Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 171. Sitzung / 169

In den achtziger Jahren verstärkte sich die Tendenz, das Instrument der bilateralen Kulturabkommen als nicht mehr zeitgemäß anzusehen und vom Abschluß neuer Abkommen dieser Art Abstand zu nehmen. Das Hauptargument hierfür war und ist weiterhin, daß sich die grenzüberschreitenden Kulturbeziehungen heute zunehmend oder weitgehend außerhalb des staatlichen Einflusses abspielen und daß folglich das Instrument der klassischen bilateralen Kulturabkommen in diesem Umfeld funktionslos und entbehrlich geworden ist. Dieses Argument zielt natürlich vor allem auf die grenzüberschreitenden Kulturbeziehungen zwischen westlichen Staaten, aber es wurde nach der Wende im Jahre 1989 auch im Hinblick auf die Kulturbeziehungen zu den vormals kommunistischen Staaten in Mittel- und Osteuropa verwendet.

Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, daß unter bestimmten Voraussetzungen mit bestimmten Partnern das Instrument des klassischen bilateralen Kulturabkommens weiterhin eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Auslandskulturpolitik erfüllen kann. Hier geht es erstens um west- und südeuropäische Staaten wie Frankreich, Italien, Portugal und Spanien, die wie Österreich eine aktive Auslandskulturpolitik betreiben und das Instrumentarium des klassischen bilateralen Kulturabkommens schon deswegen schätzen, weil es die institutionelle Möglichkeit zu einer periodischen Bestandsaufnahme mit dem Partnerland und zur Erörterung von operationellen Fragen – etwa betreffend die im Partnerland tätigen Kulturinstitute – bietet. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Durchführung der bestehenden Kulturabkommen mit den genannten Staaten wurde konsequent verfolgt, und es gelten hier jeweils die aktuellen Arbeitsprogramme.

Zweitens geht es hier um die vorher erwähnten Staaten Mittel- und Osteuropas. In diesen Staaten – wie übrigens auch in Österreich – finden wir die Situation vor, daß die budgetäre Absicherung bestimmter Leistungen im Rahmen dieser Kulturbeziehungen davon abhängt, daß ein gemeinsam vereinbartes Arbeitsprogramm vorliegt, das seinerseits auf einem Kulturabkommen beruht. Das Interesse der Partnerstaaten an der vertragsgemäßen Weiterführung der mit Österreich abgeschlossenen Kulturabkommen ist durchaus vorhanden. Dort, wo durch die jeweilige Gestaltung der Staatennachfolge eine frühere Einbindung in ein Kulturabkommen mit Österreich weggefallen ist, namentlich mit der Slowakei und mit Slowenien, wurden Verhandlungen über neue bilaterale Kulturabkommen angestrebt und in der Folge auch geführt.

Im Verhältnis zu Rußland war im Jahre 1994 vereinbart worden, daß das seinerzeit mit der Sowjetunion geschlossene Kulturabkommen aus dem Jahre 1968 weiter angewendet wird. Es gab aber keine umfassende Anwendung, insbesondere kam es nicht mehr zu den periodischen Tagungen und zu Vereinbarungen über die Durchführung von Arbeitsprogrammen. Es ist zu hoffen, daß sich schon im ersten auf der Grundlage des neuen Abkommens erstellten Arbeitsprogramm die russische Seite zur Erteilung von Mehrfachein- und -ausreisevisa an österreichische Lektoren und Kulturexperten bereit erklärt.

Zusammenfassend sei festgestellt, daß meine Fraktion das Abkommen als sinnvoll und nützlich ansieht und ihm zustimmen wird. In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, ob es nicht doch zweckmäßig wäre, unter ganz bestimmten positiven Voraussetzungen das Netz der von Österreich abgeschlossenen bilateralen Kulturabkommen auf neue Partner – also auf solche, die nicht schon früher in ein Kulturabkommen eingebunden waren – zu erweitern. So könnte ich mir vorstellen, daß mit einem Staat wie der Volksrepublik China die bilateralen Kulturbeziehungen gefestigt und verstärkt werden könnten, wenn sie durch ein bilaterales Kulturabkommen strukturiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

19.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Höbinger-Lehrer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

19.26

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zuerst einen Dank: Sie haben mir prompt die Lebensläufe der beiden Bundeskuratoren zukommen lassen. Ich darf mich dafür nochmals bedanken.


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