381 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 12. 11. 1996

Regierungsvorlage


Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 378/1996, wird wie folgt geändert:

1. Dem § 2 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Sofern krankenanstaltenrechtliche Organisationsvorschriften keine dauernde Anwesenheit eines Facharztes erfordern, können Turnusärzte, die bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, vorübergehend auch ohne Aufsicht eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes tätig werden.“

2. § 13 Abs. 2 lautet:

„(2) Fachärzte haben ihre fachärztliche Berufstätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken. Dies gilt nicht für

        1.   Tätigkeiten als Arbeitsmediziner im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes,

        2.   Fachärzte, die unter den Voraussetzungen des § 15a in organisierten Notarztdiensten (Notarzt­wagen bzw. Notarzthubschrauber) fächerüberschreitend tätig werden, sowie für

        3.   Fachärzte für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin und Unfallchirurgie, sofern diese auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Organisationsvorschriften im Rahmen sofortiger notfallmedizinischer Versorgung tätig werden und eine Fortbildung gemäß § 15a absolviert haben.“

vorblatt

Problem:

Die im Ärztegesetz 1984 festgelegte Tätigkeit von Turnusärzten ausschließlich unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte führt im Zusammenhalt mit Vorschriften des Krankenanstaltenrechts zum Gebot einer permanenten Facharztpräsenz in Krankenanstalten. Die ist jedoch nicht auf allen Gebieten in gleicher Weise geboten, sodaß entweder die Kosten für den ärztlichen Personalaufwand höher liegen, als dies erforderlich ist, oder die Organisation des ärztlichen Dienstes zwar den sachlichen Anforderungen, nicht aber der Rechtslage entspricht.

Ziel und Inhalt:

Während im Rahmen einer Novelle des Krankenanstaltengesetzes organisationsrechtlich die Grundlage geschaffen wird, daß in Krankenanstalten bestimmter Kategorien nicht uneingeschränkt für sämtliche in Frage kommenden Sonderfächer eine permanente Anwesenheit eines Facharztes gegeben sein muß, ist ärzterechtlich eine Anpassung im Zusammenhang mit der bei der ärztlichen Tätigkeit von Turnusärzten geforderten Aufsicht durch ausbildungsverantwortliche Fachärzte und im Zusammenhang mit der Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit von Fachärzten auf das jeweilige Sonderfach vorzunehmen.

Durch den vorliegenden Entwurf werden diese Änderungen im Ärztegesetz 1984 vorgenommen.

Alternativen:

Beibehaltung des gegenwärtigen Zustands mit den oben dargestellten nachteiligen Konsequenzen.

Kosten:

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf entstehen weder dem Bund noch den sonstigen Gebietskörperschaften Kosten, er führt vielmehr bei allen Trägern von Krankenanstalten zu Einsparungen auf dem Personalsektor.

EU-Konformität:

Gegeben.

Erläuterungen


Allgemeiner Teil

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 KAG und den im wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen in den Landesausführungsgesetzen muß der ärztliche Dienst in den Krankenanstalten so eingerichtet sein, daß ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist. Hinsichtlich der zur Ausübung des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten berechtigten Ärzte verweisen § 7 Abs. 3 KAG und die entsprechende Ausführungsgesetzgebung auf Ärzte, die nach den Bestimmungen des Ärztegesetzes zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind. Sind nun, wie im § 2 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1984 ausdrücklich festgelegt, Turnusärzte bloß zur unselbständigen Ausübung ärztlicher Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte berechtigt, so führen diese Bestimmungen zu dem Ergebnis, daß in Krankenanstalten eine permanente Anwesenheit von zumindest einem Facharzt des jeweiligen Sonderfaches gegeben sein muß und eine „Herbeiholung“ von Fachärzten von auswärts etwa durch Postfunk oder telefonische Erreichbarkeit sowie eine Tätigkeit von Turnusärzten ohne Facharztanwesenheit ausgeschlossen sind.

Diese Auffassung entspricht der Judikatur und findet auch im wesentlichen ihre Deckung in der Literatur (vgl. jüngst Kopetzki, Zur fachärztlichen Versorgung in Krankenanstalten, RdM 1995, 123, mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur). Sie wird bestärkt durch Art. VI Abs. 2 der Ärztegesetz-Novelle BGBl. Nr. 314/1987, der nur als zeitlich befristete Sondervorschrift für (durch ihren Ausbildungsstand bereits besonders) qualifizierte Turnusärzte eine Mitwirkung in organisierten Notarztdiensten vorsah. Diese Bestimmung ist mit Ablauf des 31. Dezember 1993 ersatzlos außer Kraft getreten. Schließlich ist auch auf § 8 Abs. 1 Z 2 KAG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 801/1993 hinzuweisen, wonach die Ausnahme von einer dauernden ärztlichen Anwesenheit nur in solchen selbständigen Abulatorien für physikalische Therapie zum Tragen kommen soll, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden.

