und d) - dar-

auf hinzuweisen, daß zwischen der Bestellung einer Person zum Sachverständigen

und der Auszahlung der Sachverständigengebühr für die geleistete Arbeit in der Re-

gel mehrere Monate vergehen.

Zu 3):

Wie schon in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ZI. 2143/J-NR/1997

ausgeführt, hatten die staatsanwaltschaftlichen Behörden die Ergebnisse des von

Dr. Gross gegen Dr. Vogt angestrebten Ehrenbeleidigungsverfahrens bereits im

Jahr 1981 auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft. Das in dieser Strafsache ergan-

gene Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30.3.1981 lag der Staatsanwaltschaft

Wien auch anläßlich der im Jahr 1995 durchgeführten Prüfung einer vom Dokumen-

tationsarchiv des österreichischen Widerstandes „übermittelten Sachverhalts-

darstellung vor und fand auch Eingang in die zum diesbezüglichen Einstellungs-

vorhaben der Staatsanwaltschaft Wien angestellten Erwägungen des Bundesmini-

steriums für Justiz.

Zu 3 b):

Maßgeblich für den Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 18.12.1995, mit

dem das übereinstimmende Einstellungsvorhaben der staatsanwaltschaftlichen Be-

hörden zur Kenntnis genommen wurde, waren jene Überlegungen, die bereits zu

Punkt 3 der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ZI. 2143/J-NR/1997 dar-

gelegt wurden.

Zu 3 c):

Wie aus Punkt 3 der seinerzeitigen Anfragebeantwortung unzweifelhaft erkennbar,

wurde mit der hier angesprochenen Passage auf den Bericht der Staatsanwaltschaft

Wien vom 29.11.1995 Bezug genommen, in dem die Staatsanwaltschaft zum Ergeb-

nis gelangt war, daß die vorhandenen Beweismittel eine Antragstellung auf Wieder-

aufnahme des Strafverfahrens nicht rechtfertigen würden. In diesem Bericht hatte

die Staatsanwaltschaft Wien die Verantwortung von Dr. Gross als „die im Vorverfah-

ren zur AZ 1 Vr 174/51 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien dargelegte" be-

zeichnet. Gemeint war also die Verantwortung von Dr. Gross in dem gegen ihn zu

Vg 1 Vr 174/51 - Hv 60/51 (ursprünglich Vg 1 a Vr 1601/48 - Hv 128/50) des Lan-

desgerichts für Strafsachen Wien geführten Verfahren. Daß es sich um eine „leug-

nende“ Verantwortung gehandelt hatte, ergibt sich aus Punkt 1 a) der seinerzeitigen

Anfragebeantwortung, in dem diese Verantwortung zusammengefaßt wiedergege-

ben ist.

Zu 4 a):

Mit Urteil des Volksgerichts Wien beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom

18.7.1946 wurde Dr. Ernst Illing des Verbrechens des vollbrachten Meuchelmordes

nach den §§ 134,135 Z 1 StG und des Verbrechens der Quälereien und Mißhand-

lungen nach § 3 des kriegsverbrechergesetz (KVG) schuldig erkannt und hiefür ge-

mäß § 3 Abs. 2 KVG zum Tode durch den Strang verurteilt. Am 8.1.1948 erhob die

Staatsanwaltschaft Wien gegen die ehemals als Krankenpflegerin in der Jugendfür-

sorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ tätige Anna Katschenka ebenfalls Anklage in Rich-

tung der §§ 134,135 Z 1 StG und § 3 KVG. Das Landesgericht für Strafsachen

Wien als Volksgericht erkannte die Genannte mit Urteil vom 9.4.1948 unter aus-

drücklicher Verneinung der Voraussetzungen des Mordes nach § 211 RStGB wegen

der Tötung von mindestens 24 Pflegebefohlenen des Verbrechens des Totschlages

nach § 212 RStGB schuldig und verurteilte sie zu acht Jahren schwerem Kerker.

Vom Vorwurf des Verbrechens nach § 3 KVG wurde Anna katschenka gemäß § 259

Z 3 StPO freigesprochen.

Dr. Heinrich Gross wurde angeklagt, die Tötung von zumindest zwei Pflegebefohle-

nen durch Anna Katschenka veranlaßt zu haben. Im Hinblick darauf, daß die unmit-

telbare Täterin Anna katschenka des Totschlages nach § 212 RStGB rechtskräftig

schuldig erkannt wurde, subsumierte die Staatsanwaltschaft Wien das Dr. Gross

vorgeworfene Verhalten ebenfalls unter diese Strafbestimmung und begründete dies

in ihrem Bericht vom 18.1.1950 mit der „akzessorischen Natur des § 5 StG“.

