1104 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Kulturausschusses


über die Regierungsvorlage (690 der Beilagen): Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern


Mit der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern wurden Bestimmungen geschaffen, die es den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ermöglichen, Kulturgüter, die auf Grund der jeweiligen nationalen Gesetze widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurden und die der geschädigte Staat vor oder nach der Verbringung als “nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert” eingestuft hat, von jedem Mitgliedstaat, in den es verbracht wurde, zurückzufordern (“ersuchender Mitgliedstaat” bzw. “ersuchter Mitgliedstaat”). Es kommt nur solches nationales Kulturgut in Frage, welches unter eine der im Anhang der Richtlinie aufgezählten umfassenden Kategorien subsumiert werden kann.

Der ersuchende Mitgliedstaat kann auf Rückgabe klagen. Eine Entschädigung hat er nur soweit zu zahlen, als der neue Eigentümer oder Besitzer ausreichend Sorgfalt beim Erwerb angewandt hat.

Der ersuchte Mitgliedstaat ist zur Mithilfe bei der Suche, Sicherung und Rückgabe des Kulturgutes verpflichtet.

Die Richtlinie birgt Probleme vor allem für das österreichische Zivilrecht.

Durch den Beitritt Österreichs zur EU wurde Österreich verpflichtet, diese Richtlinie durch den Einbau in die österreichische Rechtsordnung umzusetzen, was mit dem als Entwurf vorliegenden Gesetz erfolgen soll.

Das Bundesdenkmalamt, sowie bei Archivalien das Archivamt, sollen künftig die in der Richtlinie vorgesehenen “Zentralen Stellen” zur Abwicklung der Anmeldungen und vor allem auch der Hilfe­stellung bei der Suche und Sicherung der Kulturgüter sein. Sie sind zugleich jene Einrichtungen, die für die Wahrnehmung der österreichischen Interessen an der Rückgabe unrechtmäßig ausgeführten Kultur­gutes von öffentlichem (nationalem) Interesse zu sorgen haben.

Über den Rückgabeanspruch ersuchender Mitgliedstaaten soll im Außerstreitverfahren abgesprochen werden.

Die gegenständliche Regierungsvorlage wurde am 18. Februar 1998 erstmals in Verhandlung genommen. Berichterstatterin war die Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Dr. Michael Krüger und Herbert Scheibner, die Ausschußobfrau Mag. Dr. Heide Schmidt sowie die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer.

Daraufhin wurde die Verhandlung über die Regierungsvorlage mit Stimmenmehrheit vertagt. Am 17. März 1998 wurde die Verhandlung fortgesetzt.

Abgeordneter Dr. Michael Krüger brachte einen neuerlichen Vertagungsantrag ein.

Die Abgeordneten Franz Morak und Dr. Josef Cap brachten zwei Abänderungsanträge zur Regierungsvorlage ein, die wie folgt begründet waren:

Zu § 2 Abs. 1 Z 2 lit. a:

Die bisherige Formulierung folgt dem authentischen deutschen Text der Richtlinie gemäß der Verlautbarung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.

Artikel I der Richtlinie hat hiebei folgenden Wortlaut:

“Im Sinne dieser Richtlinie gilt (als)

1. ,Kulturgut‘:

ein Gegenstand, (der) …

–   unter eine der im Anhang genannten Kategorien fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist,

–   zu öffentlichen Sammlungen gehört, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven oder von erhaltenswürdigen Beständen von Bibliotheken ausgeführt sind …”

Eine grammatikalische Auslegung dieser Bestimmung ergibt, daß es sich hiebei um Sammlungen handeln müßte, die “öffentliche Sammlungen” sind, wobei diese Sammlungen in einem (offiziellen) Verzeichnis der Museen, Archive und Bibliotheken aufscheinen müßten. Dies konnte umso eher angenommen werden, als es durchaus sinnvoll erschiene, die “priviligierten” Sammlungen auf jene zu beschränken, die in offiziellen Verzeichnissen als solche ausgewiesen sind.

