797 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (651 der Beilagen): Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte


Mit dem Abschluß des Europa-Abkommens wurde die Republik Slowenien voll in die vom Europäischen Rat in Essen (Dezember 1994) für die assoziierten Staaten Mittel- und Osteuropas und die baltischen Staaten beschlossene Vorbeitrittsstrategie einbezogen, die einen institutionalisierten politischen Dialog auf multilateraler Ebene sowie konkrete Vorbereitungen im Hinblick auf eine spätere Teilnahme am Binnenmarkt umfaßt (Weißbuch für die Integration in den Binnenmarkt, Einbeziehung in die diagonale Ursprungskumulierung mit den Staaten der EU und der EFTA, Öffnung der Gemeinschaftsprogramme für Slowenien usw.).

Die wirtschaftlichen Bestimmungen des gegenständlichen Europa-Abkommens ersetzen mit seinem Inkrafttreten das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Slowenien vom 5. April 1993, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl.) Nr. L 189 vom 29. Juli 1993, S 2, sowie das gleichfalls am 5. April 1993 unterzeichnete Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Republik Slowenien andererseits.

Nach Erteilung des Verhandlungsmandates durch den Rat Allgemeine Angelegenheiten am 6. März 1995 fanden in den Monaten März bis Juni 1995 Verhandlungen statt, die zur Paraphierung des Abkommens am 15. Juni 1995 führten. Die Unterzeichnung des Abkommens wurde in weiterer Folge nicht auf die Tagesordnung des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ gesetzt.

Anläßlich der Verabschiedung des Verhandlungsmandates hat sich Slowenien verpflichtet, sein Liegen­schaftsrecht so zu gestalten, daß auch Bürger der Europäischen Union als Privatpersonen Grund erwerben können. Die slowenische Regierung legte im Juni 1995 sowie nach Rücksprache mit der Europäischen Kommission im November 1995 entsprechende Vorschläge vor. Die Liberalisierung des Grunderwerbes bzw. die Anpassung an den acquis communautaire wurde am 11. April 1996 vom Parlament der Republik Slowenien in einem Grundsatzbeschluß bewilligt. Sie findet in einem integrierenden Abkommensbestandteil bildenden Briefwechsel betreffend Artikel 64 Absatz 2 des Assoziationsabkommens: „Recht auf Eigentumserwerb“ (Anhang XIII) Niederschlag.

Die Unterzeichnung des Europa-Abkommens erfolgte anläßlich des Rates Allgemeine Angelegenheiten am 10. Juni 1996 in Luxemburg.

Ziel des Abkommens ist es, einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zu schaffen, eine Freihandelszone zwischen der Gemeinschaft und Slowenien zu entwickeln, die gegenseitige Ausweitung des Handels zu fördern, die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichen, finanziellem, kulturellem und sozialem Gebiet zu vertiefen, die Wirtschaft Sloweniens zu unterstützen sowie die stufenweise Integration Sloweniens in die Europäische Union herbeizuführen. Die Achtung der demokratischen Prinzipien und der Menschenrechte stellt ein grundlegendes Element des Abkommens dar.

Der politische Dialog soll die schrittweise Annäherung Sloweniens an die Europäische Union, die Zusammenarbeit im Bereich der GASP sowie die Sicherheit und Stabilität in Europa fördern.

Im Bereich des Warenverkehrs sehen die Vertragsparteien die schrittweise Errichtung einer auf den Grundsätzen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT 1994) sowie des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) beruhende Freihandelszone bis zum 1. Jänner 2001 vor. Antidumping- und Safeguard-Maßnahmen sind vorgesehen.

Die Gemeinschaften und Slowien bezwecken mit diesem Abkommen eine größere Liberalisierung des Handels. Es ersetzt die einseitigen Handelspräferenzen des Kooperationsabkommens 1993, in welchem die EG ihren Markt für Erzeugnisse mit Ursprung Slowenien im Wege von Präferenzkontingenten und Zollplafonds öffnet, während Slowenien der EG lediglich Meistbegünstigung gewährt. Die handels­politischen Bestimmungen der Europa-Abkommen basieren auf dem Prinzip der asymmetrischen Markt­öffnung zugunsten der MOEL. Eingedenk der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung Sloweniens ist diese Asymmetrie im vorliegenden Abkommen jedoch weniger stark ausgeprägt als in den anderen Europa-Abkommen.

Verglichen mit dem Abkommen aus 1993 schafft das gegenständliche Abkommen für die europäischen Gemeinschaften wesentlich günstigere Rahmenbedingungen für den Handel. Insbesondere wird dadurch die gegenüber den EFTA-Staaten – die ein Freihandelsabkommen mit Slowenien abgeschlossen haben – entstandene Zolldiskriminierung beendet, Slowenien verpflichtet sich, seine Zölle – etwa im Bereich der landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte – erheblich zu senken.

