690 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Ausgedruckt am 26. 6. 1997

Regierungsvorlage


Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrecht­mäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft ver­brachten Kulturgütern


Der Nationalrat hat beschlossen:

Geltungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetzes regelt gemäß der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 74, CELEX‑Nr. 393L0007, die Möglichkeit der Rückforderung von Kulturgütern, welche unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft in das Hoheitsgebiet der Republik Österreich oder aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich in das eines anderen Mitgliedstaates direkt oder indirekt verbracht wurden.

Abschnitt I

Allgemeines

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Als „Kulturgut“ im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt ein Gegenstand, der vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 36 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft wegen seines künstlerischen, geschichtlichen, archäologischen oder sonstigen kulturellen Wertes als „nationales Kulturgut“ eingestuft wurde und

           1. unter eine der Kategorien gemäß § 3 fällt oder, wenn dies nicht der Fall ist,

            2. a) zu öffentlichen Sammlungen gehört, die im Bestandsverzeichnis von Museen, von Archiven oder von erhaltungswürdigen Beständen von Bibliotheken aufgeführt sind; als „öffentliche Sammlungen“ gelten diejenigen Sammlungen, die im Eigentum eines Mitglied­staates, einer lokalen oder einer regionalen Behörde oder Körperschaft innerhalb eines Mitgliedstaates oder einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gelegenen Einrichtung stehen, die nach der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaates als öffentlich gilt, wobei dieser Mitglied­staat oder eine lokale oder regionale Behörde oder Körperschaft entweder Eigentümer dieser Einrichtung ist oder sie zu einem beträchtlichen Teil finanziert;

               b) im Bestandsverzeichnis kirchlicher Einrichtungen aufgeführt ist.

(2) Als „unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht“ gilt

           1. jede Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates entgegen dessen Rechts­vorschriften für den Schutz nationaler Kulturgüter oder entgegen der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 295, CELEX‑Nr. 392R3911, sowie

  2. jede nicht erfolgte Rückkehr nach Ablauf der Frist für eine vorübergehende rechtmäßige Verbringung oder jeder Verstoß gegen eine andere Bedingung für diese vorübergehende Verbringung.

(3) „Ersuchender Mitgliedstaat“ ist jener Mitgliedstaat, aus dessen Hoheitsgebiet das Kulturgut unrechtmäßig verbracht wurde.

(4) „Ersuchter Mitgliedstaat“ ist jener Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Kulturgut befindet, das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verbracht wurde.

(5) „Rückgabe“ ist die materielle Rückkehr des Kulturgutes in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates.

(6) „Zentrale Stellen“ sind jene Einrichtungen, die im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates die Aufgaben im Zusammenhang mit der Verfolgung und Sicherung von Ansprüchen grundsätzlich wahrzunehmen haben.

Kategorien von Kulturgut

§ 3. Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt die in § 2 Abs. 1 erwähnten Kategorien von Kulturgut durch Verordnung fest.

Zentrale Stellen

§ 4. (1) Zentrale Stellen sind in Österreich

           1. das Bundesdenkmalamt,

           2. in Fällen, die Archivalien betreffen, das Archivamt (§ 5).

(2) Die Zentralen Stellen haben

           1. auf schriftliches Ersuchen eines Mitgliedstaates Nachforschungen nach einem unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbrachten Kulturgut sowie seinem Besitzer und Inhaber vorzunehmen, wenn dem Ersuchen die erforderlichen Angaben zur Durchführung der Nachforschungen, insbesondere Angaben über den Ort, an dem sich das Kulturgut befinden soll, beigefügt sind;

           2. einem Mitgliedstaat die Auffindung eines Kulturgutes im Hoheitsgebiet der Republik Österreich mitzuteilen, wenn begründeter Anlaß zur Vermutung besteht, daß das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates verbracht wurde;

           3. den zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaates nach den vorhandenen Möglich­keiten die Überprüfung zu erleichtern, ob der aufgefundene Gegenstand ein Kulturgut darstellt, sofern die Überprüfung innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung gemäß Z 2 erfolgt;

           4. zur Sicherung von Kulturgut nach Maßgabe des § 8 beizutragen, wenn die Überprüfung nach Z 3 innerhalb der dort festgelegten Frist erfolgt;

           5. die Rolle eines Vermittlers zur Erzielung einer gütlichen Einigung zwischen dem Eigentümer, Besitzer oder Inhaber und dem ersuchenden Mitgliedstaat in der Frage der Rückgabe wahr­zunehmen;

           6. Meldungen an die Zentralen Stellen der Mitgliedstaaten (§ 10 Abs. 3) vorzunehmen;

           7. Forderungen der Republik Österreich auf Rückgabe von unrechtmäßig verbrachtem Kulturgut sowie auf Ersatz geleisteter Entschädigung und entstandener Kosten (§ 20) geltend zu machen;

           8. die öffentlichen Interessen der Republik Österreich

                a) am Verbleib von Kulturgut im Hoheitsgebiet der Republik Österreich oder

               b) an der Rückbringung von Kulturgut in das Hoheitsgebiet der Republik Österreich

               zu vertreten.

(3) Abweichend von der Bestimmung des Abs. 2 Z 8 wird das öffentliche Interesse am Verbleib oder an der Rückbringung von Kulturgut, welches Eigentum der Republik Österreich ist, vom Bundes­minister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (bei Archivalien: vom Bundeskanzler) wahrge­nommen.

Archivalien

§ 5. (1) Auch in allen anderen Fällen als denen des § 4 treten, soweit sie Archivalien betreffen, an die Stelle des Bundesdenkmalamtes das Archivamt, an die Stelle des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Bundeskanzler.

(2) Was unter Archivalien zu verstehen ist, ist auf Grund der Verordnung betreffend den Schutz der Schriftdenkmale, BGBl. Nr. 56/1931, zu beurteilen.

Mitwirkung anderer Stellen

§ 6. (1) Die „Zentralen Stellen“ (§ 4 Abs. 1) sowie die sonstigen mit der Durchführung dieses Gesetzes befaßten Bundesdienststellen können die rechtliche Beratung und Vertretung der Finanzprokuratur nach Maßgabe des Prokuraturgesetzes, StGBl. Nr. 172/1945, in Anspruch nehmen.

(2) Die Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches den „Zentralen Stellen“ zur Hilfeleistung verpflichtet.

Auskunftspflicht

§ 7. Jedermann ist verpflichtet, für Zwecke der Vorbereitung oder Durchführung von Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes alle damit im Zusammenhang stehenden Auskünfte den zuständigen inländischen Behörden und Gerichten zu erteilen und ihren Organen (einschließlich Hilfspersonen) die Besichtigung und wissenschaftliche Untersuchung der (vermutlich) widerrechtlich ausgeführten Kultur­güter sowie allfällig anderer, mit diesen im Zusammenhang stehenden oder vergleichsweise zu untersuchenden Gegenstände zu gestatten. Gesetzliche Pflichten zur Verschwiegenheit und gesetzlich eingeräumte Rechte zur Verweigerung der Aussage bleiben unberührt.

Sicherungsmaßnahmen

§ 8. (1) Besteht die begründete Gefahr, daß Kulturgut, von dem angenommen wird, daß es unrechtmäßig aus einem Mitgliedstaat verbracht wurde, dem Rückgabeverfahren entzogen wird, so hat die Zentrale Stelle analog den Bestimmungen des § 10 Abs. 1 AusfVKG bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag zu stellen, erforderliche vorläufige Sicherungsmaßnahmen anzuordnen.

(2) Als Partei in diesem Verfahren ist neben der Zentralen Stelle nur jene Person anzusehen, die offenbar Eigentümerin des Kulturgutes ist oder es zu sein behauptet; ist diese Person oder deren Aufenthalt nicht ohne weitere Nachforschungen bekannt, so tritt an ihre Stelle diejenige Person, in deren Gewahrsame sich das Kulturgut befindet.

(3) Gegen Bescheide gemäß Abs. 1 steht den in Abs. 2 genannten Parteien die Berufung an den Landeshauptmann und in weiterer Folge an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegen­heiten offen. Der Berufung kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

2

Abschnitt II

Geltendmachung von Rückgabeansprüchen, bei denen die Republik Österreich ersuchter Mitgliedstaat ist

Gerichtliches Verfahren

Anträge

§ 9. (1) Der ersuchende Mitgliedstaat kann bei Gericht einen Antrag auf Rückgabe eines in Österreich befindlichen Kulturgutes, das nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates unrechtmäßig verbracht wurde, einbringen. Der Antrag ist gegen denjenigen zu richten, der in Österreich die tatsächliche Sachherrschaft für sich selbst ausübt oder ersatzweise gegen jenen, der die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für andere ausübt.

(2) Dem Antrag auf Rückgabe müssen bei dessen sonstiger Unzulässigkeit folgende Unterlagen angeschlossen werden:

           1. ein Dokument mit der Beschreibung der Sache, die zurückgegeben werden soll,

           2. eine Erklärung des ersuchenden Mitgliedstaates, daß und in welcher Weise es sich bei dieser um ein Kulturgut im Sinne dieses Bundesgesetzes (§ 2 Abs. 1) handelt,

           3. eine Erklärung der zuständigen Stellen des ersuchenden Mitgliedstaates, daß das Kulturgut aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates unrechtmäßig verbracht wurde und worin die Unrechtmäßigkeit besteht.

(3) Das Fehlen einer Unterlage nach Abs. 2 ist ein verbesserungsfähiger Mangel.

Gerichtliche Zuständigkeit und Verfahren

§ 10. (1) Der Antrag auf Rückgabe eines Kulturgutes ist bei dem für bürgerliche Rechtssachen zuständigen Landesgericht einzubringen, in dessen Sprengel der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Das Landesgericht entscheidet im Verfahren außer Streitsachen. Eine Verweisung auf den Rechtsweg ist nicht zulässig. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Protokolle und die Beweise (sowie über den Vergleich) sind anzuwenden.

(2) Das Gericht hat die Zentrale Stelle von der Einbringung eines Antrages auf Rückgabe unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Sobald die Zentrale Stelle von der Zentralen Stelle des ersuchenden Mitgliedstaates oder vom Gericht von der Einbringung eines Antrages auf Rückgabe in Kenntnis gesetzt worden ist, hat erstere davon unverzüglich die Zentralen Stellen der anderen Mitgliedstaaten und den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten in Kenntnis zu setzen.

(4) Der Republik Österreich kommt in allen Verfahren auf Rückgabe eines Kulturgutes Partei­stellung zu.

Erlöschen des Anspruches

§ 11. (1) Der Anspruch des ersuchenden Mitgliedstaates auf Rückgabe des Kulturgutes erlischt ein Jahr nach dem Zeitpunkt, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat davon Kenntnis erhalten hat, wo sich das Kulturgut befindet und wer es innehat.

(2) Unabhängig von der Kenntnis des ersuchenden Mitgliedstaates erlischt der Rückgabeanspruch 30 Jahre nach dem Zeitpunkt, zu dem das Kulturgut unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates verbracht wurde. Der Rückgabeanspruch erlischt jedoch erst nach 75 Jahren, wenn es sich um ein zu einer öffentlichen Sammlung gehöriges Kulturgut (§ 2 Abs. 1 Z 2 lit. a) oder um ein kirchliches Kulturgut (§ 2 Abs. 2 Z 2 lit. b) handelt und die Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaates für solche Kulturgüter besondere Schutzregelungen vorsehen.

(3) Ein Rückgabeanspruch steht dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht zu, wenn

           1. das Kulturgut schon vor dem 1. Jänner 1993 unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbracht wurde oder

           2. wenn das Verbringen des Kulturgutes aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zum Zeitpunkt der Antragstellung oder der Entscheidung über den Rückgabeantrag nicht mehr unrechtmäßig ist.

Anordnung der Rückgabe des Kulturgutes, Beweislast

§ 12. (1) Das Gericht hat mit Beschluß die Rückgabe des Kulturgutes an den ersuchenden Mitgliedstaat anzuordnen, wenn nachfolgende Voraussetzungen gegeben sind:

           1. es sich um ein in Österreich befindliches Kulturgut handelt, das nach den Gesetzen des ersuchenden Staates von nationaler Bedeutung ist (§ 2 Abs. 1),

           2. dieses Kulturgut nach dem 31. Dezember 1992 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates verbracht wurde und die Unrechtmäßigkeit nicht nachträglich weggefallen ist,

           3. der Antragsgegener die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausübt und

           4. der Rückgabeanspruch nicht bereits erloschen ist.

(2) Der Beweis für die Tatsachen nach Abs. 1 obliegt dem ersuchenden Mitgliedstaat.

Entschädigung

§ 13. (1) Im Beschluß auf Rückgabe des Kulturgutes hat das Gericht auf Antrag den ersuchenden Mitgliedstaat zu verpflichten, dem Eigentümer oder dem Besitzer des Kulturgutes eine unter Berück­sichtigung aller Umstände des Falles angemessene Entschädigung zu leisten, es sei denn, daß der Eigentümer oder Besitzer beim Erwerb des Kulturgutes nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorge­gangen ist.

(2) Hat der Eigentümer oder Besitzer das Kulturgut unentgeltlich erworben, so steht ihm ein Anspruch auf Entschädigung nur insofern zu, als dieser auch seinem unmittelbaren Rechtsvorgänger zugestanden wäre.

Ersatz von Kosten

§ 14. (1) Das Gericht hat den ersuchenden Mitgliedstaat weiters zu verpflichten, die von einem Beteiligten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung aufgewendeten Verfah­renskosten einschließlich der Vertretungskosten zu ersetzen, es sei denn, daß dieser beim Erwerb nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist.

(2) Darüber hinaus hat das Gericht den ersuchenden Mitgliedstaat zu verpflichten, die mit der Rückgabe des Kulturgutes voraussichtlich verbundenen Aufwendungen sowie die mit den notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturgutes verbundenen Kosten (wie etwa Kosten für Sicherungsmaßnahmen gemäß § 8) dem Beteiligten zu ersetzen, der diese Auslagen trägt bzw. getragen hat.

(3) Der ersuchende Mitgliedstaat hat die vom Gericht festgesetzte Entschädigung und die vom Gericht nach Abs. 1 und 2 festgelegten Kosten Zug um Zug gegen die Rückgabe des Kulturgutes zu leisten.