Vergleiche mit anderen offiziellen Sprachversionen der Richtlinie lassen aber erkennen, daß es sich bei der deutschsprachigen Version um einen Übersetzungsfehler handelt. Tatsächlich besagt die Bestimmung nämlich, daß es sich (bei bevorzugtem) Kulturgut um solches handelt, das im Inventar von Museen, Archiven und Bibliotheken aufgeführt ist, allerdings nur so weit, als diese Museen, Archive und Bibliotheken “öffentliche Sammlungen” im Sinne dieser Richtlinie darstellen.

Als Beispiele dieser anderssprachigen Versionen seinen der diesbezügliche englische, französische, italienische und spanische Text wiedergegeben:

“For the purposes of this Directive:

1. ,Cultural object‘ shall mean an object which …

–   belongs to one of the categories listed in the Annex or does not belong to one of these categories but forms an integral part of,

–   public collections listed in the inventories of museums, archives or libraries conservation collection …”

“Aux fins de la présente directive, on entend par:

1. ,bien culturel‘…

–   appartenant à l’une des catégories visées à l’annexe ou n’appartenant pas à l’une de ces catégories, mais faisant partie intégrante,

–   des collections publiques figurant sur le inventaires des musées, des archives et des fonds de conservation des bibliothèques …”

“Ai fini della presente direttiva, si intende per:

1. ,bene culturale‘ un bene …

–   che appartien ad una delle categorie di cui all’allegato, o pur non rientrando in upa di queste categorie costituisce parte integrante,

–   delle collezioni pubbliche figuranti negli inventari dei musei, degli archivi e dei fondi di conservazione delle biblioteche …”

“A efectos dela presente Directiva, se entenderá por:

1. ,bien cultural‘ …

–   pertenezca a una de las categorias que figuran en el Anexo o, aunque no pertenezca a una de esas categorias, forme parte de,

–   colecciones públicas que figuren en los inventarios de museos, archivos y fondos de conservación de bibliotecas …”

Aus diesen Darlegungen geht hervor, daß die Verfassung von Verzeichnissen der “öffentlichen Sammlungen” in der Richtlinie nicht vorgesehen ist. Bevorzugt sind alle Museen, Archive und Bibliotheken, die öffentliche Sammlungen im Sinne dieser Richtlinie sind. Die Erstellung einer Liste – wie dies § 17 des Umsetzungsgesetzes vorsieht – wäre daher verfehlt.

Der Begriff “integrierter Teil” (der im deutschen Text überhaupt fehlt) bedeutet, daß es sich um ein Kulturgut handeln muß, das tatsächlich Teil der musealen Sammlung oder des Archivs ist, nicht etwa nur eine Doublette.


2

Zu § 17:

Im Hinblick auf die obigen Darlegungen zu § 2 Abs. 1 Z 2 lit. a entfällt in § 17 der Absatz 1, der die Erstellung solcher offiziellen Listen öffentlicher Sammlungen vorgesehen hatte.

Zu § 23:

Die Vollzugsklausel des § 23 ist im Hinblick darauf, daß Verordnungen gemäß § 17 nicht zu erstellen sind, auf Verordnungen gemäß § 3 zu beschränken.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic, Franz Morak, Dr. Josef Cap, Dr. Michael Krüger, Mag. Herbert Haupt, die Ausschußobfrau Mag. Dr. Heide Schmidt sowie die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer.

Der Vertagungsantrag wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt.

Bei der Abstimmung wurde die Regierungsvorlage in der Fassung der beiden Abänderungsanträge mehrstimmig angenommen.