Zu 4 b)und):

Der deutsche Gesetzgeber teilte mit Gesetz zur Änderung des Reichsstrafgesetzbu-

ches vom 4.9.1941, dRGBl. I S. 549, die vorsätzlichen Tötungsdelikte in Mord

(§ 211 RStGB) - einen durch bestimmte Motive oder durch die Art der Tötung qualifi-

zierten Tatbestand - und Totschlag (§ 212 RStGB) und unterstellte den sogenann-

ten „gemeinen“ Mord - im Sinn des (alten) österreichischen Rechts - dem milder be-

straften Totschiagstatbestand des § 212 RStGB. Als Vorbild für diese Regelung hat-

te eine ähnliche Vorschrift der Schweiz gedient. Die §§ 211 und 212 stehen in dieser

Fassung - nun als Bestimmungen des dStGB - in der Bundesrepublik Deutschland

noch heute in Geltung.

Der deutsche okkupationsgesetzgeber führte die §§ 211 und 212 RStGB durch die

Verordnung zur Durchfiihrung des Gesetzes zur Änderung des RStGB vom

24.9.1941, dRGBl. I S. 581, auch in Österreich ein und hob die §§ 134 - 138 StG

1852 auf. § 140 StG erhielt statt der Bezeichnung 31Totschlag‘3 die Bezeichnung

„Körperverletzung mit tödlichem Ausgang“.

§ 2 des Rechts-Überleitungsgesetzes vom 1.5.19453 StGBl.Nr. 6, rezipierte die

Reichsstrafgesetznovelle 1941 und die hiezu ergangene Durchführungsverordnung

für den österreichischen Rechtsbereich und beließ sie als österreichische Rechts-

vorschrift in vorläufiger Geltung. Mit § 1 des Gesetzes vom 12.6.1945, StGBl.Nr. 25,

über die Wiederherstellung des osterreichischen Strafrechtes wurde für den Bereich

der Republik Österreich die Aufhebung der meisten während des Nationalsozialis-

mus eingeführten Strafvorschriften, darunter auch der Verordnung zur Einführung

der RStGB-Novelle 1941 (Z 19 leg. cit.), verfügt. Die Aufhebung der deutschen und

das (Wieder-) Inkrafttreten der österreichischen Rechtsvorschriften, wie der wäh-

rend der nationalsozialistischen Zeit aufgehobenen Bestimmungen des StG, erfolgte

mit Wirksamwerden dieses Gesetzes, also am 24.6.1945.

Aus all dem zeigt sich im übrigen, daß die §§ 211 und 212 RStGB nicht etwa von

§ 1 des Rechts-Überleitungsgesetzes erfaßt waren, mit dem alle nach dem

13.3.1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen sowie alle einzelnen Bestimmun-

gen in solchen Rechtsvorschriften aufgehoben wurden, die mit dem Bestand eines

freien und unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten

Demokratie unvereinbar waren, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Vol-

kes widersprachen oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten.

Daß die beiden genannten Bestimmungen des RStGB unter keines der genannten

Aufhebungskriterien fielen, wird zunächst schon dadurch deutlich, daß sie heute in

der Bundesrepublik Deutschland immer noch in Geltung stehen. Aber auch der

österreichische Gesetzgeber des Jahres 1945 ging von diesem Verständnis aus1

denn andernfalls wäre es nicht mehr erforderlich gewesen, die Verordnung zur Ein-

führung der RStGB-Novelle 1941 in Österreich vom 24.9.1941, dRGBl. I S. 581,

durch § 1 Z 19 des Gesetzes vom 12.6.1945, StGBI.Nr. 25, eigens aufzuheben.

Gemäß § 1 des Gesetzes vom 31.7.1945, StGBI.Nr. 105, betreffend Übergangsbe-

stimmungen zur Wiederherstellung des österreichischen Strafrechtes und des öster-

reichischen Strafprozeßrechtes finden das StG und das JGG 1928 „auf bereits an-

hängige Strafsachen und auf alle vor dem Inkrafttreten der wiederhergestellten Ge-

setze begangenen strafbaren Handlungen insofern Anwendung, als diese dadurch

keiner strengeren Behandlung als nach dem früher bestandenen Recht unterliegen“.

Auf früher begangene strafbare Handlungen ist also primär das neue (österreichi-

sche) Recht, subsidiär aber das ältere (deutsche) Recht anzuwenden, sofern letzte-

res milder war. Wie zuvor aufgezeigt wurde, korrespondiert § 212 RStGB inhaltlich

mit dem hier in Betracht zu ziehenden Tatbestand des Mordes nach §§ 134,136

StG bzw. der Mitschuld daran (§ 5 StG); er ist aber in seiner Strafdrohung deutlich

milder als diese entsprechende Bestimmung des österreichischen Strafrechts und

schlägt daher gegenüber dem österreichischen Recht durch.

