Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 32

kammer! Ich wollte damit darstellen, daß in solchen Fällen entweder die ÖVP-Fraktion selbst bremst oder ihre Interessengruppen eine Blockade errichten.

In bezug auf das Ehe- und Scheidungsrecht halte ich es auch für sehr eigenwillig, nach einer dreijährigen Arbeitszeit der hiefür eingerichteten Arbeitsgruppe plötzlich mit Vorschlägen zu kommen, um die Diskussion hinauszuzögern. Und ich kann keinen anderen Grund dahinter erkennen, als daß sich die ÖVP diesen Komplex als ein Wahlkampfthema zurechtzimmern möchte, als ein Wahlkampfthema, mit dem moralisierende Ansprüche gesetzlich festgeschrieben werden sollen, um auf diese Weise Emotionen – insbesondere in einer bestimmten Medienszene – zu schüren. Das ist meiner Ansicht nach die einzige Erklärung dafür, daß nach dreijähriger Arbeit mit irgendwelchen vorgeschützten "Argumenten" eine ernsthafte Beratung sowie eine Beschlußfassung hier im Parlament verhindert werden soll. Insofern ist der Ausdruck "Stillstand der Justizpolitik" durchaus kein Fehlgriff, was die Wortwahl anlangt.

Sie, Frau Kollegin Fekter, haben erwähnt, wie viele Ausschußsitzungen Sie einberufen hätten und wie viele Tagesordnungspunkte es dazu gegeben hätte. – Es gibt eine Reihe von Vorlagen, die unerledigt sind, aber Sie sind nicht bereit, diese auf die Tagesordnung zu nehmen. Das sind unter anderem auch Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern. Das heißt, Sie sind also nicht nur nicht dazu bereit, jene Vorlagen zu behandeln, die von Fraktionen dieses Hauses eingebracht wurden, sondern auch nicht, jene von Bürgerinnen und Bürgern im Ausschuß zu behandeln. Auch das ist eine Frage der politischen Kultur!

Herr Bundesminister! Bevor meine Redezeit zu Ende ist: Ich habe schon den Eindruck, daß aus Ihrem Ministerium viele Vorschläge kommen ...

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz!

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (fortsetzend): ... und daß Sie dazu bereit sind, sich mit der veränderten Situation der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Ich bitte Sie daher auch um Ihre Unterstützung, wenn es darum geht, nachzudenken, wie gesetzlich zustehende Rechte auch unbeeinflußt durchgesetzt werden können, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Thema Abtreibung. Und Sie wissen, wovon ich rede! – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.43

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte, Frau Abgeordnete.

(Abg. Mag. Kammerlander begibt sich zum Rednerpult, rutscht neben diesem aus und kommt dabei beinahe zu Fall. – Abg. Haigermoser: Das Mikrophon geht nicht, und der Boden ist glitschig! – Abg. Dr. Ofner: Ein glitschiges Parkett!)

10.44

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Das Mikrophon geht auch nicht!) Zum Thema "Stillstand der Justizpolitik": Ich orte einen solchen nicht nur aufgrund der Tatsache, daß der Vorsitz im Justizausschuß bei der ÖVP liegt, sondern vor allem auch deswegen – wie auch bereits von VorrednerInnen ausgeführt wurde –, weil er bei Frau Kollegin Fekter liegt. Es werden in der Tat ganz wesentliche und maßgebliche Gesetzesvorlagen blockiert, und vor allem gibt es in der Öffentlichkeit – ich möchte jetzt im speziellen auf die Ehe- und Scheidungsrechtsreform eingehen – eine Debattenführung, die meiner Meinung nach völlig kontraproduktiv ist und nicht dem entspricht, wie üblicherweise Gesetzentwürfe behandelt werden.

Um das anhand des Themas Ehe- und Scheidungsrechtsreform zu demonstrieren: Sie haben ganz gezielt und bewußt eine Diskussion in der Öffentlichkeit lanciert, bei der es um den Ehebruch gegangen ist. Sie haben versucht, eine Frage, die einen sicherlich sehr hohen moralischen Wert in unserer Gesellschaft hat, hochzuspielen und zu emotionalisieren. Das ist eine Debatte, die eigentlich gar nicht sozusagen entlang dieser Frage zu führen ist, und zwar nicht einmal dann, wenn Sie sich mit dieser Reformvorlage genau befassen würden – und noch viel weniger, wenn Sie sich mit den eigentlichen Anliegen und Inhalten einer Eherechts- und Schei


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