Zusammentreffen von Ansprüchen

§ 15. (1) Ein Herausgabeanspruch des Eigentümers eines gestohlenen Kulturgutes geht dem Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates vor.

(2) Ist ein zivilgerichtliches Verfahren anhängig, das auf Herausgabe des Kulturgutes gerichtet ist, so kann das Verfahren über die Rückgabe des unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes bis zur rechts­kräftigen Entscheidung über das Verfahren auf dessen Herausgabe unterbrochen werden.

(3) Der Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates steht strafrechtlichen Maßnahmen nicht entgegen.

Abschnitt III

Geltendmachung von Rückgabeansprüchen durch die Republik Österreich als ersuchender Mitgliedstaat

Nationales Kulturgut

§ 16. (1) Die Einstufung des Kulturgutes als „nationales Kulturgut“ im Sinne des § 2 Abs. 1 erfolgt durch bescheidmäßige Feststellung des „öffentlichen Interesses“ an seiner Erhaltung gemäß den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/1923, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Soweit eine solche Feststellung bescheidmäßig noch nicht getroffen wurde, hat im Falle der beabsichtigten Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen das Bundesdenkmalamt bzw. das Archivamt als Zentrale Stellen sowohl gegenüber der Zentralen Stelle als auch – falls die Angelegenheit bereits gerichtlich anhängig ist – gegenüber dem Gericht des ersuchten Staates festzustellen, daß dieses öffentliche (nationale) Interesse vorliegt. Diese Feststellung hat bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Bescheides alle Wirkungen einer Unterschutzstellung kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2 Denkmal­schutzgesetz). Sie ist auch dem Eigentümer sowie jeder weiteren Partei gemäß § 8 AVG, soweit und sobald diese bekannt sind, zuzustellen und gilt dann als ein gemäß § 57 Abs. 2 AVG erlassener Bescheid, mit dem gemäß § 2 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz von amtswegen festgestellt wird, daß ein öffentliches (nationales) Interesse an der Erhaltung tatsächlich gegeben ist.

Feststellung der geschützten öffentlichen Sammlungen und kirchlichen Einrichtungen

§ 17. (1) Der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten erstellt im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler mit Verordnung das Verzeichnis der gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 lit. a besonders geschützten öffentlichen Sammlungen (einschließlich der Archive). Die Feststellung erfolgt nach Anhörung eines Vorschlages des Bundesdenkmalamtes, soweit es Archive betrifft, des Archiv­amtes.

(2) Als kirchliche Institutionen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b sind die in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften mit ihren Einrichtungen zu verstehen.

Befaßte und zu benachrichtigende Stellen

§ 18. (1) Die außergerichtliche oder gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich verbrachtem Kulturgut durch die Republik Österreich als ersuchendem Mitgliedstaat erfolgt (ausgenommen in den Fällen des § 4 Abs. 3) durch die zuständige Zentrale Stelle. Diese hat die Absicht eines entsprechenden Ersuchens samt Unterlagen zuvor dem Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bzw. dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Weitere Schritte, insbesondere die gerichtliche Geltendmachung, haben – außer bei Gefahr im Verzug – erst nach Zustimmung des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten bzw. des Bundeskanzlers zu erfolgen.

(2) In allen Fällen der gerichtlichen Geltendmachung von Rückgabeansprüchen durch die Republik Österreich hat hievon das Bundesdenkmalamt die Zentrale Stelle des ersuchten Mitgliedstaates unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(3) Die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen auf Grund dieses Bundesgesetzes hinsichtlich Kulturgut, das vor dem 1. Jänner 1993 unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet der Republik Österreich verbracht wurde, oder die Geltendmachung nach Ablauf der in § 11 Abs. 2 genannten Fristen ist ausgeschlossen.

Ersatz von geleisteter Entschädigung und entstandener Kosten, Aufbewahrung und Anheimfall von rückgeführtem Kulturgut

§ 19. (1) Im Falle der Rückbringung unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes hat der an der widerrechtlichen Ausfuhr Schuldtragende (mehrere Schuldtragende zu ungeteilter Hand) die von der Republik Österreich gemäß gerichtlicher Entscheidung des ersuchten Staates zu entrichtende Entschädigung sowie die der Republik Österreich sonst noch entstandenen Kosten – unabhängig von den Kostenbestimmungen des § 22 – zu erstatten. Für diese Schadenersatz- bzw. Rückgriffsansprüche steht der Rechtsweg offen.

(2) Soweit Gegenstände auf Grund dieses Bundesgesetzes ins Inland zurückgeführt wurden, gelten die Bestimmungen der §§ 10 und 13 AusfVKG über rückgeführtes Kulturgut sinngemäß.

Abschnitt IV


Schlußbestimmungen

Eigentum am zurückgegebenen Kulturgut

§ 20. Der Erwerb oder der Verlust des Eigentums an Kulturgütern ist nach der Rückgabe nach den Sachnormen des ersuchenden Mitgliedstaates zu beurteilen, wenn der Erwerb oder Verlust des Eigentums auf Sachverhalten beruhen, die sich zwischen der unrechtmäßigen Verbringung und der Rückgabe vollendet haben.

Strafbestimmungen

§ 21. Wer vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 7 eine Auskunft den zuständigen inländischen Verwaltungsbehörden verweigert oder die gemäß § 8 angeordneten Maßnahmen zu verhindern oder zu vereiteln sucht, ist – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet –, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 100 000 S zu bestrafen.

Abgabenbefreiung, Kostentragung

§ 22. Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes sind von Verwaltungsabgaben befreit. Soweit es sich nicht um Kosten gemäß den §§ 14, 15 oder 20 handelt, sind Kosten im Sinne der §§ 75 ff. AVG stets von Amts wegen zu tragen, es sei denn, sie wurden von Schuldtragenden veranlaßt und die Schuld durch ein strafrechtliches Erkenntnis festgestellt.

Vollziehung

§ 23. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, in Fällen, die Archivalien betreffen, der Bundeskanzler, in den Fällen der §§ 9 bis 15 sowie des § 21 – soweit es die gerichtliche Geltendmachung bzw. gerichtliche Bestrafung betrifft –, der Bundesminister für Justiz betraut. Verordnungen gemäß § 3 und gemäß § 17 sind, soweit sie Archivalien betreffen, vom Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler zu erlassen.

Vorblatt

Problem und Inhalt:

Mit der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern wurden Bestimmungen geschaffen, die es den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ermöglichen, Kulturgüter, die auf Grund der jeweiligen nationalen Gesetze widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurden und die der geschädigte Staat vor oder nach der Verbringung als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ eingestuft hat, von jedem Mitgliedstaat, in den es verbracht wurde, zurückzufordern („ersuchender Mitgliedstaat“ bzw. „ersuchter Mitgliedstaat“). Es kommt nur solches nationales Kulturgut in Frage, welches unter eine der im Anhang der Richtlinie aufgezählten umfassenden Kategorien subsumiert werden kann.

Der ersuchende Mitgliedstaat kann auf Rückgabe klagen. Eine Entschädigung hat er nur soweit zu zahlen, als der neue Eigentümer oder Besitzer ausreichend Sorgfalt beim Erwerb angewandt hat.

Der ersuchte Mitgliedstaat ist zur Mithilfe bei der Suche, Sicherung und Rückgabe des Kulturgutes verpflichtet.

Die Richtlinie birgt Probleme vor allem für das österreichische Zivilrecht.

Durch den Beitritt Österreichs zur EU wurde Österreich verpflichtet, diese Richtlinie durch den Einbau in die österreichische Rechtsordnung umzusetzen, was mit dem als Entwurf vorliegenden Gesetz erfolgen soll.

Das Bundesdenkmalamt, sowie bei Archivalien das Archivamt, sollen künftig die in der Richtlinie vorgesehenen „Zentralen Stellen“ zur Abwicklung der Anmeldungen und vor allem auch der Hilfe­stellung bei der Suche und Sicherung der Kulturgüter sein. Sie sind zugleich jene Einrichtungen, die für die Wahrnehmung der österreichischen Interessen an der Rückgabe unrechtmäßig ausgeführten Kultur­gutes von öffentlichem (nationalem) Interesse zu sorgen haben.

Über den Rückgabeanspruch ersuchender Mitgliedstaaten soll im Außerstreitverfahren abgesprochen werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Das Bundesdenkmalamt und das Archivamt sind sowohl in rechtlicher als auch in fachlicher Hinsicht bei Forderungen an Österreich wie auch bei Forderungen durch Österreich involviert. Der genaue Umfang kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, da entsprechende Erfahrungswerte fehlen.

Es muß aber auf jeden Fall mit zusätzlichen Aufwandskrediten von etwa einer Million Schilling gerechnet werden (Anschaffung von Katalogen und Fachliteratur aus dem gesamten EU-Raum, Dienst­reisen für gutächtliche Besichtigungen, Abschluß von Werkverträgen usw.)

Erläuterungen

Allgemeines


Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft wird die Ausfuhr von Kulturgütern im wesentlichen durch zwei Verordnungen und eine Richtlinie geregelt und zwar:

           1. Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 395, CELEX-Nr. 392R3911, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2469/96 des Rates vom 16. Dezember 1996 zur Änderung des Anhanges dieser Verordnung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 335, CELEX-Nr. 396R2469;

           2. Verordnung (EWG) Nr. 752/93 der Kommission vom 30. März 1993 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 77, CELEX-Nr. 393R0752;

           3. Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 74, CELEX-Nr. 393L0007 (siehe Beilage).

Die zu 1. bis 3. aufgezählten Rechtsvorschriften lassen sich wie folgt darstellen:

Zu 1.:

Die Ausfuhren von Kulturgütern über die Zollgrenze der Gemeinschaft hinaus bedürfen gemäß der Verordnung Nr. 3911/92 generell einer Ausfuhrgenehmigung. Als Kulturgut im Sinne dieser Verordnung gelten gemäß Art. 1 ausschließlich die im Anhang zu dieser Verordnung aufgeführten Güter. Dieser Anhang stellt eine Liste von „Kategorien von Kulturgütern“ dar, aufgelistet nach Art, Alter, Herkunft, Handelswert usw., manche dieser Kategorien gelten auch ohne Handelswert (also ohne Untergrenze).

Diese Ausfuhrgenehmigung hat (in der Regel) die zuständige Behörde jenes Mitgliedstaates auszustellen, in dessen Hoheitsgebiet sich das betreffende Kulturgut am 1. Jänner 1993 rechtmäßig und endgültig befunden hat oder – nach diesem Datum – in dessen Hoheitsgebiet es sich nach rechtmäßiger und endgültiger Verbringung aus einem anderen Mitgliedstaat oder nach der Einfuhr aus einem Drittland oder der Wiedereinfuhr aus einem Drittland nach rechtmäßiger Verbringung aus einem Mitgliedstaat in dieses Land befindet. Die Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung gilt nicht nur für die endgültige sondern auch für die vorübergehende Ausfuhr eines Kulturgutes.

Die „zuständige Behörde“ ist in Österreich das Bundesdenkmalamt, für Archivalien das Archivamt (was Archivalien sind, richtet sich nach der Verordnung betreffend den Schutz der Schriftdenkmale, BGBl. Nr. 56/1931.) Diese Behörden wurden auch als für diese Funktion zuständig der entsprechenden Generaldirektion der Europäischen Kommission gemeldet.

Art. 2 Abs. 2 vierter Unterabsatz bestimmt:

„Die Ausfuhrgenehmigung kann im Hinblick auf die Ziele dieser Verordnung dann verweigert werden, wenn die betreffenden Kulturgüter unter eine Rechtsvorschrift zum Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert in dem betreffenden Mitgliedstaat fallen.“

Neben der Frage, was nationales Kulturgut im Sinne dieser Verordnung (sowie auch im Sinne der zu 3. genannten Richtlinie) ist – hiezu werden zu 3. noch entsprechende umfangreichere Ausführungen erfolgen – stellt sich daher das Problem, unter welchen Voraussetzungen ein Mitgliedstaat, der auf Grund dieser Verordnung für die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung zuständig ist, diese Ausfuhrgenehmigung verweigern kann bzw. sogar verweigern soll.

Es kann sicherlich nicht Absicht der Verordnung sein, es einfach formellen Umständen zu überlassen, ob sich das betreffende Kulturgut gerade in einem Land befindet, auf Grund dessen Gesetzgebung es als nationales Kulturgut nicht zur Ausfuhr freigegeben wird oder aber in einem Land, für das es im Grunde genommen bedeutungslos ist. Diese Frage erhält besondere Brisanz dann, wenn es sich in einem Mitgliedstaat befindet, für das es praktisch wertlos ist, wohingegen das selbe Kulturgut für einen anderen Mitgliedstaat von außerordentlichem nationalem Interesse wäre. Es kann nicht Sinn und Zweck dieser Bestimmung sein, die Dimension der Bedeutung für die Europäische Gemeinschaft als Ganzes gesehen zu ignorieren, vielmehr ist wohl Sinn und Zweck dieser Bestimmung, daß hier (wieder einmal) lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, daß keine willkürlichen Handelsbeschränkungen unter dem Vorwand, es handle sich um ein wichtiges Kulturgut, verhängt werden sollen. Nachfolgende Überlegung läßt dies als einzig mögliche vertragsgemäße Auslegung erscheinen:

Es muß bedacht werden, daß Art. 36 des EG-Vertrages (also des „Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“) festlegt, daß die Bestimmungen der Art. 30 bis 34, die die Beseitigung
von Handelsbeschränkungen zum Inhalt haben, Einfuhr- Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder
-beschränkungen nicht entgegenstehen, „die aus Gründen des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind.“

Wenn weiters Art. 128 Abs. 2 des EG-Vertrages festlegt, daß die Gemeinschaft durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten unterstützt und ergänzt und dies unter anderem auf dem Gebiet der „Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung“, dann ergibt sich aus der Zusammenschau dieser beiden Artikel, daß der für die Ausfuhrgenehmigung über die Zollgrenzen der EU hinaus zuständige Staat sowohl die gesamteuropäischen Interessen an der Erhaltung des Kulturgutes berücksichtigen muß, als auch die nationalen Interessen berücksichtigen darf.

(Zur Frage der Berücksichtigung der europäischen Dimension bei Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung siehe auch Helfgott „Österreich vor und nach dem EU-Beitritt“, Referat gehalten vor dem Österreichi­schen Museumstag 1995, abgedruckt in „Neues Museum“ Heft Nr. 3/1995, ISSN 1015-6720. Diese europäische Dimension ist auch dem weiter unten auszugsweise wiedergegebenen „Ersten Bericht“ der Europäischen Kommission „über die Berücksichtigung der kulturellen Aspekte in der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft“ zu entnehmen.)

