6474/J XX.GP

 

                                                               ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend sogenannter „Anderl - Feiern"

 

 

Am 18. Juli dieses Jahres wollen wieder zahlreiche Anhänger der Ritualmordlegende über den

Anderl von Rinn nach Tirol pilgern, um ihrem angeblich von Juden zu Tode gemarterten

„Märtyrer“ zu gedenken. Letztes Jahr, am 12. Juli 1998, waren laut Medienberichten etwa

400 Personen trotz des Verbotes des Vatikan und der Diözese Innsbruck zu dieser „Feier"

gekommen.

Ein Sprachrohr dieser Unbeirrbaren stellt der Anderl - Bote des Kaplans i. R. Gottfried Melzer

dar. Melzer wurde in Zusammenhang mit der von ihm herausgegebenen Broschüre

„Ritualmord und Hostienschändung als Werke des Hasses der Gegenkirche“ am 2. März

dieses Jahres vom Landesgericht Steyr wegen Verhetzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe

von 6 Monaten verurteilt.

Neben Berichten über die Wundertätigkeit des Anderl findet sich in der Ausgabe 1998 des

Anderl - Boten u. a. eine Chronologie der Ereignisse rund um die Äußerungen Robert Prantners

in Zur Zeit (5. - 11. 12. 1997). Dort wärmte der mittlerweile emeritierte Theologe die

Ritualmordlegende vom Anderl auf, was ihm eine Verurteilung durch den Österreichischen

Presserat einbrachte. Eine Anzeige wegen des Verdachtes der Verhetzung (§283 StGB) wurde

am 7. Juli 1998 von der Staatsanwaltschaft Wien zurückgelegt.

Aus der Einleitung zur Chronologie geht darüber hinaus hervor, daß Prantner im Jänner des

letzten Jahres bei der Volksbewegung für sittliche und soziale Erneuerung (VBSSE) referiert

hat. Die zunächst vom Innenministerium untersagte VBSSE konnte erst nach einem

gegenteiligen Urteil des Verfassungsgerichtshofes 1982 mit ihrer Betätigung beginnen.

Maximilian Baumgartner, Kopf der VBSSE, will „unser Volk, unsere Kinder sowie unsere

christlich - abendländische Kultur vor Sittenzerstörung und Kulturzersetzung seitens

widergöttlicher und die Kraftquellen der Völker schädigenden Mächte“ retten. „Die VBSSE“,

heißt es in deren Flugblatt weiter, „demaskiert das völkerverderbende Wirken der Freimaurer,

beleuchtet die unheilvollen Auswirkungen der Zinsknechtschaft“ und möchte die

„Arbeiterschaft (...) für eine wahre soziale Volksgemeinschaft gewinnen.“ An anderer Stelle

schreibt Baumgartner: Die „Zionisten und ihre Kollaborationspartner (starteten) eine

antideutsche Propagandawelle mit Greuellügen übelster Art.“ Sein „Erkennen des

Weltfeindes“ gipfelt in der Feststellung: „Die internationale, volksfremde Geldmacht herrscht

schrankenlos“. (Mitteilungsblatt Nr. 2 der VBSSE)

Kaplan Melzer berichtete, daß Baumgartner, der „wichtiges Material für das Anderlbuch zur

Verfügung gestellt hatte (...), von der Kriminalpolizei einem strengen Verhör“ zu den

Briefbomben unterzogen wurde. Auch Prantner findet hier ein weiteres mal Erwähnung,

nämlich als Vortragender beim heurigen „Anderle - Festsonntag“ in Rinn.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

                                                               ANFRAGE:

 

 

1. Liegen staatspolizeiliche Erkenntnisse über die sogenannten Anderl - Feiern vor? Wenn ja,

welche? Wenn nein, warum wird das Sammeln derartiger Erkenntnisse für nicht notwendig

erachtet?

 

2. Erfüllt Ihrer Einschätzung nach der Anderl - Bote Kriterien, welche eine Qualifikation als

rechtsextreme Zeitschrift erlauben?

Wenn ja, wird er seitens Ihrer Behörde staatspolizeilich erfaßt?

Wenn nein, welche Kritierien muß eine Zeitung Ihrer Meinung nach erfüllen, um als

rechtsextrem zu gelten?

 

3. Besitzt die Volksbewegung für sittliche und soziale Erneuerung gegenwärtig

Rechtspersönlichkeit? Wenn ja, welche?

 

4. Wie ist Ihrer Meinung nach diese Gruppe einzuschätzen?

 

5. Sehen Sie in der Tätigkeit dieser Gruppe Anhaltspunkte, die Erhebungen wegen des

Verdachtes der NS - Wiederbetätigung rechtfertigen?