Folgende vom Abgeordneten Dr. Josef Cap eingebrachte Ausschußfeststellung wurde ebenfalls mit Stimmenmehrheit angenommen:

In § 13 Abs. 1 und § 14 Absatz 1 wird im Hinblick auf die Frage der Entschädigung und des Kostenersatzes der zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Verfahrenskosten der Begriff der “erforderlichen Sorgfalt” verwendet. Dieser Begriff der “erforderlichen Sorgfalt” wird in aller Regel so auszulegen sein, daß der Maßstab, der hier zugrunde gelegt werden sollte, von den zumutbaren Kenntnissen des Durchschnittskäufers und nicht von jenen des berufsmäßigen Kunstsachverständigen ausgehen sollte. Diese großzügige Auslegung ist – übereinstimmend mit den Grundwertungen des Europarechts – auch deshalb geboten, da es nach § 12 Absatz 1 zu einer rückwirkenden Anwendung dieses Begriffes kommen kann. Eine strenge Auslegung des Begriffes würde einen unangebracht schweren Eingriff in die Eigentumsrechte darstellen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuß somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 1998 03 17

                            Dr. Gertrude Brinek                                                      Mag. Dr. Heide Schmidt

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau

Anlage

Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrecht­mäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft ver­brachten Kulturgütern


Der Nationalrat hat beschlossen:

Geltungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetzes regelt gemäß der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 74, CELEX‑Nr. 393L0007, die Möglichkeit der Rückforderung von Kulturgütern, welche unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft in das Hoheitsgebiet der Republik Österreich oder aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich in das eines anderen Mitgliedstaates direkt oder indirekt verbracht wurden.

Abschnitt I

Allgemeines

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Als “Kulturgut” im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt ein Gegenstand, der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 36 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft wegen seines künstlerischen, geschichtlichen, archäologischen oder sonstigen kulturellen Wertes als “nationales Kulturgut” eingestuft wurde und

           1. unter eine der Kategorien gemäß § 3 fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist,

            2. a) als integrierter Teil einer öffentlichen Sammlung im Bestandsverzeichnis eines Museums, eines Archivs oder des erhaltungswürdigen Bestandes einer Bibliothek aufgeführt ist; als “öffentliche Sammlungen” gelten diejenigen Sammlungen, die im Eigentum eines Mitglied­staates, einer lokalen oder einer regionalen Behörde oder Körperschaft innerhalb eines Mitgliedstaates oder einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gelegenen Einrichtung stehen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaates als öffentlich gilt, wobei dieser Mitglied­staat oder eine lokale oder regionale Behörde oder Körperschaft entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert;

               b) im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt ist.

(2) Als “unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht” gilt

           1. jede Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates entgegen dessen Rechts­vorschriften für den Schutz nationaler Kulturgüter oder entgegen der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 295, CELEX‑Nr. 392R3911, sowie

  2. jede nicht erfolgte Rückkehr nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung oder jeder Verstoß gegen eine andere Bedingung für diese vorübergehende Verbringung.

(3) “Ersuchender Mitgliedstaat” ist jener Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde.

(4) “Ersuchter Mitgliedstaat” ist jener Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Kulturgut befindet, das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verbracht wurde.

(5) “Rückgabe” ist die materielle Rückkehr des Kulturgutes in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates.

(6) “Zentrale Stellen” sind jene Einrichtungen, die im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates die Aufgaben im Zusammenhang mit der Verfolgung und Sicherung von Ansprüchen grundsätzlich wahrzunehmen haben.

Kategorien von Kulturgut

§ 3. Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt die in § 2 Abs. 1 erwähnten Kategorien von Kulturgut durch Verordnung fest.

Zentrale Stellen

§ 4. (1) Zentrale Stellen sind in Österreich

           1. das Bundesdenkmalamt,

           2. in Fällen, die Archivalien betreffen, das Archivamt (§ 5).

(2) Die Zentralen Stellen haben

           1. auf schriftliches Ersuchen eines Mitgliedstaates Nachforschungen nach einem unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbrachten Kulturgut sowie seinem Besitzer und Inhaber vorzunehmen, wenn dem Ersuchen die erforderlichen Angaben zur Durchführung der Nachforschungen, insbesondere Angaben über den Ort, an dem sich das Kulturgut befinden soll, beigefügt sind;

           2. einem Mitgliedstaat die Auffindung eines Kulturgutes im Hoheitsgebiet der Republik Österreich mitzuteilen, wenn begründeter Anlaß zur Vermutung besteht, daß das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates verbracht wurde;

           3. den zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaates nach den vorhandenen Möglich­keiten die Überprüfung zu erleichtern, ob der aufgefundene Gegenstand ein Kulturgut darstellt, sofern die Überprüfung innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung gemäß Z 2 erfolgt;