Um die Dimension und Zielrichtung aber auch Auswirkung dieser Verordnung im gesamten rechtlichen Gefüge der Vorschriften und Möglichkeiten des Ausfuhrverbots für Kulturgut zu erkennen, dürfen nachfolgende Umstände nicht übersehen werden:

           a) Wie im letzten Absatz der Einleitung zu dieser Verordnung festgestellt wird, sollen mit dem Anhang zu dieser Verordnung jene „Kategorien von Kulturgütern eindeutig festgelegt werden, die im Handel mit Drittländern eines besonderen Schutzes bedürfen, den Mitgliedstaaten bleibt es (jedoch) unbenommen, festzulegen, welche Gegenstände als nationales Kulturgut im Sinne des Artikels 36 des Vertrages einzustufen sind“.

          b) Art. 1 der Verordnung führt ebenfalls aus, daß die Festlegung, was Kulturgüter im Sinne dieser Verordnung (bzw. des Anhanges hiezu) sind „unbeschadet der Befugnisse des Mitgliedstaats nach Art. 36 des Vertrages“ erfolgt.

           c) Weiters wird im vierten Absatz des Artikels 2 der Verordnung festgelegt, daß „unbeschadet dieses Artikels ..... die direkte Ausfuhr von nationalem Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert, das kein Kulturgut im Sinne dieser Verordnung ist, aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Ausfuhr­mitgliedstaats“ unterliegt.

Zurückkommend auf die gegenständliche Verordnung Nr. 3911/92 über die Ausfuhr von Kulturgütern ergibt sich nunmehr nachfolgende Gesamtsituation:

           a) Kulturgut, das dem Anhang der Verordnung subsumiert werden kann, bedarf einer Ausfuhr­bewilligung auf Grund dieser Verordnung vom gemäß Art. 2 zuständigen Mitgliedstaat.

          b) Dieser Staat bestimmt wohl primär, ob es sich um „nationales Kulturgut“ bezogen auf den die Ausfuhrbewilligung gestattenden Mitgliedstaat handelt, darüber hinaus jedoch als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft überdies, ob er es verantworten kann, daß das Kulturgut, das zugleich Teil des Europäischen Kulturguts ist, das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft verläßt. Der die Ausfuhrgenehmigung erteilende Staat trägt daher Mitverantwortung für die Erhaltung des Kulturguts auch aus der Sicht der gesamten Europäischen Gemeinschaft.

           c) Grundsätzlich bleiben jedem Mitgliedstaat alle innerstaatlichen Rechtsvorschriften offen, um sein eigenes nationales Kulturgut vor der Ausfuhr über das Zollgebiet der Europäischen Union aber auch vor der Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu schützen, lediglich mit der einzigen Einschränkung, es darf sich nicht um eine verschleierte bloße Handelsbeschränkung handeln.

          d) Jeder Mitgliedstaat kann auf Grund seiner innerstaatlichen Gesetzgebung nationales Kulturgut – unabhängig davon, ob es unter den Anhang zur vorliegenden Verordnung fallen würde oder nicht – sperren. Hilfestellung bei der Verhinderung der Ausfuhr von Kulturgut über die Zollgrenzen der Europäischen Gemeinschaft hinaus erhält er jedoch nur für jenes Kulturgut, das unter eine Kategorie des Anhanges subsumiert werden kann.

Zu 2.:

Bei der Verordnung (EWG) Nr. 752/93 vom 30. März 1993 handelt es sich um eine Verordnung, die in ziemlich detaillierter Form die praktische Vorgangsweise bei der Erteilung – oder Ablehnung – der Ausfuhrgenehmigungen gemäß der zu 1. behandelten Verordnung regelt.

Genau geregelt wird Art und Form des Vordruckes (bis hin zur genauen Regelung der Papier­beschaffenheit), die Notwendigkeit der Anbringung von Fotos, die Möglichkeiten des Verlangens der persönlichen unmittelbaren Vorlage des Kulturgutes bei der zuständigen Behörde, Gültigkeitsdauer der Genehmigungen, Regelungen der Genehmigungen für eine nur vorübergehende Ausfuhr usw.

Die Bestimmungen sind den einschlägigen österreichischen Vorschriften (Verordnung des Bundes­ministers für Wissenschaft und Forschung vom 13. Juni 1986 betreffend nähere Bestimmungen über das Verfahren bei der Ausfuhr von Kulturgut, BGBl. Nr. 324/1986) nicht unähnlich, in einer Reihe von Bestimmungen jedoch noch wesentlich strenger (etwa bei der Notwendigkeit von Angaben über die Herkunft, Beibringung einer Fotografie usw.).

Die zu 1. und 2. genannten Verordnungen sind – als EU-Verordnungen – in Österreich geltendes Recht.

Zu 3.:

Die Richtlinie 93/7/EWG vom 15. März 1993 regelt schließlich die „Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern“, also die Rückgabe von Kulturgütern, die widerrechtlich (entgegen den jeweiligen nationalen Gesetzen) aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verbracht wurden.

Als Richtlinie bedarf sie der rechtlichen Umsetzung in Österreich. Österreich ist zu dieser Umsetzung verpflichtet.

Der Umfang der erfaßten Kulturgüter wurde bewußt der Verordnung Nr. 3911/92 angeglichen, indem wie bei dieser Verordnung der Umfang der erfaßten Kulturgüter in einem „Anhang“ aufgezählt wird, der jene „Kategorien“ enthält, denen ein „Kulturgut im Sinne von Art. 36 des Vertrages ..... für eine Rückgabe gemäß dieser Richtlinie angehören“ muß. Die Kategorien in den Anhängen zur Verordnung 3911/92 und zur Richtlinie 93/7 sind absolut ident.

Erfaßt von der Rückgabeverpflichtung bzw. Rückholmöglichkeit wurde vorliegend jedoch nicht nur jenes Kulturgut, das diesen Kategorien zugeordnet werden kann, sondern überdies alle sonstigen Gegenstände von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert, soferne sie zu öffentlichen Sammlungen (Museen, Archive, Bibliotheken) oder zu Beständen kirchlicher Einrichtungen gehören. Voraussetzung für die Rückforderungsmöglichkeit (Rückgabeverpflichtung) ist es, daß der „ersuchende Mitgliedstaat“ das auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung widerrechtlich ausgeführte Kulturgut vor oder nach der Verbringung zum „nationalen Kulturgut“ erklärt hat bzw. erklärt (Art. 1 Z 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie).

Die ursprüngliche Absicht, die Rückgabeverpflichtung bzw. Rückholmöglichkeit auf einen wesentlich kleineren (für den betroffenen Staat extrem wichtigen, hochrangigen) Kreis einzuschränken, fand nicht die erforderliche Zustimmung der Mitgliedstaaten. (Im übrigen sei auf die Ausführungen in der Einleitung der gegenständlichen Richtlinie verwiesen.)

Der Umfang des Begriffes „nationales Kulturgut“ ist nicht genau definiert. Entgegen der Absicht einzelner Mitgliedstaaten wurde er nicht nur auf wenige hervorragende Kulturgüter jedes Mitgliedstaates beschränkt. Dies ergibt sich schon aus den doch sehr umfangreichen Anhängen zur Verordnung 3911/92 bzw. zur Richtlinie 93/7, sowie den Umstand, daß Verordnung und Richtlinie die Möglichkeit eines darüber hinausgehenden Kulturgüterbestandes durchaus anerkennen, wenn auch nicht mehr der Verordnung bzw. der Richtlinie unterwerfend.

Der erste von der Europäischen Kommission mit Datum vom 17. April 1996 (mit der Dok. Zl. KOM(96)160 endg.) vorgelegte „Bericht über die Berücksichtigung der kulturellen Aspekte in der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft“ beschäftigt sich in seinem I. Abschnitt mit dem Thema „Kultur und Binnenmarkt im Gemeinschaftsrecht“ und hier in Kapitel V mit dem Thema „Kulturgüter und das Prinzip des freien Verkehrs“. Daraus sei nachfolgendes wiedergegeben:

„Das Prinzip des freien Verkehrs der Kulturgüter muß ..... mit dem legitimen Anliegen des Schutzes des kulturellen Erbes unserer Länder und vor allem ihrer nationalen Kulturschätze in Einklang gebracht werden.

Deshalb heißt es in Art. 36 EGV, daß die Mitgliedstaaten – abweichend von den Bestimmungen der Art. 30 bis 34 – für die Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr von nationalen Kulturschätzen von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert innerhalb der Gemeinschaft Verbote, Beschränkungen oder sonstige Maßnahmen vergleichbarer Wirkung erlassen oder beibehalten können. [Übrigens ist eine ähnliche Bestimmung wie die von Art. 36 auch in der Verordnung enthalten, die seit 1970 ein gemeinschaftliches Verfahren für Ausfuhren in Drittländer regelt (Verordnung 2609/69, Art. 11). Eine Ausnahmeregelung wie in Art. 36 für den innergemeinschaftlichen Handel ist also auch für Ausfuhren in Drittländer vorgesehen. Diese Handelsbeschränkungen stehen nicht im Widerspruch zu den Vorschriften des GATT (in Art. 20 wird gleichfalls auf die nationalen Kulturschätze eingegangen).]

Art. 36 regelt Ausnahmen vom Prinzip des freien Verkehrs, die im Rahmen dieses Artikels näher bestimmt werden und als solches eingeschränkt interpretiert werden sollen. Innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen obliegt es im Prinzip jedem einzelnen Mitgliedstaat selbst, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen die Ziele von Art. 36 erreicht werden sollen. So muß jeder Staat selbst für sich definieren, was er auf seinem Hoheitsgebiet in Abhängigkeit von der von ihm gewählten Form und von seinem eigenen Wertmaßstab als nationales Kulturgut von Wert betrachtet – unter der Bedingung, daß dieser Wertmaßstab in angemessener Weise angesetzt wird und den Belangen sowohl des Erbeschutzes als auch des freien Verkehrs gerecht wird.

Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch von Art. 36 keinen willkürlichen Gebrauch machen, sondern müssen bei seiner Inanspruchnahme den grundlegenden Prinzipien des Gemeinschaftsrechts zur Regelung seiner Anwendung, die von den Gemeinschaftsinstitutionen kontrolliert wird, Rechnung tragen.

3

I. Abgrenzungsprobleme bei den Begriffen „nationale Kulturschätze“ und „Kulturgüter“

Der Begriff „Kulturschätze“ (Kulturgut von Wert) ist sehr schwer einzugrenzen und zur Zeit fällt es schwer, gemeinsame Kriterien zur Definition dieses Begriffes festzulegen. Es gibt auch bislang noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofes zu dieser Frage.

Dennoch lassen sich zwei Grundtendenzen bei der Auslegung dieses Begriffs beobachten:

–   Eine weit gefaßte Auslegung des Begriffs „Kulturschätze“ ist in Ländern zu beobachten, welche Kulturgüter ausführen und über ein reichhaltiges kulturelles Erbe verfügen, das nur selten wirklich erschöpfend erfaßt wurde.

–   Eine engere Auslegung erfolgt in Ländern, die Kulturgüter einführen, die über ein weniger reiches kulturelles Erbe verfügen und in denen die wichtigen Umschlagplätze für Kunstwerke konzentriert sind.

Die schwierige Abgrenzung dieses Begriffs der Kulturgüter allgemein wird zum Problem, wenn es darum geht, weltweit oder auf der Ebene der Gemeinschaft festzulegen, wie weitreichend und umfassend die gegenseitigen Verpflichtungen sein müssen, die die einzelnen Länder mit Blick auf eine Zusammenarbeit zum Schutz dieser Güter übernehmen. [Diese Schwierigkeit war auch eine große Klippe bei den Verhandlungen zu den grundlegenden Verträgen und Übereinkommen zum Schutz dieser Güter bzw. zur Verhinderung des unerlaubten Handels (1970: UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zur Verhinderung der unerlaubten Einfuhr, Ausfuhr und Veräußerung von Kulturgütern; 1980: Europarat – Europäisches Übereinkommen über Rechtsverletzung bei Kulturgütern; 1980 und Folgejahre: Untersuchungen von Unidroit über gestohlene oder unerlaubt ausgeführte Kulturgüter; 1995: Übereinkommen von Unidroit über die weltweite Rückführung gestohlener oder unerlaubt ausgeführter Kulturgüter.)]

II. Flankierende Gemeinschaftsmaßnahmen zur Vollendung des Binnenmarkts bei Kulturgütern

Durch die Verwirklichung des Binnenmarkts entfielen mit dem 1. Jänner 1993 alle Kontrollen an den Binnengrenzen der Gemeinschaft – eine Regelung, von der ausnahmslos sämtliche Arten von Waren betroffen sind.

Da sie auch für Kulturgüter gilt, bindet sie die Staaten also auch hier, indem es den Staaten zwar auf der Grundlage und innerhalb der Grenzen von Art. 36 einerseits belassen bleibt zu bestimmen, was ihre nationalen Kulturschätze sind, und sie andererseits auch notwendige Vorschriften zu deren Schutz erlassen können, sie jedoch keine Kontrollen an den Binnengrenzen vornehmen dürfen, um sich der Wirksamkeit dieser Vorschriften zu vergewissern.

Daher hat die Gemeinschaft beschlossen, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß sich der Wegfall der Grenzen nicht nachteilig für den Schutz der nationalen Kulturschätze auswirkt.

Zur Gewährleistung eines wirksamen Schutzes der Kulturschätze aller 12 (später 15) Mitgliedstaaten innerhalb des Binnemarkts – ohne Grenzkontrollen – muß jeder Mitgliedstaat zum Schutz der Kulturschätze der anderen Mitgliedstaaten beitragen.

Somit ist unbedingt notwendig, daß jeder Mitgliedstaat die Ausfuhr von Kulturschätzen aus der Gemeinschaft kontrolliert, und zwar nicht nur die Ausfuhr seiner eigenen Kulturschätze, sondern auch die der anderen Mitgliedstaaten, da es wegen des Wegfalls der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen möglich ist, daß diese zunächst auf sein Hoheitsgebiet gelangen. Das ist der Inhalt der Verordnung Nr. 3911 vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern.

