Stenographisches Protokoll

174. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XX. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 16., und Donnerstag, 17. Juni 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

174. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XX. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 16., und Donnerstag, 17. Juni 1999

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 16. Juni 1999: 9.00 – 24.00 Uhr

Donnerstag, 17. Juni 1999: 0.00 – 1.17 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Eherechts-Änderungsgesetz 1999 – EheRÄG 1999

2. Punkt: Kartellgesetznovelle 1999 – KartGNov. 1999

3. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 1056/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erhaltung von Wettbewerb und Marktwirtschaft durch ein stärkeres Kartellrecht

4. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 52/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten

5. Punkt: Bericht über den Österreichischen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) und über den Masterplan

6. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 954/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die Entwicklung eines gesamtösterreichischen Verkehrsgestaltungsplanes

7. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 728/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Alternative zum Semmering-Basistunnel

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1048/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz – FIUG) und mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 145/1998, geändert wird (GGBG-Novelle 1999)

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1092/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

12. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 677/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Verbot des Transportes von Kälbern bis zu einem Alter von 21 Tagen

13. Punkt: Bericht über die Petition (PET-19) betreffend "Das Österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic

14. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative (BI-14) betreffend "Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze"

15. Punkt: Bericht über den Antrag 857/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG 1997), BGBl. I Nr. 120/1997, i. d. F. BGBl. I Nr. 2/1998, geändert wird

16. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 858/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einführung eines Gutpunkteführerscheins

17. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 933/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend rasche Einführung des Punkteführerscheins

18. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 888/A (E) der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die Änderung des Übereinkommens von Wien über den Straßenverkehr zwecks Schaffung international verbindlicher strenger Abgasvorschriften

19. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 32 bis 37, Nr. 39 bis 47, Nr. 49 und 51 bis 55 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14, 15 und 21

20. Punkt: EWR-Psychologengesetz

21. Punkt: EWR-Psychotherapiegesetz

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Verkehr mit Speisesalz geändert wird

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das AIDS-Gesetz 1993 geändert wird

25. Punkt: Patientencharta

26. Punkt: Bericht über den Antrag 1084/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz geändert wird

27. Punkt: Bericht über den Antrag 1097/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird

28. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 1000/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Entschädigungsfonds für die in Zusammenhang mit Blut- oder Blutprodukten geschädigten Personen

29. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 1001/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Abschluß einer Versicherung für den Schutz von Blut- und Plasmaspendern

30. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 841/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Verbesserung und Ausweitung der HIV-Meldepflicht

31. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 875/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Umstrukturierung von Krankenhaus- und Akutbetten (Stationen) zu Palliativ-Stationen

32. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 938/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesundheitssicherheit durch Ausnahmenbeseitigung im Bazillenausscheidergesetz

33. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 950/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend leistungsorientierte Krankenhaus-Finanzierung (LKF) – entsprechende Änderung der Kostenrechnungsverordnung

34. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 827/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung für den Bezug von Arzthonoraren der Bundesärzte

35. Punkt: Bericht über den Entschließungsantrag 1063/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner, Theresia Haidlmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend § 17 Fortpflanzungsmedizingesetz

36. Punkt: Bericht über den Antrag 1002/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (BGBl. Nr. 275/1992)

37. Punkt: Bericht über den Antrag 1103/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden

38. Punkt: Bericht über den Antrag 1102/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen 21

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über das Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 12. Juli 1999 zu setzen 40

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG 40

Redner:

Dr. Stefan Salzl 155

Ludmilla Parfuss 157

Maria Rauch-Kallat 158

Mag. Herbert Haupt 160

Klara Motter 161

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 162

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 164

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung 40

Ersuchen des Abgeordneten Herbert Scheibner um Einberufung einer Präsidialsitzung im Zusammenhang mit den Dioxinvorfällen 88

Feststellungen des Präsidenten MMag. Dr. Willi Brauneder zum Ersuchen des Abgeordneten Herbert Scheibner 89, 97

Unterbrechung der Sitzung 97

Verlangen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka nach Erteilung eines Ordnungsrufes für den Vorwurf der Lüge 133

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer zum Verlangen des Abgeordneten Dr. Peter Kostelka 133

Aktuelle Stunde (40.)

Thema: "Keine Entsendung von österreichischen Truppen unter NATO-Kommando in den Kosovo"

Redner:

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 21

Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel 23, 35

Mag. Doris Kammerlander 25

Peter Schieder 26

Dr. Andreas Khol 27

Herbert Scheibner 28

Dr. Volker Kier 30

Andreas Wabl 31

Anton Gaál 32

Dr. Alois Mock 33

Dkfm. Holger Bauer 34

Dr. Martina Gredler 36

Feststellung des Präsidenten Dr. Heinz Fischer im Zusammenhang mit dem Thema der Aktuellen Stunde 25

Ausschüsse

Zuweisungen 38, 254

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ablegung eines Offenbarungseides über den sicherheitspolitischen Status Österreichs (6412/J) 107

Begründung: Mag. Dr. Heide Schmidt 112

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 117

Debatte:

Dr. Volker Kier 124

Dr. Peter Kostelka 127

Dr. Michael Spindelegger 129

Herbert Scheibner 130

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 134

MMag. Dr. Madeleine Petrovic 135

Herbert Scheibner (tatsächliche Berichtigung) 137

Dr. Martina Gredler 138

Dr. Elisabeth Hlavac 140

Dr. Karl Maitz 141

Dr. Harald Ofner 143

Mag. Doris Kammerlander 144

Mag. Thomas Barmüller 146

Peter Schieder 148

Werner Amon 150

Dkfm. Holger Bauer 151

Andreas Wabl 153

Dipl.-Ing. Leopold Schöggl 154

Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Scheibner und Genossen betreffend Durchführung eines Volksentscheides über die zukünftige österreichische Sicherheitspolitik – Ablehnung 152, 155

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1653 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Exekutionsordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden (Eherechts-Änderungsgesetz 1999 – EheRÄG 1999) (1926 d. B.) 40

Redner:

Dr. Martin Graf 41

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 42

Mag. Dr. Heide Schmidt 45

Dr. Johannes Jarolim 50

Mag. Terezija Stoisits 52

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 56

Mag. Dr. Josef Trinkl 58

Dr. Michael Krüger 60

Dr. Helga Konrad 62

Mag. Thomas Barmüller 63

Dr. Johannes Jarolim (tatsächliche Berichtigungen) 66, 68

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigungen) 66, 78

Dr. Michael Krüger (Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung) 66

Rosemarie Bauer 67

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 68

Mag. Doris Kammerlander 71

Dr. Ilse Mertel 73

Dr. Harald Ofner 75, 80

Dr. Gertrude Brinek 76

Dr. Liane Höbinger-Lehrer 77

Doris Bures 79

Mag. Gisela Wurm 79

Annahme des Gesetzentwurfes in 1926 d. B. 81

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1775 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 1988 geändert wird (Kartellgesetznovelle 1999 – KartGNov. 1999) (1923 d. B.) 83

3. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 1056/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erhaltung von Wettbewerb und Marktwirtschaft durch ein stärkeres Kartellrecht (1924 d. B.) 83

4. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 52/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten (1925 d. B.) 83

Redner:

Dr. Michael Krüger 83

Dr. Johannes Jarolim 84

Mag. Helmut Peter 85

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter 87

Mag. Terezija Stoisits 89

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 90

Anton Heinzl 91

Helmut Haigermoser 92

Josef Schrefel 93

Anna Huber 94

Mag. Johann Maier 95

Annahme des Gesetzentwurfes in 1923 d. B. 96

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1924 und 1925 d. B. 96

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht (III-154 d. B. und Zu III-154 d. B.) des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über den Österreichischen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) und über den Masterplan (1927 d. B.) 96

6. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 954/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die Entwicklung eines gesamtösterreichischen Verkehrsgestaltungsplanes (1928 d. B.) 96

7. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 728/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Alternative zum Semmering-Basistunnel (1929 d. B.) 97

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 97

Rudolf Parnigoni 99

Mag. Thomas Barmüller 101

Mag. Helmut Kukacka 102

Dr. Gabriela Moser 104

Josef Edler 164

Reinhart Gaugg 165

Bundesminister Dr. Caspar Einem 167

Johann Kurzbauer 169

Ing. Monika Langthaler 170

Helmut Dietachmayr 172

Karlheinz Kopf 173

Kenntnisnahme des Berichtes III-154 und Zu III-154 d. B. 174

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1927 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend die Zusammenführung der Projekte des Masterplans des Österreichischen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) und der Projekte der Studie "Die Gestaltung des Straßennetzes im Donaueuropäischen Raum unter besonderer Berücksichtigung des Wirtschaftsstandortes Österreich" (E 186) 175

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1928 und 1929 d. B. 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einleitung erforderlicher Maßnahmen zur Entwicklung der verkehrstechnischen Anbindung der Obersteiermark – Ablehnung 102, 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Bundesverkehrswegeplan: Netzergänzung und Netzverbesserungen – Ablehnung 106, 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend Hebung der Sicherheit in Tunnels – Ablehnung 168, 175

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1048/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz – FIUG) und mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1930 d. B.) 175

9. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1834 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (1931 d. B.) 175

10. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1833 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 145/1998, geändert wird (GGBG-Novelle 1999) (1932 d. B.) 175

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 176

Rudolf Parnigoni 177

Mag. Thomas Barmüller 178

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch 179

Dr. Gabriela Moser 181

Winfried Seidinger 182

Franz Lafer 183

Kurt Wallner 184

Dr. Susanne Preisinger 185

Annahme der Gesetzentwürfe in 1930, 1931 und 1932 d. B. 186, 187

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend geregelte Arbeitszeiten für fliegendes Personal – Ablehnung 176, 186

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend verbesserte Ausbildung der Taxilenker – Ablehnung 184, 187

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1092/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1933 d. B.) 187

12. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 677/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Verbot des Transportes von Kälbern bis zu einem Alter von 21 Tagen (1934 d. B.) 187

13. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (PET-19) betreffend "Das Österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic (1935 d. B.) 187

14. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-14) betreffend "Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze" (1936 d. B.) 188

Redner:

Dr. Stefan Salzl 188

Ludmilla Parfuss 189

Klara Motter 191

Georg Schwarzenberger 191

Dr. Gabriela Moser 193

Robert Sigl 196

Robert Wenitsch 197

Gabriele Binder 199

Mag. Herbert Haupt 199

Annahme des Gesetzentwurfes in 1933 d. B. 201

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1934, 1935 und 1936 d. B. 202

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Verbesserung der Tiertransportbedingungen – Ablehnung 189, 201

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Schaffung eines Europäischen Abkommens über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen wegen Übertretung der Tiertransport-Bestimmungen – Ablehnung 193, 201

Gemeinsame Beratung über

15. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 857/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG 1997), BGBl. I Nr. 120/1997, i. d. F. BGBl. I Nr. 2/1998, geändert wird (1937 d. B.) 202

16. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 858/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einführung eines Gutpunkteführerscheins (1938 d. B.) 202

17. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 933/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend rasche Einführung des Punkteführerscheins (1939 d. B.) 202

18. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 888/A (E) der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die Änderung des Übereinkommens von Wien über den Straßenverkehr zwecks Schaffung international verbindlicher strenger Abgasvorschriften (1940 d. B.) 202

Redner:

Mag. Reinhard Firlinger 202

Gabriele Binder 203

Mag. Thomas Barmüller 204

Mag. Helmut Kukacka 206

Dr. Gabriela Moser 208

Kurt Wallner 209

Franz Lafer 210

Ing. Wolfgang Nußbaumer 211

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1937, 1938 und 1940 d. B. 212

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1939 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einführung des Punkteführerscheins (E 187) 212

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Schritte der Liberalisierung im Bereich der Fahrschulen – Ablehnung 204, 212

19. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 32 bis 37, Nr. 39 bis 47, Nr. 49 und 51 bis 55 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14, 15 und 21 (1901 d. B.) 212

Redner:

Harald Fischl 212

Edeltraud Gatterer 214

Franz Koller 215

Brunhilde Fuchs 216

Anton Blünegger 217

Klara Motter 218

Mag. Herbert Haupt 219

Theresia Haidlmayr 220

Johann Kurzbauer 222

Brigitte Tegischer 222

Dr. Robert Rada 223

Dr. Franz Löschnak 224

Kenntnisnahme des Sammelberichtes 1901 d. B. 224

Gemeinsame Beratung über

20. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1758 d. B.): Bundesgesetz über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychologengesetz) (1979 d. B.) 224

21. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1759 d. B.): Bundesgesetz über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von Psychotherapeuten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychotherapiegesetz) (1980 d. B.) 225

22. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1774 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Verkehr mit Speisesalz geändert wird (1981 d. B.) 225

23. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1777 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (1982 d. B.) 225

24. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1778 d. B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das AIDS-Gesetz 1993 geändert wird (1983 d. B.) 225

25. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1824 d. B.): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1984 d. B.) 225

26. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1084/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz geändert wird (1985 d. B.) 225

27. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1097/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (1986 d. B.) 225

28. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1000/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Entschädigungsfonds für die in Zusammenhang mit Blut- oder Blutprodukten geschädigten Personen (1987 d. B.) 225

29. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1001/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Abschluß einer Versicherung für den Schutz von Blut- und Plasmaspendern (1988 d. B.) 226

30. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 841/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Verbesserung und Ausweitung der HIV-Meldepflicht (1991 d. B.) 226

31. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 875/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Umstrukturierung von Krankenhaus- und Akutbetten (Stationen) zu Palliativ-Stationen (1992 d. B.) 226

32. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 938/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesundheitssicherheit durch Ausnahmenbeseitigung im Bazillenausscheidergesetz (1993 d. B.) 226

33. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 950/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend leistungsorientierte Krankenhaus-Finanzierung (LKF) – entsprechende Änderung der Kostenrechnungsverordnung (1994 d. B.) 226

34. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 827/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung für den Bezug von Arzthonoraren der Bundesärzte (1995 d. B.) 226

Redner:

Dr. Alois Pumberger 226

Dr. Elisabeth Pittermann 228

Dr. Günther Leiner 229

Klara Motter 230

Theresia Haidlmayr 232

Ing. Erwin Kaipel 233

Dr. Brigitte Povysil 235

Dr. Erwin Rasinger 236

Dr. Martina Gredler 237

Hannelore Buder 238

Mag. Herbert Haupt 239

Karl Donabauer 241

Manfred Lackner 242

Dr. Helga Konrad 243

Bundesministerin Eleonora Hostasch 243

Dr. Alois Pumberger (tatsächliche Berichtigung) 245

Annahme der Gesetzentwürfe in 1979, 1980, 1981, 1982, 1983, 1985 und 1986 d. B. 246, 247

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1982 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend Einhebung des Gremialbeitrages (E 188) 247

Genehmigung der Vereinbarung in 1924 d. B. 247

Kenntnisnahme der Ausschußberichte 1987, 1988, 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995 d. B. 247, 248

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Berufstätige im Gesundheitswesen – Vertrauenswürdigkeit und Deutschkenntnisse – Ablehnung 227, 247

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Alois Pumberger und Genossen betreffend Abschluß von Vereinbarungen gemäß Artikel 15a B-VG mit allen Bundesländern – Ablehnung 227, 247

Gemeinsame Beratung über

35. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1063/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner, Theresia Haidlmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend § 17 Fortpflanzungsmedizingesetz (1989 d. B.) 248

36. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1002/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (BGBl. Nr. 275/1992) (1990 d. B.) 248

Redner:

Dr. Elisabeth Pittermann 248

Dr. Erwin Rasinger 249

Dr. Brigitte Povysil 250

Klara Motter 251

Theresia Haidlmayr 251

Mag. Johann Maier 252

Annemarie Reitsamer 253

Dr. Alois Pumberger 253

Annahme der dem schriftlichen Ausschußbericht 1989 d. B. beigedruckten Entschließung betreffend § 17 Fortpflanzungsmedizingesetz (E 189) 254

Kenntnisnahme des Ausschußberichtes 1990 d. B. 254

Zuweisung des Antrages 1002/A an den Justizausschuß 254

Gemeinsame Beratung über

37. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1103/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (1970 d. B.) 254

38. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1102/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1971 d. B.) 254

Redner:

Reinhart Gaugg 254

Annemarie Reitsamer 255

Dr. Volker Kier 256

Dr. Gottfried Feurstein 258

Karl Öllinger 259

Sophie Bauer 259

Edith Haller 260

Ridi Steibl 261

Sigisbert Dolinschek 261

Heidrun Silhavy 262

Karl Donabauer 263

Edeltraud Gatterer 264

Bundesministerin Eleonora Hostasch 265

Annahme der Gesetzentwürfe in 1970 und 1971 d. B. 266

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen 38

1763: Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c) des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, samt Erklärungen der Republik Österreich

1811: Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 1. BRBG

1826: Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz geändert wird

1851: Strafvollzugsnovelle 1999

1854: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert werden

1855: Bundesgesetz betreffend die Übertragung des Bundesanteils an der Olympia-Eissportzentrum Innsbruck Ges.m.b.H. sowie die Übertragung von unbeweglichem Bundesvermögen

1857: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geändert wird

1897: Bundesarchivgesetz

1902: Bundesgesetz über Änderungen des Aktiengesetzes, des Handelsgesetzbuchs und des Börsegesetzes zur Erleichterung des Rückerwerbs eigener Aktien – Aktienrückerwerbsgesetz (AReG)

1909: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (57. Novelle zum ASVG)

1910: Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum GSVG)

1911: Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum BSVG)

1912: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (27. Novelle zum B-KUVG) und das Karenzgeldgesetz geändert werden

1913: Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

1914: Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG

1973: Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird

Berichte 39

III-195: Bericht zur Entschließung des Nationalrates E 151-NR/XX.GP vom 16. Dezember 1998 über Maßnahmen zugunsten der Gehörlosen und Schwerhörenden; Bundesregierung

III-196: Schulerhaltungs- und Schulentwicklungsprogramm der Bundesregierung (SCHEP 2000)

Anträge der Abgeordneten

Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Ausarbeitung einer familienfreundlichen Regelung bei Personenbeförderungen (1108/A) (E)

Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend lenkerfreundlichere Bestimmungen zum Ziehen von Anhängern (1109/A) (E)

Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Verbilligung von Dieseltreibstoff für die Land- und Forstwirtschaft (1110/A) (E)

Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend Umsetzung des Binnenmarktes für landwirtschaftliche Betriebsmittel (1111/A) (E)

Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend Vermeidung von schwer überbrückbaren Barrieren für behinderte und alte Menschen (1112/A) (E)

Maria Rauch-Kallat und Genossen betreffend Sterbebegleitung – Ausbau des Hospiz-Wesens (1113/A) (E)

Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Journalistengesetz geändert wird (1114/A)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend ein Bundesgesetz zum Schutz der Tiere (Bundes-Tierschutzgesetz – TSchG) (1115/A)

Dr. Sonja Moser-Starrach und Genossen betreffend Karenzgeld für alle – Ausweitung des Karenzgeldanspruches auf alle Mütter (Väter) sowie Umwandlung des Karenzgeldes zu einer Familienleistung (1116/A) (E)

Dr. Sonja Moser-Starrach und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1117/A)

Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die linienmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (Kraftfahrliniengesetz – KflG) (1118/A)

Mag. Helmut Kukacka, Rudolf Parnigoni und Genossen betreffend die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (1119/A) (E)

Karlheinz Kopf und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 79/1998, geändert wird (1120/A)

Karlheinz Kopf und Genossen betreffend Erhöhung und Neuordnung der besonderen Sportförderung (1121/A) (E)

Dr. Ewald Nowotny, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend Werbeabgabe (1122/A) (E)

Dr. Erwin Rasinger und Genossen betreffend Gesundheitsreform (1123/A) (E)

Ingrid Tichy-Schreder und Genossen betreffend Erweiterung der Pflichten zur Berechnung der Gesetzesfolgekosten im § 14 Bundeshaushaltsgesetz (1124/A) (E)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend Änderung des Bundespflegegeldgesetzes im Hinblick auf die Pflegegeldeinstufung (1125/A) (E)

Ridi Steibl und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, in der geltenden Fassung, geändert wird (1126/A)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend moderne Erziehungsmittel (1127/A) (E)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend neue Wege in der Forschung (1128/A) (E)

Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch und Genossen betreffend Vollrechtsfähigkeit für die Universitäten (1129/A) (E)

Mag. Dr. Josef Höchtl und Genossen betreffend Berücksichtigung einer umfassenden Förderung begabter Schülerinnen und Schüler (1130/A) (E)

Dr. Peter Kostelka und Genossen betreffend "Sicherung des Waldes als Erholungsgebiet" (1131/A) (E)

Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentliches Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRVG 1999) (1132/A)

Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Urlaubsgesetz und das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert werden (1133/A)

Rudolf Schwarzböck und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdengesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (1134/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 158/1998, geändert wird (1135/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetz BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 158/1998, geändert wird (1136/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895, RGBl. Nr. 113, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 21/1999, geändert wird (1137/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895, RGBl. Nr. 113, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 21/1999, geändert wird (1138/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 50/1991, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 471/1995, geändert wird (1139/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 50/1991, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 471/1995, geändert wird (1140/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG, BGBl. Nr. 50/1991, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 127/1998, geändert wird (1141/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rundfunkgesetz BGBl. Nr. 379/1984, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 1/1999, geändert wird (1142/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Urlaubsgesetz 1976, BGBl. Nr. 390/1976, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 832/1995, geändert wird (1143/A)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch das BGBl. Nr. 153/1998, geändert wird (1144/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auflösung der Kinderklinik Glanzing (6402/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Freipressungen aus der Schubhaft (6403/J)

MMag. Dr. Willi Brauneder und Genossen an den Bundeskanzler betreffend "Architekturbudget" (6404/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Hepatitis-C(HCV)-Beratung (6405/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Mycobakterium Paratuberkulosis und Morbus Crohn (6406/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Mycobakterium Paratuberkulosis und Morbus Crohn (6407/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend beabsichtigten Verkauf von Waffen, Gerät und Fahrzeugen des Bundesheeres (6408/J)

Walter Murauer und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend ehestmögliche Fertigstellung der A 9 – Pyhrn Autobahn (6409/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Fehlen der Richtlinien für die Verwaltung des öffentlichen Wassergutes insbesondere bei Direkteinleitung aus Kleinkläranlagen im ländlichen Raum (6410/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend belgischen Dioxinskandal (6411/J)

Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ablegung eines Offenbarungseides über den sicherheitspolitischen Status Österreichs (6412/J)

Arnold Grabner und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend A-2-Autobahnabfahrten Wiener Neustadt/Nord, Wöllersdorf (6413/J)

Dr. Helga Konrad und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend sexistische Abbildungen und Kommentare in der Zeitschrift "Heer aktiv" (6414/J)

Mag. Johann Maier und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Maßnahmen des Bundesministeriums für Justiz zur Durchführung der Diversion (6415/J)

Otmar Brix und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Lehrberuf Bühnentechniker (6416/J)

Edith Haller und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend offene Fragen zum Schutz des Lebens (6417/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Versicherung für "neue" Selbständige (6418/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Zusagen der privaten Mobiltelekommunikationsbetreiber gegenüber der Bundesregierung (6419/J)

Herbert Scheibner und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Zusagen der privaten Mobiltelekommunikationsbetreiber gegenüber der Bundesregierung (6420/J)

Herbert Scheibner und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Zusagen der privaten Mobiltelekommunikationsbetreiber gegenüber der Bundesregierung (6421/J)

Hermann Böhacker und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Genehmigungen von Baustellenampeln im allgemeinen und im Tauerntunnel im besonderen (6422/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Gewässerschutz und Anlagengenehmigungen im Industrie- und Betriebsgebiet in Wiener Neudorf/NÖ (6423/J)

Mag. Terezija Stoisits und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaft für Ausländer/innen (6424/J)

Mag. Doris Kammerlander und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaft für wehrdienstpflichtige serbische Moslems aus dem Kosovo (6425/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufstockungen von Bundesanleihen (6426/J)

Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Aufstockungen von Bundesanleihen (6427/J)

MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Beeinträchtigung des Figurteiches in Guntramsdorf/NÖ durch Niederschlagswässer aus Betriebs- und Industriegebiet (6428/J)

Theresia Haidlmayr und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend fehlende Rehabilitationseinrichtungen im psychiatrischen/psychosozialen Bereich (6429/J)

Andreas Wabl und Genossen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Produkthaftung für land- und forstwirtschaftliche Rohprodukte (6430/J)

Andreas Wabl und Genossen an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Produkthaftung für land- und forstwirtschaftliche Rohprodukte (6431/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend UVP-Pflicht der geplanten zweiten Röhre des Tauerntunnels (6432/J)

Dr. Gabriela Moser und Genossen an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie betreffend UVP-Pflicht der geplanten zweiten Röhre des Tauerntunnels (6433/J)

Reinhart Gaugg und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend weitere unerklärliche Verzögerungen bei der Voruntersuchung zum Karawanken-Autobahn-Skandal (6434/J)

Edith Haller und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend offene Fragen zum Schutz des Lebens (6435/J)

Mag. Herbert Haupt und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Finanzierung von Gemeindearbeitern über das Arbeitsmarktservice (6436/J)

Wolfgang Jung und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Vorkommnisse an der österreichischen Botschaft in Luxemburg (6437/J)

Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Objekt Hohe Warte Nr. 34 (6438/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsetzung eines Beirates für Fragen zur Wahrung der Menschenrechte (6439/J)

Dr. Volker Kier und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Visaerteilung für kosovo-albanischen Flüchtling und Politiker (6440/J)

Dr. Martina Gredler und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einstellung der Fördermittel für die Aids-Informationszentrale Austria (6441/J)

Helmut Dietachmayr und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend WTO-Verhandlungen (6442/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Kier und Genossen (5740/AB zu 6065/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5741/AB zu 6123/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gertrude Brinek und Genossen (5742/AB zu 6131/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (5743/AB zu 6138/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (5744/AB zu 6183/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (5745/AB zu 6143/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (5746/AB zu 6146/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Elfriede Madl und Genossen (5747/AB zu 6155/J)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Kurt Wallner und Genossen (5748/AB zu 6158/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5749/AB zu 6117/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Graf und Genossen (5750/AB zu 6060/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (5751/AB zu 6187/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (5752/AB zu 6061/J)

des Präsidenten des Rechnungshofes auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Murauer und Genossen (5753/AB zu 6064/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Werner Amon und Genossen (5754/AB zu 6098/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann und Genossen (5755/AB zu 6145/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (5756/AB zu 6214/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5757/AB zu 6113/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Hermann Böhacker und Genossen (5758/AB zu 6059/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier und Genossen (5759/AB zu 6062/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5760/AB zu 6067/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Helene Partik-Pablé und Genossen (5761/AB zu 6125/J)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Anfrage der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen (5762/AB zu 6085/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5763/AB zu 6115/J)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Klara Motter und Genossen (5764/AB zu 6066/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen (5765/AB zu 6112/J)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Verena Dunst und Genossen (5766/AB zu 6166/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen (5767/AB zu 6081/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Leopold Schöggl und Genossen (5768/AB zu 6137/J)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (5769/AB zu 6160/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Doris Kammerlander und Genossen (50/ABPR zu 53/JPR)

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

Vorsitzende: Präsident Dr. Heinz Fischer, Zweiter Präsident Dr. Heinrich Neisser, Dritter Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder.

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich eröffne – zur vereinbarten Zeit – die 174. Sitzung des Nationalrates.

Das Amtliche Protokoll der 173. Sitzung vom 2. Juni 1999 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen, ohne Einspruch geblieben und gilt daher als genehmigt.

Mir liegen folgende Meldungen über Verhinderungen für die heutige Sitzung vor, und zwar von den Abgeordneten Jung, Hans Helmut Moser, Schaffenrath, Dr. Schwimmer und Aumayr.

Aktuelle Stunde

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Beginn der Sitzung steht die Aktuelle Stunde zum Thema:

"Keine Entsendung von österreichischen Truppen unter NATO-Kommando in den Kosovo"

Als erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic als Erstunterzeichnerin des Verlangens. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Frau Abgeordnete, ich erteile Ihnen das Wort.

9.01

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Seit mittlerweile fast einem Jahrzehnt sind wir mit Konflikten in der Balkan-Region konfrontiert, die mit politischen Entscheidungen des Belgrader Regimes begonnen haben, mit den Entscheidungen, die Autonomie jugoslawischer Teilrepubliken zu beschränken, zu beschneiden – so geschehen im Jahre 1989 im Kosovo –, in der Folge verknüpft mit den kriegerischen Handlungen, die wir miterleben mußten, die wir gesehen haben.

Es ist jetzt – zehn Jahre danach – müßig, darüber Klage zu führen, daß die warnenden Zeichen nicht zu entsprechenden politischen Handlungen geführt haben, daß man den ursprünglich und Jahre hindurch friedlichen Widerstand der Kosovo-Albanerinnen und -Albaner nicht politisch unterstützt hat, daß man die freien Medien, nicht-nationalistische Journalistinnen und Journalisten zuwenig unterstützt hat – all das ist nun Geschichte! Aber es ist von allen konstatiert worden, daß im Bereich dieser nicht-militärischen Unterstützung der Kräfte des Friedens zuwenig geschehen ist.

Ich hoffe, daß für künftige Konflikte, für künftige Bedrohungen von Menschenrechten aus der Situation auf dem Balkan, im Kosovo eine Lehre gezogen wurde. Und ich hoffe – ich sehne mich danach! –, daß auch von Österreich aus zugunsten bedrohter Völker – etwa zugunsten der kurdischen Bevölkerung, zugunsten der Tibeterinnen und Tibeter – noch entschlossener Initiativen folgen werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

In bezug auf den Kosovo bedarf es gerade jetzt, meine ich, äußerster politischer Umsicht und Sensibilität.

Es ist in der Debatte teilweise mit extremen Untergriffen agiert worden. Es ist unterstellt worden, wer nicht zu den Waffen greife, würde das Unrecht dulden, wegschauen, nicht ausreichend gegen Menschenrechtsverletzungen Stellung nehmen – obwohl Sie wissen, wie sehr diese Argumente falsch waren, wie sehr sie auch gerade in bezug auf Österreich falsch waren, denn daß Österreich und die österreichische Bevölkerung niemals weggeschaut haben, wissen wir!

Die Frage, die wir uns heute hier zu stellen haben, ist: Wer kann in welcher Situation welchen Beitrag leisten? – Diese Frage ist nach wie vor aktuell! Und ich konstatiere, daß die österreichische Bundesregierung in dieser Frage meiner Meinung nach nach wie vor nicht korrekt genug agiert.

Wie ist jetzt die Lage im Kosovo? – Es liegt seit dem 10. Juni eine grundsätzliche UNO-Resolution vor. Das, was ursprünglich gefehlt hat, was den Einsatz der NATO-Truppen eindeutig völkerrechtswidrig gemacht hat, liegt also jetzt zumindest als Rahmenbeschluß vor. Dennoch: De facto hat die UNO der NATO einen sehr weit gehenden Freiraum eingeräumt, weil es derzeit anders auch gar nicht möglich wäre. De facto ist es die NATO, die jetzt im Kosovo als Sieger auftritt.

Wer gestern im Fernsehen die Bilder von dort gesehen und auch die Kommentare dazu gehört hat, kann nachvollziehen, was sich jetzt im Kosovo ereignet. (Abg. Scheibner: Haben Sie auch die Bilder der Massengräber gesehen?) – Ja, Herr Abgeordneter Scheibner, ich habe die Bilder der Massengräber gesehen, und ich habe deswegen zu Beginn meiner Erklärungen in den Vordergrund gestellt, daß wir jetzt – und zwar stärker, in Zukunft als neutrales Österreich noch stärker – den Anfängen wehren müssen! Sie wissen, daß es leider die Anfänge von ähnlichen Verbrechen in manchen Regionen der Welt gibt!

Ich warte darauf, daß es morgen eine Initiative der Bundesregierung im Zusammenhang mit Kurdistan gibt – sie hätte die Unterstützung dieses ganzen Hauses, glaube ich –, die längst überfällig ist, um ähnliches zu vermeiden, damit wir dann nicht wieder vor Massengräbern stehen! (Beifall bei den Grünen.)

Für den Kosovo stellt sich jetzt aber die Frage: Wie kommt man von einem sehr, sehr brüchigen Waffenstillstand, der jeden Tag verletzt wird – von den Heckenschützen, durch die kleinen Scharmützel aller Art –, wie kommt man von diesem teilweise schon durchlöcherten Waffenstillstand zu einem echten Frieden? Und was kann der Beitrag Österreichs dazu sein?

Ich glaube, daß es mit der Neutralität und mit der historischen Rolle Österreichs auf dem Balkan auch in den letzten zehn Jahren nicht kompatibel ist, wenn Österreich in die Siegesrufe der Sieger einstimmt, anstatt jetzt als neutraler Vermittler, als Architekt des Friedens aufzutreten.

Wer die Bilder im Fernsehen gesehen hat, weiß, was sich jetzt dort ereignet: Es ist von einer Entwaffnung der UÇK, die für einen stabilen Frieden notwendig ist, keine Rede, sondern es kommt – wie sollte es aufgrund der Emotionalität der Kriegsereignisse auch anders sein – zu einer Verbrüderung der NATO-Truppen mit den Siegern, mit der UÇK. Jetzt ist es die serbische Zivilbevölkerung – auch Opfer, nicht Verursacher dieser Aggression –, die in Scharen flieht und einem ungewissen Schicksal entgegengeht. Wenn es das Ziel des neutralen Österreichs ist, multikulturelles Zusammenleben wieder zu ermöglichen, dann ist das kein Schritt, der uns in Richtung einer nachhaltigen Friedensordnung weiterbringt.

Daher glaube ich, daß man trotz Vorliegens des Beschlusses vom 10. Juni nicht im Einklang mit der österreichischen Neutralität österreichische Truppen in den Kosovo entsenden kann – nicht ausschließlich deswegen, weil es ein Risiko ist, denn das Risiko tragen alle, auch jene, die für NGOs, also nichtstaatliche Organisationen, im Dienste der Menschenrechte, im Dienste der humanitären Hilfe tätig sind, sondern auch deswegen, weil die Geschichte Österreichs in dieser speziellen Region belastet ist, weil wir nicht mehr als neutral angesehen werden, sondern als parteiisch, weil wir Partei ergriffen haben für die eine Seite; das ist etwas, was mit der österreichischen Neutralität sicher nicht mehr in Einklang steht.

Dazu kommt, daß die Schritte, die jetzt gesetzt werden sollen, nämlich betreffend eine mögliche weitere Involvierung österreichischer Soldaten in Kampfhandlungen, seitens des größeren Regierungspartners offenbar am Parlament vorbei gesetzt werden sollen, daß es höchstens zu einer Scheinbefassung des Parlaments kommen soll.

Medialen Stellungnahmen des Bundeskanzlers ist zu entnehmen: Wir haben ja Zeit, wir müssen das Parlament gar nicht mehr befassen! – Ich frage Sie aber schon, vor allem die sozialdemokratischen Abgeordneten – denn Sie wissen doch, daß diese Legislaturperiode bald zu Ende geht, Sie wissen, daß die Herstellung eines echten Einvernehmens darüber nur mehr kurze Zeit möglich ist –: Sind Ihre Ankündigungen auf den Plakaten, die österreichische Neutralität zu sichern, nur von so kurzem Bestand, daß Sie jetzt, im Sommer, sagen, die Bundesregierung werde das schon entscheiden? Wird es dann vielleicht einen telefonischen Rundruf bei den Mitgliedern des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses geben?

Meine Damen und Herren! Die echte Herstellung eines Einvernehmens darüber – und das wissen Sie genau – ist jetzt nicht mehr möglich!

Ich konstatiere daher: Man setzt österreichische Soldaten einem sehr, sehr hohen Risiko aus, einem Risiko, das aufgrund der Parteinahme Österreichs in der Vergangenheit als ganz besonders hoch zu bezeichnen ist. Österreich wird dort nicht mehr als neutraler Vermittler erlebt, sondern Österreich hat sich in den Chor der Siegesrufer eingegliedert.

Vor allem was die Sozialdemokratie anlangt, bedauere ich und bekümmert es mich, daß die Ankündigungen auf den Plakaten, die Neutralität zu sichern – das hieße wohl auch: faire Verhandlungen mit dem Parlament, mit dem Hauptausschuß zu führen, ein Einvernehmen darüber ernsthaft anzustreben –, offenbar nur Ankündigungen auf Plakaten waren, die das Papier, auf dem sie gedruckt wurden, nicht wert sind. (Beifall bei den Grünen.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf nunmehr den Herrn Vizekanzler und Außenminister bitten, zum Gegenstand der Aktuellen Stunde Stellung zu nehmen. Auch in diesem Falle soll die Redezeit 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.

9.12

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben uns Monate, bevor der Konflikt voll ausgebrochen ist, um eine friedliche Lösung bemüht – das brauche ich, glaube ich, hier nicht extra zu betonen. Am 24. März 1999 kam es – mit dem Beginn der Bombardements auf Jugoslawien und den Kosovo – innerhalb Jugoslawiens zu kriegerischen Konflikten, die – das muß man auch dazu sagen – Opfer, und zwar sowohl militärische als auch zivile, gefordert haben. Zwischenzeitlich haben wir uns immer wieder im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen der Staatengemeinschaft – ich nenne in diesem Zusammenhang nur Kofi Annan und die UNO – dafür eingesetzt, daß es zu einer friedlichen Lösung kommt.

Es ist nicht richtig, Frau Abgeordnete Petrovic, daß eine UNO-Resolution nicht gewünscht war. Alle wollten eine UNO-Resolution! Das Problem der mangelnden Einstimmigkeit im UNO-Sicherheitsrat war allerdings, daß zwei ständige Sicherheitsratsmitglieder das Zustandekommen einer solchen Resolution unter Kapitel 7 von der Zustimmung Belgrads abhängig gemacht haben.

Durch die Bemühungen des finnischen Präsidenten Martti Ahtisaari, durch jene Viktor Tschernomyrdins und Strobe Talbotts im Hintergrund ist es dann vor zehn Tagen zu einer solchen Zustimmung zu den Prinzipien der G 8 und der Weltgemeinschaft in Belgrad gekommen. Diese Prinzipien sind allerdings nicht neu, diese Prinzipien hätte man genausogut im März, im Februar, im Jänner dieses Jahres oder im Herbst vergangenen Jahres akzeptieren können. Belgrad war aber damals nicht dazu bereit, und daher waren auch zwei ständige Sicherheitsratsmitglieder der UNO nicht bereit, eine Resolution zu beschließen.

Die Situation hat sich jetzt – Gott sei Dank! – geändert: Es gibt die UNO-Resolution 1244, und zwar unter dem Kapitel VII, in dieser wird von der Bundesrepublik Jugoslawien die sofortige und überprüfbare Beendigung der Gewaltanwendung verlangt, ebenso der vollständige und schleunige Abzug aller – ich betone: aller! – militärischen Polizeieinheiten und paramilitärischen Kräfte. Synchron dazu soll es eine internationale Sicherheitspräsenz geben, soll die KFOR einrücken. Damit ist eine internationale Sicherheitsorganisation und Präsenz im Kosovo ausdrücklich autorisiert.

Der Kompromiß war, daß es einen Annex zu dieser Resolution gibt, der aber Teil dieser Resolution ist und auf den auch hingewiesen wird. In diesem Annex 2, Punkt 4 dieser Resolution, wird eine internationale Sicherheitspräsenz mit substantieller NATO-Beteiligung unter einem einheitlichen Kommando und einheitlicher Kontrolle angesprochen, die autorisiert sein muß, ein sicheres Umfeld für alle Menschen im Kosovo zu schaffen, um allen vertriebenen Flüchtlingen die sichere Rückkehr in ihre Häuser zu erleichtern.

Die NATO ist die einzige militärische Organisation, die das notwendige Know-how dazu hat und die entsprechenden Kommandostrukturen besitzt, um diese sehr, sehr schwierigen Aufgaben zu erfüllen und auch eine Truppe von über 50 000 Mann zu befehligen.

Es ist daher logisch, daß SACEUR, die Kommandostruktur der NATO, die Gesamtverantwortung für die assignierten Truppen der Operation übernimmt.