           4. zur Sicherung von Kulturgut nach Maßgabe des § 8 beizutragen, wenn die Überprüfung nach Z 3 innerhalb der dort festgelegten Frist erfolgt;

           5. die Rolle eines Vermittlers zur Erzielung einer gütlichen Einigung zwischen dem Eigentümer, Besitzer oder Inhaber und dem ersuchenden Mitgliedstaat in der Frage der Rückgabe wahr­zunehmen;

           6. Meldungen an die Zentralen Stellen der Mitgliedstaaten (§ 10 Abs. 3) vorzunehmen;

           7. Forderungen der Republik Österreich auf Rückgabe von unrechtmäßig verbrachtem Kulturgut sowie auf Ersatz geleisteter Entschädigung und entstandener Kosten (§ 20) geltend zu machen;

           8. die öffentlichen Interessen der Republik Österreich

                a) am Verbleib von Kulturgut im Hoheitsgebiet der Republik Österreich oder

               b) an der Rückbringung von Kulturgut in das Hoheitsgebiet der Republik Österreich

               zu vertreten.

(3) Abweichend von der Bestimmung des Abs. 2 Z 8 wird das öffentliche Interesse am Verbleib oder an der Rückbringung von Kulturgut, welches Eigentum der Republik Österreich ist, vom Bundes­minister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (bei Archivalien: vom Bundeskanzler) wahrge­nommen.

Archivalien

§ 5. (1) Auch in allen anderen Fällen als denen des § 4 treten, soweit sie Archivalien betreffen, an die Stelle des Bundesdenkmalamtes das Archivamt, an die Stelle des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Bundeskanzler.

(2) Was unter Archivalien zu verstehen ist, ist auf Grund der Verordnung betreffend den Schutz der Schriftdenkmale, BGBl. Nr. 56/1931, zu beurteilen.

Mitwirkung anderer Stellen

§ 6. (1) Die “Zentralen Stellen” (§ 4 Abs. 1) sowie die sonstigen mit der Durchführung dieses Gesetzes befaßten Bundesdienststellen können die rechtliche Beratung und Vertretung der Finanzprokuratur nach Maßgabe des Prokuraturgesetzes, StGBl. Nr. 172/1945, in Anspruch nehmen.

(2) Die Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches den “Zentralen Stellen” zur Hilfeleistung verpflichtet.

Auskunftspflicht

§ 7. Jedermann ist verpflichtet, für Zwecke der Vorbereitung oder Durchführung von Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes alle damit im Zusammenhang stehenden Auskünfte den zuständigen inländischen Behörden und Gerichten zu erteilen und ihren Organen (einschließlich Hilfspersonen) die Besichtigung und wissenschaftliche Untersuchung der (vermutlich) widerrechtlich ausgeführten Kultur­güter sowie allfällig anderer, mit diesen im Zusammenhang stehenden oder vergleichsweise zu untersuchenden Gegenstände zu gestatten. Gesetzliche Pflichten zur Verschwiegenheit und gesetzlich eingeräumte Rechte zur Verweigerung der Aussage bleiben unberührt.

Sicherungsmaßnahmen

§ 8. (1) Besteht die begründete Gefahr, daß Kulturgut, von dem angenommen wird, daß es unrechtmäßig aus einem Mitgliedstaat verbracht wurde, dem Rückgabeverfahren entzogen wird, so hat die Zentrale Stelle analog den Bestimmungen des § 10 Abs. 1 AusfVKG bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag zu stellen, erforderliche vorläufige Sicherungsmaßnahmen anzuordnen.

(2) Als Partei in diesem Verfahren ist neben der Zentralen Stelle nur jene Person anzusehen, die offenbar Eigentümerin des Kulturgutes ist oder es zu sein behauptet; ist diese Person oder deren Aufenthalt nicht ohne weitere Nachforschungen bekannt, so tritt an ihre Stelle diejenige Person, in deren Gewahrsame sich das Kulturgut befindet.