Da das Konzept eines gemeinsamen Erbes der Gemeinschaft an sich noch nicht existiert, ist im derzeitigen Stadium entscheidend, daß ein Kulturgut an einen ganz bestimmten Mitgliedstaat gebunden ist.

Die Mitgliedstaaten wollen sicher sein können, daß von Ihnen als nationale Kulturschätze eingestufte Kulturgüter, wenn sie denn unerlaubt ihr Hoheitsgebiet verlassen haben, auch wieder zurückgegeben werden. Daß ab dem 1. Jänner 1993 der Mitgliedstaat, auf dessen Hoheitsgebiet ein Kulturgut wiedergefunden wurde, dafür sorgt, daß es wieder in das Hoheitsgebiet des Landes zurückgebracht wird, aus dem es unrechtmäßig entfernt wurde, wird von einer zweiten flankierenden Maßnahme der Gemeinschaft geregelt – der Richtlinie über die Rückführung von Kulturgütern, die unerlaubt aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden (1993/7/EWG vom 15. März 1993). Die Rückführung von Kulturgütern eines Mitgliedstaates aus dessen Hoheitsgebiet soll dadurch ermöglicht werden, daß mit der „Rückgaberichtlinie“ eine einklagbare Rückgabepflicht eingeführt wurde, deren Geltungsbereich und Bedingungen genau geregelt sind.

Da es bisher nicht möglich war, zu einer Einigung über ein Verfahren der „gegenseitigen Anerkennung“ der Definitionen von nationalen Kulturschätzen zu gelangen, bestand das Konzept beider flankierenden Maßnahmen darin, zwischen den Mitgliedstaaten ein System gegenseitiger, zum derzeitigen Stadium noch beschränkter Verpflichtungen zu schaffen, um für einen gemeinsamen Grundbestand von Kulturgütern ein gemeinschaftliches Schutznetz zu schaffen, das in der Lage ist, die nach 1992 fortbestehenden, notwendigerweise unterschiedlichen nationalen Schutzsysteme, deren Wirksamkeit noch dazu durch den Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen geschwächt wurde, zu ergänzen. Dies in der Absicht, für diesen gemeinsamen Grundbestand (worunter, wenn nicht alle, so doch die wichtigtsten nationalen Kulturschätze verstanden werden sollten) einen ausreichenden Schutz auf Gemeinschaftsebene zu gewährleisten, ohne dabei die grundlegenden Prinzipien des freien Verkehrs und der Sicherheit des Handels aus den Augen zu verlieren. Dieser Grundbestand wurde im gemeinsamen Anhang der vorstehend genannten Verordnung und Richtlinie definiert.

Der Anhang enthält stellvertretend für eine Vielzahl von Gütern eine Liste von Kategorien von Kulturgütern, die gemeinsam mit Experten (nach Kriterien wie Art des Kulturguts, Alter, Wert) festgesetzt wurden. Die in der Liste genannten Kategorien von Kulturgütern sind diejenigen, bei denen die Mitgliedstaaten im gegenwärtigen Stadium bereit sind, im Rahmen der von Ihnen eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der Kulturgüter der einzelnen Länder zusammenzuarbeiten. Die Liste gibt also keine Definition der Kulturschätze im Sinne von Art. 36, diese Aufgabe bleibt den Mitgliedstaaten belassen. Es ist somit durchaus möglich, daß manche als nationale Kulturschätze einzustufende Kulturgüter im gemeinsamen Anhang von Richtlinie und Verordnung nicht erfaßt werden.“

Was bedeutet nun das Ausfuhrverbots- und Rückgabrecht der EU für die österreichische Rechtsordnung?

In Österreich wird die Ausfuhr von Kulturgut durch das „Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut“ in der Fassung des BGBl. Nr. 391/1986 (AusfVKG) geregelt.

Dieses Gesetz geht davon aus, daß grundsätzlich hinsichtlich sämtlichem Kulturgut die gesetzliche Vermutung besteht (ausgenommen Werke lebender Künstler oder solcher die noch nicht 20 Jahre gestorben sind), daß die Aufbewahrung innerhalb der Grenzen Österreichs im öffentlichen Interesse gelegen ist. Der zuständige Bundesminister wird jedoch durch § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes ermächtigt, soweit es sich um Kulturgut handelt „das im Inland in einem so großen Ausmaß vorhanden ist, daß bei einem üblichen zu erwartenden Umfang der Ausfuhr eine wesentliche Beeinträchtigung der Vielzahl und der Vielfalt des Kulturguts im Inland in absehbarer Zeit nicht zu befürchten ist, und das durch besondere Merkmale wie Form, Material, Verwendungszweck, Alter, Herkunft und allenfalls auch (annähernden) Wert als abgrenzbare Arten von Kulturgut (Warengruppen) umschrieben werden kann“ mit Verordnung festzustellen, daß die Aufbewahrung von Gegenständen dieser Warengrupppen im Inland nicht im öffentlichen Interesse gelegen ist“, das heißt, daß sie frei ausgeführt werden können. (Archivalien sind hievon ausgenommen.)

Die derzeit geltende Warengruppenverordnung wurde im Bundesgesetzblatt Nr. 298/1994 kundgemacht.

Damit kommt das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz auf dem umgekehrten Weg zum gleichen Ergebnis wie die Verordnung 3911/92 der Europäischen Gemeinschaft durch ihren Anhang, nämlich, daß von vornherein aus der Vielzahl des Kulturguts ein möglichst großer „Teil“ ausgeklammert bleibt und nur der „Rest“ näher untersucht wird, ob es sich um wichtiges Kulturgut handelt.

Alles, was auf Grund der Warengruppenverordnung ohnehin bereits bewilligungslos ausgeführt werden kann (es sei denn, es steht unter Denkmalschutz), muß dem Bundesdenkmalamt nicht vorgelegt werden. Nur jenes Kulturgut, das durch die Verordnung tatsächlich erfaßt wird, muß dem Bundesdenkmalamt vorgelegt (oft nur „gemeldet“) werden, das in weiterer Folge – statistisch gesehen – etwa 95% der Fälle freigibt. Lediglich hinsichtlich der restlichen 5% werden eingehende Verfahren durchgeführt, die teils mit Sperren, teils mit Freigaben enden.

Mit diesem System wird – genauso wie bei der Verordnung 3911/92 – jener Effekt des Kontrollierens, Besichtigens und Siebens durch die zuständige Behörde – hier das Bundesdenkmalamt – erreicht, die zum Ziel führen soll, jenes Kulturgut tatsächlich im Inland zu behalten, dessen Aufbewahrung im Inland – im Sinne des EU-Rechts – im nationalen Interesse gelegen ist.

Das österreichische Recht zur Regelung der Ausfuhr von Kulturgut ist daher nicht nur EU-rechtskonform, mehr noch, die Konstruktion – auch für die Verfahren zur vorübergehenden Ausfuhr – sind grundsätzlich die gleichen. Die Diskussion, ob das österreichische Recht diktionsmäßig stärker den beiden EU-Verordnungen bzw. der Richtlinie angeglichen werden soll und die Warengruppen in der österreichischen Durchführungsverordnung noch stärker dem Anhang der Vorordnung 3911/92 angeglichen werden könnten, ist noch offen. Die besondere Problematik besteht darin, daß Kulturgut, dessen Aufbewahrung im Inland eindeutig im öffentlichen (nationalen) Interesse liegt, oftmals keinen oder nur einen eher geringen Marktwert hat (häufig etwa bei Veduten, Portraits, Autographen).

Öffentliches Interesse an der Erhaltung (Stellung unter Denkmalschutz), öffentliches Interesse an der Aufbewahrung im Inland im Sinne des Ausfuhrverbotsgesetzes für Kulturgut, nationales Kulturgut gemäß EU-Recht.

Das Denkmalschutzgesetz bestimmt, daß „die Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung“ (dies ist die allgemeine Definition für „Denkmale“) unter Denkmalschutz zu stellen sind, wenn ihre Bedeutung derartig ist, daß ihre Erhaltung „im öffentlichen Interesse gelegen“ ist.

Ebenso bestimmt das Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut, daß „Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“ (das ist die allgemeine Definition für „Kulturgut“) nicht ausgeführt werden dürfen, wenn deren Erhaltung im Inland „im öffentlichen Interesse gelegen ist“.

Wie sich aus der Erläuterungen zur Novelle 1986 des Ausfuhrverbotsgesetzes ergibt, erfolgen diese gleichen Definitionen bewußt.

Dementsprechend unterliegt gemäß § 2 Abs. 5 AusfVKG jedes Kulturgut, das unter Denkmalschutz steht, auf jeden Fall der Ausfuhrsperre.

Trotz diverser gesetzlicher Vermutungen des Vorliegens des öffentlichen Interesses im Denkmal­schutzgesetz gleichermaßen wie im Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut ist durch beide Gesetze sichergestellt, daß die endgültige Feststellung des Vorliegens des „öffentlichen Interesses an der Erhaltung“ sowie „an der Aufbewahrung im Inland“ erst nach Durchführung eines Verwaltungs­verfahrens (unter Einräumung eines Berufungsrechtes) erfolgen kann.

Es ist selbstverständlich, daß ähnliche oder sogar gleiche Begriffe, die für ein nationales Gesetz geprägt werden, sich einer anderen Diktion bedienen, als supranationale Gesetzesbestimmungen. Dement­sprechend drückt der Begriff des „öffentlichen Interesses“ ebenso wie der Begriff des „öffentlichen Rechts“ seit jeher den Begriff des „Staates“ aus, da die Summe der „Öffentlichkeit“ letztlich dem „Staatsbegriff“ entspricht. Wenn supranationale Einrichtungen hingegen das Recht des einzelnen Staates zum Ausdruck bringen wollen, erfolgt dies üblicherweise mit dem Begriff des „nationalen“ Rechts, sicherlich in besonderer Weise geprägt durch den anglosächsischen Begriff des „national law“.

Damit ergibt sich jedoch geradezu zwingend, daß das österreichische öffentliche Interesse an der Erhaltung von Denkmalen und das österreichische öffentliche Interesse an der Aufbewahrung von Kulturgut im Inland dem „nationalen Kulturgut“ im Sinne des EU-Rechts entspricht, also dem Interesse jedes einzelnen Staates am Schutz bestimmter bei ihm befindlicher Denkmal- bzw. Kulturgutbestände.

Denn ebenso wie schon auf Grund des Denkmalschutzgesetzes nur ein Bruchteil der in Österreich befindlichen Denkmale unter Denkmalschutz gestellt werden können, weil eben nur bei einem Bruchteil die Bedeutung so groß ist, daß ihre Erhaltung sogar im öffentlichen Interesse gelegen ist,

–   ebenso wie auf Grund des Ausfuhrverbotsgesetzes für Kulturgut nur ein Bruchteil des in Österreich befindlichen Kulturguts im Inland aufbewahrt bleiben muß, weil eben nur bei einem Bruchteil die Bedeutung so groß ist, daß seine Aufbewahrung im Inland sogar im öffentlichen Interesse gelegen ist,

–   ebenso gesteht das EU-Recht jedem Mitgliedstaat den Schutz seines Kulturguts dann zu, wenn seine Bedeutung derart ist, daß es für den einzelnen Mitgliedstaat von solcher Bedeutung ist, daß er ihn beschützen und bewahren zu müssen glaubt.

Die Bestimmung, was nationales Kulturgut ist und was nicht, überläßt das EU-Recht sowohl in der Verordnung 3911/92 wie auch in der Richtlinie 93/7 dem einzelnen Staat.

Die Sorge der EU besteht stets darin, verkappte Handelsbeschränkungen zu verhindern.

Es ist daher ein nicht hoch genug anzurechnender Verdienst der gesetzgebenden Organe der Europäischen Gemeinschaft, die außerordentliche Bedeutung des „Kulturbesitzes“ für jeden Mitgliedstaat rechtzeitig erkannt zu haben und nicht durch Zwangsmaßnahmen die Mitgliedstaaten zu veranlassen, nach vorgegebenen Regeln vermeintlichen oder wirklichen kulturellen Raubbau zu erdulden, es vielmehr den einzelnen Staaten überläßt, ihr „nationales Kulturgut“ selbst zu bestimmen und oft mit großen Opfern zu bewahren.

An dieser Stelle sei noch bemerkt, daß geplant ist, im Interesse auch einer klaren, einheitlichen Rechtssituation, gesetzlich zu verankern, daß Kulturgut, das in Österreich verbleiben muß, (soweit dies nicht ohnehin bereits der Fall ist) stets unter Denkmalschutz zu stellen ist. Beim Umsetzungsgesetz der Richtlinie 93/7 soll dieser Weg erstmals konkret beschritten werden.

Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie 93/7 ergeben sich vor allem auf zivilrechtlichem Gebiet. Die faktische Teil-Außerkraftsetzung der generellen Bestimmung des § 367 ABGB, wonach der redliche Erwerb vom befugten Gewerbsmann wie auch in der öffentlichen Versteigerung auf jeden Fall Eigentum für den Ersteher begründet, die Frage der Entschädigung für gutgläubig gekauftes Kulturgut, bei dem der Käufer allerdings nicht sorgfältig genug (wie sorgfältig?) geprüft hat, ob, wann oder aus welchem Land das Kulturgut eingeführt wurde und ob hiefür alle Ausfuhrbestimmungen eingehalten wurden, muß zwangsläufig zu Schwierigkeiten führen.

Die Richtlinie sieht für jeden Staat die Festlegung einer oder mehrerer „Zentraler Stellen“ vor, die im Zuge der Geltendmachung von Ansprüchen aber auch für den ersuchenden Staat Hilfestellung zu leisten hat. Die Aufgaben der Zentralen Stellen werden künftig dem Bundesdenkmalamt, für Archivalien dem Archivamt, zukommen.

Zu Einzelheiten sei im übrigen auf den besonderen Teil dieser Erläuterungen verwiesen.

Grundsätzlich muß jedoch bemerkt werden, daß die Richtlinie in wesentlichen Grundbegriffen wie „Eigentümer“ und „Besitzer“ von der österreichischen Definition teilweise abweicht (die Begriffe „Eigentümer“ und „Besitzer“ konnten jedoch, um nicht zu verwirren, im vorliegenden Umsetzungsgesetz nur der österreichischen Rechtsordnung entsprechend verwendet werden) und eine Vielzahl von Fragen unbeantwortet läßt, wie beispielsweise die nicht hinreichend bestimmten Begriffe der „Rückgabe“ oder Bestimmungen über die „erforderliche Sorgfalt beim Erwerb“.