Österreich ist als Partner der NATO bereits am 15. Februar 1999 offiziell gefragt worden, ob es grundsätzlich dazu bereit ist, sich an einem solchen möglichen multinationalen Friedenseinsatz zu beteiligen. Die Bundesregierung hat im Ministerrat vom 9. März den grundsätzlichen Beschluß gefaßt, daran teilzunehmen. Wir sind dann am 9. Juni – wiederum offiziell und formell –, und zwar anläßlich einer EAPC-Sitzung, als NATO-Partnerland über den Operationsplan "Joint Guardian" in Kenntnis gesetzt worden. Österreich hat – wie auch andere 30 Staaten – seine grundsätzliche Zustimmung zu einem solchen Einsatz gegeben.

Wir haben am Dienstag, also gestern, innerhalb der Bundesregierung den Beschluß gefaßt, die Planung und die Budgetkosten für einen solchen Einsatz vorzubereiten. So etwas dauert ja einige Wochen, bis es überhaupt entwickelt werden kann, bis die Logistik steht; dann müssen Freiwillige angeworben werden. Es wird also etwa zwei bis drei Monate dauern, bis ein solcher Einsatz tatsächlich gestartet werden kann.

Wir haben vor, ein etwa bataillonsstarkes Infanteriekontingent, ausgerüstet mit den Mannschaftstransportpanzern des Typs PANDUR, und dazu die Sicherungs-, Fernmelde- und Sanitätselemente – Gesamtzahl: 450 bis 500 Personen – in den ersten sechs Monaten zu entsenden. Wir haben gestern dazu die notwendigen Budgetbeschlüsse gefaßt; diese werden in dieser Woche mittels der entsprechenden Budgetüberschreitungsgesetze durch das Parlament beschlossen werden – also keine Rede davon, daß irgend etwas am Parlament vorbeigespielt wird.

Sobald wir seitens der Kommandostrukturen genau wissen, wo unsere Soldaten eingesetzt werden, was der konkrete Aufgabenbereich ist, wird selbstverständlich die Bundesregierung ehebaldigst einen Entsendebeschluß im Ministerrat fassen, der dann innerhalb der nächsten zwei Wochen dem Nationalrat vorgelegt werden wird. Der Nationalrat arbeitet ja bis dahin voll; ist übrigens auch über den Sommer hinweg via Hauptausschuß voll einsatzfähig. Anzunehmen ist also, wie gesagt, daß innerhalb der nächsten zwei Wochen ein solcher Entsendebeschluß in der Bundesregierung gefaßt und dann selbstverständlich ehebaldigst dem Nationalrat vorgelegt werden wird.

Die derzeitige Planung sieht so aus, daß wir Österreicher in der deutschen Zone, und zwar im Rahmen einer von Deutschland geführten Brigade, an der voraussichtlich auch die Niederlande und andere Länder teilnehmen werden, unsere Aufgaben gemäß dem FOREIGN-Konzept erfüllen. Das heißt: Überwachungs-, Sicherungsschutz- und Unterstützungsaufgaben, nicht aber Kampfeinsätze zur Friedensdurchsetzung.

Sie, Frau Abgeordnete Petrovic, haben mir vorgeworfen, wir seien parteiisch. – Ich sage dazu: Ja, ich bin parteiisch, Österreich war parteiisch, und zwar die Bevölkerung genauso wie die Bundesregierung. Wir haben uns immer, gerade auch zur Lösung des Kosovo-Konflikts, für etwas eingesetzt: für die bedrohten Menschen, für die Vertriebenen und für die Menschenrechte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich sehe daher auch den jetzigen Friedenseinsatz von 30 Ländern – darunter NATO- und Nicht-NATO-Mitglieder –, "abgesegnet" vom UNO-Sicherheitsrat, als ein solches solidarisches Engagement zum Schutz der Menschen, wobei Menschen für mich – und für uns alle hoffentlich! – die Kosovaren genauso sind wie die Angehörigen anderer Volksgruppen, insbesondere auch die Serben.

Weiters sage ich Ihnen: Parteiisch bin ich auch insofern – ich bin das gerne, und ich sage es hier ganz offen –, als ich mich seit Monaten dafür einsetze, nicht Jugoslawien und "die Serben" zu brandmarken, sondern eine ganz bestimmte Führung. Meine Damen und Herren, die kommunistischen Diktatoren in Belgrad muß man brandmarken – nicht "die Serben"! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Im Sinne dieser Parteilichkeit für etwas veranstaltet Österreich als erstes Land eine europäische Konferenz über das "andere Jugoslawien", eine Konferenz, die am Freitag in Wien beginnen wird, bei der genau diese Stimmen für die Demokratie, für die Marktwirtschaft, für eine europäische Integration Jugoslawiens, für Toleranz, für gute Nachbarschaft, für die Achtung auch der Minderheiten im eigenen Land zu Wort kommen werden. Es wird das eine hochbesetzte Konferenz sein: mit Carl Bildt, weiters mit dem montenegrinischen Außenminister und mit einer Reihe von Oppositionsführern. Ich bin sehr froh darüber, daß der Nationalratspräsident und ich diese Konferenz eröffnen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler. – Da es sich um eine Verfahrens- und Geschäftsordnungsfrage handelt, bin ich froh darüber, daß klargestellt ist, daß ein Einsatz ohne Befassung des Hauptausschusses nicht in Frage kommt und auch nicht vorgesehen ist.

Wir gehen in die Debatte ein. Die Redezeiten betragen einheitlich 5 Minuten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

9.21

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen festhalten, daß nach all den Kriegswochen und den Greueln, die begangen wurden, große Fortschritte in Jugoslawien und im Kosovo erzielt worden sind. Große Fortschritte sind deswegen erzielt worden, weil Rußland wieder an Bord ist, weil Rußland in den politischen Vorgang und Prozeß integriert ist und integriert werden konnte, und weil die Vereinten Nationen wieder im Spiel und, ich hoffe, auch am Ball sind. Das möchte ich vorweg und einleitend ausdrücklich festhalten.

Unter diesen Voraussetzungen bestehen reelle Chancen, daß sich der Waffenstillstand auch wirklich stabilisieren kann, jedoch ist der Einsatz der KFOR-Truppen in seiner Ausrichtung zwiespältig und könnte auch anderes bewirken. Und es ist uns wichtig, das hier und heute aufzuzeigen. Dieser Einsatz könnte stabilisierend wirken; das hoffen wir, und davon gehen wir auch aus. Er könnte sich als friedenserhaltend herauskristallisieren; das ist gut, aber dann ist es notwendig, daß nach einer entsprechenden Zeitspanne neue Mandate durch die Vereinten Nationen vergeben werden. Dann ist es auch notwendig, daß die entsprechenden Ermächtigungen klar erteilt werden, aber nicht an die NATO und nicht an Rußland.

Es wäre weiters notwendig, Verhältnisse zu schaffen, die nicht nur Österreich als neutralem Staat eine Teilnahme ermöglichen, sondern die tatsächlich die Voraussetzungen dafür schaffen, daß internationale Hilfsorganisationen auf einer Basis arbeiten können, die die Voraussetzung für ihre Arbeit ist, nämlich eine unparteiische Basis, eine Basis, die ohne Parteinahme einzelner Staaten oder einer kriegführenden Allianz ist und die eine tatsächliche Hilfe für die Opfer vor Ort ermöglicht. Das ist eine mögliche Auswirkung dieses KFOR-Einsatzes.

Es besteht aber auch die Möglichkeit und die Gefahr, daß sich dieser Einsatz in Richtung eines Bodenkrieges entwickelt, eines Bodenkrieges, den die NATO führt, den vor allem auch – und das sind die Fernsehbilder von gestern, die erschrecken – die UÇK anzettelt, die offensichtlich nicht dazu bereit ist, sich entwaffnen zu lassen. Offensichtlich ist auch niemand gewillt, momentan diese Entwaffnung und Demilitarisierung tatsächlich durchzuführen. Das ist bedenklich, Herr Minister! (Beifall bei den Grünen.)

Das bedeutet nichts anderes als das, was wir jetzt bereits im Fernsehen gesehen haben, nämlich neue Fluchtbewegungen, Fluchtbewegungen von teils genauso unschuldigen Menschen. Das bedeutet nichts anderes als das, was wir eigentlich verhindern wollten, und zwar eine weitere, langsame Herauskristallisierung eines schrecklichen Krieges.

Herr Minister! Betreffend Parteinahme, die Sie hier in Ihrer Antwort herausgestrichen haben: Sie ist selbstverständlich die Voraussetzung für alle Bemühungen gewesen, die wir, die Sie und die andere Staaten gesetzt haben. Die Voraussetzung ist die Parteinahme für Menschenrechte, die Voraussetzung war die Parteinahme zum Schutze der Menschen. Das meinen wir aber nicht, wenn wir von Parteilichkeit bei internationalen Einsätzen sprechen. Ich halte das für wichtig.

Wir müssen sehen, daß nach einer Phase der Konsolidierung, die jetzt notwendig ist – zugegebenermaßen jetzt notwendig ist –, aber nachher noch in einem weitaus größeren Umfang notwendig sein wird, zivile Hilfsmaßnahmen, unparteiische Hilfsmaßnahmen, Hilfsmaßnahmen internationaler Organisationen, die dazu berufen sind, die dazu von allen Staaten dieser Welt geschaffen wurden – extra mit diesem Auftrag geschaffen wurden –, durchgeführt werden.

Da frage ich Sie, Herr Minister: Wo wird Österreich dabei bleiben? Wo werden die Bemühungen Österreichs bleiben? – Ich sehe immer nur – das ist unsere Kritik – ein "übereilfertiges" Bemühen, wenn es darum geht, Truppen zu einem zweifelhaften Einsatz zu entsenden. Denn es ist nach wie vor nicht geklärt, ob das Truppen sind, die Frieden sichern und schaffen, oder ob das Truppen sind, die dort auch Hilfsmaßnahmen durchführen. Es ist bedenklich, daß jene Truppen, die Krieg geführt haben, jene Allianz, die Krieg geführt hat, nun auch diejenigen sind, die vor Ort Hilfe bringen sollen. Das geht nicht, das wissen wir. Das kann nur mit einer begleitenden Maßnahme, mit einer gleichzeitigen Maßnahme durch unparteiische Hilfsorganisationen geschehen.

Österreich als neutraler Staat ist dazu aufgerufen, maßgeblich dazu beizutragen, daß sich der UNHCR, das Internationale Rote Kreuz, die OSZE und alle anderen Einrichtungen, die wirklich auf ziviler Ebene Frieden schaffen können, hier in einem weitaus größeren Ausmaß einbringen als das, was Sie bisher gesagt und verlautbaren haben lassen. (Beifall bei den Grünen.)

9.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Peter Schieder. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.26

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mein erstes Wort ist keines, das in die aktuelle Debatte eingreift. Das erste Wort hat nämlich jenes zu sein, daß wir dem Bemühen der Vereinten Nationen, in dieser Region Frieden und wieder ein lebenswertes Zuhause für die Menschen zu schaffen, den besten Erfolg wünschen, daß wir sagen, daß es nicht in Ordnung ist, daß mit dem Rückzug der serbischen Truppen weitere Verwüstungen und Morde verbunden sind, und daß wir es auch nicht akzeptieren können, daß sich Teile der UÇK weigern, ihre Waffen abzugeben. Unser Ziel ist es, rasch Frieden und ein lebenswertes Zuhause für die Menschen im Kosovo zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Grünen.)

Zur aktuellen Debatte. Wir dürfen dabei bestimmte Dinge nicht vermischen. Der Einsatz, über den wir sprechen, ist keine Aktion der NATO, sondern er ist eine der größten und umfassendsten Operationen der Vereinten Nationen seit ihrem Bestehen. In der entsprechenden Resolution des Sicherheitsrates wird im Absatz 9 die internationale Sicherheitspräsenz, also der KFOR-Einsatz definiert, der im Anhang noch weiter beschrieben wird.

Im Absatz 11 wird – auch das ist sehr wichtig – die vorgesehene zivile Übergangsverwaltung beschrieben. Da ist bereits das verwirklicht, was meine verehrte Vorrednerin gerade verlangt hat, denn gemäß dieses Absatzes wird klar, daß nicht die militärischen Einrichtungen, sondern genau jene Organisationen, die Sie zu Recht angesprochen haben, das Sagen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen haben werden. Diese zivile Übergangsverwaltung, die UNOMIK, setzt sich aus der Übergangsverwaltung selbst zusammen, die unter der Führung der Vereinten Nationen steht, aus der Abteilung "Humanitäre Angelegenheiten", die unter UNHCR-Führung steht, aus dem Institutionenaufbau, der unter OSZE-Führung steht, und dem Wiederaufbau, der unter EU-Führung steht. Gewisse Teile wird auch noch der Europarat übernehmen. All jene Organisationen also, die Sie erwähnt haben, sind für den zivilen Teil verantwortlich!

Die internationale Sicherheitspräsenz ist eine Aktion der Vereinten Nationen, an der sich Österreich und noch weitere 30 Staaten beteiligen werden. In der Durchführung wird dabei die NATO eingeschaltet sein. Es bestehen ja keine Berührungsängste mit der NATO. Wir arbeiten mit ihr ja auch in der "Partnerschaft für den Frieden" zusammen. Beim Bosnien-Einsatz ist es ebenfalls so, daß die NATO für gewisse Bereiche verantwortlich ist. Wir wollen nicht nicht mit der NATO zusammenarbeiten, sondern wir wollen, daß dies unter einem Beschluß der Vereinten Nationen stattfindet und nicht auf Beschluß der Organe der NATO oder auf Anordnung des amerikanischen Präsidenten. Diese Voraussetzung ist hier deutlich gegeben; deshalb ist diese Aktion eine, an der natürlich auch neutrale Staaten teilnehmen können.

Es entspricht sogar der Tradition neutraler Staaten, an solchen Aktionen der Vereinten Nationen teilzunehmen. Nur am Anfang, in den fünfziger Jahren, haben gewisse Professoren – auch die politische Meinung ging ein bißchen in diese Richtung – die Frage gestellt: Kann man als Neutraler an Aktionen der Vereinten Nationen teilnehmen? – Mittlerweile hat sich die Auffassung durchgesetzt: Ja, Neutrale sollen sogar an Aktionen der Vereinten Nationen teilnehmen, und das steht nicht im Gegensatz zur Neutralität.

Es ist also nicht die Frage "Neutralität oder Solidarität?", wie sie uns manchmal vorgehalten wird. Österreich zeigt in den Vereinten Nationen, daß Solidarität und Neutralität zusammenpassen, daß man beides zusammen aktiv üben kann. Ich hoffe, daß der Einsatz unter Leitung der Vereinten Nationen im Kosovo dazu führen wird, daß am Balkan, wenn auch langsam, wieder Frieden einkehrt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kohl. – Bitte.

9.32

Abgeordneter Dr. Andreas Khol (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1993 nimmt die UNO auf dem Balkan die Aufgabe der Friedenssicherung wahr. Wir stehen dazu, daß Österreich für den Frieden eintritt und dabei mitmacht. Am 25. Mai 1993 hat der Ministerrat den Einsatz und die Entsendung der IFOR-Truppen auf den Balkan beschlossen, und zwar im weitgehenden Konsens aller Parteien. Auch die Freiheitlichen waren damals grundsätzlich dafür.

Der Anstoß dazu, daß wir Truppen auf den Balken entsendet haben, kam auch vom Politiker der Grünen Peter Pilz, der die Weltgemeinschaft dringend aufgefordert hat (Abg. Wabl: Aber nicht die NATO!) – Frau Petrovic, vielleicht lesen Sie das nach! –, zum Schutz der Frauen vor Vergewaltigungen, zum Schutz der Menschenrechte in Bosnien endlich mit Waffengewalt dem Unrecht ein Ende zu bereiten. Im weitgehenden Konsens der Parteien wurden damals diese Truppen entsandt.

Wir haben dabei immer mehrere Prinzipien beachtet: Friedenssicherung steht im Vordergrund, keine Teilnahme an Kampfhandlungen, kein Einsatz von Präsenzdienern, nur die Entsendung von Freiwilligen, Konzentrierung der Mitarbeit auf Transport, Überwachung, humanitäre Aufgaben und Logistik.

Meine Damen und Herren! Die Rechtsgrundlage war und ist – auch für die gegenwärtige Truppenentsendung – ein Mandat der Vereinten Nationen. Die NATO handelt im Auftrag der UNO: Die NATO ist militärischer Arm der UNO und in dieser Rolle weltweit akzeptiert. In der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO arbeiten über 50 UNO-Mitglieder mit. Es wurde daher in Übereinstimmung mit vielen, auch mit den Sozialdemokraten in diesem Haus, weltweit im Bereich der UNO die Neutralität durch Solidarität ersetzt.

Natürlich – da hat Peter Schieder schon recht – stand im Jahre 1955 in den Lehrbüchern: Neutrale dürfen an derartigen Solidaritätsmissionen nicht teilnehmen. – Ich kann Ihnen die Lehrbuchseite zeigen, als Verdroß, sobald wir UNO-Mitglied waren, seine Lehrmeinung geändert und gesagt hat: Wenn Österreich als neutrales Land Mitglied der UNO ist, dann darf die UNO Österreich nicht auffordern, bei Zwangsmaßnahmen mitzumachen. – Schnecken! Wir wurden aufgefordert, und wir haben mitgemacht! Damit haben wir die Neutralität das erste Mal in Richtung Solidarität verändert. Und alle waren dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Der nächste Schritt erfolgte mit der Ratifikation des Amsterdamer Vertrages, der am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist. Wir haben mit der notwendigen Verfassungsmehrheit dieses Hauses aufgrund eines Antrages Kostelka/Khol und eines Berichtes von Kostelka und Khol hier in diesem Haus für Europa den Amsterdamer Vertrag im Verfassungsrang in Geltung gesetzt (Abg. Dr. Kostelka: Und die Neutralität gesichert!) und damit für Europa Neutralität durch Solidarität ersetzt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt nicht! Das ist eine ... wider besseres Wissen!)

Ich freue mich, daß dieser Vorrang der Solidaritätspolitik gegenüber der Neutralitätspolitik ihren Ausdruck darin findet, daß der "glühende Verfechter der Neutralität" Martin nicht Delegationsleiter in Straßburg wurde, sondern der Vertreter einer Solidaritätspolitik in der NATO namens Hannes Swoboda. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Hannes Swoboda sprach sich im Oktober 1997 für die Entwicklung einer starken – ich zitiere – "europäischen Komponente der NATO" aus; konsequent fortgeführt, stehe am Ende ein sicherheitspolitisch, das heiße auch: militärisch handlungsfähiges Europa. Wenn Österreich sich in dieses solidarische System einbinden wolle, sei ein Beitritt zur NATO kaum vermeidbar, so Swoboda.

Es geht noch weiter. Zur Neutralität stellte Swoboda fest, diese "verliert heute ihre Basis". An die Stelle der Neutralität sei ein "umfassender Solidarpakt" der EU-Staaten zu setzen.

Ein Beitritt zur NATO – immer noch Zitat – sei "kaum vermeidbar", wenn Österreich sich in ein solidarisches System einbinden wolle, an dessen Ende ein sicherheitspolitisch und damit militärisch handlungsfähiges Europa stehe. (Abg. Dr. Stummvoll: Wer war das?)

Zum Schluß sagt der neue Delegationsleiter Swoboda, der den "glühenden Neutralitätsverfechter" Martin ablöst: "Heute sind die Panzer der NATO Panzer für die Wahrung der Minderheitenrechte und der Menschenrechte." Es gebe eine gemeinsame Verantwortung für den Frieden in Europa. "Und der wird unter anderem durch die NATO gesichert", sagt der Delegationsleiter der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich freue mich, daß Sie damit diesen Richtungsstreit in eine bestimmte Richtung entschieden haben. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich würde es nur sehr gerne auch von Ihrem Parteivorsitzenden Klima so hören. (Beifall bei der ÖVP.)

9.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheibner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

9.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Khol! Man kann von Bundeskanzler Klima ein Lob für die NATO und die Wichtigkeit in diesem Bereich durchaus hören. Im Ausland nämlich, wenn es darum geht, Flagge zu zeigen, wenn es darum geht, sich nicht außerhalb der Staatengemeinschaft zu stellen, singt Herr Bundeskanzler Klima Loblieder auf die NATO, wie letztens beim Jubiläum in Washington. Da ist also die Lage ganz anders.