(3) Gegen Bescheide gemäß Abs. 1 steht den in Abs. 2 genannten Parteien die Berufung an den Landeshauptmann und in weiterer Folge an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegen­heiten offen. Der Berufung kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

Abschnitt II

Geltendmachung von Rückgabeansprüchen, bei denen die Republik Österreich ersuchter Mitgliedstaat ist

Gerichtliches Verfahren

Anträge

§ 9. (1) Der ersuchende Mitgliedstaat kann bei Gericht einen Antrag auf Rückgabe eines in Österreich befindlichen Kulturgutes, das nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates unrechtmäßig verbracht wurde, einbringen. Der Antrag ist gegen denjenigen zu richten, der in Österreich die tatsächliche Sachherrschaft für sich selbst ausübt oder ersatzweise gegen jenen, der die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für andere ausübt.

(2) Dem Antrag auf Rückgabe müssen bei dessen sonstiger Unzulässigkeit folgende Unterlagen angeschlossen werden:

           1. ein Dokument mit der Beschreibung der Sache, die zurückgegeben werden soll,

           2. eine Erklärung des ersuchenden Mitgliedstaates, daß und in welcher Weise es sich bei dieser um ein Kulturgut im Sinne dieses Bundesgesetzes (§ 2 Abs. 1) handelt,

           3. eine Erklärung der zuständigen Stellen des ersuchenden Mitgliedstaates, daß das Kulturgut aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates unrechtmäßig verbracht wurde und worin die Unrechtmäßigkeit besteht.

(3) Das Fehlen einer Unterlage nach Abs. 2 ist ein verbesserungsfähiger Mangel.

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahren

§ 10. (1) Der Antrag auf Rückgabe eines Kulturgutes ist bei dem für bürgerliche Rechtssachen zuständigen Landesgericht einzubringen, in dessen Sprengel der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Das Landesgericht entscheidet im Verfahren außer Streitsachen. Eine Verweisung auf den Rechtsweg ist nicht zulässig. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Protokolle und die Beweise (sowie über den Vergleich) sind anzuwenden.

(2) Das Gericht hat die Zentrale Stelle von der Einbringung eines Antrages auf Rückgabe unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Sobald die Zentrale Stelle von der Zentralen Stelle des ersuchenden Mitgliedstaates oder vom Gericht von der Einbringung eines Antrages auf Rückgabe in Kenntnis gesetzt worden ist, hat erstere davon unverzüglich die Zentralen Stellen der anderen Mitgliedstaaten und den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten in Kenntnis zu setzen.

(4) Der Republik Österreich kommt in allen Verfahren auf Rückgabe eines Kulturgutes Partei­stellung zu.

Erlöschen des Anspruches

§ 11. (1) Der Anspruch des ersuchenden Mitgliedstaates auf Rückgabe des Kulturgutes erlischt ein Jahr nach dem Zeitpunkt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat davon Kenntnis erhalten hat, wo sich das Kulturgut befindet und wer es innehat.

(2) Unabhängig von der Kenntnis des ersuchenden Mitgliedstaates erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates verbracht wurde. Der Rückgabeanspruch erlischt jedoch erst nach 75 Jahren, wenn es sich um ein zu einer öffentlichen Sammlung gehöriges Kulturgut (§ 2 Abs. 1 Z 2 lit. a) oder um ein kirchliches Kulturgut (§ 2 Abs. 2 Z 2 lit. b) handelt und die Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates für solche Kulturgüter besondere Schutzregelungen vorsehen.

(3) Ein Rückgabeanspruch steht dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht zu, wenn

           1. das Kulturgut schon vor dem 1. Jänner 1993 unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde oder

           2. wenn das Verbringen des Kulturgutes aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zum Zeitpunkt der Antragstellung oder der Entscheidung über den Rückgabeantrag nicht mehr unrechtmäßig ist.

