Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 189

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Aber die Verweildauer hat zugenommen, und wenn man genauer hinsieht, merkt man sehr klar, daß das unter anderem daran liegt, daß es den Studenten durch eine immer tiefere Staffelung von Prüfungen und durch eine Schwierigkeit in der Absolvierung in der zeitlichen Abfolge erschwert ist – auch wenn sie sehr schnell studieren und die nötigen Begabungen, den Fleiß und alles Erforderliche haben –, das in der Mindeststudienzeit zu schaffen. Ich denke, da sind wir gut beraten, im Interesse Österreichs, aber auch im Interesse der Studierenden alles Nötige zu tun. Und ich werde alles daran setzen, was in meiner Macht steht, um sicherzustellen, daß Studierende, die fleißig und engagiert sind, so rasch wie möglich auch die Chance haben, aus den Universitäten hinaus- und in Arbeit hineinzukommen. (Beifall bei der SPÖ.)  

Dritter und letzter Punkt – und darin habe ich auch die Überraschung der Abgeordneten Ablinger geteilt –: Ich war ein bißchen überrascht über die Ausführungen der Frau Abgeordneten Petrovic. Ich will mich auf die Debatte um Latein oder nicht Latein nicht besonders lang einlassen; ich halte das für einen Glaubensstreit, der in dieser Tiefe jedenfalls heute nicht angemessen ist, weil ja nur die Frage einer Evaluierung zur Diskussion steht. Dazu denke ich, daß so eine flächenhafte Evaluierung zwar viel Mühe bringt, aber sonst nicht in der Lage ist, sehr viel Nutzen zu stiften.

Was mich überrascht hat, ist, daß für Streitkollegen und -kolleginnen, die auf der gleichen Seite streiten und sonst dafür eintreten, daß Studenten und Studentinnen in die Lage versetzt werden mögen, aus einem vernünftigen Angebot selbständig eine Auswahl zu treffen, dies bei Latein plötzlich nicht mehr gelten soll. Selbstverständlich sind wir dafür, daß Qualifikationen, die von Nutzen sein können, auch angeboten werden. Aber die Frage ist: Schreiben wir das vor, weil wir Großen schon wissen, daß das gut für die Kinder ist, und bei anderen Sachen lassen wir sie zwischen Fächern, Schwerpunkten und so weiter auswählen?

Ich meine, wenn wir den Gesichtspunkt vertreten – und ich vertrete ihn –, daß es hier zu einer autonomen Entscheidung auch der Studierenden kommen soll – diese halte ich nicht durchwegs für Kinder, die wir zu bevormunden haben –, dann sollten wir ihnen Hilfen bieten, sich vernünftig entscheiden zu können, und wir sollten ihnen ein Angebot bieten, aus dem sie vernünftig auswählen können. Dafür werde ich Politik machen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.55

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zunächst eine persönliche Bemerkung zum Thema Latein. Herr Bundesminister, ich bin gelernter Jurist; ich habe an der Universität Wien mein Jus-Studium damit begonnen, die Fragen der Privatrechtsentwicklung – vom Römischen Recht herauf bis zur deutschen Privatrechtsentwicklung, die ich bei Herrn Professor Brauneder gehört habe – zu lernen, und muß sagen, daß es mir, hätte ich Latein nicht in der Schule gehabt, sicherlich schwergefallen wäre, all jene Rechtsgrundsätze, die herauf bis in unsere heutige Rechtsordnung gelten, zu verstehen, insbesondere in der Tiefe zu verstehen. (Abg. Schaffenrath: Schwach!)

Wenn Sie das als "schwach" bezeichnen, Frau Kollegin, kann ich das nur so auffassen, daß ich offenbar nicht über das Talent verfüge, das Sie mitgebracht haben. (Abg. Dr. Haselsteiner: Da haben Sie vollkommen recht! Schön, daß Sie das erkannt haben! Sie sind noch jung! Aber Talent erbt man mit den Anlagen!) Aber ich möchte Ihnen – ich weiß nicht, was Sie studiert haben – aus meiner Erfahrung nur sagen: Für jemanden, der ein juristisches Studium beginnen will, ist es wichtig, Lateinunterricht gehabt zu haben, um zu verstehen – vielleicht nicht die Digesten auswendig zu lernen, aber zu verstehen –, was auch in der heutigen Rechtsordnung – vom Privatrecht bis zum Strafrecht – in all den lateinischen Rechtsgrundsätzen geregelt ist. Daran halte ich fest, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)


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