Seitens der Spitalserhalter und von Länderseite wird seit Jahren Kritik an dieser Rechtssituation geübt. Dabei wird darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Sonderfächern keine permanente Anwesenheit eines Facharztes während Wochenend- und Feiertagsdiensten oder in den Nachtstunden in einer Krankenanstalt erfordere und daß es vielmehr ausreiche, wenn in einem angemessenen zeitlichen Intervall ein in Rufbereitschaft befindlicher Facharzt in der Krankenanstalt eintrifft. Dies insbesondere auch deshalb, da Notfallpatienten während der ersten Phase der Spitalsversorgung beispielsweise intensivmedizinischer oder chirurgischer bzw. unfallchirurgischer Erstversorgung bedürften, sodaß Fachärzte anderer Sonderfächer auch erst mit geringer zeitlicher Verzögerung von außerhalb der Krankenanstalt herbeigerufen werden könnten, ohne daß dadurch ein Qualitätsverlust in der Versorgung des Patienten eintreten würde. Eine Rechtslage, die ohne Differenzierung zwischen verschiedenen Sonderfächern generell eine Facharztpräsenz in der Krankenanstalt gebietet, führe daher entweder zu höheren Personalkosten, als dies nach sachlichen Gesichtspunkten notwendig wäre, oder zu wiederholten Verstößen gegen die Rechtsordnung.

Dieser Kritik soll im Rahmen einer Novelle des Krankenanstaltengesetzes durch Änderungen der Vorschriften über die Organisation des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten Rechnung getragen werden. So soll in Schwerpunkt- und in Standardkrankenanstalten künftig eine Dauerfacharztpräsenz nur mehr für bestimmte Sonderfächer geboten sein, während auf den davon nicht erfaßten Sonderfächern im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst an die Stelle einer ständigen fachärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt eine Rufbereitschaft treten kann. Diese Änderungen erfordern auch Anpassungen im Rahmen des Ärztegesetzes 1984 sowohl im Zusammenhang mit der Rechtsgrundlage für die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten durch Turnusärzte als auch im Zusammenhang mit der Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit von Fachärzten auf das jeweilige Sonderfach.

Durch diese Änderungen entstehen weder dem Bund noch den übrigen Gebietskörperschaften Kosten. Es werden vielmehr für alle Spitalserhalter Einsparungen auf dem Personalsektor möglich sein. Die vorgeschlagenen Änderungen stehen schließlich auch in keinem Wiederspruch zu Rechtsvorschriften der EU.


Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 2 Abs. 39):

Nach der Neufassung des die Organisation des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten regelnden § 8 Abs. 1 KAG wird für Schwerpunktkrankenanstalten zwingend nur mehr in Abteilungen und Organisationseinheiten für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendheilkunde, Psychiatrie und Unfallchirurgie die dauernde Anwesenheit eines Facharztes des betreffenden Sonderfaches vorgesehen. Im übrigen kann im Nacht- sowie vorübergehend im Wochenend- und Feiertagsdienst von einer ständigen Facharztanwesenheit abgesehen werden, wenn statt dessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist. Für Standardkrankenanstalten sieht die Neufassung des § 8 Abs. 1 KAG vor, daß im Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst lediglich alternativ die dauernde Anwesenheit eines Facharztes aus den Sonderfächern Anästhesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin oder Unfallchirurgie gegeben sein muß.

Die Intensität der vom Ärztegesetz 1984 geforderten Anleitung und Aufsicht über Turnusärzte war schon bisher nach dem Stand der vom Turnusarzt bereits erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten bestimmt (vgl. auch Kopetzki, Turnusärzte und Famulanten, 34 ff.). Entsprechend dem Ausbildungsfortschritt konnten daher schon bisher Turnusärzte ohne unmittelbare Anleitung und Aufsicht eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes tätig sein. Da aber der bisherige Wortlaut des § 2 Abs. 3 Ärztegesetz 1984 eine Tätigkeit von Turnusärzten ohne die Anwesenheit auch nur eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes in der Krankenanstalt ausschließt (arg.: „Aufsicht“), ist die Möglichkeit einer vorübergehenden Tätigkeit von Turnusärzten in Krankenanstalten ohne Präsenz eines für die Ausbildung verantwortlichen Facharztes ausdrücklich für zulässig zu erklären. Dies geschieht durch die vorgeschlagene Ergänzung des § 2 Abs. 3 leg. cit. Um das notwendige Maß der Versorgungsqualität sicherzustellen, muß es sich bei den dafür in Betracht kommenden Turnusärzten freilich um solche handeln, die bereits über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen, was maßgeblich nach dem gegebenen Ausbildungsstand zu beurteilen sein wird (vgl. auch § 8 Ärztegesetz 1984).

Zu Z 2 (§ 13 Abs. 2):

Nach der schon zuvor erwähnten Neuregelung des ärztlichen Dienstes in Standardkrankenanstalten wird künftig im Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst für eine sofortige notfallmedizinische Versorgung nur mehr alternativ die Anwesenheit eines Facharztes für Anäthesiologie und Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin oder Unfallchirurgie geboten sein. Dies bedeutet, daß erste ärztliche Sofortmaßnahmen von dem nach dieser Regelung in der Krankenanstalt anwesenden Facharzt auch außerhalb seines Sonderfaches gesetzt werden müssen. Dem ist durch eine Erweiterung der Ausnahmen vom Gebot des § 13 Abs. 2 Ärztegesetz 1984, wonach Fachärzte ihre fachärztliche Tätigkeit auf ihr Sonderfach zu beschränken haben, Rechnung zu tragen. Eine ähnliche Regelung war bereits bisher für die Tätigkeit von Fachärzten in organisierten Notarztdiensten vorgesehen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden dabei die bisherigen Ausnahmen vom Gebot des § 13 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 in die Ziffern 1 und 2 gegliedert und die notwendige Ergänzung als Ziffer 3 angefügt.