Anordnung der Rückgabe des Kulturgutes, Beweislast

§ 12. (1) Das Gericht hat mit Beschluß die Rückgabe des Kulturgutes an den ersuchenden Mitgliedstaat anzuordnen, wenn nachfolgende Voraussetzungen gegeben sind:

           1. es sich um ein in Österreich befindliches Kulturgut handelt, das nach den Gesetzen des ersuchenden Staates von nationaler Bedeutung ist (§ 2 Abs. 1),

           2. dieses Kulturgut nach dem 31. Dezember 1992 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates verbracht wurde und die Unrechtmäßigkeit nicht nachträglich weggefallen ist,

           3. der Antragsgegner die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausübt und

           4. der Rückgabeanspruch nicht bereits erloschen ist.

(2) Der Beweis für die Tatsachen nach Abs. 1 obliegt dem ersuchenden Mitgliedstaat.

Entschädigung

§ 13. (1) Im Beschluß auf Rückgabe des Kulturgutes hat das Gericht auf Antrag den ersuchenden Mitgliedstaat zu verpflichten, dem Eigentümer oder dem Besitzer des Kulturgutes eine unter Berück­sichtigung aller Umstände des Falles angemessene Entschädigung zu leisten, es sei denn, daß der Eigentümer oder Besitzer beim Erwerb des Kulturgutes nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorge­gangen ist.

(2) Hat der Eigentümer oder Besitzer das Kulturgut unentgeltlich erworben, so steht ihm ein Anspruch auf Entschädigung nur insofern zu, als dieser auch seinem unmittelbaren Rechtsvorgänger zugestanden wäre.

Ersatz von Kosten

§ 14. (1) Das Gericht hat den ersuchenden Mitgliedstaat weiters zu verpflichten, die von einem Beteiligten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung aufgewendeten Verfah­renskosten einschließlich der Vertretungskosten zu ersetzen, es sei denn, daß dieser beim Erwerb nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist.

(2) Darüber hinaus hat das Gericht den ersuchenden Mitgliedstaat zu verpflichten, die mit der Rückgabe des Kulturgutes voraussichtlich verbundenen Aufwendungen sowie die mit den notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturgutes verbundenen Kosten (wie etwa Kosten für Sicherungsmaßnahmen gemäß § 8) dem Beteiligten zu ersetzen, der diese Auslagen trägt bzw. getragen hat.

(3) Der ersuchende Mitgliedstaat hat die vom Gericht festgesetzte Entschädigung und die vom Gericht nach Abs. 1 und 2 festgelegten Kosten Zug um Zug gegen die Rückgabe des Kulturgutes zu leisten.

Zusammentreffen von Ansprüchen

§ 15. (1) Ein Herausgabeanspruch des Eigentümers eines gestohlenen Kulturgutes geht dem Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates vor.

(2) Ist ein zivilgerichtliches Verfahren anhängig, das auf Herausgabe des Kulturgutes gerichtet ist, so kann das Verfahren über die Rückgabe des unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes bis zur rechts­kräftigen Entscheidung über das Verfahren auf dessen Herausgabe unterbrochen werden.

(3) Der Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates steht strafrechtlichen Maßnahmen nicht entgegen.

Abschnitt III

Geltendmachung von Rückgabeansprüchen durch die Republik Österreich als ersuchender Mitgliedstaat

Nationales Kulturgut

§ 16. (1) Die Einstufung des Kulturgutes als “nationales Kulturgut” im Sinne des § 2 Abs. 1 erfolgt durch bescheidmäßige Feststellung des “öffentlichen Interesses” an seiner Erhaltung gemäß den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Soweit eine solche Feststellung bescheidmäßig noch nicht getroffen wurde, hat im Falle der beabsichtigten Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen das Bundesdenkmalamt bzw. das Archivamt als Zentrale Stellen sowohl gegenüber der Zentralen Stelle als auch – falls die Angelegenheit bereits gerichtlich anhängig ist – gegenüber dem Gericht des ersuchten Staates festzustellen, daß dieses öffentliche (nationale) Interesse vorliegt. Diese Feststellung hat bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides alle Wirkungen einer Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2 Denkmal­schutzgesetz). Sie ist auch dem Eigentümer sowie jeder weiteren Partei gemäß § 8 AVG, soweit und sobald diese bekannt sind, zuzustellen und gilt dann als ein gemäß § 57 Abs. 2 AVG erlassener Bescheid, mit dem gemäß § 2 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz von amtswegen festgestellt wird, daß ein öffentliches (nationales) Interesse an der Erhaltung tatsächlich gegeben ist.