Auch wenn es darum geht, die NATO- Bombardements im Kosovo zu befürworten, ist der Bundeskanzler natürlich überall dabei. Dasselbe gilt, als es darum ging, Herr Kollege Schieder – diesbezüglich war kein UNO-Mandat vorhanden –, österreichische Soldaten und auch Grundwehrdiener nach Albanien zu schicken und unter ein NATO-Kommando zu stellen. (Abg. Schieder: Aber unter der OSZE!) – Aber hören Sie doch auf mit der OSZE, das war unter dem Kommando der NATO, einer kriegführenden Allianz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: OSZE! OSZE!)

Und bei allen Interpretationen über die Neutralität, Herr Kollege Schieder: Zeigen Sie mir jenen Völkerrechtler, der sagt, es ist für ein neutrales Land gerechtfertigt (Abg. Schieder: OSZE! OSZE! Vertrag von Paris! Helsinki! Hier diskutiert!), eigene Soldaten unter das Kommando einer kriegführenden Allianz zu stellen! Diesen Völkerrechtler zeigen Sie mir einmal, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Aber Sie nehmen das ja selbst nicht ernst.

Ich sage Ihnen: Österreich hat ein trauriges Schauspiel bei der Bewältigung dieses Konfliktes geliefert. (Abg. Schieder: Das sollten Sie wissen, daß das die OSZE war!) Die gesamte Staatengemeinschaft, und vor allem auch Europa, war wirklich in großer Einigkeit in den letzten Wochen und Monaten damit beschäftigt, diesen Konflikt zu beenden. Gott sei Dank hat letztlich der Druck dieser Staatengemeinschaft dazu geführt, daß Milošević einlenken mußte, daß zumindest die Waffen schweigen, daß die Vertreibungen aufhören, daß Mord und Folter ein Ende haben.

Aber es war nicht Österreich, das sich in die Verhandlungen eingebunden hat. Es war Finnland, das bündnisfreie Finnland, das dort einen echten Beitrag für den Frieden geleistet hat. Während die Staatengemeinschaft versucht hat, mit großer Einigkeit Frieden zu schaffen, hat man in Österreich ein wirklich schmähliches Schauspiel aufgeführt, indem Sie, Herr Kollege Schieder, und Ihre Fraktion die Angst und die Sorge der Österreicher vor Krieg und vor Unsicherheit für Ihren Wahlkampf verwendet haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das stimmt doch nicht!) Das war Ihr Beitrag zur Friedensbewältigung!

Heute diskutieren wir darüber, daß österreichische Soldaten in den Kosovo gehen sollen, und zwar sollen es 450 von 15 000 sein, die derzeit dort sind. Ich frage mich wirklich, welchen Sinn das hat. Warum muß denn Österreich ... (Abg. Schieder: Also für die Kriegstruppe wären Sie gewesen, für die Friedenstruppe sind Sie nicht?) – Herr Kollege, Sie waren für die Kriegstruppe, Sie waren dafür, daß österreichische Grundwehrdiener unter NATO-Kommando nach Albanien gegangen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind prinzipiell dafür, daß Österreich seinen Beitrag leistet, aber das muß ordentlich vorbereitet sein. (Abg. Schieder: Sie wollen beim Krieg dabei sein, aber nicht beim Frieden!) – Herr Kollege Schieder, Sie sind unheimlich nervös. (Abg. Schieder: Ich bin nicht nervös!) Mir ist auch klar, warum! Das zeigt nämlich, daß Sie ein schlechtes Gewissen haben. Und Sie haben zu Recht ein schlechtes Gewissen, weil Sie den Österreichern permanent die Unwahrheit über die Realität in der Sicherheitspolitik sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Einsatz, aber, Herr Kollege Schieder, ein Einsatz gehört ordentlich vorbereitet, das Personal muß entsprechend rekrutiert werden, das Material muß zur Verfügung gestellt werden, und auch die finanziellen Mittel müssen gesichert sein. Und da erklären Sie mir einmal, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wie das gesichert sein soll, in einer Zeit, in der, wie wir wissen, das österreichische Bundesheer personell, materiell und finanziell am Ende ist, wir eine Zweiklassenarmee haben und das letzte Gerät – buchstäblich das letzte Zelt! – für den Auslandseinsatz verwenden müssen, sodaß wir hier in Österreich nicht mehr wissen, wie die Ausbildung organisiert werden soll.

Wenn heute davon gesprochen wird, daß österreichische Soldaten mit Radpanzern in diesen Einsatz gehen sollen, Herr Kollege Schieder, dann, muß ich sagen, habe ich noch die Worte des Herrn Verteidigungsministers im Ohr, der anläßlich der Nachbeschaffung von Radpanzern gemeint hat, das müsse jetzt alles noch umgeplant werden, denn diese Radpanzer seien nicht einsatztauglich für Österreich. Aber für einen gefährlichen Einsatz im Kosovo sind sie tauglich?! Es gibt sogar schon eine Richtlinie, wonach die Soldaten nicht hinter der Kanone stehen dürfen, wenn dieser Radpanzer in Bewegung ist, weil das lebensgefährlich ist, weil es anscheinend Konstruktionsmängel gibt.

Meine Damen und Herren! Wir hätten gerne, daß Sie über diese Dinge vorher diskutieren, nämlich darüber, ob wir überhaupt in der Lage sind, solche Einsätze zu bewältigen, oder ob es nicht so ist, daß wir damit das Leben und die Gesundheit unserer Soldaten gefährden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das wäre auch unverantwortlich! Aus Prestigegründen wollen Sie überall in der Welt tätig sein. 2 000 Soldaten sind im Auslandseinsatz, aber das ist der falsche Weg.

Wir sind für solche Einsätze, aber gut vorbereitet und entsprechend dotiert. Alles andere wäre unverantwortlich (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

9.43

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Worum geht es eigentlich? Die Aktuelle Stunde wurde betitelt mit "Keine Entsendung von österreichischen Truppen unter NATO-Kommando in den Kosovo". Ich sage, die österreichischen Truppen werden unter einem UNO-Mandat in den Kosovo gehen, und ich freue mich darüber, daß dort, nämlich im Kosovo, jetzt zumindest ein Stadium erreicht ist: daß die Waffen schweigen, daß eine Chance besteht, daß die friedliche Rückkehr der Flüchtlinge eingeleitet werden kann, daß dort der Wiederaufbau beginnen kann und daß ein langer Prozeß jetzt endlich beginnt, damit die Menschen, die im Kosovo leben, wieder eine Chance bekommen, friedlich miteinander zu leben, gemeinsam ihr Land wieder aufzubauen und in eine friedliche Zukunft zu führen.

Das setzt nach den Aktionen der letzten Wochen, nach den Bombenangriffen der NATO voraus, daß die militärische Seite dieses Problems unter internationaler Aufsicht und unter internationalem Mandat stabil und friedlich gehalten wird. Und das geht tatsächlich nur, wenn unter UNO-Mandat Friedenstruppen in den Kosovo geschickt werden. Es ist eine langjährige österreichische Tradition, sich an solchen internationalen Einsätzen zu beteiligen, sofern die völkerrechtliche Seite abgesichert ist – und ein UNO-Mandat garantiert das!

Das darf allerdings nicht blind machen für den Umstand, daß es noch nicht gelaufen ist und daß es noch Probleme im Zusammenwirken der dort zum Einsatz kommenden unterschiedlichen militärischen Einheiten geben kann. Wir wissen – jeder hat das mit Interesse und teilweise mit Sorge beobachtet –, daß Rußland, das Gott sei Dank eingebunden ist, auch unter Berufung auf das UNO-Mandat bereits rasche Vorgriffe auf die künftige Situation gemacht hat.

Da im UNO-Mandat ausdrücklich vorgesehen ist, daß die Friedenstruppen unter einem gemeinsamen Kommando stehen sollen, wird noch ein Prozeß ablaufen müssen, um dieses gemeinsame Kommando, dieses "unified command", auch tatsächlich unter UNO-Mandat arbeitsfähig zu gestalten.

Österreich wird gut beraten sein, diesen Prozeß sorgfältig zu beobachten. Denn eines wäre tatsächlich nicht hilfreich: wenn sich, nachdem endlich Frieden im Kosovo eingekehrt ist, das UNO-Mandat nicht positiv entfalten würde, sondern wenn es zu neuen Konflikten, und zwar in diesem Fall zwischen einzelnen Kontingenten im Rahmen dieses UNO-Mandates, führen würde.

Da wäre die österreichische Außenpolitik auch eingeladen, etwas zu tun und an den Gesprächen mitzuwirken, die zweifellos notwendig sein werden, um Eifersucht, Sorge, Angst, Prestigeaspekte auszuräumen, weil Österreich, wenn es ein Kontingent schickt, es nicht deswegen tut, weil es österreichische außenpolitische Großmachtpolitik betreiben will. Das ist allen Beteiligten klar. Genau das ist ja auch die Funktionalität einer solchen Teilnahme eines Landes wie Österreich, wenn es gilt, sich für den Frieden einsetzen. Österreichische militärische Einheiten müssen frei sein vom Verdacht, daß sie aus eigenem Machtinteresse dort eingesetzt werden, und sie müssen zweifellos in der Lage sein, darzustellen, daß sie aus friedenspolitischen Gründen geschickt wurden.

Allerdings – das hat Kollege Scheibner schon festgehalten – sind auch in Österreich noch einige Voraussetzungen dafür zu erfüllen, daß man guten Gewissens österreichische Einheiten in den Kosovo schicken kann. Die Ausrüstungsfrage wurde bereits angeschnitten, auch die Rekrutierungsfrage. Daher wird noch einige Zeit vergehen, bis tatsächlich österreichische Soldaten in den Kosovo entsandt werden. Und man wird sich sicher zu dem Zeitpunkt, zu dem dann diese Truppen in Marsch gesetzt werden, die Situation auch politisch noch einmal genau anschauen müssen. Das, worüber wir heute befinden, muß ja nicht bis September gleichbleiben.

Daher meine ich: Wer österreichische Friedenspolitik ernst nimmt, wer sich nicht an Reizworten verkrampft und schon aufgrund der Tatsache, daß die NATO – selbstverständlich die NATO! – dort wesentliche Kontingente stellt, auszuckt und alles negativ sieht, der muß dafür sein, daß Österreich unter gemeinsamem Kommando und UNO-Mandat seinen Beitrag leistet, um den Frieden im Kosovo zu stabilisieren. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

9.47

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wabl. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte. (Abg. Mag. Schweitzer: Zuerst gleich mit dem Pilz auseinandersetzen! – Abg. Schwarzenberger: Pilz wird den Wabl ablösen!)

9.47

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine Damen und Herren! Die Frage, die sich heute für Österreich stellt, lautet (Abg. Mag. Schweitzer: Wie halten Sie es mit Pilz?): Können wir einen Beitrag, einen solidarischen Beitrag für den Frieden leisten, oder leisten wir einen Beitrag zur Eskalation oder zumindest zur Destabilisierung in einer Situation, die sehr, sehr kritisch ist?

Meine Damen und Herren! Bereits auf der Titelseite der heutigen Ausgabe der "Salzburger Nachrichten" ist zu lesen: "Verkohlte Leichen und Rachemorde an Serben". "Aus Angst vor der Vergeltung der Kosovo-Albaner haben bisher mindestens 37.000 Serben den Kosovo verlassen."

Das Ungerechte an jedem Krieg ist nicht die Motivenlage – manche Regierungen beginnen einen Krieg aus lauteren Motiven –, das Ungerechte an den Kriegen ist, daß es eben keine Brücken der Verbrecher in Serbien gibt und daß es keine Krankenhäuser in Serbien gab, die den Verbrechern gehörten, es gab auch keine Straßen, und es gab auch keine Fabriken, die den Verbrechern gehörten, sondern es gab ein Land, das bombardiert wurde.

Diese Ungenauigkeit macht die Ungerechtigkeit und das Elend dieser Auseinandersetzung aus. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Minister! Sie sagen, Sie sind parteiisch in dieser Auseinandersetzung. Natürlich war mir klar, daß Sie dann sagen werden, Sie nehmen Partei für die Menschenrechte, Sie nehmen Partei für die Vertriebenen, Sie nehmen Partei für jene, die dort vergewaltigt, ermordet oder in ihren Freiheitsrechten beschnitten worden sind. Natürlich, das tut jede Person hier in diesem Haus und, wie ich meine, auch jeder Abgeordnete hier in diesem Haus.

Die Frage ist: Welche Mittel setzen wir ein? – Zum Glück gibt es jetzt ein UNO-Mandat. Das hat vorher schwerer politischer Verwerfungen bedurft. Sie wissen ganz genau, daß das Linksliegenlassen der Macht Rußlands ein schwerer Fehler war. Auch jetzt, in den Nachwirkungen, sehen wir, daß die fehlende Einbindung Rußlands eine sehr kritische Situation im Kosovo heraufbeschworen hat. Kollegin Petrovic hat schon erwähnt, daß dort keinesfalls die UÇK-Kämpfer entwaffnet werden. Ich lese in der Zeitung, daß nur verhindert worden ist, daß die UÇK dort Straßensperren errichtet und selbst entscheidet, wer flüchten darf und wer nicht, wer den Kosovo verlassen darf und wer nicht.

Meine Damen und Herren! Die Situation im Kosovo ist alles andere als so, daß eine Friedenstruppe Österreichs dort den Frieden sichern könnte. Sie riskieren dort mit einer schlecht vorbereiteten – und da gebe ich ausnahmsweise Herrn Kollegen Scheibner recht – Aktion das Leben österreichischer Soldaten. In einer Situation – und das ist zum Greifen auf den Bildern im Fernsehen –, in der Sieger einmarschieren und Verbündete nach wie vor Waffen tragen, sollen jetzt österreichische Soldaten mithelfen, dort die Sicherheit zu gewährleisten und den Frieden zu sichern.

Und Sie wissen ganz genau, Herr Minister – Sie gehören auch zu jenen Außenpolitikern, die bei diesem Krieg klare Position für bestimmte Kriegshandlungen bezogen haben –, daß Sie damit klar und deutlich den Boden der Neutralität und der Verfassung verlassen haben. Das gleiche hat unser Bundeskanzler getan, der dann in Österreich den großen Wahlkampf für die Neutralität geführt hat! (Beifall bei den Grünen.)

In dieser Situation hat unsere politische Führung im Ausland klar Position bezogen, Partei ge-nommen, und zwar nicht nur für die Vertriebenen – das nehme ich an oder setze ich voraus, Herr Minister –, sondern auch für einen Krieg ohne UNO-Mandat, für ein Bombardement auf ein Land, das um Jahrzehnte zurückgebombt worden ist. – Dazu sage ich: Österreich sollte seiner Tradition gemäß solidarisch seine Soldaten, die gut ausgebildet sind, dorthin schicken, wo sie sinnvoll den Frieden sichern können, wie am Golan und in Zypern und, wenn es erforderlich ist und es die Situation ermöglicht, auch im Kosovo. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

9.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gaál. Ich erteile ihm das Wort. Gleiche Redezeit. – Bitte.

9.53

Abgeordneter Anton Gaál (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Kollege Wabl, man muß schon die Kirche im Dorf lassen und der Wahrheit die Ehre geben. Daher können wir festhalten, daß unsere Soldaten im Dienste des Friedens unterwegs sind, und wir leisten sehr wohl einen solidarischen Beitrag dazu, damit in diesen unruhigen Teil Europas Demokratie und Sicherheit Einzug halten können. Daher findet dieser Friedenseinsatz unsere volle Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wenn davon gesprochen wurde, daß das Bundesheer personell, finanziell, materiell am Ende sei, bei Auslandseinsätzen Kapazitätsprobleme habe und an der Grenze des Machbaren angelangt sei, dann darf man in diesem Zusammenhang schon festhalten, daß sich das Bundesheer noch in jedem Auslandseinsatz bewährt hat. Ich bin überzeugt davon, daß auch dieser Kosovo-Einsatz funktionieren wird. (Abg. Scheibner: Per Inserat Leute suchen!) – Lieber Kollege Scheibner, die Inserate haben mit der Freiwilligkeit zu tun, auch darauf werde ich noch zu sprechen kommen.

Meine Damen und Herren! Ich darf auch darauf hinweisen, daß sich Österreich mit mehr als 1 200 Soldaten an friedenssichernden und humanitären Operationen der Vereinten Nationen beteiligt. Auch der kommende Einsatz der 450 österreichischen Soldaten im Kosovo erfolgt ja im Rahmen einer internationalen Friedenstruppe auf Basis eines UNO-Mandates. Die Teilnahme Österreichs ist wichtig und richtig! Unsere Soldaten nehmen ja an all diesen Auslandseinsätzen ausschließlich auf freiwilliger Basis teil. Es ist auch erfreulich, daß die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung diesen Kosovo-Einsatz befürwortet.

Unsere Aufgabe ist die Friedenssicherung, und Ziel muß es sein – und darauf konzentriert sich auch unser Beitrag –, daß die Menschen im Kosovo künftig in Frieden, Sicherheit und Stabilität leben können. Das kann man nur durch eine politische Lösung erreichen. Daher können wir als neutraler Staat glaubwürdig und aktiv mitwirken.

Dabei ist natürlich ein solidarisches Verhalten mit der internationalen Staatengemeinschaft sehr wohl mit der Neutralität vereinbar und steht nicht im Gegensatz dazu, wie es uns beispielsweise Kollege Khol heute hier weismachen wollte.

Meine Damen und Herren! Aber es muß auch sichergestellt werden, daß alle politischen Entscheidungen für diesen Einsatz – da gebe ich Herrn Kollegen Scheibner recht – rechtzeitig erfolgen. Wir brauchen diese frühzeitigen Festlegungen, damit eine gute und sorgfältige Vorbereitung möglich ist. Damit meine ich auch, daß ausreichend Zeit für die Auswahl, Motivation und Ausbildung dieser Soldaten zur Verfügung stehen sollte. Man muß die Soldaten auf diesen schwierigen Einsatz vorbereiten und über die Operation umfassend informieren. Daher sind alle Dienststellen des Bundesheeres dazu aufgerufen, diesen Einsatz optimal zu unterstützen. Es darf keine Verzögerung beispielsweise bei der Auszahlung der Gelder geben, wie das ja erst vor kurzem in Albanien der Fall war. Wie Sie wissen, war der Grund der Verzögerung, daß die Auslandsbesoldung nicht über das Bundesrechenzentrum, sondern über eine eigene Stelle des Bundesheeres abgewickelt wird. Dadurch kommt es immer wieder zu Komplikationen, zu Verzögerungen. Aus diesem Grund meinen Fachleute, daß die Besoldung zentral über das Bundesrechenzentrum abgewickelt werden soll. Und ich hoffe sehr, daß dieser Anregung Rechnung getragen wird.

Zum Abschluß noch ein klares Wort, was den Einsatz betrifft. Die Planung sieht vor, daß das österreichische Kontingent ausschließlich für Überwachungs- und Schutzaufgaben herangezogen werden soll, also an Kampfeinsätzen werden unsere Soldaten keinesfalls teilnehmen! Es ist ein Friedenseinsatz, und dieser Friedenseinsatz findet unsere volle Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

9.57

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Mock. – Bitte.

9.57

Abgeordneter Dr. Alois Mock (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst einige Bemerkungen zu den Ausführungen der Vertreter der grünen Fraktion. Sie haben wieder gemeint, man hätte früher etwas machen sollen, früher mit dem Widerstand gegen eine mögliche Aggression beginnen sollen. – Das ist sehr wohl geschehen, und zwar schon zu Zeiten, zu denen sich Belgrad noch offiziell zur Autonomie bekannt hat, haben wir gegen die Regierung in Belgrad ein Vierstufenverfahren nach der KSZE-Ordnung zur Sicherung der Menschenrechte eingeleitet. In der ersten Stufe wurden wir von zwölf Staaten unterstützt, wir waren aber nicht zufrieden mit der Antwort, in einer zweiten Stufen blieben wir alleine. Übrigens haben wir auch einmal ein solches Verfahren gegen die Türkei eingeleitet.