Im Falle ernster Zahlungsbilanzschwierigkeiten können von der sich in Schwierigkeiten befindlichen Vertragspartei zeitlich begrenzte restriktive Maßnahmen gesetzt werden. Im Bereich der Freizügigkeit gilt inländisches Recht. Die Niederlassungsbestimmungen des Abkommens sehen ab Inkrafttreten Meistbegünstigung vor. Ausnahmen sind seitens Sloweniens für bestimmte Gewerbe wie Finanz-, Versicherungs- und Sicherheitsdienstleistungen während einer Übergangsfrist von zwei bis sechs Jahren vorgesehen. Im Bereich des Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs ist eine schrittweise Liberalisierung beabsichtigt.

Das Abkommen sieht ein Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Praktiken im Sinne von Artikel 85 EG-V, der Ausnutzung der Monopolstellung im Sinne von Artikel 86 EG-V sowie von unzulässigen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EG-V vor. Bezüglich der Kohle- und Stahlprodukte kommen die Bestimmungen des EGKS-V sinngemäß zur Anwendung.

In Anerkennung der Bedeutung der Angleichung der Gesetzgebung Sloweniens an jene der Gemeinschaft für die wirtschaftliche Integration Sloweniens sieht das Abkommen auf diesem Gebiet eine technische Hilfestellung durch die Gemeinschaften in Form des Austausches von Experten, der Organisation von Seminaren und dergleichen vor. Im Rahmen der wirtschaftlichen Kooperation sieht das Abkommen eine umfassende Zusammenarbeit ua. auf den Gebieten Industrie, Investitionen, Klein- und Mittelbetriebe, Wissenschaft und Technologie, Erziehung und Ausbildung, Landwirtschaft und Fischerei, Energie, nukleare Sicherheit, Umwelt, Transport, Telekommunikation und Informationstechnologien, Finanz­dienstleistungen, Zollwesen und Tourismus vor.

In einer gemeinsamen Erklärung zu Artikel 81 (Nukleare Sicherheit) bekräftigen die Vertragspartner ihren Willen, größtmögliche Betriebssicherheit und Umweltverträglichkeit des Atomkraftwerks Krško zu gewährleisten sowie ein effektives Frühwarnsystem zu errichten. Auf Initiative Österreichs konnte eine Erklärung dieser Art erstmals in einem Europa-Abkommen verankert werden.

Zusätzlich wurde der Abkommenstext über die Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit verstärkt.

Darüber hinaus legt das Abkommen eine Zusammenarbeit zur Verhinderung illegaler Aktivitäten wie Drogenhandel und Geldwäscherei fest.

Durch das Abkommen wird ein Assoziationsrat geschaffen, der einmal jährlich auf Ministerebene zusammentritt und die Durchführung des Abkommens überwacht. Er setzt sich aus den Mitgliedern des Rates der EU und Mitgliedern der Europäischen Kommission einerseits und Mitgliedern der Regierung Sloweniens andererseits zusammen. Des weiteren setzt das Abkommen einen Parlamentarischen Assozia­tionsausschuß und einen Assoziationsausschuß auf Beamtenebene ein. Dieser institutionelle Rahmen gewährleistet einen umfassenden bilateralen Dialog.

Das Abkommen wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von jeder Vertragspartei gekündigt werden, wobei die Kündigung sechs Monate nach entsprechender Notifizierung wirksam wird.

Da das Abkommen neben in der Kompetenz der Gemeinschaften liegenden Materien auch Bereiche regelt, für die die Mitgliedstaaten zuständig sind, wird es als sogenanntes gemischtes Abkommen geschlossen und bedarf dementsprechend auf der EU-Seite neben der Genehmigung durch die Gemein­schaften auch der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten.

Das Abkommen hat – soweit es in die Vertragsabschlußkompetenz der Mitgliedstaaten fällt – gesetz­ändernden bzw. gesetzesergänzenden sowie politischen Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 B-VG. Es ist der unmittelbaren Anwendung im inner­staatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodaß eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Es enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anläßlich der Genehmigung des vorliegenden Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, daß das Abkommen samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen ist, daß es zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 1. Juli 1997 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Wolfgang Jung, Herbert Scheibner, Ingrid Tichy-Schreder, Dr. Martina Gredler und Dipl.-Kfm. Holger Bauer sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Im vorliegenden Fall hält der Außenpolitische Ausschuß die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages für entbehrlich.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluß des Staatsvertrages Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte (651 der Beilagen) wird genehmigt.

           2. Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung dieses Staatsvertrages dadurch zu erfolgen, daß er samt Anhängen und Protokollen in allen authentischen Sprachfassungen zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Wien, 1997 07 01

                                   Dr. Josef Cap                                                                    Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann