Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 54

Österreich hat das Verbrechensopfergesetz schon im Jahre 1972 beschlossen. Das war damals eine Errungenschaft der Regierung Kreisky, und wir waren das erste Land in Europa, das ein derartiges Gesetzeswerk geschaffen hat. Es sind darin eine Reihe von Leistungen vorgesehen: ein Recht auf Ersatz für den Verdienstentgang, ein Recht auf Ersatz für den Unterhaltsentgang, ein Recht auf medizinische Vorsorge, auf Heilfürsorge und auf Rehabilitation. Nicht zuletzt haben wir hier vor wenigen Monaten mit einer Novelle des Bundespflegegeldgesetzes auch klargestellt, daß Verbrechensopfer ab 1. Jänner kommenden Jahres auch Anspruch auf Pflegegeld haben. Es ist eine stattliche Palette an Leistungen, die den Opfern von Verbrechen gewährt wird.

Zuletzt hat es im Sozialausschuß ein munteres Lizitieren gegeben. Frau Kollegin Fekter – sie ist nicht Mitglied dieses Gremiums – hat uns am Vortag mit der Meldung in der "Kronen Zeitung" aufhorchen lassen, daß sie dafür eintreten würde, auch Schmerzensgeld zu bezahlen. – Reden kann man selbstverständlich über alles. Aber daß ausgerechnet eine Abgeordnete der Wirtschaftsbund-Fraktion, die sonst immer mit dem Rechenstift kommt, wenn von unserer Seite sozialpolitische Forderungen auf den Tisch des Hauses gelegt werden, etwas so sorglos und ohne Hintergrundwissen über allfällige Kosten vorschlägt, das hat uns – gelinde gesagt – schon etwas erstaunt. (Abg. Steibl: Das hat euch nur durcheinandergebracht, weil ihr das nicht eingebracht habt! Sonst nichts, Herr Kollege!)

Das gibt es auch nicht in anderen Gesetzen: Weder im gesamten Sozialversicherungsrecht noch in sonstigen sozialrechtlichen Bestimmungen ist eine Möglichkeit vorgesehen, Schmerzensgeld in Anspruch zu nehmen. Dafür sind nun einmal die Gerichte zuständig, dort muß man sich zivilrechtlich am Täter schadlos halten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Öllinger hat eingewendet, man müsse die Kosten für die Psychotherapie wesentlich höher ansetzen. – Ich darf dir, Kollege Öllinger, empfehlen, die Stellungnahme des Psychotherapeutenverbandes zu lesen. Auch der Psychotherapeutenverband hält die Regelung, wie wir sie vorschlagen und wie wir sie heute beschließen werden, für völlig ausreichend. Und wer ist ein unverdächtigerer Zeuge als der Psychotherapeutenverband? Also, lieber Kollege Öllinger, dein Antrag, den du wieder einbringen wirst, ist sicher gutgemeint, aber er ist gegenstandslos, er erübrigt sich. Wir treffen Vorsorge!

Ich darf schon zum Schluß kommen: Rund 300 Verbrechensopfer werden von dieser Gesetzesnovelle profitieren. Und, was ganz besonders wichtig ist: Es wird möglich sein, auch rückwirkend derartige Ansprüche zu stellen. Also summa summarum ein gutes Gesetz, ein guter Tag – zumindest, wenn es darum geht, Opfer von Verbrechen materiell besserzustellen als bisher. (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

12.01

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 300 Betroffene gebe es, hat Kollege Guggenberger am Schluß seiner Rede gesagt. Diese Zahl ist eine Schätzung. Ich würde sagen: Auch wenn es 400 wären, hätten Sie wahrscheinlich nicht anders argumentiert. Es geht hier nicht um die Zahl (Abg. Mag. Guggenberger: Aber um die Größenordnung!), sondern um etwas Grundsätzlicheres.

Die liberale Fraktion wird dieser Vorlage zustimmen, aber es schmerzt uns trotzdem vieles. Wir stimmen zu, weil sie ein Schritt in die richtige Richtung ist, was den Verbrechensopferschutz anlangt. Aber es schmerzt uns, wie gesagt, einiges, und ich möchte dies hier nur skizzenhaft beleuchten.

Wenn jemand im Zusammenhang mit einem Verbrechen körperlich verletzt wird, dann werden die Folgen durch unser Sozialversicherungssystem grundsätzlich gedeckt. Es gibt möglicherweise einen Regreß, und die Verbrechensopfer sind in dieser Hinsicht geschützt. Kommt es jedoch zur Notwendigkeit psychotherapeutischer Begleitung, Betreuung, Behandlung, tritt dieser Effekt nicht ein, und daher wird jetzt ein Gesetz gemacht, um dem gegenzusteuern.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite