Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 80

13.55

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Es freut mich wirklich, daß unser ständiges Aufmerksammachen auf die Themen Kindesmißhandlung und sexueller Mißbrauch nun zu einem ersten Ansatz in Richtung eines besseren Opferschutzes geführt hat. Es freut mich wirklich, weil wir, wie Sie wissen, dafür auch sehr oft von Ihnen geprügelt worden sind. Natürlich werden wir diesem ersten Anstoß, Frau Ministerin, mit Freude zustimmen.

Nun zum zweiten Gesetz, dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. In Österreich sind zirka 1,5 Millionen Menschen in ungefähr 250 000 Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern beschäftigt. Auch diese sollen nun, wie wir heute schon mehrmals gehört haben, arbeitsmedizinisch versorgt werden. Warum aber, so frage ich Sie, schaffen wir ein Gesetz, das den Arbeitnehmern in den Kleinbetrieben eindeutig Nachteile gegenüber ihren Kollegen in den Großbetrieben bringt? Warum, so frage ich, schafft man Nachteile per Gesetz? – Denn in Betrieben mit 51 Mitarbeitern befaßt sich ein Arzt im Durchschnitt immerhin 53 Minuten pro Jahr mit dem Arbeitnehmer, in Betrieben mit 50 Mitarbeitern aber höchstens 9,6 Minuten! Es ist nämlich je nach Umfang des Kleinbetriebes lediglich ein- bis zweimal pro Jahr eine Begehung mit einem Arbeitsmediziner und einem Sicherheitstechniker vorgesehen.

Meine Damen und Herren! In Deutschland dauert der Einsatz pro Beschäftigtem im Jahr drei Stunden, in Spanien zwei, in Belgien und Italien immerhin eine! Ich frage Sie jetzt: Wo ist plötzlich Ihr sonst so vorauseilender Gehorsam in puncto EU-Konformität? – Er ist nicht gegeben!

Welche Wirkung haben denn sporadische Besuche eines Arztes in einem Betrieb wirklich? Jemand, der nur sporadisch kommt, ist ja nicht Arzt, sondern vorwiegend Gesundheitsinspektor. Er soll aber nicht nur die Belastung am Arbeitsplatz dokumentieren, sondern auch analysieren, bewerten und Konsequenzen bewirken. Damit fällt das wichtige Thema der Gesundheitsförderung und der Beratung wieder einmal völlig unter den Tisch. Kleinbetriebe werden in diesem Gesetz gegenüber Großbetrieben also eindeutig diskriminiert! (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Nun zur Finanzierung. Hier sehen wir wieder einmal einen weiteren Schritt in der uns sattsam bekannten Verstaatlichungsmentalität. Mit unseren Sozialversicherungsbeiträgen übernimmt die AUVA die Finanzierung – das ist okay –, aber auch die medizinische Versorgung in diesem Bereich. (Abg. Dr. Leiner: Arbeitgeberbeiträge!) – Sie haben völlig recht! – Daß es aber niedergelassene Ärzte gibt, die eine arbeitsmedizinische Ausbildung haben, die mehrere hunderttausend Schilling kostet, quittiert Dr. Kainz vom Gewerbeverein lediglich mit dem Satz: Zusätzliche Arbeitsmediziner sind nur ein unnötiger Kosten- und Zeitfaktor. – Also eine sehr wettbewerbsfreundliche, wirtschaftliche Einstellung!

Nun sagt die AUVA, sie werde auch niedergelassene Arbeitsmediziner in Anspruch nehmen, und zwar dort, wo es sinnvoll und zweckmäßig ist. – Meine Damen und Herren! Dieser Spruch der Sozialversicherung, der den Statuten der Sozialversicherung entspricht, nämlich ausreichend, zweckmäßig und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend zu finanzieren, ist ein Satz, der sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt hat.

Denn einerseits ist es "sinnvoll und zweckmäßig", Zahnkronen für 5 Prozent der Bevölkerung in Ambulatorien bei ungleichen Wettbewerbsmöglichkeiten anzubieten. Andererseits wiederum ist es "nicht sinnvoll", beispielsweise für die künstliche Befruchtung, die für die Frauen eine massive finanzielle und körperliche Belastung bedeutet, die die WHO als Krankheit und die UNO als Grundrecht definiert, einen Zuschuß aus der Sozialversicherung zu geben oder einen Teil der Kosten über die Sozialversicherung zu übernehmen.

Nun frage ich Sie – und das ist eine Grundfrage dieses Gesundheitssystems –: Wer fällt das salomonische Urteil über das Maß des Notwendigen und über die Sinnhaftigkeit? – Bei uns in Österreich ist das nicht die Bevölkerung, die die Sozialversicherungsbeiträge zahlt, sondern die Sozialversicherung selbst und ihr verlängerter Arm, unsere sozialdemokratische Frau Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.00


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