Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 39

werden, daß dort versucht wird, sie zu nötigen, daß sie allen möglichen Aktionen ausgesetzt werden, daß aber von seiten der ÖVP keine Bereitschaft besteht, ein solches Problem einmal zu fokussieren und darüber zu reden. Dem "gesunden Rechtsempfinden" der Frau Abgeordneten Bauer entspricht es offenbar nicht, auch in diesem Bereich einmal zu fragen, was es da an neu aufbrechendem Fundamentalismus gibt.

Frau Abgeordnete Bauer! Sie waren vorhin draußen, als ich es gesagt habe, daher sage ich es noch einmal: Frau Abgeordnete Fekter hat sich für diesen Ausdruck, weil sie offensichtlich doch eine gewisse historische Vorbildung hat, im Justizausschuß entschuldigt. Es ist eine Frage Ihrer Vorbildung, es ist eine Frage vor allem Ihres demokratischen Empfindens, Frau Abgeordnete (Abg. Rosemarie Bauer: Sie irren! Der Ausdruck "gesundes Volksempfinden" war das! Ich habe gesagt: Rechtsempfinden!), ob Sie sich hier für einen historisch belasteten und, wie Sie wissen, problematischen Ausdruck noch entschuldigen werden.

Wenn Sie schon Wahlkampf in Sachen Justizpolitik machen wollen, Frau Abgeordnete Fekter, dann machen Sie es bitte nicht mit an Verhetzung grenzenden Rechtstermini Ihrer Ansicht! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Rosemarie Bauer: Habe ich nicht gemacht! Rechtsempfinden!)

Es muß auch folgendes herausgestrichen werden: Die Schuld dafür, daß es in der Justizpolitik einen Stillstand gibt – ich sage das pars pro toto, als Teil fürs Ganze –, trifft ja nicht den parteiunabhängigen Justizminister, sondern die große Koalition. Sie ergibt sich aus der Selbstfesselung, in die Sie sich durch die Arbeitsübereinkommen begeben haben, in denen Sie festgelegt haben: Es gibt keinen koalitionsfreien Raum mehr. Sie haben damit die Situation geschaffen, daß in Österreich dort, wo eine der Regierungsparteien einen Vorbehalt hat, Mehrheiten, die im Haus zu finden wären, nicht mehr zustande kommen. Es gibt keine Mehrheiten außerhalb dessen, was Sie in Ihr Koalitionsübereinkommen geschrieben haben. Und diese Selbstfesselung führt in Wirklichkeit zu einer Knebelung des Parlaments. Die konservative Minderheit in diesem Hause kann damit gesellschaftspolitische Anliegen blockieren, für die es, wenn es nach dem Mehrheitsprinzip im ganzen Hause ginge, eine Mehrheit geben würde.

Das ist ein Vorwurf, der nicht nur an die ÖVP zu richten ist, die in dieser Sache natürlich aktiv bremst, sondern auch ein Vorhalt, der an die SPÖ zu richten ist, weil Sie von der SPÖ das dulden. Sie lassen zu, daß es in diesem Haus keine freie Mehrheitsbildung gibt!

Meine Damen und Herren! Die Liberalen wollen mehr Bewegung in der Justizpolitik haben. Wir wollen, daß das Mehrheitsprinzip im Hohen Haus endlich wieder zum Tragen kommt und daß wir nicht der Herrschaft einer kleinen konservativen Minderheit durch ihre Blockademöglichkeit hier im Hause ausgesetzt sind.

Wir wollen insbesondere – allgemeinpolitisch gesprochen – endlich auch funktionierende Kontrollmechanismen in diesem Haus, damit diese auch verfassungsgebende große Koalition, diese Zweidrittelmehrheits-Koalition, endlich in ihre Schranken gewiesen werden kann, dort, wo sie etwa die Grundrechte beschneidet. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Öllinger. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als nächster gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. – Bitte.

11.12

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Bauer, wenn man den Begriff "gesundes Rechtsempfinden" in den Mund nimmt, dann sollte man schon wissen, in welcher Tradition dieser Begriff steht. (Abg. Rosemarie Bauer: "Volksempfinden" und "Rechtsempfinden" – da gibt es einen Unterschied!) Aus sozialhygienischen Gründen würde ich Ihnen empfehlen, mit medizinischen Begriffen im Zusammenhang mit "Recht" und "Volk" etwas vorsichtiger zu sein. (Abg. Dr. Khol: "Sozialhygienisch" würde ich auch nicht verwenden! ) Sie wissen genau, Herr Abgeordneter Khol, daß es vom "gesunden Rechtsempfinden" zum "gesunden Volkskörper" nur mehr ein kleiner Schritt ist. (Abg. Dr. Khol: Das ist ein Unterschied!) Das wissen Sie genau!


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