Begriff der kirchlichen Einrichtungen

§ 17. Als kirchliche Institutionen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b sind die in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften mit ihren Einrichtungen zu verstehen.

Befaßte und zu benachrichtigende Stellen

§ 18. (1) Die außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich verbrachtem Kulturgut durch die Republik Österreich als ersuchendem Mitgliedstaat erfolgt (ausgenommen in den Fällen des § 4 Abs. 3) durch die zuständige Zentrale Stelle. Diese hat die Absicht eines entsprechenden Ersuchens samt Unterlagen zuvor dem Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bzw. dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Weitere Schritte, insbesondere die gerichtliche Geltendmachung, haben – außer bei Gefahr im Verzug – erst nach Zustimmung des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bzw. des Bundeskanzlers zu erfolgen.

(2) In allen Fällen der gerichtlichen Geltendmachung von Rückgabeansprüchen durch die Republik Österreich hat hievon das Bundesdenkmalamt die Zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaates unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen auf Grund dieses Bundesgesetzes hinsichtlich Kulturgut, das vor dem 1. Jänner 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich verbracht wurde, oder die Geltendmachung nach Ablauf der in § 11 Abs. 2 genannten Fristen ist ausgeschlossen.

Ersatz von geleisteter Entschädigung und entstandener Kosten, Aufbewahrung und Anheimfall von rückgeführtem Kulturgut

§ 19. (1) Im Falle der Rückbringung unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes hat der an der widerrechtlichen Ausfuhr Schuldtragende (mehrere Schuldtragende zu ungeteilter Hand) die von der Republik Österreich gemäß gerichtlicher Entscheidung des ersuchten Staates zu entrichtende Entschädigung sowie die der Republik Österreich sonst noch entstandenen Kosten – unabhängig von den Kostenbestimmungen des § 22 – zu erstatten. Für diese Schadenersatz- bzw. Rückgriffsansprüche steht der Rechtsweg offen.

(2) Soweit Gegenstände auf Grund dieses Bundesgesetzes ins Inland zurückgeführt wurden, gelten die Bestimmungen der §§ 10 und 13 AusfVKG über rückgeführtes Kulturgut sinngemäß.

Abschnitt IV


Schlußbestimmungen

Eigentum am zurückgegebenen Kulturgut

§ 20. Der Erwerb oder der Verlust des Eigentums an Kulturgütern ist nach der Rückgabe nach den Sachnormen des ersuchenden Mitgliedstaates zu beurteilen, wenn der Erwerb oder Verlust des Eigentums auf Sachverhalten beruhen, die sich zwischen der unrechtmäßigen Verbringung und der Rückgabe vollendet haben.

Strafbestimmungen

§ 21. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 7 eine Auskunft den zuständigen inländischen Verwaltungsbehörden verweigert oder die gemäß § 8 angeordneten Maßnahmen zu verhindern oder zu vereiteln sucht, ist – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet –, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 100 000 S zu bestrafen.

Abgabenbefreiung, Kostentragung

§ 22. Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes sind von Verwaltungsabgaben befreit. Soweit es sich nicht um Kosten gemäß den §§ 14, 15 oder 20 handelt, sind Kosten im Sinne der §§ 75 ff. AVG stets von Amts wegen zu tragen, es sei denn, sie wurden von Schuldtragenden veranlaßt und die Schuld durch ein strafrechtliches Erkenntnis festgestellt.

Vollziehung

§ 23. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, in Fällen, die Archivalien betreffen, der Bundeskanzler, in den Fällen der §§ 9 bis 15 sowie des § 21 – soweit es die gerichtliche Geltendmachung bzw. gerichtliche Bestrafung betrifft –, der Bundesminister für Justiz betraut. Verordnungen gemäß § 3 sind, soweit sie Archivalien betreffen, vom Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler zu erlassen.