Wenn man argumentiert, sollte man schon immer beide Seiten zitieren. Frau Kammerlander hat in engagierter Art und Weise gesagt, es seien jetzt große Fortschritte erzielt worden, große Fortschritte! Die Russen seien dabei, und auch die UNO sei dabei. Ist das das oberste Anliegen? Fortschritte sind erzielt worden, weil die Aggression bekämpft wurde, weil jetzt die Chance für einen Waffenstillstand gegeben ist und das Morden aufhört. Das sind die großen Fortschritte, die sich abzeichnen! Das andere sind nur Mittel. Nicht die Russen und die UNO sind das wichtigste, sondern die Menschen dort, die Tatsache, daß sie wieder zurückkehren können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Unsere Orientierung ging immer dahin, auf der Seite der Opfer und nicht auf der Seite der Aggressoren zu sein. Das ist auch hier deutlich klargelegt worden. Ich bin dankbar dafür, daß diese außenpolitische Linie auch von unserem derzeitigen Außenminister konsequent fortgeführt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Solidarität wird von Ihnen positiv beurteilt, aber nicht, wenn es wirklich gefährlich wird. Natürlich ist die militärische Frage die besonders heikle Frage, aber wir glauben, wir müssen Solidarität mit allen Mitteln zeigen: Solidarität mit politischen Mitteln, mit diplomatischem Einsatz gegen die Aggression und – wenn notwendig – auch mit militärischem Einsatz. Sie glauben doch nicht, daß Milošević aufgehört hätte, die Albaner zu Hunderttausenden zu vertreiben, wenn man gesagt hätte, ab morgen gibt es keine Bombardierungen mehr? Er hätte es ja vorher schon zeigen können. (Abg. Wabl: Eines Tages sind Sie aufgewacht und haben gesagt, Sie verdammen ihn!) Er hat bereits während der Verhandlungen in Rambouillet, Kollege Wabl, am "Hufeisenplan" gearbeitet, der die gänzliche Vertreibung aller Albaner vorgesehen hat.

Das muß man schon ernst nehmen. (Abg. Wabl: Wir haben es ernst genommen! Sie haben Partei genommen für die UÇK!) Wir haben Partei genommen für die Opfer dieser Aggression! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler.) Die Farbe und die Seite dürfen keine Rolle spielen! Opfer ist Opfer und verdient immer unsere Unterstützung. Und Aggressor ist Aggressor, ganz gleich, woher er kommt, wie er heißt, welche politische Kennmarke er hat. Er muß bekämpft werden, so wie es in der UNO-Charta steht: "by all means", mit allen Mitteln. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Gredler.)

Meine Damen und Herren! Deswegen, meine ich, müssen wir auch die große Entwicklung etwas ernster nehmen. Wir haben auch viel unterschrieben. Ich denke etwa an das europäische Sicherheitskonzept. Wir haben im Zusammenhang mit dem Amsterdamer Vertrag erklärt, daß die neu beitretenden Mitglieder den inneren Zusammenhalt der Union und ihre Fähigkeit zum wirksamen Handeln in der Außen- und Sicherheitspolitik stärken sollen. Wir haben erklärt, daß wir zum Zeitpunkt des Beitritts fähig sein werden, in vollem Umfang und aktiv an einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mitzuarbeiten. Ich frage, Herr Bundesminister: Wo ist der aktive Beitrag von uns? – Er konnte nicht erbracht werden, weil man sich nicht über den gemeinsamen Bericht einigen konnte.

Es heißt hier, daß die neuen Mitgliedstaaten mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrages und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos übernehmen – vorbehaltlos und vollständig übernehmen wir das Konzept, das es bereits gibt –, daß die neuen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und in der Lage dazu sind, die für die verschiedenen Bereiche gültige Politik der Union zu unterstützen.

Das sind gemeinsame Erklärungen, das sind Teile der Protokolle zu einem Vertrag. Wie lange wird es dauern, bis wir gefragt werden, ob wir vertragsbrüchig sind, meine Damen und Herren? Österreich war immer ein sehr vertragstreuer Staat. Wir haben ein qualifiziertes Interesse daran, daß rechtliche Verpflichtungen korrekt eingehalten werden. Das ist eine wachsende Verpflichtung zu Solidarität. Wir brauchen sie. Nur diese wachsende Solidarität hat jetzt im Kosovo geholfen, nur sie wird auch in anderen Fällen, in anderen Konflikten helfen.

Zum ersten Mal haben wir nun die Chance, daß Vertriebene – eine Million Vertriebene – zurückkehren können. Man hat sich gebunden. Ich hoffe, daß die Chance genützt wird, um zu zeigen, daß es einen Sinn hat, sich für den Fortschritt einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Holger Bauer. Ich erteile ihm das Wort.

10.03

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Bei allem beschönigenden Wortgeklingel aus den Reihen der beiden Regierungsfraktionen und von der Regierungsbank um die solidarische Neutralität, um Solidarität statt Neutralität und um einen solidarischen Friedenseinsatz oder was immer Sie hier an beschönigenden Worten gebraucht haben, sollten Sie sich über vier Dinge im klaren sein, wenn Österreich tatsächlich ein eigenes Kontingent, ein eigenes militärisches Kontingent in den Kosovo entsendet:

Erstens: Herr Bundesminister, es handelt sich bei diesem Vorhaben oder bei dieser Aktion, bei dieser Operation um keine reine Mission zur Aufrechterhaltung eines bereits gefestigten Friedens. Das ist keine, wie das heute so schön heißt, Peace-keeping-mission, sondern sie hat sehr stark den Charakter einer Peace-making-mission wie seinerzeit in Somalia. Der Friede muß erst wirklich hergestellt werden. Es wird dort nach wie vor gekämpft, geschossen, gerade auch auf die einmarschierenden Truppenkontingente, wie die letzten Tage gezeigt haben. Es kann daher niemand ausschließen – und das ist die erste Konsequenz, die Sie ziehen sollten, und die erste Erkenntnis, die Sie daraus gewinnen sollten –, daß bei dieser Operation, wenn Österreich teilnimmt, auch österreichische Soldaten getötet werden können.

Zweitens: Aufgrund der personellen Ressourcen des österreichischen Bundesheeres wird es nicht möglich sein, nur Berufssoldaten und Zeitverpflichtete in den Krisenherd zu schicken. Das sollte auch klar sein. Es werden österreichische Milizsoldaten daran teilnehmen müssen!

Drittens: Die österreichischen Soldaten werden wie in Albanien erneut unter einem NATO-Oberkommando stehen. Worunter denn sonst? Ich sage das deswegen, und zwar an die Adresse der Damen und Herren Neutralitätssicherer von der österreichischen Sozialdemokratie, die einen ganzen Wahlkampf mit dieser – ich weiß, ich bekäme einen Ordnungsruf, daher sage ich – Unwahrheit geschlagen haben.

Viertens: Der Einsatz im Kosovo wird Jahre dauern. Jahre! Der bundesdeutsche Verteidigungsminister Scharping meint, es werden mindestens drei sein. Das heißt, dieser Einsatz wird den österreichischen Steuerzahler über Jahre hinweg Milliardenbeträge kosten, jene Milliarden, die uns seit Jahr und Tag zur entsprechenden Ausrüstung des österreichischen Bundesheeres fehlen (Beifall bei den Freiheitlichen), zur Aufrüstung, zur Ausrüstung ... Mein Gott, der (in Richtung des Abg. Wabl) schüttelt den Kopf! Das hat sich noch nicht bis zu den Linken herumgesprochen, daß das österreichische Bundesheer unter chronischer finanzieller Auszehrung leidet. (Abg. Scheibner: Sie wollen es ohnehin abschaffen!) Es sind jene Milliarden, die uns fehlen, um das österreichische Bundesheer für solche Einsätze entsprechend zu rüsten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter diesen vier Gesichtspunkten kann ich nur folgendes Resümee ziehen: Sie beabsichtigen, österreichische Soldaten in ein gefährliches Abenteuer, weil nicht entsprechend gerüstet, zu schicken. Sie werden und müssen verstehen, daß wir Freiheitlichen Sie bei diesem Abenteuer nicht unterstützen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Vizekanzler. Gleiche Redezeit. – Bitte.

10.08

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich möchte vielleicht einige Informationen geben, weil manche Fragen gestellt worden sind oder Thesen aufgestellt wurden, denen man von Regierungsseite her doch etwas entgegenhalten muß.

Erstens: mangelnde Einbindung Rußlands. Es war von Anfang an immer ein Trio, bestehend aus einem EU-Verhandler, Wolfgang Petritsch, einem Amerikaner, Chris Hill, und dem Botschafter Boris Majorski, das die Friedensverhandlungen geleitet hat, die in Paris und Rambouillet gelaufen sind.

Ich habe am Freitag – übrigens genau in dieser Zeit; Donnerstag war UNO-Mandat, Bombenstopp, Beginn des Rückzugs der Serben und die Balkankonferenz in Köln und am Abend bin ich dann nach Moskau geflogen – mit Tschernomyrdin und mit dem russischen Außenminister Iwanow lange und, wie ich glaube, sehr interessante Gespräche geführt. Am Abend habe ich dann in Wien übrigens den Albanerführer Hashim Thaqi, den Führer der UÇK, getroffen und wieder sehr lange, zwei bis drei Stunden, mit ihm geredet.

Die Wahrheit ist, daß die Russen im Februar und im März nicht bereit gewesen sind, jene Stellungnahmen abzugeben, zu denen sich Jelzin und Tschernomyrdin jetzt durchgerungen haben. Ich zolle gerade Jelzin und Tschernomyrdin höchste Anerkennung für diesen Weg, für diesen Schritt, denn populär war er in Rußland nicht. Hundert Prozent der Duma, hundert Prozent der öffentlichen Meinung waren dagegen. Das war eine höchst politische persönliche Entscheidung von Jelzin und von Tschernomyrdin, die dafür höchsten Respekt verdienen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl.)

Aber ich sage auch dazu, was Tschernomyrdin persönlich auf meine Frage gesagt hat, ob man bei diesen langen Gesprächen im Februar und im März mit den Serben, mit Milutinović et cetera irgendeinen Fehler gemacht habe. Die Antwort war: Ja, wir sind damals zu wenig deutlich gewesen. Das ist die Wahrheit eines Mannes, der den Frieden wesentlich mit verhandelt und mit ermöglicht hat. Ich will das hier auch nicht verschweigen, damit man nicht glaubt, daß man mit dem Bekenntnis zu den Menschenrechten die Dinge schon gelöst hat. Man muß dann schon auch den Mut haben, den Schritt von der Theorie zur Praxis machen, Herr Abgeordneter Wabl, auch wenn Sie jetzt gerade gehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Heindl.) Zweite Frage: Risiko. Ja – das muß man ehrlich aussprechen –, die jetzige Situation ist natürlich riskant, und das ist kein normaler Peace-keeping-Einsatz. Es wäre ein fataler Fehler, würden wir sagen, das sei sozusagen längst eine gemähte Wiese, da geht man hinein, das ist ein risikoloser Einsatz. Nein! Das ist einer der schwierigsten Einsätze der Vereinten Nationen. (Abg. Wabl: Risikolos ist Zypern auch nicht!) Und ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin froh darüber, daß, wenn wir teilnehmen, österreichische Soldaten dann unter einem funktionierenden Kommando stehen – und das ist eben die NATO als einzige Struktur, die das kann –, denn auch das bedeutet Sicherheit für uns! (Beifall bei der ÖVP.)

Vergessen Sie nicht, daß wir uns mitten in der heikelsten Phase befinden! Die Hälfte der serbischen Sicherheitskräfte – etwa 20 000 Soldaten – sind schon abgezogen, 15 000 von 50 000 internationalen Soldaten sind schon einmarschiert, aber wir haben noch nicht die volle Stärke, und es ist noch immer die UÇK dort. Klar ist zudem, daß wir jetzt gerade täglich Hunderte Kriegsverbrechen entdecken. In den letzten zwei Tagen sind die Gräber von 300 massakrierten Albanern gefunden worden. Es kann sich doch jeder ein bißchen vorstellen, was dann in den Seelen beziehungsweise in den Herzen und Gehirnen jener Menschen vorgeht, die so etwas lesen, die so etwas entdecken.

Das ist eine unerhört kritische Situation, und ich finde es absolut notwendig, daß in dieser heiklen Situation jetzt eine internationale Friedenstruppe in dieses Gebiet geht und man die Albaner und die Serben nicht ihrem Schicksal überläßt, denn dann würde die Rache blutig sein – noch blutiger. (Beifall bei der ÖVP.)

Der dritte Punkt: Ja, die Sache kostet Geld. Über Jahre hinweg werden wir dort anwesend sein und wird die Staatengemeinschaft zahlen müssen. Genauso hat aber natürlich auch der Zweite Weltkrieg viel Geld gekostet, und auch damals haben die Amerikaner und andere uns geholfen. Ich finde es daher absolut korrekt und fair, daß wir jetzt auch bereit sind, Ähnliches zu geben.

Aber wir müssen uns darauf vorbereiten, und deswegen finde ich es auch ein wenig seltsam, welches Problem es sein soll, daß wir noch ein, zwei Wochen zuwarten, bis wir dem Hohen Haus das volle Mandat präsentieren. Das ist nötig, damit wir eben eine gut vorbereitete Präsenz haben, zu der wir als eine ganz wichtige Bedingung gefordert haben, daß das Bundesheer jeden Schilling, den dieser Einsatz kostet, zusätzlich erhalten muß, damit das ohnehin bereits ausgeblutete Bundesheer dadurch nicht noch einen weiteren Schaden erleidet. (Beifall bei der ÖVP.)

Letzter Satz – vielleicht habe ich es mißverstanden, aber ich möchte es hier eindeutig klarstellen, Herr Abgeordneter Scheibner –: Es wird kein Grundwehrdiener im Kosovo eingesetzt werden. (Abg. Scheibner: In Albanien sind sie!) Jeder, der dort ist, ist es aufgrund freiwilliger Meldungen (Abg. Scheibner: Aber es sind Grundwehrdiener!) und weiß, daß er natürlich einen riskanten Job übernimmt – genauso wie ein Rot-Kreuz-Helfer, genauso wie jeder andere, der humanitär hilft in dieser Region –, und ich danke jetzt schon allen, die sich dafür zur Verfügung stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.13

Präsident. Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.13

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Vielen Dank, Herr Präsident! Im Sinne der Zeitökonomie wollte ich schon vorzeitig am Rednerpult sein.

Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Wir besprechen jetzt ein Problem, das sich hoffentlich innerhalb der nächsten Stunden lösen wird. Das Problem der Angelegenheit der Entsendung österreichischer Truppen unter der Tutelle eines Sicherheitsratsbeschlusses ist, daß das Kommando zurzeit nur von der NATO wahrgenommen wird. Sobald Rußland sich überzeugen läßt, in einem internationalen Kommando mitzutun, so wie das der Sicherheitsratsbeschluß vorsieht, haben wir keine Probleme damit. Das heißt, daß damit sozusagen die Wünsche Chinas, das dies ebenfalls als Bedingung gestellt hat, respektiert werden, denn diese Wünsche müssen erfüllt werden, um einerseits diesem Sicherheitsratsbeschluß Genüge zu tun und um andererseits dieses UNO-Mandat aufrechtzuerhalten. Das ist die Voraussetzung für die Aktivitäten der Österreicher.

Da, wie der Herr Vizekanzler gesagt hat, 450 bis 500 Personen benötigt werden, und wir dafür offensichtlich nicht nur ein Zeitfenster von 90 Tagen, wie es am Anfang debattiert worden ist, sondern ein Zeitfenster von einem halben Jahr brauchen, um diese Gruppe zusammenzuschweißen und zusammenzustellen, glaube ich, daß sich bis dahin die Probleme mit Rußland schon längst gelöst haben werden.

Ich glaube auch, daß wir realistisch sein müssen. Natürlich ist es ein gefährlicher Einsatz, natürlich wissen die Leute, die sich freiwillig melden, daß es so gefährlich ist, daß vielleicht der eine oder andere sterben wird. Leider Gottes! Am Golan stirbt jedes Jahr ungefähr ein Österreicher. Leider Gottes!, muß ich sagen. Daher sollte man, glaube ich, nicht so tun, als würde man es ignorieren, sondern offen sagen: Es ist ein gefährlicher Einsatz! Die Alternative allerdings, die offensichtlich von den Grünen – obwohl nicht so ausgesprochen – angestrebt wird, nämlich eine österreichische Zone zu schaffen, halte ich nicht für die glücklichste Variante.

Warum? – Ich kann mir nicht vorstellen, daß alle Nationen, die jetzt mittun wollen und ihr Interesse kundgetan haben, kleine isolierte Flächen übernehmen und dort die Sicherheit und den Aufbau garantieren. Das würde, glaube ich, nicht jene Effektivität haben, die wir brauchen. Was wir brauchen, ist, daß wir den Kosovo aufbauen, die demokratischen Strukturen im Kosovo aufbauen, das Justizsystem und auch die Polizei wiederaufbauen. Selbstverständlich muß die UÇK entwaffnet werden! Es ist überhaupt keine Frage, daß diese Personengruppen – man spricht immer von der UÇK, aber es sind mindestens vier Gruppen innerhalb der UÇK, die sehr, sehr schwierig unter einen Hut zu bringen sind – entwaffnet werden sollen, um sozusagen der Zivilbevölkerung die Möglichkeit zu geben, Polizeistrukturen dort aufzubauen.

Ich glaube, daß wir eine wichtige Aktion auf internationalem Sektor vorhaben, und was wir von österreichischer Seite tun könnten, wäre – und da, Herr Vizekanzler, sind Sie aufgerufen, sich in den Gremien wirklich entsprechend zu artikulieren; Sie sind ja noch bis Ende Juni Mitglied der Troika, und es wäre vielleicht wert, sich darüber den Kopf zu zerbrechen –, diesen Ländern am Balkan eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Ich halte es für enorm wichtig, daß die Länder des Balkans wissen, daß sie in Europa willkommen sind, und wissen, daß wir, wenn sie ihre Gesellschaft nach demokratischem Muster aufbauen, selbstverständlich für sie einen Platz in Europa haben. Und das sollten wir ihnen mitteilen, das sollten wir im Nationalrat in der nächsten Sitzung mitteilen: Ja, Balkanstaaten sind willkommen in Europa. Deshalb machen wir eine zweite Erweiterungsrunde, in der auch sie Platz haben werden.

Ich meine, daß wir uns auch auf einiges andere verständigen sollten. Ich glaube, wir sollten als Zwischenlösung eine intelligente und gut durchdachte Autonomie im Kosovo anstreben. Ich glaube, wir sollten auch in einem künftig hoffentlich demokratischen Serbien Aufbauhilfe leisten, selbstverständlich Aufbauhilfe leisten, weil die Gesellschaft dort ebenfalls erschüttert ist.

Wir wollen das, was unser liberaler Kollege, der Vizepräsident des kosovarischen Parlaments, als es das noch gegeben hat, gesagt hat, unterstützen, als er meinte: Wir wollen sein wie ihr, wir wollen ins Theater gehen, Bücher lesen, Fußball spielen, uns fortbilden und arbeiten. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) – Ich bin beim Schlußsatz, Herr Präsident. – Wir wollen, daß man sieht, daß nicht der Krieg unser Leben ist, sondern ein friedliches Miteinander. – Geben wir ihnen die Chance dazu! (Beifall beim Liberalen Forum.)

10.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. – Ich danke dem Herrn Außenminister.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich auf eine im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A) Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 6402/J bis 6411/J.

2. Anfragebeantwortungen: 5740/AB bis 5769/AB.

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 50/ABPR.

