Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 185

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Abgeordnete Dr. Christa Krammer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich habe natürlich, so wie ich es immer mache, andächtig meinen Vorrednern gelauscht und habe gehört, daß Herr Kollege Schweitzer sagte, er sei verwirrt, er kenne sich nicht aus. (Abg. Dr. Khol: Das ist nichts Neues!) Gut, ich mache eine Kollekte, und wir zahlen ihm die Nachhilfestunden. Abgemacht! Gut! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens: In Deutschland, hat Kollege Schweitzer gesagt, seien die Zustände furchtbar. – Das hast du gesagt; nur mußt du auch alles lesen, was an Informationen aus Deutschland nach Österreich kommt. Faktum ist: In Deutschland protestieren zwar die Leute, aber kurioserweise kaufen sie alle die Bücher, welche die Reformschreibweise beinhalten. Diese sind ausverkauft. (Abg. Mag. Stadler: Wie schreibt man "Christa"? Mit K oder Ch? – Abg. Dr. Khol – in Richtung des Abg. Mag. Stadler –: Nachdenken, sonst wird man nicht geliebt!)  – Das zahle ich euch auch noch, damit ihr das lernt.

Erwartungsgemäß hat die Reform der Rechtschreibung Diskussionen ausgelöst; aber das war ohnehin klar. Es hat ja noch nie Reformen gegeben, die keinen Widerspruch ausgelöst hätten. In Preußen wurde im Jahre 1880 die neue Schulorthographie eingeführt, und kein Geringerer als Bismarck war sehr dagegen. Er hat seinen Beamten sogar Ordnungsstrafen angedroht, sollten sie es wagen, nach der neuen Reform zu schreiben. Besonders weh getan – Frau Kollegin Brinek hat schon in bezug auf einen anderen Prominenten, nämlich Karl Kraus, darauf hingewiesen – hat ihm das "h" im Wort "Regierungsrath". Das hat den Herrn Reichskanzler Bismarck sehr gestört. Ich kann aber jetzt schon sagen, daß die ganze freiheitliche Fraktion einen Bismarck nicht aufwiegt – und nicht einmal der hat sich durchgesetzt, denn die Reform wurde eingeführt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Zum Kuckuck! – Abg. Mag. Stadler: Wissen Sie, wer der Bismarck war? Wer war denn der Bismarck? Das war der Uropa Ihres ehemaligen Innenministers!)

Einige Punkte der vorgebrachten Kritik – da stimme ich Kollegen Öllinger zu – sind auch berechtigt, das mag schon sein und daß sich die Grünen dem Antrag der Freiheitlichen anschließen, aber zur Ablehnung der Reform reicht das allemal nicht. Ich halte es für viel sinnvoller, zu fragen, was denn innerhalb der Übergangsfrist geschieht. Ich halte es für gescheit, eine gewisse friedliche Koexistenz ... (Zwischenruf des Abg. Öllinger. ) Sie haben gesagt, Sie werden dem Antrag zustimmen. Dann habe ich mich verhört. Ich nehme das sofort zurück. Das macht mich glücklich, möchte ich auch noch hinzufügen.

Man sollte zunächst einmal eine friedliche Koexistenz der Schreibweisen zulassen – ich gehe in sehr vielem mit Ihnen konform –, und in einigen Jahren wird sich eine Schreibweise herauskristallisieren. Gewisse Dinge werden abgelehnt werden, und gewisse Dinge werden sich durchsetzen. Und das, was sich durchgesetzt hat, kann dann im Wege einer ganz normalen Neuauflage aller Nachschlagwerke und Schulbücher Eingang in die Literatur finden. Man soll jetzt aber nicht den Fehler begehen und sagen: Das ist eine Reform der Reform! – Ich würde sagen: Es gibt guten Grund zur Hoffnung, daß sich die normative Kraft des Faktischen durchsetzen wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich denke nur an meine Kindheit: Statt des scharfen "ß" konnte man damals "sz" schreiben. Das ist aber dann schön langsam verblaßt, und heute gibt es das nicht mehr. Die Schreibweise wird von den Kindern angenommen, und ich meine: Schauen wir uns das einmal an! Tragen wir nicht zur Verunsicherung bei! Das Schlimmste, was passieren kann, ist, daß wir jetzt alle schimpfen – und es im Endeffekt diese Reform dann doch gibt, die Kinder und auch alle anderen verunsichert sind.

Eine begleitende Reform – das muß auch ich zugeben – wäre allemal noch besser. Dann könnten in den Neuauflagen stets die neu reformierten Dinge Eingang finden. Und wenn ihr (in Richtung der Freiheitlichen) besser aufpaßt, dann werdet ihr schreiben lernen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.41


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