Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 158. Sitzung / Seite 117

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Ich denke mir – ich komme zum Schluß meiner Ausführungen –, wir haben so etwas wie eine Bringschuld in der Kurdenfrage. Es wäre heute der geeignete Anlaß, dieser Bringschuld nachzukommen und zu sagen: Klären wir die Vorgänge, die 1989 in unserem eigenen Land passiert sind, mit den Beteiligungen, die es gegeben hat! Klären wir diese Vorfälle, und rücken wir damit nicht nur das Problem der Kurden in unsere Aufmerksamkeit, um auch politische Lösungen wieder näherzubringen, die heute erforderlich und gefragt sind, sondern versuchen wir auch, damit einen internationalen Beitrag zu leisten, um zu zeigen, daß politische Lösungen in der Kurdenfrage erforderlich und notwendig sind! Versuchen wir heute, wie gesagt, unserer Bringschuld hier nachzukommen, und setzen wir wenigstens diesen Untersuchungsausschuß ein! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Dr. Schmidt. )

20.13

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. Es gilt die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.14

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Visoki dom! Herr Präsident! Hohes Haus! Immer wieder erleben wir Ereignisse, Gewalthandlungen – sei es, daß sie im Lande selbst oder im Ausland geschehen –, die auch hier im Parlament ihren Widerhall finden.

Die Frage der Kurden und die Frage der Kurden in der Türkei ist absolut auch mit dem Problem, das wir im Kosovo haben, zu vergleichen. Es geht darum, daß ein Volk, eine Volksgruppe in einem Land um Autonomie kämpft.

Es ist ganz klar – damit unterstreiche ich auch die Haltung des Liberalen Forums –, daß wir in keiner Weise Gewalt akzeptieren können. Aber wir müssen doch die Reihenfolge beachten, die Ursachen und die Wirkungen. Wir müssen verstehen, daß dieses Volk, die Kurden, wenn auch nur für kurze Zeit, ihr eigenes Land in Selbstverwaltung hatte. Es waren die damaligen Großmächte, die in einem Zugeständnis an die Türkei mitgeholfen haben, die damalige Autonomie – oder vielleicht auch schon Eigenstaatlichkeit – abzuschaffen. Seit dieser Zeit bemüht sich dieses Volk immer wieder, auf seine Probleme aufmerksam zu machen. Wir wissen, daß viele Gruppen das lange Zeit auch sehr friedlich getan haben, mit viel Papier, mit viel Reden und viel gutem Zureden.

Es ist aber nicht zu tolerieren, daß das EU-Europa, es ist nicht zu tolerieren, daß das OSZE-Europa, und es ist auch nicht zu tolerieren, daß die NATO diese Entwicklung in der Türkei vor den Toren Europas zuläßt. Es muß – ich sagte das bewußt auch in meiner Presseerklärung – die Türkei gezwungen werden, und zwar sowohl die Regierung als auch das Militär, mit den Kurden, und zwar mit allen Kurdengruppierungen, in Gespräche einzutreten. Wir haben auch für diesen Konflikt nur die Formel der politischen Dialoglösung. Das Zusehen bei einem solchen Konflikt bewirkt, daß diese Gewalt, daß diese Auseinandersetzungen dann letztlich auch in Österreich stattfinden.

Ich habe des öfteren – gerade auch von diesem Pult aus – erklärt, daß wir uns in Europa mehr Kopfzerbrechen über Konfliktprävention machen müssen, meine Damen und Herren! Sagen Sie mir bitte, geben Sie mir darauf eine Antwort: Wohin soll der Kurde – nicht Herr Öcalan, sondern der einfache Kurde – mit seinem Problem gehen? Wer hört ihn in Europa an? Wo ist diese Institution? Wann hat der Europarat die kurdische Vertretung eingeladen? (Abg. Schieder: In jeder Sitzung!) Wie oft waren die Kurden bei der EU? Wie oft wurden sie angehört? Wie oft hat man sich mit ihrer Sache befaßt? (Abg. Schieder: In jeder Sitzung dort!)

Das Ganze ist eigentlich immer nach einem Ritual abgelaufen: Wir verhandeln mit den Türken und den türkeifreundlichen Kurden, meine Damen und Herren, anstatt mit allen Gruppierungen zu verhandeln. Anstatt alle zu Gesprächen einzuladen, dreht man die Augen weg und sagt: Die Türkei ist unser großes Bollwerk im Nahen Osten, das brauchen wir! Das brauchen wir für die NATO, das brauchen wir gegen den Irak, das brauchen wir für diesen gesamten Raum. Aber dafür opfern wir Menschenrechte, dafür opfern wir Volksgruppenrechte. – Dazu kann ich nicht ja sagen, meine Damen und Herren! Es ist der politische Dialog zu führen! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)


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