Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 71

Es wird Verhandlungen und Listen darüber geben müssen, welche Therapeuten sich innerhalb des Rahmens bewegen. Schmerzensgeld für seelisches und körperliches Leid ist begrüßenswert, vom Staat jedoch nicht finanzierbar. Wir sehen an sehr unterschiedlichen Schmerzensgeldzuerkennungen, wie schwierig es ist, erlittene Schmerzen in Geld auszudrücken – bei seelischen Schmerzen wesentlich diffiziler als bei körperlichen. Vorher vereinbarte Pauschalsummen könnten Nachteile für die Opfer bringen. Es wäre aber für die Opfer eine riesige Erleichterung und für den Staat kostenneutral, müßten Schmerzensgeldforderungen nicht erst in einem Zivilverfahren eingeklagt, sondern bereits beim Strafprozeß mit verhandelt und dem Opfer als Zahlung des Verbrechers an dieses zuerkannt werden. – Ich hoffe, daß sich der Justizausschuß mit solch einer Regelung befaßt, könnte mir aber vorstellen, daß Rechtsanwälte, um nicht die Opfer als Klientel zu verlieren, solch eine Regelung zu verhindern versuchen, denn derzeit fällt erstrittenes Schmerzensgeld in hohem Ausmaß den Rechtsanwälten zu.

Ich nehme an, daß sich alle Abgeordneten des Justizausschusses, denen die Opfer am Herzen liegen, für diesen Vorschlag einsetzen und eine Realisierung ermöglichen.

Verbrechen aller Art sind für Opfer wie deren Hinterbliebene schwerst traumatisch. Neben schwer körperlich verletzten Opfern von Gewaltverbrechen denke ich an die Opfer sexueller Gewalt, besonders an die Kinder, die von Familienangehörigen, die sie lieben und denen sie vertrauen sollten, mißbraucht werden. Es ist gut, daß für diese Verbrechen die Verjährungsfristen verlängert wurden, denn oft, um momentan überleben zu können, arbeiten die Opfer mit maximaler Verdrängung beziehungsweise stehen sie in massiver Abhängigkeit, zeigen ihren Peiniger spät an und erkennen ihre eigenen seelischen Schäden erst nach langem.

Daher sind die Bundessozialämter besonders bemüht, mit den Opferschutzvereinen in engstem Kontakt zu kooperieren. Besonders möchte ich hier den Weißen Ring, eine Initiative der Exekutive, erwähnen. In allen Informationsmaterialien erfolgt der Hinweis auf die Leistungen unseres hervorragenden Verbrechensopfergesetzes. Durch diese Initiative erwarten wir, daß mehr Verbrechensopfer Anzeige erstatten, weil sie dadurch die Möglichkeit einer Therapie erhalten, die für sie der Weg in die Normalität ist. Ich glaube nicht, daß die Zahl der Mißbrauchsverbrechen steigt, das Thema wurde enttabuisiert und medial verarbeitet, sodaß es zu mehr Anzeigen kommt.

Persönlich erinnere ich mich noch an eine Patientin vor mehr als 20 Jahren, deren Erkrankung endlich nach zweijährigem Spitalsaufenthalt als Automutilismus diagnostiziert, die einer Psychotherapie zugewiesen und wo als Ursache sexueller Mißbrauch durch den Stiefvater erkannt wurde. Dieses arme Geschöpf hat in ihrer Not ein Bein und um Haaresbreite auch ihren Unterarm verloren. Bis dahin wußte ich weder durch Studium noch Beruf über sexuellen Mißbrauch in der Familie, wobei ich sicherlich schon früher Opfern begegnet bin. Ich erkannte ihr Leid und verstand ihre Botschaften nicht, da das damals unbekannt war.

Aus den Forschungen über die Shoah hat sich gezeigt, daß bei Opfern, auch wenn sie vermeintlich schwerst traumatische Ereignisse überwunden haben, nach Jahrzehnten noch psychische Schäden zutage treten und behandelt werden müssen. Wir müssen dafür sorgen, daß die Opfer von Gewaltverbrechen ehebaldigst eine Psychotherapie erhalten, um wieder in das Leben zurückzufinden, und durch die Schaffung von entsprechenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine gewaltarme beziehungsweise gewaltfreie Gesellschaft ermöglichen. Uns Sozialdemokraten sind Schutz und Hilfe für die Schwachen ein Anliegen, daher begrüßen wir diese Gesetzesnovelle. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Herr Abgeordneter, ich stelle auch bei Ihnen die Uhr auf 5 Minuten ein. – Bitte.

13.19

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst mit einer Wunschvorstellung meiner unmittelbaren Vorrednerin auseinandersetzen, nämlich damit, daß Schmerzengeldzusprüche im Strafverfahren erfolgen könnten und auch sollten. Ich halte das aus der Praxis heraus für nicht leicht voll


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