Die Darlegungen all dieser Probleme erfolgen im Teil II (Besonderer Teil).

Besonderer Teil

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu § 2:

Zu Abs. 1:

Der Begriff „Kulturgut“ im Sinne dieses Gesetzes entspricht dem Begriff „Kulturgut“ gemäß dem Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut (AusfVKG) aber auch dem Begriff „Denkmal“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DMSG).

Die Begriffe „künstlerisch, geschichtlich oder archäologisch“ wie die Richtlinie die verschiedenen Arten des „Wertes“ umschreibt, ist jedoch für die in Österreich gebräuchliche wissenschaftliche, fachliche aber letztlich auch rechtliche Diktion („geschichtlich, künstlerisch, kulturell“) zu eng und zu wenig differenziert.

Anders als in anderen Staaten bedeutet nämlich „archäologisch“ in Österreich eine Beschränkung auf Bodendenkmale (in der Erde ruhendes oder bereits ausgegrabenes Kulturgut), wobei selbst prähistorische Gegenstände eine gesonderte Kategorie bilden. Aus diesem Grund entspricht etwa die international gebräuchliche Terminologie „Industriearchäologie“ nicht der österreichischen Terminologie und entspricht Industriearchäologie in der österreichischen Terminologie dem „Industriedenkmal“ von „geschichtlicher“ oder „sonstiger kultureller Bedeutung“.

Dem Anhang der Richtlinie gemäß werden von diesem auch Kulturgüter von „wissenschaftlichem“ Wert erfaßt (etwa Position A12). Dieser Begriff ist im DMSG und im AusfVKG vom übergreifenden Terminus „sonstige kulturelle Bedeutung“ auf jeden Fall mit umfaßt. Aus diesem Grund kann das Umsetzungsgesetz nicht von Kulturgut von „künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ sondern nur „von künstlerischem, geschichtlichem, archäologischem oder sonstigem kulturellen Wert“ sprechen. Da, wie ausgeführt, „archäologisch“ im internationalen Sprachgebrauch wesentlich umfassender (etwa „Industriearchäologie“) ist, muß die Richtlinie der österreichischen Terminologie gemäß umgesetzt werden, da andernfalls die Richtlinie in einer Anzahl von Kategorien gar nicht umgesetzt würde.

Trotz dieser umfangreichen Diktion werden jedoch nicht mehr Kategorien erfaßt als durch die Definition der Richtlinie.

Der Begriff „nationales“ Kulturgut entspricht dem Begiff „öffentliches Interesse an der Erhaltung“ eines Denkmals oder Kulturgutes im Sinne des Denkmalschutzgesetzes (DMSG) und des Ausfuhrverbots­gesetzes für Kulturgut (AusfVKG). Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Allgemeinen Teil der Erläuterungen sowie auch auf die dort wiedergegebenen Auszüge aus dem „Ersten Bericht über die Berücksichtigung der kulturellen Aspekte in der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft“, einer Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, an den Rat und an den Ausschuß der Regionen vom 17. April 1996, sei verwiesen.

Im übrigen sei bemerkt, daß Österreich bei der Anwendung der Richtlinie an die der jeweiligen nationalen Rechtsordnung gemäßen rechtmäßigen Einstufung durch die Mitgliedstaaten dahingehend, ob es sich um ein „nationales Kulturgut“ handelt oder nicht, ebenso gebunden ist, wie diese an die Einstufung durch Österreich hinsichtlich seiner Kulturgüter (siehe auch § 9 Abs. 2 Z 2.).

Zu Abs. 1 Z 2a:

Nicht auf die Kategorie des Anhanges beschränkt sich der Schutz bei Objekten aus „öffentlichen Sammlungen“. (Es muß sich jedoch im Sinne des § 2 Abs. 1 stets um Kulturgut handeln, das vor oder nach der unrechtmäßigen Verbringung als „nationales Kulturgut“ eingestuft wurde.)

Die Bestimmungen wurden wörtlich der Richtlinie (Art. 1 Z 1) entnommen, obwohl die österreichische Rechtsordnung nicht alle darin aufgezählten Möglichkeiten kennt. Es muß aber berücksichtigt werden, daß es sich um bevorzugte Sammlungen eines ersuchenden Mitgliedstaates handeln könnte, auf dessen Einrichtungen Bestimmungen zutreffen könnten, die für Österreich unzutreffend sind.

Für Österreich bedeuten diese Bestimmungen, daß vorweg alle Sammlungen als „öffentliche Sammlungen“ gelten, die im Eigentum einer Gebietskörperschaft (Bund, Land, Gemeinde) stehen.

Es kann sich aber auch um (bloße) „Einrichtungen“ von Gebietskörperschaften handeln, wobei diese „Einrichtungen“ sowohl der Hoheitsverwaltung als auch der Privatwirtschaftsverwaltung zugerechnet werden können, und die vielfach „Anstalten“, die der Gebietskörperschaft gehören, sein werden (wie zB die Museen, die Bibliotheken, aber auch diverse Archive des Bundes, der Länder und Gemeinden) oder es kann sich auch um Sammlungen von solchen „Einrichtungen“ handeln, die zwar nicht im unmittelbaren Eigentum einer Gebietskörperschaft stehen, wohl aber aber von ihr „zu einem beträchtlichen Teil finanziert“ werden oder selbst Körperschaften öffentlichen Rechts sind (was etwa auf Universitäten und damit auf die universitären Sammlungen, wie etwa die Bibliothek, ebenso zutrifft wie auf dem Musealsektor auf das Museum für Volkskunde, dessen Bestände im Eigentum eines Vereins stehen, dessen Betrieb aber vom Bund weitgehend finanziert wird.)

Steht die Sammlung im Eigentum einer „Einrichtung“, der Teilrechtsfähigkeit zukommt, wobei die Einrichtung selbst zum begünstigten Kreis von Trägern von Sammlungen gehört, dann werden die in das Eigentum der Teilrechtsfähigkeit erworbenen Sammlungen im Hinblick auf die Bindung an die „Einrichtung“ selbst – trotz der zwar nicht ganz klaren Formulierung der Richtlinie, wohl aber im Hinblick auf die sehr klare Zielrichtung dieser Bestimmung – auch zu den begünstigten „öffentlichen Sammlungen“ zu zählen sein.

Zu Abs. 1 Z 2 lit. b:

Kirchliche Einrichtungen sind die nach dem Recht der gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft bestehenden juristischen Personen. Diese werden zumeist durch jene Gesetze auch für den staatlichen Bereich als juristische Personen anerkannt, mit dem die äußeren Rechtsverhältnisse dieser Kirchen oder Religionsgesellschaften geregelt oder die auf Grund des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. 1874/68, gemäß Art. 15 Staatsgrundgesetz gesetzlich anerkannt werden.

Als Einrichtungen, denen Rechtspersönlichkeit zukommt, wären beispielsweise zu erwähnen:

           a) Katholische Kirche: Diözese, Domkirche, Domkapitel; Pfarrkirche (zumeist nicht ganz richtig „Pfarre“ oder „Pfarrgemeinde“ genannt, was etwas anderes bedeutet), Filialkirche; Spitäler, Waisenhäuser usw., soweit sie gemäß canon 1489 des Corpus iuris canonici vom Ortsordinarius als Instituta non collegialia errichtet wurden (verschiedentlich auch als kirchliche Stiftungen, Anstalten oder Fonds bezeichnet); Orden Kongregationen, Ordensprovinzen, Ordensnieder­lassungen.

          b) Evangelische Kirche: Superintendenz, Pfarrgemeinde, Tochtergemeinde, Evangelisches Jugend­werk, Verband der schulerhaltenden Wiener Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. (Schul­gemeinde), Evangelischer Verein für Innere Mission.

           c) Griechisch-orientalische Kirche: Kirchengemeinde.

          d) Israelitische Religionsgesellschaft: Kultusgemeinde.

           e) Altkatholische Kirche: Kirchengemeinde.

Zu Abs. 5:

Die Richtlinie umschreibt in ihrem Art. 1 Z 5 den Begriff der „Rückgabe“ mit der „materielle(n) Rückkehr des Kulturguts in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats“; gemeint ist damit – worauf die Bestimmungen der Richtlinie in ihrem Gesamtzusammenhang eindeutig schließen läßt – weniger die „eigenhändige“ Zurückbringung des Kulturguts in den ersuchenden Staat durch den Inhaber oder Besitzer als vielmehr die Herausgabe des Kulturguts an den ersuchenden Staat zwecks Rückführung in dessen Hoheitsgebiet. In diesem Sinne wäre daher – grundsätzlich – auch § 2 Abs. 5 zu verstehen.

Zu Abs. 6:

Die Definition entspricht dem ersten Absatz des Artikels 3 der Richtlinie.

Ganz allgemein muß jedoch zu § 2 und den darin umgesetzten Begriffsbestimmungen festgestellt werden:

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ob die Richtlinie unmittelbar in das Sachenrecht eingreift, zumal sich verschiedene Bestimmungen an sachenrechtliche Institutionen anlehnen und darüber hinaus zum Teil auch unmittelbar an privatrechtliche Belange angeknüpft wird (vgl. vor allem die Art. 9 und 12 der Richtlinie); dazu kommt, daß im Streitfall die Gerichte zur Entscheidung berufen werden. Dennoch wird man nicht fehlgehen, wenn man nicht nur die in der Richtlinie vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, sondern auch den bei den Gerichten durchzusetzenden Anspruch auf Rückgabe als im Kern öffentlich-rechtliche Einrichtung begreift, ähnlich dem Verwaltungsverfahren, in dem über die Ent­eignung selbst entschieden wird.

Das Umsetzungsgesetz soll davon absehen, auch die in Art. 1 Z 6 und 7 der Richtlinie umschriebenen Begriffe „Eigentümer“ und „Besitzer“ umzusetzen, zumal die hiefür vorgesehenen Definitionen nicht dem österreichischen Verständnis dieser Termini entsprechen. Eine nur auf den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes beschränkte Übernahme der Definition dieser Bestimmungen der Richtlinie müßte zwangsläufig zur Verwirrung führen. Statt dessen sollen diejenigen Bestimmungen der Richtlinie, die auf den „Eigentümer“ oder den „Besitzer“ abstellen, in ihrer in Art. 1 Z 6 und 7 enthaltenen Umschreibung in den Gesetzestext aufgenommen werden. (Siehe auch nachfolgend Z 5. der Erläuterungen zu § 9 Abs. 1.)

Zu § 3:

Die Kategorien haben dem Anhang zur Richtlinie zu entsprechen.

In all jenen Fällen, in denen der Anhang zur Richtlinie geändert wird, ist auch die Verordnung des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu ändern, das heißt, es hat jeweils eine Umsetzung zu erfolgen.

Zu § 4:

Zu Abs. 1:

Die Aufzählung des Archivamtes in diesem Absatz – trotz der generellen Regelung in § 5 – ist wegen der klaren Erkennbarkeit, daß in Österreich zwei „Zentrale Stellen“ bestehen und welche diese sind, notwendig.

Zu Abs. 2 Z 8:

Betrifft nur die „öffentlichen“ und nicht die „privatrechtlichen Interessen“ der Republik Österreich, wobei zu beachten ist, daß die Republik Österreich ein öffentliches Interesse, die Rückgabeansprüche zu stellen oder abzuwehren, auch dann hat, wenn das Kulturgut einem Privaten gehört. Es geht um die Frage des öffentlichen Interesses (des „nationalen Interesses“) an der Aufbewahrung im Inland.

Zu § 6:

Zu Abs. 1:

Die Möglichkeit, sich der Finanzprokuratur zu bedienen, gilt selbstverständlich auch für den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, insbesondere in Fällen des § 4 Abs. 3.

Zu Abs. 2:

Hier wäre auf die Bestimmung der gegenseitigen Behördenhilfe gemäß Art. 22 B-VG zu verweisen. Sie gilt daher ebenso in allen Fällen des § 4 Abs. 3. Aber auch die Organe des Bundes sind im Rahmen ihres Wirkungsbereiches gegenüber den Ländern und Gemeinden zur Hilfeleistung verpflichtet.

Zu § 7:

Die Bestimmung entspricht im wesentlichen der Auskunftspflicht des § 11 Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut.

Ausdrücklich – obwohl rechtlich nicht unbedingt erforderlich – wird im letzten Satz festgehalten, daß die gesetzlichen Pflichten zur Verschwiegenheit sowie die gesetzlich eingeräumten Rechte zur Verweigerung der Aussage unberührt bleiben.

Wesentlich ist daher, daß es sich um eine gesetzlich eingeräumte Verschwiegenheitspflicht handelt, wie etwa die für Rechtsanwälte, Notare, Geistliche (darüber was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde), Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden (wenn sie durch ihre Aussage das ihnen obliegende Amtsgeheimnis verletzen würden, insoferne sie der Pflicht zur Geheimhaltung nicht entbunden sind) usw.

Das gleiche gilt für die Möglichkeit der Verweigerung einer Aussage, sei es wegen der Möglichkeit sich selbst strafrechtlich zu belasten oder aber den Ehegatten usw.

Zu § 8:

Mit diesem Paragraph wird die Bestimmung des Artikels 4 Z 5 der Richtlinie umgesetzt.

Hat die Zentrale Stelle Grund zur Annahme einer Gefahr, dann hat sie entsprechende Anträge zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu treffen.

Dieses Verfahren entspricht dem analogen Verfahren gemäß § 10 Abs. 1 AusfVKG.

Wegen der notwendigen Raschheit des Verfahrens war vor allem eine einfache Regelung für die Parteistellung notwendig.

Da die Voraussetzung zur Stellung eines Antrages und zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich das Vorliegen einer „begründeten Gefahr“ ist, werden die Verfahren wohl stets nach den Bestimmungen des § 57 AVG durchzuführen sein.

Zu bemerken ist, daß in den gegenständlichen Verfahren auf Erlassung von Sicherungsmaßnahmen der Zentralen Stelle – so wie dem Bundesdenkmalamt in den Verfahren gemäß § 7 DMSG bzw. § 10 AusfVGK auf Erlassung von Sicherungsmaßnahmen – volle Parteistellung zukommt. Damit ist auch das Recht auf Einbringung von Berufungen verbunden.