3. Regierungsvorlagen:

Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 1. BRBG (1811 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Arzneiwareneinfuhrgesetz geändert wird (1826 der Beilagen),

Strafvollzugsnovelle 1999 (1851 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Bundes-Sportförderungsgesetz geändert werden (1854 der Beilagen),

Bundesgesetz betreffend die Übertragung des Bundesanteils an der Olympia-Eissportzentrum Innsbruck Ges.m.b.H. sowie die Übertragung von unbeweglichem Bundesvermögen (1855 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bundesbehindertengesetz geändert wird (1857 der Beilagen),

Bundesarchivgesetz (1897 der Beilagen),

Bundesgesetz über Änderungen des Aktiengesetzes, des Handelsgesetzbuchs und des Börsegesetzes zur Erleichterung des Rückerwerbs eigener Aktien – Aktienrückerwerbsgesetz (AReG) (1902 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (57. Novelle zum ASVG) (1909 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum GSVG) (1910 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (23. Novelle zum BSVG) (1911 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (27. Novelle zum B-KUVG) und das Karenzgeldgesetz geändert werden (1912 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (1913 der Beilagen),

Universitäts-Akkreditierungsgesetz – UniAkkG (1914 der Beilagen),

Bundesgesetz, mit dem das Tierversuchsgesetz 1988 geändert wird (1973 der Beilagen).

B) Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen an andere Ausschüsse:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Petition Nr. 53 betreffend das bäuerliche Sozialversicherungsgesetz, überreicht vom Abgeordneten Georg Wurmitzer;

Gesundheitsausschuß:

Petition Nr. 51 betreffend Hepatitis C, überreicht von den Abgeordneten Mag. Walter Guggenberger, Mag. Herbert Haupt, Klara Motter, Theresia Haidlmayr, Dr. Erwin Rasinger und Dr. Alois Pumberger;

Justizausschuß:

Petition Nr. 52 betreffend die Bekämpfung von sexuellem Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen, überreicht vom Abgeordneten Mag. Johann Ewald Stadler,

Bürgerinitiative Nr. 21 "Schaut nicht weg" Initiative zum Schutz der Kinder vor sexuellem Mißbrauch.

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuß für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Karenzurlaubsgeldgesetz geändert werden (1768 der Beilagen);

Justizausschuß:

Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 Absatz 2 Buchstabe c) des Vertrags über die Europäische Union über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind samt Erklärungen der Republik Österreich (1763 der Beilagen);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Unterrichtsausschuß:

Schulerhaltungs- und Schulentwicklungsprogramm der Bundesregierung (SCHEP 2000) (III-196 der Beilagen);

Verfassungsausschuß:

Bericht der Bundesregierung zur Entschließung des Nationalrates E 151-NR/XX.GP vom 16. Dezember 1998 über Maßnahmen zugunsten der Gehörlosen und Schwerhörenden (III-195 der Beilagen).

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Klub Liberales Forum hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schriftliche Anfrage 6412/J der Frau Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Ablegung eines Offenbarungseides über den sicherheitspolitischen Status Österreichs dringlich zu behandeln.

Der Aufruf der Dringlichen Anfrage wird um 15 Uhr erfolgen.

Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weiters teile ich mit, daß Herr Abgeordneter Dr. Stefan Salzl beantragt hat, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über das Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes eine Frist bis zum 12. Juli 1999 zu setzen. Es handelt sich um die Vorlage 171 der Beilagen.

In diesem Zusammenhang liegt auch das Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen. Das wird auch geschehen, und zwar nach Erledigung der Beratungen über die Dringliche Anfrage.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird sodann unmittelbar nach dieser kurzen Debatte durchgeführt werden.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hohes Haus! Es liegt mir der Vorschlag vor, die Punkte 2 bis 4, 5 bis 7, 8 bis 10, 11 bis 14, 15 bis 18, 20 bis 34, 35 und 36 sowie 37 und 38 der heutigen Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Dies ist nicht der Fall. Daher werden wir so vorgehen.

Ich gehe jetzt in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich teile mit, daß in der Präsidialsitzung über die Gestaltung und Dauer der Debatten folgende Vereinbarung erarbeitet wurde: Es soll eine Tagesblockzeit von 10 "Wiener Stunden" festgelegt werden, aus der sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ 150 Minuten, ÖVP 140 Minuten, Freiheitliche 130 Minuten, Liberales Forum und Grüne je 9 Minuten. (Abg. Mag. Schweitzer: 9 Minuten!) – Liberale und Grüne haben je 90 Minuten. (Abg. Mag. Schweitzer: 9 Minuten!) – Zehnmal neun!

Darüber hat der Nationalrat zu entscheiden.

Ich frage daher: Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das einstimmig so festgelegt worden.

1. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1653 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Exekutionsordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden (Eherechts-Änderungsgesetz 1999 – EheRÄG 1999) (1926 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht verlangt.

Daher gehen wir in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Graf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. (Abg. Dr. Graf: Können wir auf den Minister warten? Es ist überhaupt niemand da von der Bundesregierung!) – Wie ich den Herrn Justizminister kenne, kann es sich nur um eine kleine Verzögerung handeln. (Bundesminister Dr. Michalek betritt den Sitzungssaal.) – Ich kenne den Herrn Justizminister richtig. Er ist schon da. – Bitte, Herr Abgeordneter.

10.23

Abgeordneter Dr. Martin Graf (Freiheitliche): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Um eine gesellschaftspolitische Debatte – und darum handelt es sich beim Eherecht und der Eherechts-Novelle – führen zu können, muß man einige Dinge auch in diesem Hause klar ansprechen. Man muß einmal feststellen, daß Österreich nach wie vor ein katholisches Land ist und die Bevölkerung mit überwiegender Mehrheit den christlichen Werten verbunden ist.

Frau Kollegin Fekter! Zu diesen Werten gehören nach wie vor Treue und Anstand. Diese Werte laufen an sich mit dieser Regierungsvorlage Gefahr, daß man sie vergißt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig zu erwähnen, daß diese Regierungsvorlage nach einer langen Diskussion im Ministerium und in den Ausschüssen ein Kompromiß ist, bei dem man letztendlich dem feministischen Zeitgeist, der noch dazu links ist, gefolgt ist. Das ist nicht gut und nicht richtig und wird sicherlich von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! 90 Prozent der Bevölkerung haben tatsächlich kein Verständnis für die Aufhebung des absoluten Scheidungsgrundes "Ehebruch". Aber 90 Prozent der Bevölkerung in Österreich haben auch kein Verständnis für die Gewährung eines verschuldensunabhängigen Unterhaltes. Den schuldig Geschiedenen, den Ehe- und Vertragsbrüchigen zu belohnen, ist für die Freiheitlichen nicht akzeptabel! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Betrachtet man dann dieses Problem auch noch unter dem Gesichtspunkt, daß es bekannt ist, daß in Österreich die Familien nahe an der Armutsgrenze leben, so frage ich mich, wie man, wenn die Ehe einer Familie beziehungsweise eines Paares unglücklich verläuft, letztendlich einen verschuldensunabhängigen Unterhalt zu Lasten einzelner regeln möchte.

Ich behaupte an dieser Stelle, daß die neue Unterhaltsregelung die Reichen in diesem Lande, die sich scheiden lassen wollen, wenig kostet und daß es damit den Armen in diesem Lande, die sich scheiden lassen wollen, noch mehr erschwert wird, sich bei einer zerrütteten oder gebrochen Ehe scheiden zu lassen, weil es sich diese Familien nicht mehr leisten können. Die Armen werden noch mehr an die Armutsgrenze getrieben. Das ist das Ergebnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

90 Prozent der Bevölkerung haben auch kein Verständnis für die schleichende Einführung des Zerrüttungsprinzips anstelle des bisherigen Verschuldensprinzips. Wir Freiheitlichen sind immer auf dem Standpunkt gestanden, daß man ein Unglück, das man erleiden kann, lindern muß, daß man gesetzliche Regelungen für den Unterhaltsanspruch oder auch für die pensionsrechtliche Absicherung treffen muß, aber nicht zu Lasten einzelner in einer gebrochenen Ehe, sondern vorweg in einer sozialversicherungsrechtlichen Novelle, in der man von vornherein derartige Härtefälle ausschließt. Dann ist es nicht mehr notwendig, daß man zu Lasten einzelner eine unglückliche Regelung, wie sie heute hier verabschiedet werden soll, trifft.

Zuerst muß das Sozialversicherungsrecht in Ordnung gebracht werden, wobei selbstverständlich die Koalition gefragt ist.

Darüber hinaus ist es für uns auch wesentlich, daß im Zusammenhang mit dem Scheidungsrecht eine Scheidungsfolge mitgeregelt wird, die nach wie vor einer Erledigung harrt, und zwar betrifft das ein modernes, akzeptables Kindschaftsrecht.

Wir von den Freiheitlichen meinen, daß das Recht des Kindes auf beide Eltern Vorrang haben muß. Es muß eine Regelung in diesen Beziehungen geschaffen werden. Die Koalition war nicht dazu imstande, in den vier Jahren dieser Legislaturperiode ein Kindschaftsrecht vorzulegen und verschanzt sich jetzt hinter Länderinteressen. Das ist nicht richtig, das ist unfair und den Familien gegenüber ungerecht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es müssen im Hinblick auf die Kinder die Mitwirkungsrechte der Eltern gestärkt werden, auch im Scheidungsfalle. Es müssen Sanktionen geschaffen werden für den Fall, daß ein Elternteil, der das Sorgerecht hat, so wie es heute geschieht, mittels irgendwelcher Schikanen den anderen ehemaligen Ehepartner völlig vom Sorgerecht ausschließt. Hiefür braucht man Sanktionsmöglichkeiten. Diesbezüglich ist der Gesetzgeber aufgerufen, aber leider Gottes bis dato untätig.

Wir meinen daher, daß es einige wesentliche Eckpunkte gibt, die uns veranlassen, diese Regierungsvorlage abzulehnen.

Wie bereits gesagt, als erster Punkt muß das sozialversicherungsrechtliche Problem angegangen werden. Dieses soll dort gelöst werden, wo es hingehört, nämlich im Sozialversicherungsrecht, bevor man die Scheidungsrechtsgesetzgebung ändert.

Zweitens: Der absolute Scheidungsgrund, Ehebruch, muß beibehalten werden. Wir sind gegen eine verschuldensunabhängige Unterhaltspflicht und auch gegen eine Angemessenheit eines Unterhaltes bei überwiegendem Verschulden oder gleichteiligem Verschulden. Wir vermeinen nämlich, daß es tatsächlich notwendig ist, endlich eine Regelung zu treffen, daß im gleichteiligen Verschuldensfalle bei einer Scheidung lediglich der notwendige Unterhalt an den anderen Ehepartner zur Auszahlung kommt, aber nicht mehr, weil das auch im Sinne der Familien ist. Wir wollen nämlich, daß am Schluß alle Beteiligten finanziell lebensfähig bleiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Vorrang der vertraglichen Disposition im Ehe- und Scheidungsrecht, insbesondere auch bei der Vermögensaufteilung ist nicht verwirklicht und ist eine Forderung der Freiheitlichen.

Zuletzt fordern wir noch, daß man auch im Mediationsbereich, dieser neuen Form einer Scheidungsvergleichsregelung, so wie es in anderen Ländern üblich ist, letztendlich einen Rechtsanwalt verpflichtend beiziehen muß, um den einzelnen Scheidungswilligen auch über die Rechte, die er in bezug auf Scheidungsfolgen hat, aufzuklären.

Wir vermeinen, daß man diese derart schwierige Materie – da geht es oftmals um hohe finanzielle Mittel – nicht im psychologischen und parapsychologischen Bereich wird erledigen können.

Wir haben immer dafür gekämpft, und wir treten immer dafür ein, daß wir Rechten zum Durchbruch verhelfen, und das soll in erster Linie gewahrt bleiben. Der einzige Wahrer der Rechte in Österreich, die man eigentlich noch zu verteidigen hat, ist letztendlich der Rechtsanwalt. Wir glauben daher, daß dieser Weg in die Mediation, wie er beschritten wird, falsch ist. Alles in allem werden wir diese Regierungsvorlage ablehnen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.30

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Die Uhr wird wunschgemäß auf 10 Minuten gestellt. – Bitte.

10.30

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Werter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Die politische Debatte über dieses Eherecht, Scheidungsrecht ist davon geprägt – das werden Sie noch durch die nachfolgenden Rednerinnen und Redner erfahren –, daß es von rechts, von den Freiheitlichen, abgelehnt wird, weil es ihnen viel zu weit geht, und daß von links deshalb Kritik kommt, weil es zu wenig weitgehend ist. (Abg. Gaugg: Ihr beschließt es gemeinsam!) Damit ist für mich die Gewähr gegeben, daß wir eine sehr ausgewogene Novelle zustande gebracht haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gaugg: Ihr beschließt es ja gemeinsam! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Diese Novelle war von zwei Grundprinzipien geprägt. Erstens gibt es das partnerschaftliche Prinzip, und zwar daß die Ehe von beiden Teilen einvernehmlich und ausgewogen partnerschaftlich gestaltet werden soll. Meine sehr verehrten Herren von ganz rechts! Der Mann ist nicht mehr das Oberhaupt der Familie, sondern es müssen beide Partner gemeinsam zum Wohl der Familie beitragen. (Abg. Mag. Schweitzer: Scheidung und Gemeinsamkeit! – Abg. Haigermoser: Scheidung und Gemeinsamkeit, das ist noch niemandem gelungen!)

Dieses partnerschaftliche Prinzip gilt nicht nur bei der Aufteilung der Rechte und Pflichten, sondern auch beim Recht des Unterhaltes in Geld. Geld ist, wenn zu wenig vorhanden ist, immer ein Konfliktbereich. Es soll nicht einseitig und allein durch den Erwerbstätigen ausgegeben werden können, sondern jener Partner, der nicht erwerbstätig ist, hat auch einen gewissen Anspruch auf dieses Geld. Er hat – meistens wird es die Frau sein – nicht nur Anspruch auf Sachleistungen, sondern auch auf Geld für den Unterhalt und auch darauf – sofern die gemeinsamen Leistungen der Familie abgedeckt sind –, daß er sich eigenständig etwas kaufen kann.

Beibehalten wurde auch – das wird heute sicher noch zu Debatten führen – die Mitwirkungspflicht im Erwerb des anderen. In Zeiten einer partnerschaftlichen Regelung war es einigen nicht verständlich, warum man einen Teil einfach per Gesetz verpflichtet, beim anderen im Erwerb mitzuarbeiten. Das trifft insbesondere bei Gewerbebetrieben zu, aber auch – deshalb wurde es beibehalten – bei bäuerlichen Betrieben.

Es ist so, daß eine Bäuerin, die im Betrieb des Bauern arbeitet und am Hof nicht angeschrieben ist, nicht Mitunternehmerin ist. Sie ist aber auch keine Angestellte oder Arbeiterin nach dienstrechtlichen Vorschriften, sondern all ihre sozialrechtlichen Leistungen führen auf diese Bestimmungen zurück. Daher konnten wir sie nicht einfach aus dem Gesetz streichen, denn damit wäre das Sozialrecht der Bäuerinnen gefährdet gewesen. Die Bäuerinnen haben aber ein Anrecht darauf, daß ihre erworbenen Rechte nicht mittels eines Federstriches im Eherecht zunichte gemacht werden.

Ich gebe zu, daß man diese sozialrechtliche Absicherung vielleicht in anderen Materien lösen könnte, aber solange das nicht geschieht, brauchen wir diese Bestimmung. Dort, wo Partner glauben, daß diese Mitwirkungspflicht nicht mehr zu ihrer Lebensgestaltung gehört, können sie es selbstverständlich auch vertraglich abbedingen oder anders regeln. Insoweit gilt die Vertragsautonomie nicht nur schriftlich, sondern auch durch das faktische Zusammenleben.

Das zweite Prinzip neben dem partnerschaftlichen Prinzip, das dieser Novelle zugrunde liegt, ist das Grundprinzip, daß die Ehe ein Vertrag ist. Wer diesen Vertrag einseitig bricht, hat die Nachteile zu tragen. Wir haben deshalb das Verschuldensprinzip nicht aufgegeben. Herr Kollege Graf! Es ist unrichtig, wenn Sie meinen, daß wir das Verschuldensprinzip verlassen hätten (Abg. Dr. Graf: Jetzt kommt die Scheidungslüge nach der Neutralitätslüge!), ganz im Gegenteil, das Verschulden ist nach wie vor im Scheidungsfall wesentlich, weil es sich nach wie vor in Form von Scheidungsgründen im Gesetz wiederfindet. Es ist – zugegebenermaßen – richtig, daß wir die absoluten Scheidungsgründe aufgegeben haben.

Herr Kollege Graf! Sie haben gemeint, 90 Prozent der Bevölkerung wären für die Beibehaltung der absoluten Scheidungsgründe. Ich sage Ihnen, 100 Prozent der Bevölkerung kennen den Unterschied zwischen einem absoluten und einem relativen Scheidungsgrund nicht genau. Daher ist Ihr Argument nicht ganz korrekt! (Abg. Dr. Graf: Aber was Ehebruch ist, weiß jeder in Österreich! Den Ehebruch kennt jeder!)

Deshalb, weil jeder weiß, was Ehebruch ist und weil das den Menschen wesentlich ist, hat die ÖVP dafür gesorgt, daß dieser im Gesetz als schwere Eheverfehlung bestehen bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es war einzig und allein das Verdienst der ÖVP, daß auch die Gewalt als schwere Eheverfehlung in das Gesetz aufgenommen wurde, denn bisher wurde weder bei Eheverfehlungen noch bei Scheidungsgründen die Gewalt berücksichtigt. Das haben wir, die ÖVP, erst hineinreklamiert.

Der absolute Scheidungsgrund der Verweigerung der Fortpflanzung ist weggefallen, Herr Kollege Graf! Das heißt aber nicht, daß es keine Eheverfehlung ist, wenn die Partner diesbezüglich kein Einvernehmen über ihre Lebensgestaltung erzielen. (Abg. Dr. Graf: Da muß man das Zerrütten erst beweisen! Das ist eine Prozeßflut, die auf uns zukommt!)

Es ist doch ganz logisch, daß dann, wenn jemand zum Scheidungsrichter geht beziehungswiese sich veranlaßt sieht, zu gehen, ein starkes Indiz für die Zerrüttung gegeben ist. Man kann doch nicht eine Scheidung einreichen und gleichzeitig behaupten, da wäre gar nichts zerrüttet, es wäre ohnehin alles in Ordnung. Das ist nach meinem Verständnis widersinnig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Tausende machen es derzeit in Österreich!)

Sehr weitreichend sind die neuen Unterhaltsregelungen. Wir haben jetzt im Unterhalt – abgestuft je nach Verschulden – eine Unterhaltsregelung, die jenem Partner zusteht, der sich selbst nicht erhalten kann, wobei der überwiegend Schuldige auch sein eigenes Vermögen dazu heranziehen muß.

Besondere Berücksichtigung bei diesem verschuldensunabhängigen Unterhalt findet die Kindererziehung. (Abg. Mag. Schweitzer: Überzeugt sind Sie nicht von dem, was Sie erzählen!) Herr Kollege Graf! Darin unterscheiden wir uns. Uns ist die Kindererziehung soviel wert, daß wir sie auch in die Unterhaltsregelungen für die Mutter, die die Kinder erzieht, miteinbeziehen. Wir haben das als berücksichtigungswürdiges Interesse verstanden. (Abg. Dr. Graf: Dafür gibt es den Kinderbetreuungsscheck!) Wir wollen jene Frauen, die zu Hause bleiben und sich der Kindererziehung widmen, nach der Scheidung nicht im Regen stehen lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dabei haben wir zwei konkrete Fälle im Auge. Einmal ist es die junge Mutti, die sich noch den kleinen Kindern widmet, wobei wir der Auffassung sind, daß es gut ist, wenn sie bei den Kindern zu Hause bleibt, und es dem Kindesvater zumutbar ist, daß für seine Kinder die bestmögliche Betreuung, nämlich durch die Mutter, erfolgt. Dafür steht ihr ein Unterhalt bis zum fünften Lebensjahr des jüngsten Kindes zu.

Das Verschulden ist aber auch dabei zu berücksichtigen und kann sich je nach Schwere des Verschuldens beim Unterhalt als Minderung auswirken, die bis auf null geht. Auch die Zumutbarkeit der eigenen Erwerbstätigkeit bei überwiegendem Verschulden ist anders zu beurteilen als bei bloßem Mitverschulden. Eine überwiegend Schuldige wird auch eine de facto unzumutbare Arbeit nach arbeitsrechtlichen Vorschriften annehmen müssen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Petrovic.) Beispielsweise kann eine Lehrerin dann nicht darauf pochen, daß es momentan einen Aufnahmestopp gibt, sondern sie wird dann auch in ein Büro gehen müssen. (Abg. Dr. Graf: Sie werden es an der Praxis erkennen, wie es wirklich ausschaut!)

