Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 162

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Ich sehe eine große Chance für Wien – das muß ich als Wienerin mit sehr viel Freude sagen – im Rahmen dieser guten Zusammenarbeit und dem neuen Weg im Wiener Museumsquartier. Zur Erinnerung: Es finden sich dort – anders, als andere Konzeptionen es verfolgen – gemäß einem Quartiercharakter die Wiener Klassik im Leopold Museum, das Museum Moderner Kunst, die Kunsthalle und das Kindermuseum als "Startermuseum", das somit als idealer Ort des Einsteigens in unmittelbarer Nähe zu den klassischen Museen zu einem Selbstverständlich-Werden eines Museumsbesuchs beiträgt. Dort kann man interaktiv "hands-on" machen. Dort kann man interdisziplinären Zugang pflegen. Dieses Startermuseum halte ich für ganz wichtig.

Das Wotruba-Museum, Künstlerateliers, das Architekturzentrum, die große Spannung zwischen Architektur, Technik und Kunst – all dieses findet sich hier in einer anderen Konzeption, als es etwa in Bilbao ist. Das Museum in Bilbao, das vielfach gewürdigt wurde, zielt aber auf einen Einmaleffekt. Das Museum Bilbao steht, ist fertig gebaut, abgeschlossen. Da gibt es keine Veränderung, keinen dynamischen Veränderungsprozeß mehr, wie es beim Quartier der Fall ist. Es wäre falsch zu liebäugeln, ob nicht Bilbao und die großen Architekten wie Frank Gehry und so weiter auch eine Antwort für Wien wären.

Ich denke, Vorsicht ist auf der Ebene geboten, wie wir es denn anlegen, damit wir nicht in eine naive Kopierarbeit gegenüber den Themenparks verfallen. Ich sage dazu, die Universal Studios in Orlando und in Anaheim können das einfach besser. Daher warne ich, den Weg der Entfaltung, der Entwicklung einer eigenständigen Kultur und des Kopierens zu unsensibel zu gehen, um schnelle Effekte erzielen zu wollen.

Ich denke, daß der Kulturbericht – das abschließend – ein gutes Basisdokument für all jene ist, die vor allem im Bereich der Erlebniswelt, des Zugänglich-Machens das Rad neu erfinden wollen. Ersparen wir uns die Wiedererfindung des Rades! Lesen wir den Kulturbericht! Beobachten wir das, was die Ministerin versprochen hat, was Kultur 2000 und Museum 2000 betrifft! Gehen wir an die Arbeit und machen wir konstruktive Vorschläge! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Jäger. Gleichfalls 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.29

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte diese Gelegenheit anläßlich dieser Debatte zum Kulturbericht wahrnehmen – da wir in diesen Tagen und Wochen dem 60. Jahrestag des "Anschlusses" Österreichs an Hitler-Deutschland gedenken –, bei dieser Debatte offene Punkte und Fragen, die mit dieser unheilvollen Vergangenheit zusammenhängen, anzusprechen.

Ich begrüße es, daß Frau Ministerin Gehrer einen Auftrag zur wissenschaftlichen Erforschung und Katalogisierung der Kunstschätze gegeben hat, die im "Dritten Reich" in die Museen kamen. Natürlich bedauere ich, daß das erst jetzt geschieht, daß es eines Anlasses bedurfte, nämlich der Beschlagnahme der Schiele-Bilder in New York, und daß diese Diskussion erst 50 Jahre nach Ende des Krieges tatsächlich ehrlich geführt wird.

Laut einem Artikel in "Newsweek" wird diese Debatte derzeit auch in vielen anderen Ländern geführt. Auch Frankreich hat über 2 000 Bilder, deren Herkunft unbekannt und unbestimmt ist, katalogisiert, und sie sind über das Internet einsehbar.

Wie gesagt: Ich meine, daß wir mit unserer Vergangenheit wesentlich ehrlicher umgehen müssen. Ich appelliere in diesem Zusammenhang auch an die Landesarchive und an die Landesmuseen, daß diese Archive endlich geöffnet werden, um alles aufzuklären. Laut einem Zeitungsbericht ist es der Universität Graz, die ein Symposium zur Literatur im Nationalsozialismus gestartet hat, möglich, Unterlagen aus Wien, Berlin, Potsdam oder Washington zu bekommen, aber nicht vom Grazer Landesarchiv. Und das halte ich für nicht in Ordnung.

Ich denke, gerade die Kultur gibt uns Gelegenheit – wir alle sind dazu aufgefordert –, ein Klima der Toleranz, der Demokratie und der kritischen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte zu


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