Zu § 9:

Zu Abs. 1:

1. Abs. 1 soll Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen. Die vorgeschlagene Bestimmung soll den Mitglied­staaten die Möglichkeit eröffnen, die Rückgabe solcher Kulturgüter zu verlangen, die ihr Hoheitsgebiet unrechtmäßig verlassen haben und sich nunmehr in Österreich befinden (zu den weiteren Anspruchs­voraussetzungen siehe auch die folgenden Paragraphe). Der Rückgabeanspruch soll – nach den Vorgaben der Richtlinie – auch vor den österreichischen Gerichten durchsetzbar sein; die Gerichtszuständigkeit und die Verfahrensart werden in § 10 Abs. 1 geregelt.

2. Obgleich in der Richtlinie von einer „Klage“ gesprochen wird, kann dieser Begriff doch weit verstanden werden. Dieses weite Verständnis läßt auch die Zuweisung des vorgesehenen Rückgabe­verfahrens in das österreichische Außerstreitverfahren zu (siehe weiter die Erläuterungen zu § 10 Abs. 1). Unter diesem Gesichtspunkt soll im Rahmen der österreichischen Terminologie der Begriff der „Klage“ durch den Begriff „Antrag“ ersetzt werden.

3. Wie schon in den Erläuterungen zu § 2 ausgeführt, wird unter dem Begriff „Rückgabe“ die Heraus­gabe des Kulturguts an den ersuchenden Staat zwecks Rückführung in dessen Hoheitsgebiet zu verstehen sein.

4. Der von der Richtlinie vorgegebene Rückgabeanspruch ist primär nicht auf eine Änderung des Eigentums am Kulturgut gerichtet; er hat „nur“ die Veränderung des tatsächlichen Aufenthalts des Kulturguts zum Ziel. Ein Eigentümer des Kulturguts im ersuchenden Staat kann daher grundsätzlich auch im ersuchenden Staat dessen Eigentümer bleiben. Eine Änderung der Eigentumsverhältnisse könnte sich aber nach erfolgter Rückgabe aus der Rechtsordnung des ersuchenden Mitgliedstaats, insbesondere auf Grund der Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten, ergeben (siehe weiter die Erläuterungen zu § 21).

5. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie soll sich der Rückgabeanspruch gegen den „Eigentümer“ und ersatzweise gegen den „Besitzer“ richten. Unter „Eigentümer“ versteht Art. 1 Z 6 der Richtlinie „die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich selbst ausübt“; den „Besitzer“ definiert Art. 1 Z 7 der Richtlinie als „die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für andere ausübt“. Wie bereits in den Erläuterungen zu § 2 des Entwurfs erwähnt, empfiehlt es sich, diese in ihrem Inhalt von den Begriffen des österreichischen Sachenrechts abweichenden Termini etwa in der sie erklärenden Form des Art. 1 Z 6 und 7 der Richtlinie aufzunehmen.

Eine dem Zweck der Richtlinie entsprechende Auslegung des Art. 5 Abs. 1 wird zum Ergebnis führen, daß sich der Rückgabeanspruch gegen jemanden richten soll, der über die Sache tatsächlich verfügen und sie daher auch dem ersuchenden Staat „zurückgeben“ kann. Eine solche tatsächliche Verfügungs­macht hat jedenfalls derjenige, der die Sache unmittelbar in Händen hat, unabhängig davon ob es sich bei ihm – in sachenrechtlicher Terminologie – um den Eigentümer bzw. Sachbesitzer des Kulturguts, einen Rechtsbesitzer (etwa einen Mieter, Entlehner, Fruchtgenußberechtigten oder Pfandnehmer) oder einen bloßen Inhaber handelt, der ein „Recht auf Innehabung“ der Sache hat (zB ein Verkaufsbeauftragter nach §§ 1086 ff. ABGB) oder nicht hat (zB ein Verwahrer oder ein Prekarist). Die tatsächliche Verfügungs­macht kann aber in bestimmten Fällen über die Person desjenigen, der die Sache in Händen hat, hinausgehen: Fehlt es einem bloßen Inhaber an einem „Recht auf Innehabung“ der Sache, so wird sie von ihm jederzeit herausverlangt werden können. In diesem Sinne käme dann auch einem Hinterleger über ein in Verwahrung gegebenes Kulturgut und einem Verleiher über eine als „Prekarium“ überlassene Sache eine tatsächliche Verfügungsmacht zu.

Im Rückgabeverfahren nach den §§ 8 ff. soll daher derjenige Antragsgegner sein, der das Kulturgut unmittelbar in Händen hat, es sei denn, es handelt sich um eine in Verwahrung gegebene oder eine prekaristisch überlassene Sache. In diesen Fällen soll es dem ersuchenden Staat frei stehen, den Rückgabeanspruch gegen den Verwahrer oder den Hinterleger bzw. gegen den Prekaristen oder den Verleiher zu richten.

Zu Abs. 2:

Die in Abs. 2 normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechen Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie. Fehlt es auch nur an einer dieser Voraussetzungen, so wird der Antrag zurückzuweisen sein, es sei denn, daß der ersuchende Mitgliedstaat einem Verbesserungsauftrag (Abs. 3) nachkommt.

Zu § 10:

In diesem Paragraph wird das Landesgericht als das für das Rückgabeverfahren sachlich zuständige Gericht bestimmt, das über Anträge (§ 9) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden hat.

Die Anordnung des Verfahrens außer Streitsachen muß jedoch durch ergänzende Bestimmungen näher ausgeführt werden. Zweifellos ist es vertretbar, in einem gewissen Gegensatz zur Richtlinie, die von einer „Klage“ als verfahrenseinleitendem Schritt spricht und demnach augenscheinlich das streitige Verfahren meint, das Verfahren außer Streitsachen als maßgebliche Verfahrensart zu bestimmen. Es handelt sich dabei aber ganz gewiß um einen Fall des „streitigen“Außerstreitverfahrens, das sich in seinem Ablauf vom Zivilprozeß kaum unterscheidet. Daran ändert auch die Beteiligung anderer Personen als des Antragstellers und des Antraggegners (zB des Bundes nach Abs. 4) nur wenig, weil auch der Prozeß Nebenbeteiligte (vor allem den Nebenintervenienten als Streithelfer) kennt.

Da vielfach Beweisfragen im Vordergrund stehen und das Außerstreitgesetz Beweisverfahrens­vorschriften kaum kennt, ist es – wie in anderen Gesetzen, die „streitige Außerstreitverfahren“ statuieren (zB §§ 229 ff. AußStrG; § 37 Abs. 3 Z 12 MRG; § 6 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1985, BGBl. Nr. 2/1986) – angezeigt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Protokolle und die Beweise für anwendbar zu erklären, zumal die in § 2 Z 7 AußStrG vorgesehene Verweisung auf den Rechtsweg ausgeschlossen ist (§ 10 Abs. 1 dritter Satz).

Zu Abs. 1:

1. Über den Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaats soll im Außerstreitverfahren abgesprochen werden. Zwar weist der in Art. 5 der Richtlinie vorgezeichnete Anspruch ohne Zweifel Ähnlichkeiten mit dem im Zivilprozeß durchzusetzenden Herausgabeanspruch nach den §§ 366 ff. ABGB auf. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie ist im gerichtlichen Verfahren allerdings nicht nur über die Rückgabe des Kulturgutes selbst, sondern auch über die dem Eigentümer zustehende Entschädigung abzusprechen (eine Materie, die in der österreichischen Rechtsordnung generell den Außerstreitgerichten zugewiesen ist). Dazu kommt, daß im kontradiktorischen Zivilprozeß, einem Zwei-Parteien-Verfahren, die Geltendmachung der Rechte Dritter (etwa des Eigentümers oder Sachbesitzers auf Entschädigung, wenn der Antrag auf Rückgabe gegen den Rechtsbesitzer oder den bloßen Inhaber der Sache gerichtet ist) Probleme bereitet. Im außerstreitigen Verfahren kommt hingegen einem Rechtssubjekt gewöhnlich Parteistellung zu, wenn es in seinen rechtlichen Interessen beeinträchtigt ist. Letztlich erscheint auch das auf dem Prozeßerfolg aufbauende Kostenersatzsystem der §§ 4 ff. ZPO für das Rückgabeverfahren nicht geeignet. Aus diesen Erwägungen empfiehlt es sich, Rückgabesachen im Sinne der Richtlinie und dieses Bundesgesetzes in das Außerstreitverfahren zu verweisen. Damit wird auch dem im Grunde genommen verwaltungsrechtlichen Charakter des Rückgabeverfahrens Rechnung getragen.

2. Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Außerstreitverfahrens (§§ 1 bis 19 AußStrG), soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes vorgesehen ist. Eine „Verweisung auf den Zivilrechtsweg“ (§ 2 Abs. 1 Z 7 AußStrG) ist auf Grund der damit verbundenen Verfahrens­verzögerungen nicht zweckmäßig; sie soll daher ausgeschlossen werden. Die Zuweisung von Rückgabeansprüchen in den außerstreitigen Bereich schließt im übrigen nicht aus, daß einzelne Regelungen des Zivilprozeßrechts zur Anwendung gelangen. Im vorliegenden Fall wäre dies insbesondere für §§ 22 bis 24 ZPO über die „Benennung des Auktors“ denkbar.

3. In Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz des § 104a JN sieht § 9 Abs. 1 des Entwurfs eine Zuständigkeit des Landesgerichts vor. Ausschlaggebend dafür ist die Überlegung, daß sich Verfahren auf Grund dieses Bundesgesetzes zahlenmäßig in Grenzen halten werden. Mit den speziellen mit der Rückgabe verbundenen Fragen sollten daher nicht alle, sondern nur einzelne, bestimmte Gerichte befaßt werden. Auf Grund der vermutlich hohen Streitwerte sollen das die Landesgerichte sein. Mit diesem Vorschlag prolongiert der Entwurf Lösungen, die auch in der „Rückstellungsgesetzgebung“ verwirklicht wurden (vgl. zuletzt § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1985, BGBl. Nr. 2/1986, über die Herausgabe und Verwertung ehemals herrenlosen Kunst- und Kulturgutes, das sich im Eigentum des Bundes befindet).

Zu Abs. 4:

Die Normierung der Parteistellung der Republik Österreich beruht auf nachfolgenden Tatsachen:

           1. Obwohl der Antrag gegen den die Sachherrschaft Auszuübenden zu richten ist (§ 9 Abs. 1), ist dennoch „ersuchter Mitgliedstaat“ die Republik Österreich.

           2. In einer derzeit noch schwer abzuschätzenden Anzahl von Fällen ist damit zu rechnen, daß auch ein nationales Interesse am Verbleib des Kulturguts in Österreich einem Rückgabeanspruch entgegensteht. (Selbst „einvernehmliche“ Rückgabeanträge können nicht ausgeschlossen werden; sie stellen eine Gefahr für eine „legale“ Umgehung des österreichischen Ausfuhr­verbotsrechts dar.).

           3. Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage von Entschädigungsansprüchen, wenn die Herausgabe auf Grund dieses Bundesgesetzes ohne Entschädigungsverpflichtung des ersuchenden Staates (§ 14 Abs. 1) erfolgen muß. Eine diesbezügliche Judikatur (auch des Europäischen Gerichtshofes), was im Sinne des Art. 9 der Richtlinie als „erforderliche Sorgfalt“ zu gelten hat, steht noch aus.

Damit ist auch die Frage des Verhältnisses zwischen der von der Richtlinie geforderten „erforderlichen Sorgfalt“ und dem „gutgläubigen Erwerb“ im Sinne des ABGB nicht eindeutig geklärt (siehe auch die Erläuterungen zu § 14).

Zu § 11:

Zu Abs. 1:

Die Kenntnis durch einen „Mitgliedstaat“ erfolgt erst dann, wenn diese Kenntnisnahme durch eine zuständige Behörde erfolgt, also zB durch seine Vertretungsbehörde im Ausland, durch den Zoll, durch eine „Zentrale Stelle“.

Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht im übrigen Art. 7 der Richtlinie. Dort wird – ähnlich wie in Art. 11 der Produkthaftungs-Richtlinie – sowohl die einjährige subjektive Frist, als auch die 30- und 75jährige objektive Frist als Präklusionsfrist umschrieben.

Nach Abs. 1 soll die einjährige Frist ab jenem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der ersuchende Mitgliedstaat davon Kenntnis erlangt hat, wo sich das Kulturgut befindet und wer es innehat. Erst ab diesem Zeitpunkt wird es einem ersuchenden Staat möglich sein, ein Rückgabebegehren zielführend geltend zu machen. Im übrigen wird schon auf Grund der kurzen subjektiven Frist davon auszugehen sein, daß die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs sein Erlöschen verhindert; dies auch im Sinne des von der Rechtsprechung in seinem Anwendungsbereich nicht eng sondern weit verstandenen § 1497 ABGB über die Unterbrechung der Verjährung (siehe OGH 28. 2. 1982, SZ 55/159).

Zu Abs. 2:

Der Rückgabeanspruch verjährt nach längstens 75 Jahren. Da in Österreich der Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaats nicht unverjährbar ist und auch keine bilateralen Abkommen bestehen, in denen eine Verjährungsfrist von über 75 Jahren festgelegt ist, bedarf es bei der Umsetzung keiner Regelung, wonach – im Sinne des letzten Halbsatzes des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie – der Rückgabeanspruch nicht erlischt.

Die für das Erlöschen der Rückgabeansprüche für Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen oder von Kirchen erst nach 75 Jahren (und nicht schon nach 30 Jahren) geforderten besonderen Schutzregelungen im Recht des ersuchenden Staates ergeben sich für Österreich schon allein aus § 1485 ABGB, wonach für öffentliches und kirchliches Gut eine spezielle, besonders lange Ersitzungs- und Verjährungszeit gilt. Diese Umstände sind daher auch wesentlich für die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen durch Österreich als ersuchendem Staat (§ 19 Abs. 3). Beweispflichtig für das (Nicht-)Erlöschen des „Rückgabeanspruchs“ soll im übrigen – nach § 13 Abs. 2 – der ersuchende Mitgliedstaat sein.