Das heißt, Herr Kollege Graf, es ist unrichtig, daß es kein Verschulden mehr gibt. Wir haben uns auch Gedanken darüber gemacht, daß wir dem zahlenden Teil nicht jegliche künftige Lebensgestaltung verbauen wollen. Daher war es für uns wichtig, daß dieser Anspruch befristet wird. Wir haben ihn auf drei Jahre generell befristet, und er kann in Härtefällen verlängert werden.

Herr Kollege Graf! Die Mediation halte ich für die Konfliktregelung des nächsten Jahrtausends! Die Mediation wird nicht nur im Scheidungsbereich Einklang finden, sondern auch in weiten Bereichen der anderen Rechtsmaterien. (Abg. Dr. Graf: Dafür brauchen wir Berufsvoraussetzungen!) Wir kennen sie schon in der Politik. In der vorhergehenden Debatte wurde es von den "Mediatoren" Tschernomyrdin und jenen, die den Frieden herbeigebracht haben, als selbstverständlich betrachtet, daß ein unbeteiligter Dritter, der nicht Partei ist, gestaltend mitwirkt. – Auch das wollen wir im Scheidungsrecht ähnlich einführen. (Abg. Dr. Graf: Also nicht alles ist ein Vergleich, was hinkt!) Nicht der Anwalt, der Partei ist, sondern ein unparteiischer Dritter soll den beiden durch diese Konfliktfälle helfen. (Abg. Dr. Graf: Das ist Ihr Problem: Sie sehen die Scheidung immer als Krieg!)

Ich gehe davon aus, daß sich Anwälte als Mediatoren hervorragend eignen und die Rechtsanwaltskammer auch bereits diesbezügliche Ausbildungen anbietet. (Abg. Dr. Graf: Was muß der Mediator können? Sagen Sie mir die Voraussetzungen!) Ich gehe auch davon aus, daß sich die Mediation als Rechtsinstitut in anderen Rechtsbereichen noch weiterentwickeln wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Schmidt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

10.41

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, daß es bei unseren Gesetzesbeschlüssen immer – man wird es jeweils unterschiedlich beurteilen, wann man die Balance hergestellt sieht – um die Balance zwischen einem individuellen, auch einem gesellschaftlichen Autonomiebedürfnis einerseits und dem staatlichen Regelungsbedürfnis und Regelungsbedarf andererseits gehen sollte.

Ich halte es gerade aus liberaler Sicht für notwendig, sich dieses Spannungsverhältnis ständig vor Augen zu führen und dann in diesem Spannungsverhältnis die Abwägung zu treffen, ob der Staat etwas regeln darf oder muß oder ob etwas nicht dem privaten Gestaltungswillen und den privaten Gestaltungsfähigkeiten des einzelnen überlassen bleiben muß.

Gerade wenn es um die Lebensformen geht, die Menschen wählen, ist es besonders wichtig, diese Balance herzustellen und, wie ich glaube, vor allem dem individuellen Autonomiebedürfnis ein besonderes Augenmerk zu schenken. Angesichts dessen, wie das Eherecht, wie sämtliche Regelungen betreffend Lebensformen aussehen, gibt es ein derartiges Ausmaß an staatlichen Regelungen und an staatlichen Eingriffen, das für uns aus liberaler Sicht unzumutbar ist.

In Anbetracht dessen, daß sich bei der vorliegenden Novelle Arbeitsgruppen damit auseinandergesetzt haben, wie man reformieren kann, wie man dem einzelnen und der einzelnen mehr Gestaltungsraum geben kann, ist ihr Ergebnis deprimierend! Denn das Ergebnis lautet weiterhin "staatlich bevormundet", es ist weiterhin frauenfeindlich, und es ist alles andere als von einem offenen Partnerschaftsbegriff geprägt, so wie Frau Kollegin Fekter das hier behauptet hat. Das mag allerdings auch an der unterschiedlichen Auffassung über den Begriff "Partnerschaft" liegen, wenn sie derartiges sagt.

Wenn es ein Anliegen wäre – und den Liberalen ist es ein Anliegen! –, daß jeder Bürger, jede Bürgerin die für sie beziehungsweise für ihn idealste Form des Zusammenlebens wählen kann, dann müßte man erkennen, daß wir nicht nur Reformbedarf für die Ehe haben, sondern natürlich auch dafür, für all jene, die das tun wollen, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, das heißt auch für gleichgeschlechtliche Paare. Das ist ein Ansatz, der von der großen Koalition negiert wird, der nicht einmal in Diskussion gezogen wird, von dem man offenbar meint, er betreffe nur eine Minderheit, um die man sich nicht zu kümmern hat, oder aber man könne die eigene Ideologie einfach so in Gesetze gießen, daß man andere von bestimmten Lebensformen ausschließt.

Das ist ein Grundproblem, dem Sie natürlich mit diesem Eherechts-Änderungsgesetz schon gar nicht beigekommen sind, aber Sie wollten es ja auch gar nicht. Ich erwähne das nur, um klarzumachen, daß dieses Anliegen ein liberales Anliegen bleiben wird und daß wir dieses Thema daher auch in der nächsten Legislaturperiode ins Parlament bringen werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Aber ungeachtet dessen sollte man sich mit jener Begriffsdefinition auseinandersetzen, die jetzt Gegenstand auch Ihrer, also der von Ihnen beschlossenen Rechtslage ist und bezüglich der im Ausschuß keine Bereitschaft erkennbar war, diese Rechtslage zu ändern. Ich rede von der Begriffsdefinition in § 44 ABGB, was denn überhaupt die Ehe sei. Ich sehe, daß uns heute eine Vielzahl junger Leute zuhört, und es wird vielleicht insbesondere auch für sie interessant sein – aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß auch viele andere das gar nicht wissen –, daß es nicht nur eine Sache des Kirchenrechtes ist, sondern vielmehr im ABGB als Begriffsdefinition aufgenommen ist, daß zwei Personen verschiedenen Geschlechts ihren Willen erklären, in unzertrennlicher Gemeinschaft zusammenzuleben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten.

Das heißt, alleine die Passage, Kinder zu zeugen, ist bezeichnend dafür, unter welchem Geist dieses Gesetz einmal entstanden ist, daß man sowieso nur auf den Mann Bedacht nahm. Denn ich weiß nicht, wie Frauen Kinder zeugen sollen. Aber diese Begriffsdefinition zeigt die gesamte Geisteshaltung, aus der diese Gesetze seinerzeit entstanden sind. (Abg. Dr. Trinkl: Ganz alleine geht es nicht!)

Aber noch heute gibt es jene Fortpflanzungspflicht, die nicht in der freien Lebensgestaltung der Partnerinnen und Partner liegt, sondern die der Staat als Begriffsdefinition für diese Form der Lebensgemeinschaft vorgibt. Ich behaupte, daß 95 Prozent der Menschen, die eine Ehe eingehen, das gar nicht wissen!

Jetzt können Sie sagen: Na dann spielt es sowieso keine Rolle! – Ich glaube, man muß die Dinge grundsätzlicher sehen, nämlich die Gewöhnung daran, daß man sich an gesetzliche Vorgaben gar nicht zu halten braucht, weil sie entweder gesellschaftlich überholt sind oder weil sie nicht so wichtig sind – wie auch immer. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Es gibt Menschen, die noch Gefühle haben! Das gibt es bei den Liberalen nur selten!)

Im Rahmen der Diskussionen im Justizausschuß habe ich den Herrn Bundesminister gefragt: Wie wäre es denn, wenn ich eine Nebenabrede zu einer dieser drei Begriffsdefinitionen schließe? – Zum Beispiel: Ich kündige die Beistandsverpflichtung auf, und ich sage, ich will zwar heiraten, aber ich will nicht Beistand leisten? – Dies wäre eine unsittliche Nebenabrede und würde daher nicht akzeptiert werden. Weiteres Beispiel: Ich sage, ich will zwar heiraten, aber nur für drei Jahre? – Dies wäre eine unsittliche Nebenabrede und würde daher nicht akzeptiert werden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Vielleicht kann man sich gegenseitig mieten!)

Bei der gleichen Begriffsdefinition – und es gibt nur drei Kriterien – zu sagen: Ich will zwar heiraten aber keine Kinder haben!, sagt man: Da hat sich die gesellschaftliche Entwicklung bei der Judikatur bereits soweit durchgesetzt, daß das jedenfalls nicht als unsittliche Nebenabrede gesehen würde, und daher wäre es zwar nach wie vor eine Eheverfehlung, aber es wäre zulässig, eine solche Nebenabrede zu treffen.

Das heißt, es stecken sehr viele rechtspolitische und gesellschaftspolitische Dinge darin! Wenn wir heute von einer angeblichen Reform reden und das einfach zudecken, dann muß ich sagen, ich halte das für einen massiven Fehler dessen, der für den Rechtsbestand verantwortlich ist, nämlich des österreichischen Gesetzgebers. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das heißt, entweder zählt diese Begriffsdefinition nicht mehr, dann muß sie aus dem Gesetz gestrichen werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, es gebe zwar Gesetze, aber man müsse sie nicht so ernst nehmen, oder aber dieses ist gewollt, wie die ÖVP das will, dann hat sich meiner Meinung nach aber auch die Judikatur daran zu halten, und dann ist es auch nicht ganz schlüssig, genau diesen Punkt aus den Scheidungsgründen zu eliminieren.

Also dieser Kompromiß, der doppelte Boden, der wie so oft von der ÖVP eingezogen wird – ich nenne es Doppelmoral –, es nämlich auf der einen Seite zwar als eine Begriffsdefinition enthalten haben zu wollen, aber auf der anderen Seite zu sagen, es müsse dann in dieser Form kein Scheidungsgrund mehr sein, ist inkonsequent! Beziehen Sie jene Position, die Sie im Ausschuß vertreten haben, aber stehen Sie auch dazu und machen Sie den Leuten nicht, wie in so vielen anderen Dingen auch, ein X für ein U vor! Breiten Sie nicht einen Mantel darüber, der sich besser verkauft, um damit Ihre ideologischen – ich sage es einmal so – Verbissenheiten, denn so schien es mir in der Diskussion, zu verdecken.

Aber tun Sie vor allem etwas nicht – das ist das, was mich so schmerzt –: Bevormunden Sie nicht die Bevölkerung! Bevormunden Sie diejenigen, die sich Ihnen anschließen, aber bevormunden Sie nicht die Bürgerinnen und Bürger, die nur deswegen eine derartige Definition des Ehevertrages "aushalten" müssen, weil es zwei, drei in Ihrer Partei gibt, die nicht gewillt sind, sich der internationalen Entwicklung, vor allem aber auch der gesellschaftlichen Befindlichkeit anzupassen.

Besonders bemerkenswert ist, daß das von einer Partei kommt, die immer davon redet, daß es weniger Staat und mehr Privat geben sollte. Wenn es aber um die ureigensten Bedürfnisse der Menschen geht, dann soll es der Staat regeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich bringe daher den Abänderungsantrag ein, § 44 im ABGB zu ändern:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. I lautet Ziffer 1:

1. § 44 lautet:

"§ 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. Im Ehevertrag erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben und sich gegenseitigen Beistand zu leisten."

Die Ziffern 1 bis 4 erhalten die Bezeichnung 2 bis 5.

*****

Das bedeutet nichts anderes (Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter), als daß die Verpflichtung – Frau Kollegin, gerade als Vorsitzende des Justizausschusses sollten Sie diese Unterschiede kennen – zur Fortpflanzung – die zwar freiwillig eingegangen wird, aber durch den Staat vorgegeben ist – aus dem Gesetz eliminiert wird. Ich halte es für überfällig, derartiges zu tun. (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen die Kinder aus der Ehe schmeißen! Dafür sind wir nicht zu haben!)

Liebe Frau Kollegin! Wenn Sie glauben, daß Menschen nur dann Kinder in die Welt setzen, wenn der Staat sie dazu verpflichtet, dann zeigt das eindeutig Ihr Weltbild. (Beifall beim Liberalen Forum.) – Ich glaube, daß es eine Frage der persönlichen Lebensentscheidung ist, bei der der Staat nichts verloren hat.

Der zweite Punkt, der mir sehr wesentlich erscheint, weil er auch eine Kernfrage dieses Eherechts-Änderungsgesetzes ist, sind die Prinzipien bei den Scheidungsregelungen. Es hat eine lange Debatte darüber gegeben, und Ziel der Arbeitsgruppe war es eigentlich, das Verschuldensprinzip durch ein Zerrüttungsprinzip zu ersetzen. Das wäre ein richtiger Weg gewesen, der nicht nur schon lange in anderen europäischen Ländern beschritten wurde. Ich darf nur darauf hinweisen, daß Deutschland seit 20 Jahren das Zerrüttungsprinzip und nicht das Verschuldensprinzip zum Gegenstand hat. Ich darf nur daran erinnern, daß es – an jene Partei, die sich nach außen immer für Europa hin engagiert, gerichtet – noch aus dem Jahr 1989 eine Empfehlung des Europarates gibt, in der die Mitgliedsländer aufgefordert werden, die Scheidungsfolgen verschuldensunabhängig zu regeln.

Das sind für mich nur Zusatzargumente, denn unser Hauptargument ist unsere grundsätzliche Position: daß es nicht Sache des Staates sein kann, die moralische Richtigkeit privatester Verhältnisse zu beurteilen, daß es daher nicht Sache des Staates sein kann zu sagen, daß in einem privaten Verhältnis zwischen zwei Ehepartnern jemand mehr schuld oder jemand weniger schuld am Auseinanderbrechen dieser Beziehung hat. Es darf nach liberalem Verständnis nicht Sache des Staates sein, dies zu beurteilen!

Das passiert derzeit durch einen Richter, durch eine Richterin, und das ist genau das, was Sie für richtig halten, weil Sie eben meinen, es sei Sache des Staates zu regeln, was richtig und was falsch ist – auch in den privatesten Verhältnissen. Das ist das Verständnis dieser Partei, die immer davon redet, der Staat solle sich zurückziehen. Das sagt sie nur in jenen Bereichen, in denen vielleicht ihre Kammer dabei mitgeht, aber sobald es um die privaten Verhältnisse geht, soll der Staat genau sagen, wie man sich zu verhalten hat, und daher wird auch der Richter oder die Richterin sagen, was in diesen Lebensverhältnissen richtig und was falsch war.

Wir sind der Auffassung, daß das nicht Sache des Staates ist! Daher ist der Weg, das Verschuldensprinzip für eine Unterhaltsregelung anzuwenden, für uns falsch. Was wir hingegen glauben, ist, daß der Staat dazu da ist, Schwächere zu schützen. Das bedeutet, daß die Unterhaltsregelung daran zu messen ist, ob jemand den Unterhalt auch tatsächlich braucht, und zwar unabhängig davon, ob er schuld oder nicht schuld am Auseinandergehen einer Beziehung ist.

Was Sie jetzt gemacht haben, ist ein winziger Schritt, aber einer, den ich nicht sehr ernst nehmen kann, denn die Ausnahmen, die Sie vorsehen – es trifft in erster Linie Frauen, und daher ist auch diese Vorlage frauenfeindlich, weil sie nicht auf die Bedürfnisse der Frauen eingeht, die diejenigen sind, die das immer auszubaden haben –, sind von Ihnen in einer Weise unsachlich begrenzt worden, die auch schon rechtspolitisch bedenklich ist – nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch rechtspolitisch!

Denn diese Begrenzung eines allfälligen Unterhaltsanspruches auf drei Jahre ist eine Willkürzahl! Sie geht auch völlig an den Realitäten vorbei: Hätten Sie den FamilienrichterInnen und Experten in den Gruppenberatungen der Arbeitsgruppe zugehört, dann wüßten Sie, daß das eine Begrenzung ist, die vielleicht ein Kompromiß innerhalb Ihrer Koalition war, aber nicht die geringste sachliche Begründung hat.

Wenn Sie dann noch bei der Erziehung eines Kindes das fünfte Lebensjahr als Grenze nennen, bis zu dem gerade noch ein Unterhalt zugebilligt werden kann, dann muß ich sagen, Sie gehen wiederum an den Realitäten vorbei! Sie sind mitverantwortlich dafür, daß es keine Kinderbetreuungseinrichtungen gibt! Sie sind mitverantwortlich dafür, daß genau diese Situation – insbesondere für die Frau –, sich um die Kinder kümmern zu können und zugleich einem Beruf nachgehen zu können, nicht eintritt – nicht nur, weil die Arbeitsverhältnisse so gestaltet sind, daß die Frauen am Arbeitsmarkt kaum Fuß fassen können, sondern weil auch diese Verbindung, sich um Kinder zu kümmern und im Erwerbsleben zu stehen, durch die Rahmenbedingungen, für die Sie mitverantwortlich sind, kaum möglich ist.

Dann machen Sie noch ein Gesetz, in dem Sie sagen: Ab dem fünften Lebensjahr ist der Ofen aus! – Was die Frau – die Frau wird es in erster Linie auszubaden haben – dann macht, interessiert Sie nicht, weil Sie sagen, sie solle gefälligst zu Hause bleiben. – Ungefähr nach dem Morgenstern-Spruch, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, schreiben Sie vor, was richtig ist, und Sie glauben, durch Gesetze in dieser Form das auch erreichen zu können, ohne daß Sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen, vor allem ohne daß Sie die persönlichen Lebensbedürfnisse zur Geltung kommen lassen, weil Sie sagen, was die Leute zu tun haben.

Ich halte das für einen Unfug, und daher ist eine solche Weichenstellung keine Weichenstellung, sondern es ist eine Adaption, um die schlimmsten Fälle aufzufangen, aber das hat nichts mit einer Reformidee und mit einem anderen Geist zu tun.

Noch ein Punkt, der jetzt zu reformieren gewesen wäre: Die Ehemündigkeit von Männern und Frauen ist derzeit in einem unterschiedlichen Alter festgelegt. Für Männer ist es das 19. Lebensjahr, für Frauen das 16. Lebensjahr. Das geht an den Realitäten komplett vorbei! Es war vielleicht einmal so, daß man einen solchen Unterschied machen konnte, daß man gemeint hat, daß Buben weit später reif und daher in der Lage seien, die Tragweite eines solchen Schrittes zu entscheiden. (Abg. Dr. Fekter: Die Wirklichkeit ist, daß sich das Ehealter hinaufsetzt!) – Und wieder glauben Sie, daß Sie durch solche Regelungen die Gesellschaft verändern können! Statt daß man der Realität Rechnung trägt und sagt: 16 Jahre ist das Alter für Ehemündigkeit, und zwar für Mädchen genauso wie für Buben! (Abg. Dr. Fekter: Warum soll man das machen?), halten Sie an Ihrem verqueren – ich sage reaktionär-konservativen – Weltbild fest, das Sie glauben, durch Gesetze absichern zu müssen und sich damit die Vergangenheit erhalten zu können. (Abg. Dr. Fekter: Sehr ernst nehmen Sie die Ehe nicht!)

Ich bringe daher den Antrag der Liberalen ein, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. II lautet Ziffer 1:

1. § 1 lautet:

"(1) Die Ehemündigkeit beginnt mit dem vollendeten 16. Lebensjahr.

(2) Das Gericht hat auf Antrag des oder der betreffenden Person diese mit vollendetem 15. Lebensjahr für ehemündig zu erklären, wenn er oder sie für diese Ehe reif erscheint."

2. Die Ziffern 1 bis 9 erhalten die Bezeichnung 2 bis 10.

*****

Einen weiteren Punkt möchte ich jetzt noch ansprechen, weil er mir auch sehr symptomatisch erscheint: Ich habe erstens davon gesprochen, was das Wesen der Ehe betrifft, ich habe zweitens davon gesprochen, nach welchen Prinzipien die Ehe geschieden werden können sollte, und drittens ist noch ein Punkt zu erwähnen, der jetzt im Eherechts-Änderungsgesetz einer Änderung bedurft hätte und bei dem die Argumentation der Justizausschußvorsitzenden danebengegangen ist, wobei ich erstaunt war, daß sie als Ausschußvorsitzende nicht einmal das richtige Argument gehabt hat. Aber sie hat sich letztlich darauf zurückgezogen, es mit dem Pauschalargument abzutun, daß sie sich die Ehe nicht scheibchenweise demontieren läßt.