Zu 4 d):

Hiezu sei einleitend richtiggestellt, daß ich in der in der Beantwortung der parlamen-

tarischen Anfrage ZI. 2143/J-NR/1997 keineswegs die Auffassung vertreten habe,

daß eine allenfalls erweisbare Mitwirkung von Dr. Gross an Euthanasiehandlungen

rechtlich nach § 212 RStGB zu beurteilen und damit verjährt sei. Mit der angespro-

chenen Passage am Ende des Punktes 4 der seinerzeitigen Anfragebeantwortung

habe ich keineswegs meine aktuelle Auffassung zu dieser Frage zum Ausdruck ge-

bracht, sondern lediglich wiedergegeben, welche Erwägungen zum Einstellungsvor-

haben der staatsanwaltschaftlichen Behörden im Jahr 1995 im Bundesministerium

für Justiz angestellt worden waren. Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt1 daß

die Überlegungen über die rechtliche Qualifikation einer Teilnahme an Euthanasie-

handlungen während des Nationalsozialismus mittlerweile im Bundesministerium für

Justiz - auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Meinungsstandes in der

Bundesrepublik Deutschland - vertieft und verfeinert wurden. So werden beispiels-

weise bei einer - erst nach möglichst umfassender Abklärung im tatsächlichen Be-

reich vorzunehmenden - rechtlichen Prüfung in Richtung des § 211 RStGB nicht nur

das Tatbestandsmerkmal der „fliedrigefl Beweggründe“, sondern auch die anderen

Qualifikationsmerkmale dieser Bestimmung, wie etwa jenes der „Heimtücke“, zu un-

tersuchen sein. Ich ersuche jedoch um Verständnis dafür, daß ich mich derzeit im

Hinblick auf das bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängige Verfahren einer konkre-

ten rechtlichen Würdigung der Dr. Gross zur Last gelegten Handlungen enthalte.

Zu 5 a):

Laut einer der Staatsanwaltschaft Wien am 20.6.1997 zugekommenen Liste der

ärztlichen Direktion des psychiatrischen Krankenhauses Baumgartner Höhe existie-

ren insgesamt noch 309 krankengeschichten, von denen sich 51 auf das Jahr 1944

beziehen.

Die Staatsanwaltschaft Wien berichtete zuletzt am 1.7.1997, in die krankenge-

schichten noch nicht Einsicht genommen zu haben. Eine Beantwortung dieser Frage

ist daher zur Zeit noch nicht möglich.

Zu 5 d):

Auch diese Frage kann beim derzeitigen Verfahrensstand noch nicht beantwortet

werden.

Zu 5 e):

Die Staatsanwaltschaft Wien wird die Frage, ob und bejahendenfalls welche Zeu-

geneinvernahmen geboten sind; nach Abschluß der bisher veranlaßten Untersu-

chungsschritte prüfen.

Zu 5 f):

Die Staatsanwaltschaft Wien richtete in dieser Sache am 2.6.1997 an die Staatsan-

waltschaft II bei dem Landgericht Berlin das Ersuchen, sämtliche allenfalls vorhan-

denen Unterlagen beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicher-

heitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (sogenannte

"Gauck-Behörde") und beim Bundesarchiv (früheres geheimes Archiv in Berlin-Hop-

pegarten) zu übermitteln. Ein Erhebungsergebnis steht bislang noch aus. Ferner

wurde die Beischaffung einer kompletten Kopie der Inaugural-Dissertation von Mat-

thias Dah veranlaßt.

Zu 6:

In jüngerer Zeit wurden erneut Anstrengungen unternommen, um Opfern von Ver-

brechen des nationalsozialistischen Regimes den Zugang zu Schadenersatzleistun-

gen zu ermöglichen.

Neben einer Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten nach dem Opfer-

fürsorgegesetz durch das Bundesgesetz BGBl.Nr. 433/1995 wurde durch das Bun-

desgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des National-

sozialismus, BGBI.Nr. 432/1995, eine Rechtsgrundlage geschaffen, um Opfern auf

flexible und unbürokratische Weise, insbesondere ohne den im Zivil- und Strafver-

fahren zur Geltendmachung von Schadenersatzforderungen notwendigen Nachweis

anspruchsbegründender Tatsachen, zu Entschädigungsleistungen zu verhelfen. Ich

weise allerdings darauf hin, daß die Gewährung von Leistungen nach diesen Vor-

schriften nicht in den Vollziehungsbereich des Bundesministers für Justiz fällt und

daher die Frage der Entschädigung spezifisch von Opfern des Nationalsozialismus -

soweit nicht ohnehin allgemein bestehende gerichtliche Wege zur Durchsetzung von

Ersatzforderungen angesprochen sind - nicht zu meinem Zuständigkeitskreis zählt.