Zu Abs. 3:

1. Diese Bestimmung vereinigt zwei – auf den ersten Blick unterschiedliche – Regelungen der Richtlinie, und zwar Art. 13 als eine typische Anspruchsvoraussetzung und Art. 7 Abs. 2, der auf Grund des Begriffs „unzulässig“ als eine Prozeßvoraussetzung (Sachentscheidungsvoraussetzung) verstanden werden könnte. Dennoch ist auch bei Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie von einer Anspruchsvoraussetzung auszugehen, was sich schon daraus ergibt, daß der „Rückgabeklage“ kein Erfolg beschieden sein soll, wenn das Verbringen aus dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats „nicht mehr unrechtmäßig ist“.

2. Wenn Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie auf den Zeitpunkt der Einbringung der „Klage“ abstellt, so gilt dies kraft Größenschlusses um so mehr, wenn die Unrechtmäßigkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr gegeben ist.

Zu § 12:

Zu Abs. 1:

Dieser Absatz faßt im wesentlichen sämtliche sich schon aus den vorangegangenen Bestimmungen (§§ 9 bis 11 des Entwurfs) ergebendenen Anspruchsvoraussetzungen zusammen. Er dient als Anknüpfungs­punkt für Abs. 2.

Zu Abs. 2:

Aus diesem Absatz folgt, daß die Beweise für die angesprochenen Tatsachen vom ersuchenden Mitgliedstaat erbracht werden müsssen; insoweit gilt der sonstige Grundsatz der Amtswegigkeit des außerstreitigen Verfahrens hier nicht.

Eine derartige Regelung der Beweisführungslast – sie nimmt auch auf den Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie Bedacht – ist keine Besonderheit des vorliegenden Entwurfs; auch andere außerstreitige „Antrags­verfahren“ kennen ähnliche Regelungen. Ebenso ist die „Umkehr der Beweislast“ in den Verfahren gemäß § 5 Abs. 1 DMSG und § 3 Abs. 2 AusfVKG verankert.

Zu § 13:

Die Begriffe „Eigentümer“ und „Besitzer“ werden (wie schon zu § 2 ausgeführt) gemäß der österreichischen Rechtsordnung (gemäß dem ABGB) gebraucht, nicht im Sinne der hievon etwas abweichenden Definition des Art. 1 Z 6 und 7 der Richtlinie. (Demgemäß etwa spricht die Richtlinie in ihrem Art. 9 lediglich von „Eigentümer“ was aber – unter Zugrundelegung der Definition des Art. 1 Z 6 – für den Eigentümerbegriff des ABGB zu weit ist und aus diesem Grunde in das Umsetzungsgesetz der „Besitzer“ aufzunehmen ist.)

Hiezu wäre weiters auszuführen:

1. Abs. 1 soll insbesondere Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie umsetzen, nach dem der „Eigentümer“, wenn er „beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist“, eine angemessene Entschädigung erhalten soll. Unter dem „Eigentümer“ versteht Art. 1 Z 6 der Richtlinie (wie bereits oben als Punkt 5. zu § 9 Abs. 1 bemerkt) „die Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut für sich selbst ausübt“, eine Definition, die von der Definition des ABGB abweicht und in der österreichischen Rechtsordnung sowohl den Eigentümer als auch den Besitzer betreffen kann. Im Sinne der Umsetzung in die österreichische Rechtsordnung gilt daher der Begriff des „Eigentümers“ und „Besitzers“ im vorliegenden Gesetz gemäß den Begriffsbestimmungen des ABGB und nicht der Richtlinie.

2. „Eigentümer“ im Sinne des Art. 1 Z 6 der Richtlinie wird in erster Linie der Sachbesitzer nach § 309 ABGB sein; die vom ersten Satz dieser Bestimmung verlangte „Macht oder Gewahrsame“ über eine Sache entspricht dem Begriff der „tatsächlichen Sachherrschaft“ über das Kulturgut (Art. 1 Z 6 der Richtlinie). Dem Sachbesitzer soll daher auch – dies sieht § 13 Abs. 1 vor – eine Entschädigung zukommen, wenn er die nunmehr zurückverlangte Sache nach ihrer unrechtmäßigen Verbringung erworben hat und im übrigen hiebei mit der „erforderlichen Sorgfalt“ vorgegangen ist (siehe unter Punkt 3).

Darüber hinaus soll in dem Fall, in dem das Eigentum (im Sinne der §§ 353 ff. ABGB) und der Sachbesitz am Kulturgut auseinanderfallen, weil ein gestohlenes Kulturgut direkt vom Dieb oder Hehler herausverlangt wird, dem Eigentümer (nach der lex rei sitae) eine Entschädigung zustehen. Dies erklärt sich aus Art. 15 der Richtlinie, nach der ein Herausgabeanspruch des Eigentümers eines gestohlenen Kulturguts dem Rückgabeanspruch eines Mitgliedstaats vorgehen soll; ein Eigentümer eines gestohlenen Kulturguts wird dadurch – im Ergebnis – so gestellt, als ob sich das Kulturgut schon jetzt in seinem Sachbesitz befände. Freilich kann eine Entschädigung nur dann zuerkannt werden, wenn der Eigentümer des Kulturguts bekannt oder zumindest leicht feststellbar ist, eine Entschädigung beantragt hat und im übrigen mit der erforderlichen Sorgfalt beim Erwerb der unrechtmäßig verbrachten Sache vorgegangen ist.

3. Aus dem Sinn und der gesamten Zielrichtung der Richtlinie ergibt sich, daß die von dieser als Voraussetzung für eine Entschädigung verlangte „erforderliche Sorgfalt beim Erwerb“ nur auf die Zulässigkeit der Verbringung des Kulturguts aus dem ersuchenden Mitgliedstaat gerichtet sein kann; sie steht mit dem „guten Glauben“ an das Eigentum desjenigen, von dem das Kulturgut erworben wurde, nicht unmittelbar im Zusammenhang. Unter der „erforderlichen Sorgfalt“ versteht die Richtlinie wohl eine von der konkreten Person des Erwerbers losgelöste „objektive Bedingung“, die aber doch von den näheren Umständen des Erwerbs, etwa der Art des Kulturguts, dem bezahlten Preis, dem Ort des Erwerbs, dem „Ruf“ des Verkäufers (Händler, Versteigerungshaus aber auch Privatmann) usw. abhängen wird.

In diesem Sinne wird auch der Begriff der „erforderlichen Sorgfalt“ in Abs. 1 zu verstehen sein. An die „erforderliche Sorgfalt“ wird – ganz allgemein – kein zu strenger Maßstab anzulegen sein. Ansonsten käme es nämlich zu einer unzumutbaren Belastung des Geschäftsverkehrs mit Fragen, die für den Erwerber nicht im entferntesten mehr als mit dem Kulturgut eines Mitgliedstaats in Zusammenhang stehend bedacht werden können; dies vor allem wenn man bedenkt, daß es dem Erwerber eines Kulturguts im Zeitpunkt des Erwerbs oftmals gar nicht möglich sein wird, zu erkennen, ob es sich bei der erworbenen Sache um ein Kulturgut des nunmehr ersuchenden Staats handeln könnte. Andererseits wird die „Geheimhaltung“ der Herkunft eines Kulturguts gegenüber dem Käufer – wie dies Antiquitäten­händler in der Regel aus geschäftlichen Interessen zu tun pflegen – kaum mehr aufrecht zu erhalten sein. Dies umso weniger, als auch Anträge auf Ausfuhrgenehmigung bereits als wesentlich zu beantwortende Frage die „Herkunft“ (zumindest das „Herkunftsmitgliedland“) enthalten.

4. Die Richtlinie spricht von einer „im jeweiligen Fall ..... angemessen(en)“ Entschädigung und betont damit deren Subjektbezogenheit. Eine Entschädigung wird sich daher an der Einbuße zu orientieren haben, die ein Entschädigungsberechtigter (Eigentümer oder Sachbesitzer) durch die Rückgabe des Kulturguts in seinem Vermögen erleidet. Primär wird sich diese Entschädigung also danach zu orientieren haben, welchen Preis der zu Entschädigende für den Erwerb des Kulturguts geleistet hat und welcher weitere Aufwand ihm aus dem Erwerb und der Erhaltung des Kulturguts erwachsen ist (einschließlich Zinsen für das aufgewendete Kapital).

Bei der Bemessung der Entschädigung des Eigentümers oder des Sachbesitzers wird auch zu berück­sichtigen sein, ob der Eigentümer bzw. Sachbesitzer etwaigen Ersatzansprüchen von Personen ausgesetzt ist, die an der Sache dinglich oder obligatorisch berechtigt sind (etwa Fruchtgenußberechtigte, Pfandnehmer, Mieter oder Entlehner).

Schließlich wird bei der Entschädigungsbemessung darauf Bedacht zu nehmen sein, ob ein Eigentümer des Kulturguts auch nach der „materiellen Rückkehr des Kulturguts in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaats“ dessen Eigentümer bleibt (Art. 12 der Richtlinie) und dieses daher im ersuchenden Staat wiederum – entgeltlich oder unentgeltlich – herausverlangen kann.

5. Aus der Wendung „es sei denn, daß ....“ im letzten Halbsatz des Abs. 1 ergibt sich, daß die Beweislast hinsichtlich der Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt den ersuchenden Mitgliedstaat trifft.

Zu Abs. 2:

Dieser entspricht der durch Art. 9 Abs. 3 und 4 der Richtlinie vorgegebenen Regelung.

Zu § 14:

Zu Abs. 1:

Die Richtlinie enthält keine Hinweise auf die Frage der Verfahrenskosten. Dieser Bereich wird im Sinne der Subsidiarität von den einzelnen Mitgliedstaaten nach der lex fori zu regeln sein. Auf Grund der mit einer Rückgabe verbundenen Einbußen für den Eigentümer empfiehlt es sich, im vorliegenden Zusammenhang von dem im Außerstreitverfahren sonst maßgeblichen Grundsatz, wonach jede Partei ihre Kosten selbst zu tragen hat, abzugehen. Statt dessen soll der ersuchende Mitgliedstaat verpflichtet werden, dem Antragsgegner und auch weiteren Verfahrensbeteiligten (etwa dem Eigemtümer, der auf Grund der in § 9 Abs. 1 vorgesehenen Regelung nicht zugleich Antragspartner ist) die zur zweck­entsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung aufgewendeten Kosten zu ersetzen. Der Kosten­ersatzanspruch umfaßt in Anlehnung an die jüngere Rechtsprechung zum Enteignungsverfahren (vgl. OGH 19. 12. 1986, SZ 59/229) auch die Kosten der Vertretung der anderen Verfahrens­beteiligten durch berufsmäßige Parteienvertreter. Ähnlich wie im Fall der Entschädigung, erscheint ein solcher Kostenersatzanspruch aber dann nicht gerechtfertigt, wenn der betreffende Verfahrensbeteiligte nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen ist.

Beteiligter ist – schon allein zur Wahrung des öffentlichen Interesses – auf jeden Fall die Republik Österreich (siehe auch § 10 Abs. 4 und die Erläuterungen hiezu).

Dem ersuchenden Mitgliedstaat steht ein Kostenersatzanspruch in keinem Fall zu.

Zu Abs. 2:

§ 13 Abs. 2 setzt Art. 10 der Richtlinie um. Die Fortsetzung der mit der Rückgabe des Kulturguts voraussichtlich verbundenen Aufwendungen (zB Speditionskosten, Kosten der Wiederherausnahme eines bereits „eingebauten“ Kulturgutes) und der mit der physischen Erhaltung des Kulturgutes verbundenen Kosten (siehe § 8) sollte zweckmäßigerweise ebenfalls dem Gericht zukommen.

Beteiligter, der die Kosten für Sicherungsmaßnahmen getragen hat, wird im allgemeinen die Republik Österreich sein.

Zu Abs. 3:

Auch wenn dies in Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie nicht ausdrücklich gesagt wird, soll – dem Gedanken dieser Bestimmung entsprechend – die Rückgabe des Kulturguts nur Zug um Zug gegen die Zahlung der Entschädigung erfolgen. Da der ersuchende Mitgliedstaat nach Abs. 1 und 2 ferner zur Zahlung der Verfahrenskosten und der einem Verfahrensbeteiligten erwachsenen Aufwendungen verhalten ist, ist die Rückgabeverpflichtung auch an die Einrichtung dieser „Nebengebühren“ (die im Einzelfall ein beträchtliches Ausmaß erreichen können) zu binden. Auf solche Art lassen sich insbesondere allfällige Schwierigkeiten bei der Vollstreckung der Entscheidung des Gerichtes über die vom ersuchenden Mitgliedstaat zu leistenden Beträge vermeiden.

Zu § 15:

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll im wesentlichen Art. 15 der Richtlinie umgesetzt werden.

Zu Abs. 1:

Dieser Absatz sieht daher vor, daß ein Herausgabeanspruch des Eigentümers eines gestohlenen Kulturguts dem Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates vorgehen soll.

Zu Abs. 2:

Die in Abs. 2 vorgesehene Möglichkeit der Unterbrechung eines außerstreitigen Rückgabeverfahrens ergibt sich als verfahrensrechtliche Konsequenz aus Abs. 1; sie entspricht dem Grundsatz der Verfahrens­ökonomie.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 soll den Vorrang strafrechtlicher Maßnahmen, die ein zurückverlangtes Kulturgut betreffen, sicherstellen.

Zu § 16:

Diese Bestimmung regelt, wann österreichisches Kulturgut als „nationales Kulturgut“ im Sinne dieses Gesetzes gilt.

Da gemäß Art. 1 Z 1 erster Absatz der Richtlinie „Kulturgut“ auch erst nach seiner unrechtmäßigen Verbringung als „nationales Kulturgut“ eingestuft werden kann, ist daher auch die in diesem Paragraphen normierte bescheidmäßige Feststellung des „öffentlichen Interesses“, das heißt, die Unterschutzstellung des unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes nach seiner Verbringung möglich, auch wenn im Sinne des DMSG im Hinblick darauf, daß sich das Kulturgut – zumindest zur Zeit – nicht innerhalb des Hoheits­gebiets der Republik Österreich befindet, mit Ausnahme des „Rückgabeanspruches“ eine Durchsetzung der Beschränkungen des Denkmalschutzgesetzes bis zur „Rückgabe“ nicht möglich sein wird.

Zu bemerken ist, daß das Verfahren zur Unterschutzstellung beweglicher Denkmale nicht nur an den Eigentümer gebunden ist, sondern jede gemäß § 8 AVG in Frage kommende Partei Parteistellung haben kann. Eine Beschränkung auf einen engen Personenkreis im Falle der bereits erfolgten Ausfuhr ist im Interesse eines zeitmäßig limitierten Verfahrens unabdingbar notwendig.

