Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 123

Glauben Sie das? Herr Bundesminister, es ist ja immer dieselbe Vorgangsweise: Zuerst verlangt man einmal Ungeheuerliches – und da war selbstverständlich auch die Rufdatenrückverfolgung inkludiert –, dann kommt ein geharnischter Protest. Daraufhin werden Abstriche gemacht – ja, stimmt. Aber was übrigbleibt, reicht auch noch, das gibt genug aus! Ich ersuche Sie, Herr Bundesminister, als verantwortliches Regierungsmitglied, vor allem auch als Sozialdemokraten, darüber nachzudenken, in welche Richtung das schon geht und warum dieser Aufschrei von seiten der Grünen zutiefst ernst gemeint ist.

Es gab eine lange Entwicklung, zuerst einmal der Rechte der Person, von der Französischen Revolution über die bürgerlichen Gesetzbücher zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es war ein Kampf, das zu erreichen: die Rechte jeder einzelnen Person, unabhängig von Stand, von Geschlecht, von Rasse, von Religion. Es folgte dann der Kampf um die Grundrechte, um die bürgerlichen Freiheiten in den Verfassungsentwürfen des 19. Jahrhunderts. Heute, sage ich, bräuchten wir neue Grundrechte, soziale Grundrechte, wie sie einmal Herr Klubobmann Kostelka vorgeschlagen hat. Das liegt gut in irgendwelchen Schubladen. Wir brauchen auch ökologische Grundrechte! Und was tun wir? – Wir feilschen um einen etwas gebremsten Abbau der Rechte des 19. Jahrhunderts! Das ist die Tragik, und daß die Sozialdemokratie das nicht mehr sieht, was hier passiert!

Es ist wirklich das Menschenbild, über das wir reden. Natürlich hat die Polizei das Recht und die Pflicht der Verbrechensbekämpfung. Aber von welchem Menschenbild gehe ich denn aus? Können wir davon ausgehen, daß der Anlaß doch eine konkrete Gefahr sein muß? Es kann doch nicht so sein, daß – angesichts von Mundhöhlenabstrichen und ich weiß nicht was noch alles – davon auszugehen ist, daß jeder ein potentieller Verbrecher ist. Das kehrt die Errungenschaften des 19. Jahrhunderts um! Wir haben uns dazu durchgerungen, daß jeder Mensch frei sein muß, würdig sein muß, Grundrechte hat und daß es einer konkreten Beweisführung des Staates bedarf, um dies außer Kraft zu setzen.

Jetzt dreht sich alles um, jetzt lautet es auf einmal auch aus dem Boulevard: Die, die nichts zu verbergen haben, können ja alles offenlegen! Diese Entwicklung bitte ich Sie, Herr Bundesminister, zu sehen. Ich ersuche einmal mehr darum, hiezu auch mit den Oppositionsparteien den Dialog zu führen – und ich meine damit nicht nur die Namen, die Sie genannt haben, die in klassischer Weise für eine Ausweitung der Polizeirechte eintreten, sondern jene, die für neue Grundrechte eintreten. Denn das wäre es eigentlich, was dieses Land braucht! (Beifall bei den Grünen.)

15.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.54

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete Petrovic, ich werde mich nicht vor dieser Verantwortung drücken, und ich werde Sie zu diesem Dialog über neue Grundrechte einladen.

Der Grund dafür, daß ich mich gleich wieder zu Wort gemeldet habe, liegt aber einfach darin, daß ich glaube, daß Sie jetzt sehr unfair vorgegangen sind, weil Sie in Ihrem Debattenbeitrag sehr viele Dinge erwähnt haben, die schon lange zurückliegen, die schon von Ende der achtziger Jahre und von Anfang der neunziger Jahre stammen.

So behaupte ich beispielsweise – und das kann ich wirklich ehrlichen Gewissens behaupten –, daß es in der Zeit, seit ich als Minister verantwortlich bin, keine Beobachtung von AKW-Gegnern durch die Staatspolizei und keine Bevorzugung etwa von Betreibern von AKWs gibt. (Abg. Dr. Kier: Das ist jetzt auch nicht mehr ganz das Argument!) Das sind einfach Dinge, die möglicherweise in den achtziger Jahren stattgefunden haben – ich kann das gar nicht beurteilen oder wissen –, die in irgendeiner aktuellen Diskussion aber in keiner Weise notwendig oder wichtig sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Wabl: Mülldeponien, Straßenbau – das ist die Frage!)


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