Im übrigen schafft das Umsetzungsgesetz zur Ermöglichung der Geltendmachung von „Rückgabe­ansprüchen“ Verfahrensvorgänge, die im Denkmalschutzgesetz so nicht vorgesehen sind. Eine Abkopplung der Beurteilung vom Denkmalschutzgesetz bei der Beurteilung der Bedeutung des Kulturgutes soll aber verhindert werden (siehe auch die Ausführungen über nationales Kulturgut oben zu § 2 Abs. 1).

Zu § 17:

Im Hinblick auf die notwendige Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit erfolgt entgegen § 5 die Feststellung der geschützten öffentlichen Sammlungen, auch wenn es sich um Archive handelt, durch den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, und zwar über Vorschlag des Archivamtes und im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler.

Zu § 18:

Zu Abs. 3:

Öffentliches und kirchliches Kulturgut unterliegt in Österreich besonderen Schutzregelungen, weshalb dafür der Rückgabeanspruch erst nach 75 Jahren erlischt (siehe auch oben zu § 11 Abs. 2).

Zu § 19:

Zu Abs. 1:

Die Bestimmung entspricht (gemeinsam mit den Regelungen der §§ 13 und 22) den Kostenregelungen des Art. 4 Z 4 sowie der Art. 10 und 11 der Richtlinie.

Der „Verantwortliche“ für „unrechtmäßig“ bzw. „widerrechtlich“ verbrachtes Kulturgut gemäß Art. 11 der Richtlinie ist tatsächlich Schuldtragender.

Zu Abs. 2:

Die Bestimmung entspricht dem § 10 Abs. 1 vorletzter Satz AusfVKG.

Zu § 20:

Zu Abs. 1:

Die Bestimmung setzt Art. 12 der Richtlinie um, wonach die Frage des Eigentums nach der Rückgabe des Kulturguts sich nach dem Recht des ersuchenden Staates bestimmt (zu beurteilen ist). Mit dieser Bestimmung will die Richtlinie Erwerbsvorgänge, die bereits vor der Rückgabe stattgefunden haben, nach einem anderen Recht als der international üblicherweise zur Anwendung berufenen lex rei sitae, nämlich nach dem Recht des ersuchenden Staates (lex originis) beurteilt sehen. Im Ergebnis soll also ein Erwerb des Eigentums nach der lex rei sitae, also nach dem Recht des Staates, in dem sich die Sache im Zeitpunkt des Erwerbs befunden hat, der nach der lex originis nicht möglich gewesen wäre (etwa weil danach gutgläubig das Eigentum an der gestohlenen Sache nicht erworben werden kann oder weil die Sache extra commercium gestellt ist) nicht anerkannt werden.

Die Bestimmung soll helfen, die verletzte Rechtsordnung des ersuchenden Mitgliedstaats durchzusetzen und zB verwaltungsrechtliche Veräußerungsverbote international wirksam zu machen. (Hier sei auch die Bestimmung des § 6 Abs. 5 Denkmalschutzgesetz erwähnt, wonach die freiwillige Veräußerung einzelner Gegenstände aus einer Sammlung, die als Einheit unter Denkmalschutz gestellt wurden, ohne Bewilligung des Bundesdenkmalamtes nicht nur verboten ist, sondern überdies gemäß § 879 ABGB ausdrücklich für nichtig erklärt wird.)

Diese „Nichtanerkennung“ von Erwerbstiteln durch Abweichung von der herkömmlichen Verweisung auf die lex rei sitae soll aber nicht unbeschränkt sein.

           a) Einen Erwerb vor der unrechtmäßigen Verbringung anders als gewöhnlich anzuknüpfen besteht kein Grund; regelmäßig ist die lex originis zugleich die lex rei sitae; wenn das Kulturgut rechtmäßig in das Ausland gelangt ist, dann besteht kein Durchsetzungsbedürfnis der lex originis.

          b) Nach der Rückgabe ist eine gesonderte Anknüpfung ebenfalls nicht erforderlich: lex originis ist zugleich die lex rei sitae; alle weiteren Erwerbe können wieder „normal“ angeknüpft werden. Die lex originis soll nicht das gesamte weitere sachenrechtliche Schicksal prägen. Dies würde den Rechtsverkehr zu stark behindern. Einer Sache ist nicht anzusehen, ob sie einmal (ein langer Beurteilungszeitraum kann in Frage kommen) bereits der Rückgabe unterlegen ist. Art. 12 der Richtlinie will auch nicht jeden weiteren – üblicherweise beachtlichen – Statutenwechsel für unbeachtlich erklären.

§ 20 schränkt daher den zeitlichen Geltungsbereich der Kollisionsnorm auf Sachverhalte ein, die sich zwischen der unrechtmäßigen Verbringung und der Rückgabe vollendet haben.

Die Sonderkollisionsnorm kann sinnvollerweise nur eine Sachnormverweisung sein. Wegen der international einheitlichen Verweisung im Sachenrecht auf die lex rei sitae wäre die Sonderkollisionsnorm sonst sinnlos. Im Wege der Gesamtverweisung wäre wieder die lex rei sitae und nicht die lex originis maßgebend. § 20 verwendet daher den Begriff der „Sachnorm“, der etwa auch in § 46 IPR-Gesetz vorkomt. Sachnormen sind alle materiellen Bestimmungen und umfassen nicht die IPR-Normen.

Die Bestimmung muß auf den Erwerb und Verlust des Eigentums abstellen, sonst käme es zu Spannungen zu § 32 IPR-Gesetz. Außerdem gibt es nur in Ausnahmefällen einen Erwerb ohne gleichzeitigen Verlust des Eigentums.

Andere dringliche Rechte als das Eigentum sind von der Regelung nicht umfaßt. Das Pfandrecht zB wird auch nach der Rückgabe nach der lex rei sitae beurteilt. Als Folge des durch die Bestimmung bewirkten Statutenwechsels für das Eigentum kann aus einem Pfandrechtserwerb vom Eigentümer im nachhinein nach der Rückgabe ein Pfandrechtserwerb vom Nichteigentümer werden.

Mit der Bestimmung wird nur das Recht eines EU-Mitgliedstaates zur Anwendung berufen, weil auch der Tatbestand nur erfüllt sein kann, wenn die Rückgabe nach diesem Gesetz, also an einen EU-Mitgliedstaat geschehen ist. Die Bestimmung ist unabhängig davon anzuwenden, ob Österreich an dem Rückgabeverfahren beteiligt war, ob Österreich also ersuchter oder ersuchender Staat war oder sonst ein Bezug zu Österreich besteht. So wäre die Sonderkollisionsnorm auf die Beurteilung des Eigentums­erwerbs anzuwenden, der etwa zwischen der unrechtmäßigen Verbringung des Kulturguts von Frankreich nach Belgien und der Rückgabe an Frankreich liegt.

Es liegt in der Natur der Bestimmung – und dies ist auch beabsichtigt –, daß ihre Anwendung zu einer Änderung der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts führt, der sich schon vor dem die Anknüpfung auslösenden Ereignis (die Rückgabe) ereignet hat. In diesem Sinn hat die Bestimmung rückwirkenden Charakter.

Im Endergebnis ist selbstverständlich möglich, daß das Kulturgut sich im Ausland befindet, der Eigentümer seinen Wohnsitz aber im Inland hat und umgekehrt.

Zu Abs. 2:

Die Verfallsbestimmung entspricht § 14 Abs. 1 Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut.

Zu § 21:

Die Strafbestimmungen des § 12 AusfVKG bleiben jedoch weiterhin beachtlich.

Finanzielle Auswirkungen

Die finanziellen Auswirkungen können derzeit nur sehr vorsichtig geschätzt werden und sind eigentlich derzeit noch nicht absehbar, weil die Richtlinie noch nicht „eingespielt“ ist. So haben etwa Deutschland und Italien – von letzterem sind im Hinblick auf die gewaltigen Kunst- und Archäologiediebstähle ganz besonders oft zumindest Anträge auf Hilfestellung zu erwarten – die Umsetzung noch nicht vorge­nommen. (Italien verständigt dennoch seit einiger Zeit den österreichischen Zoll bereits von jeder nur vorübergehend gewährten Ausfuhrgenehmigung.)

Darüber hinaus waren bisher die für die Rückholung von widerrechtlich ausgeführtem Kulturgut möglichen Rückholungen (etwa im Rahmen des § 10 Ausfuhrverbotsgesetz) auf ganz normale „Rückkäufe“ von Händlern oder bei Versteigerungen beschränkt. Außer bei Diebstahl war eine Hilfe­stellung ausländischer staatlicher Dienststellen nicht zu erwarten.

Nun aber besteht sehr wohl neben der Pflicht Österreichs zu – zwangsweiser – Herausgabe wider­rechtlich hereingekommenen Kulturgutes ein Recht Österreichs auf Zurückerhalt widerrechtlich in ein anderes EU-Mitgliedsland verbrachten Kulturguts.

Dies aber legt dem Bundesdenkmalamt gleichermaßen wie dem Archivamt – beide zugleich „Zentrale Stellen“ im Sinne der Richtlinie – die Pflicht auf, ständig alles zu unternehmen, um widerrechtlich aus Österreich ausgeführtes Kulturgut von entsprechender Bedeutung im gesamten EU-Raum soweit als eben möglich „aufzuspüren“ und Rückgabeanträge zu stellen.

All dies erfordert eine intensive Beobachtung des gesamten einschlägigen europäischen Kunst- und Antiquitätenmarktes in Form der Durchsicht aller Versteigerungs- und Verkaufsausstellungskataloge sowie der einschlägigen Versandkataloge, aber auch des übrigen Kunstmarktes, sicherlich auch unter Heranziehung von Vertrauensleuten im gegenseitigen internationalen Hilfsverfahren. Würde das Bundesdenkmalamt diese Überwachungstätigkeit nicht ausüben, es würde seine Pflicht als Denkmalamt und „Zentraler Stelle“ nicht nachkommen. Es muß daher pflichtgemäß trachten, alles widerrechtlich ausgeführte Kulturgut von nationalem Interesse soweit als möglich nach Österreich zurückzuholen. (Eine Vorgangsweise, die selbstverständlich umgekehrt auch von vielen anderen Ländern gegenüber Österreich zu erwarten ist.)

Es kann davon ausgegangen werden, daß die für die Rückholung von österreichischem Kulturgut notwendigen Maßnahmen mit dem derzeitigen Personalstand – durch Umorganisierung – voraussichtlich durchgeführt werden können.

Völlig ungewiß ist jedoch noch der Arbeitsaufwand, der durch Anträge anderer Mitgliedstaaten auf Rückgabe oder Hilfestellung entstehen wird, da der diesbezügliche Umfang von Österreich nicht gesteuert werden kann, sondern von den von den anderen EU-Mitgliedstaaten auf Grund der Richtlinie an Österreich herangetragenen Begehren abhängig ist.

Auf jeden Fall aber muß mit Aufwandskrediten für die Anschaffung von Katalogen und Fachliteratur, Abschluß von Werkverträgen sowie weiters für Reisekosten (Besichtigungen an Ort und Stelle!) von einer Million Schilling gerechnet werden.

Bei der Rückholung von Kulturgut nach Österreich könnte es weiters durchaus zu entsprechenden Zahlungsverpflichtungen kommen, von denen aber zu hoffen ist, daß sie im Regreßweg von den jeweils Schuldtragenden wieder hereingebracht werden.

Jede konkrete Berechnung, und dies sei hier ausdrücklich betont, müßte aber mangels konkreter Erfahrungswerte vor allem bei der Stellung von Forderungen an Österreich unseriös bleiben.

In diesem Zusammenhang wäre auch noch ein abschließendes Wort zur rechtlichen Stellung und damit zur Aufgabenstellung des Bundesdenkmalamtes (und selbstverständlich gleichermaßen des Archivamtes) notwendig:


Beim Bundesdenkmalamt handelt es sich primär um ein Amt, das den Schutz des österreichischen Kulturgutes (der geschützten österreichischen beweglichen und unbeweglichen Denkmale) nach dem Gesetz in Hoheitsverwaltung optimal wahrzunehmen hat, also um eine Behörde, der dementsprechend alle Rechte und Pflichten einer Behörde zukommt. Der Umstand, daß vor allem das Bundes­denkmalamt verschiedene wissenschaftliche Hilfseinrichtungen für seine amtliche Tätigkeit benötigt und sich daher auch mit Denkmalforschung und Denkmalpflege befassen muß, führt bedauerlicherweise immer wieder zur Fehlannahme, es handle sich gleichsam um ein wissenschaftliches „Denkmal­pflegeinstitut“; dieser Irrtum ist zum Teil so massiv vorhanden, daß in letzter Zeit sogar schon der Gedanke auftauchte, das Bundesdenkmalamt könnte „privatisiert“ werden.

Der der Bundeskompetenz anvertraute Schutz des kulturellen Erbes (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG: „Denkmalschutz“), so wie ihn das Bundesdenkmalamt gleichermaßen wie das Archivamt in erster Instanz wahrzunehmen haben – also Schutz vor Zerstörung, vor Veränderung und vor Verbringung des Kulturgutes – schließt auch die Pflicht ein, widerrechtlich ausgeführtes Kulturgut von öffentlichem (nationalem) Interesse nach Österreich zurückzubringen, andererseits aber auch widerrechtlich erhobene Forderungen auf Rückgabe eines solchen Kulturgutes in einen anderen „ersuchenden Staat“ abzuwehren.

Es liegt also nicht im Belieben dieser Ämter, sich um die Rückholung von Kulturgut zu kümmern, sie sind vielmehr jene Behörden, die das staatliche Interesse an der Erhaltung des Kulturguts (und damit auch allenfalls seine Rückbringung, wenn es widerrechtlich ausgeführt wurde) im Rahmen der Gesetze hoheitsrechtlich zu verfolgen und durchzusetzen haben. Zu diesem Zweck müssen diesen beiden Behörden auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie diesen Aufgaben umfassend im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nachkommen können. Immerhin ist Österreich (die „Zentralen Stellen“) auf Grund der Richtlinie darüber hinaus auch zur Hilfeleistung bei der Suche durch andere Mitgliedstaaten verpflichtet.