Wir haben vor einiger Zeit hier im Hohen Haus eine sehr vernünftige Regelung beschlossen. Es ging darum, welche Personen eine Zeugenaussage verweigern dürfen. Wir haben in verschiedenen Gesetzesmaterien geregelt – vom Strafrecht angefangen, heute ist die Zivilprozeßordnung auf der Tagesordnung –, daß das besondere Vertrauensverhältnis, das zwischen Menschen, die füreinander Verantwortung übernommen haben und die zusammen leben, herrscht, auch einer Stärkung und eines Schutzes durch den Staat bedarf. Dieser Schutz und diese Stärkung dieses Vertrauensverhältnisses sollen unter anderem dadurch gewährleistet werden, daß jemand eine Zeugenaussage verweigern darf, wenn sie seinem Partner zur Schande gereichen, strafrechtliche Folgen nach sich ziehen würde und ähnliches mehr. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Im Strafrecht haben wir dieses Zeugnisverweigerungsrecht von Ehepartnern auch auf Lebensgefährten ausgedehnt. Ich halte das für notwendig und für selbstverständlich, wenn es nicht darum geht, irgendwelche Ideologien festzumachen, sondern wenn es darum geht, die Verantwortung zu stärken und dazu anzuregen, daß Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Die ÖVP hat sich geweigert, jetzt die gleiche Regelung in der Zivilprozeßordnung durchzuführen.

Wir Liberalen haben einen Antrag eingebracht, der die Forderung enthält, daß das Zeugnisverweigerungsrecht auch Lebensgefährten zustehen soll.

Ich bringe nun folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. IV lautet Z 2:

2. In § 321 Abs. 1 Ziffer 1 wird nach dem Wort "Ehegatten" ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge "seinem Lebensgefährten," eingefügt.

Die Ziffer 2 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung "Ziffer 3".

*****

Ich sage Ihnen, daß das Beharren auf der derzeitigen Rechtslage nicht nur sachlich ungerechtfertigt ist, sondern daß Sie damit jenen Menschen einen schlechten Dienst erweisen, die sich entschlossen haben, füreinander Verantwortung zu übernehmen und diese Verantwortung auch so wahrzunehmen, daß sie dieses Vertrauen nach außen hin auch geschützt haben wollen.

Wir haben einen zweiten Antrag eingebracht, der den Begriff "Lebensgefährten" noch klarer definiert. Die Definition lautet, daß Lebensgefährten nicht nur andersgeschlechtliche, sondern auch gleichgeschlechtliche Personen sein können. Diesen Antrag wird mein Kollege Barmüller verlesen, weil mir jetzt die Zeit dafür fehlt.

Abschließend stelle ich fest: Es sind zwar mit dieser Gesetzesvorlage manche Verbesserungen zum gegenwärtigen Zustand im Eherecht erfolgt, aber insgesamt atmet auch diese Gesetzesvorlage einen staatlich bevormundenden Geist, einen frauenfeindlichen Geist, einen Geist, der die Partner als Eigentum ansieht – daher auch das Mitwirkungsrecht –, und einer solchen Gesetzesvorlage, die von einem solchen Geist getragen ist, können wir Liberalen keine Zustimmung geben. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und der Abg. Mag. Stoisits..)

11.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Alle drei Abänderungsanträge, die Frau Abgeordnete Dr. Schmidt verlesen beziehungsweise vorgetragen hat, sind ausreichend unterstützt und werden in die Verhandlung mit einbezogen.

Es gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

11.02

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die gegenständliche Gesetzesvorlage stellt in der Tat einen Schritt vorwärts dar, zwar nur einen kleinen und keinen großen Schritt – das möchte ich hier konzedieren –, aber sie bringt eine Weiterentwicklung des Eherechtes in Richtung Fairneß und Gleichberechtigung im Zusammenleben und mehr Anstand und Würde im Scheidungsfall. Das war an sich auch unser Motiv, die wesentlichen Umstände zu diskutieren und Verbesserungen zu schaffen.

Ich darf in Erinnerung rufen: Zwei Jahre hat man sich in einem Diskussionsforum, an dem Mitglieder dieses Hauses, aber auch Familienrichter, die vor Ort tätig sind und Erfahrung mit dieser Rechtsmaterie haben, mitgewirkt und festgestellt haben, daß es Umstände gibt, deren Verbesserung absolut notwendig ist. Dem Ergebnis dieser Arbeit wird nun Rechnung getragen. Wir hätten uns gewünscht, daß darüber hinaus noch der eine oder andere Punkt in die Gesetzesvorlage mit aufgenommen wird – das möchte ich hier offen sagen –, doch diesbezüglich konnten wir mit unserem Koalitionspartner kein Übereinkommen erzielen.

Wir haben – das sind die Kernpunkte – den Gleichbeteiligungsgrundsatz erweitert, wir haben die Selbstbestimmung im Rahmen der Ehe gestärkt – die Gattin, der das bis jetzt teilweise nicht möglich war, hat, wenn sie nicht mehr im Haushalt tätig sein will, sondern wieder einem Beruf nachgehen will, nun diese Möglichkeit, ohne riskieren zu müssen, daß sie einen Scheidungsgrund setzt –, wir haben auch die Abdingbarkeit im Miterwerb des Ehegatten normiert. Natürlich wäre es besser gewesen, insgesamt von diesem Schritt abzugehen, weil es nicht verständlich ist, daß eine derartige Verpflichtung überhaupt noch besteht, und ich glaube, daß die Diskussion darüber weiter zu führen ist, und zwar dahin gehend, daß eine würdigere Form des Miteinander-Umgehens ermöglicht wird.

Wenn ich mir das, was Kollege Graf heute hier am Vormittag von sich gegeben hat, vor Augen führe – ich glaube, daß auch Kollege Krüger zu meinem großen Erstaunen, muß ich sagen, seiner Ansicht ist, was sich ja schon im Ausschuß abgezeichnet hat, und wahrscheinlich auch Kollege Ofner; es erstaunt mich sehr, daß sich beide inhaltlich mehr oder weniger um Herrn Graf scharen –, dann muß ich sagen: Das steht diametral zu dem, was wir wollen, nämlich Fairneß und Gleichberechtigung. Das würde ich als Bevormundung statt Würde bezeichnen. Ich bin eigentlich erstaunt, denn wenn man das konsequent umsetzte, dann wäre es wahrscheinlich am allerbesten, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, das Eherecht im Strafgesetzbuch zu regeln. Ich erwarte eigentlich nur mehr, daß Sie fordern, daß jene Ehepartner, die innerhalb von neun Monaten keine Kinder in die Welt setzen, bestraft werden und ins Gefängnis wandern. Das wäre eigentlich die logische Konsequenz Ihrer Vorschläge. (Abg. Dr. Krüger: Eine primitive Argumentation! Wahnsinn! Eines Juristen unwürdig!)

Wenn Sie von den Freiheitlichen heute gemeint haben, daß die Ehe durch das Zerrüttungsprinzip gefährdet sei und daß Sie das verhindern wollen, so darf ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß bei einer Scheidungsdebatte im Jahre 1978 – das ist bezeichnend für Sie, und insofern wundert es mich nicht, und ich glaube, daß es in der Öffentlichkeit auch zu sagen ist – von damaligen Größen Ihrer Partei, und zwar von Broesigke und Peter, ein völlig anderer Standpunkt eingenommen worden ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das ist 20 Jahre her!) Ich lese Ihnen aus dem diesbezüglichen Protokoll die betreffende Passage vor: Ich zitiere Broesigke: "Der Abschluß der Familienrechtsreform" ... (Abg. Dr. Krüger: Broesigke!) Sie können sich über Ihre Vorgänger ruhig lustig machen, in Wirklichkeit zeigt es aber auf, daß Sie in Ihrer maßlosen Rückschrittlichkeit nahezu schon ins Uferlose fallen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Dr. Schmidt.)

Zurück zum Zitat: "Der Abschluß der Familienrechtsreform", sagte Broesigke, "wird erst erreicht sein, wenn das Recht der Eheschließung, und zwar der Ehescheidung, neu geregelt ist, und zwar zur Gänze, wobei wir im Bereich der Ehescheidung früher oder später wie andere europäische Länder," – meine Damen und Herren, im Jahre 1978 war das! – "die meisten jetzt schon, und das ist nun einmal eine Rechtsentwicklung, zum Zerrüttungsprinzip übergehen werden. Das wird dann der Abschluß der Familienrechtsreform sein." – Also das Zerrüttungsprinzip! Peter sagt dann: "Im Sinne der freiheitlichen Zielsetzung wünsche ich mir den Durchbruch zum Zerrüttungsprinzip und eine entscheidende Abkehr vom Verschuldensprinzip." – Ich halte das für richtig.

Meine Damen und Herren! Warum Sie diesen Wandel durchführen, diese Spirale machen, so wie Sie es bei allen anderen Dingen auch tun, nämlich, daß Sie heute diesen und morgen jenen Standpunkt einnehmen, ist völlig unverständlich. (Abg. Dr. Krüger: 20 Jahre sind seither vergangen!) Aber es spricht für Ihre politische Kultur, für Ihr politisches Verständnis, so mit uns hier im Haus umzugehen, aber auch mit Ihren potentiellen Wählern, und Sie werden sicherlich die Rechnung dafür präsentiert bekommen. (Abg. Dr. Krüger: Lächerlich! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Fällt Ihnen nichts Gescheiteres ein?)

Zum absoluten Scheidungsgrund auch eine Bemerkung: Es dürfte Kollegen Graf entgangen sein, daß es diesbezüglich einen Brief der Bischofskonferenz gibt. Der absolute Scheidungsgrund ist eine Eingrenzung der beurteilenden Richter dahin gehend, sich mit einem Fall umfassend auseinanderzusetzen. Was wir haben wollen, ist Gerechtigkeit, ist Einzelfallsgerechtigkeit im Scheidungsverfahren, und dabei ist der absolute Scheidungsgrund ein Hindernis. Nicht zu Unrecht sagt daher die Bischofskonferenz – die Bischofskonferenz, Herr Kollege Krüger! –, und zwar in einem Schreiben vom 15. Oktober 1998, also nicht von vor 20 Jahren:

In diesem Sinn ist der Wegfall der selbständigen Scheidungstatbestände Ehebruch und Verweigerung der Nachkommenschaft an sich eheerhaltend und damit vom sakramentalen Standpunkt her zu begrüßen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das muß man auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt überhaupt keine Zweifel, welche Stellung die Bischofskonferenz in diesem Statement bezieht. Aber Kollege Graf hat sich heute hier in seiner Rede, die meines Erachtens weit am Thema vorbeigegangen ist und wo man sich die Frage stellen muß, ob er die Regierungsvorlage überhaupt gelesen hat, erdreistet, zu sagen – er als großer Sprecher der Christlichen in diesem Lande –, er sei dafür, daß die absoluten Scheidungsgründe weiterhin aufrechterhalten bleiben.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß kommend: Wir haben mit dieser Gesetzesvorlage einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, und zwar haben wir damit eine Verbesserung der sozialen Stellung der Frauen, der sozial Schwachen, eine Verbesserung in Richtung der Kinder, der gesamten Situation im Rahmen der Ehescheidung, nämlich, daß da eine würdigere Form der Auseinandersetzung stattfindet, erreicht. Ich halte das für einen guten Schritt, meine aber, daß eine weitere Diskussion notwendig ist. Doch das, was heute hier seitens der Freiheitlichen Partei bis jetzt eingebracht wurde und, wie ich befürchte, auch weiterhin eingebracht werden wird, kann man nur – um jetzt mit einem Begriff aus dem Bereich der Kirche zu argumentieren – unter dem Begriff "Erbarmen haben" subsumieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Frau Abgeordnete! Sie wollen, daß ich die Uhr auf 15 Minuten einstelle. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Eine Minimalnovelle, ein Minimalstkonsens zwischen den beiden Regierungsparteien ist das Resultat eines jahrelangen Prozesses, in dem Experten und Expertinnen aus den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und Zusammenlebens in geradezu vorbildlicher Weise – vom Bundesministerium für Justiz gebeten und aufgefordert – am neuen Ehe- und Scheidungsrecht mitgewirkt haben.

Seit dem Jahre 1995 – das ist jetzt immerhin vier Jahre her – traf sich eine hochkarätige ExpertInnengruppe – immer auf Einladung des Herrn Bundesministers – im Justizministerium. Es wurde – ich habe die Protokolle immer sehr genau studiert – durchaus mit divergierenden, aber immer in der Sache konstruktiven Standpunkten daran gearbeitet, unser Ehe- und Scheidungsrecht, das in erster Linie auf Grundstrukturen aus dem 19. Jahrhundert aufbaut, in eine zeitgemäße Form zu bringen, die dem ausgehenden 20. Jahrhundert – es fehlen ja nur mehr sieben Monate, dann sind wir im nächsten Jahrtausend – entsprechen sollte.

Was ist dabei herausgekommen? – Eine wirkliche Minimalstnovelle, für die man eigentlich das Wort "Reform" gar nicht verwenden dürfte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Essentielle Punkte, von denen ich mir erhofft habe, daß sie in diese Gesetzesnovelle Eingang finden werden – es kommt ja nicht alle Tage vor, daß man am Ehegesetz und am Eherecht insgesamt Veränderungen vornimmt –, wurden außer acht gelassen. Patriachalische Relikte, Unterwerfungsrituale, von Frauen natürlich, gegenüber dem patriarchalischen Geist des Gesetzgebers, der ganz eindeutig männlich dominiert ist, bleiben weiterhin aufrecht.

Ein Beispiel dafür ist der vielleicht manchen nicht so wesentlich erscheinende, aber diesen Geist am deutlichsten ausdrückende Umstand, daß es im Ehenamensrecht nach wie vor so ist, daß, wenn Ehepartner, die sich entscheiden, ihren Namen weiter zu behalten – und das ist ja jetzt seit einigen Jahren möglich –, keine Vorkehrungen dafür treffen, wie allfällige, in der Ehe noch zu zeugende und auf die Welt kommende Kinder heißen sollen, der Gesetzgeber vorsieht, daß der Name des Mannes der Familienname der Kinder ist.

Wir haben das damals bei der Namensrechts-Novelle lange diskutiert, und es gibt überhaupt keine sachliche Rechtfertigung, daß es so ist, außer dem patriarchalischen Geist und das Ritual, daß man es halt den Frauen, sprich den Müttern, irgendwie im Gesetz doch noch zeigen will, wer der "Herr" im Hause ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum überwiegenden Teil sind es die Mütter, die die Kinder in dem Alter, in welchem sie zu versorgen sind, versorgen. Wir wissen, daß das die gesellschaftliche Realität ist. Zum überwiegenden Teil sind es die Mütter, die bei getrennten Ehen im Verband mit den Kindern leben und sie versorgen und damit auch das Sorgerecht haben. Aber im überwiegenden Teil sagt der Gesetzgeber: Es muß der Name des Vaters her, damit man weiß, wie es rechtens ist.

Ich wollte Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Beispiel nur deshalb schildern, damit Sie sehen, was eigentlich das Grundkonstrukt des österreichischen Eherechtes immer noch ist. Darüber ist nicht einmal diskutiert worden, daß man solche Relikte im Eherecht beseitigt. Das ist nicht einmal andiskutiert worden.

Es ist auch nicht andiskutiert worden, daß man so antiquierte Rechtsinstitute wie die "Morgengabe", die "Widerlage", die "Schlüsselgewalt", das "Heiratsgut" oder das "Witwenjahr" – Sie kennen das wahrscheinlich gar nicht, denn das stammt aus dem Jahre 1811, ABGB – beseitigen soll. Das alles ist geltendes Recht! Es ist zum Teil totes Recht – gut tot! –, aber trotzdem Teil der österreichischen Rechtsordnung.

Das, meine Damen und Herren, ist der Rahmen, in dem wir diese kleine Veränderung im österreichischen Ehegesetz zu sehen haben.

Wir kritisieren nicht nur die Tatsache, daß wir nicht den Mut gefunden haben, weg vom Verschuldensprinzip hin zum Zerrüttungsprinzip zu gehen – Frau Dr. Fekter und in sanften Ansätzen Herr Dr. Jarolim haben es auch angedeutet –, nicht nur das ist es, was uns stört. Unsere Kritik geht weit darüber hinaus.

Meiner Ansicht nach ist der Teil betreffend den verschuldensunabhängigen Unterhalt, der in der Diskussion viele Jahre sozusagen das Herz- beziehungsweise Kernstück der Reform war, tatsächlich ein wesentlicher Punkt. Es stört mich das Bild, das diesbezüglich in der Öffentlichkeit entstanden ist und das durch jene, die dieses Bild auch noch verteidigen, so weitertransportiert wird, nämlich, daß Unterhalt Belohnung ist, wenn er gewährt wird, und Bestrafung ist, wenn er nicht gewährt wird. Das ist komplett falsch, denn der Gesetzgeber hat – und ich wiederhole das, was meine Vorrednerin schon gesagt hat – nur eine einzige Verpflichtung, nämlich den wirtschaftlich schwächeren Teil in seiner Existenzsicherung zu unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist das einzige Ziel, das man bei der Gewährung von Unterhaltszahlungen im Auge zu haben hat – und nicht Belohnung bei Gewährung und Bestrafung bei Nichtgewährung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Punkt, der hier am deutlichsten in der Rede von Frau Dr. Fekter, der Justizsprecherin der ÖVP-Fraktion, zum Ausdruck gekommen ist, ist immer noch ein Kernstück im Eherecht, vor allen im Ehescheidungsrecht, nämlich, daß moralische Bewertungen des Verhaltens der Ehepartner der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Das hat meiner Ansicht nach im Scheidungsverfahren nichts verloren. Das ist höchstens eine Aufgabe, die vielleicht Seelsorger oder Pfarrer im Beichtstuhl interessieren sollte, aber doch nicht den Gesetzgeber!

Daher ist die Forderung – und das ist vor allem ein Appell, aber eigentlich ein Auftrag an die Frau Bundesministerin –, daß nach einer Scheidung zwei unabhängige Existenzen übrigbleiben sollten und daß es dafür auch eine Basis geben sollte, der zentrale Punkt. Oft reicht es aber nicht dazu, und deshalb ist die Notwendigkeit, daß man einen selbständigen Anspruch auf Unfallversicherung, auf Krankenversicherung und auf Pensionsversicherung hat, wodurch die Grundbedürfnisse, die die Partner haben, abgesichert werden, ein zentraler Punkt. Das ist eigentlich die Hauptaufgabe, die wir zu bewältigen haben.

Nicht moralische Bewertungen sind das Zentrale, sondern daß der Staat den Menschen, die in einer existentiellen Krise, in diesem Fall in einer finanziellen Krise, sind, unterstützend unter die Arme greifen soll. Aber das wird in dieser Novelle nur in einem ganz kleinen Ansatz und da auch nur extrem halbherzig umgesetzt. Deshalb haben wir in einem Abänderungsantrag jene zentralen Punkte, mit denen wir Sie auf diese Zweideutigkeit, auf diese Inkonsistenz der eigenen Überlegungen hinweisen wollen, zusammengefaßt.

Einer der Punkte ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, unter anderem die Bestimmung, daß zwar in ganz bestimmten und gesetzlich sehr eingeschränkten Ausnahmefällen Unterhalt auch unabhängig vom Verschulden gewährt werden kann, aber immer nur befristet. Dafür gibt es unserer Ansicht nach keine Rechtfertigung, und deshalb ist das ein wesentlicher Punkt unseres Abänderungsantrages, nämlich der erste.

Der zweite Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren – er ist hier aus der Diskussion entstanden –, der Eingang in unseren Abänderungsantrag gefunden hat, ist das leidige Thema der Mitwirkungspflicht am Erwerb des Ehegatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Österreich ist es allemal noch so, daß man meint, daß Ehepartner, in diesem Fall Ehepartnerinnen – es trifft in der Regel die Frauen –, nicht eigenständige oder selbständige Personen nach der Eheschließung bleiben, sondern ein bisserl wie das Eigentum des Ehegatten betrachtet werden. Deshalb ist die Aufrechterhaltung der Mitwirkungspflicht beim Erwerb des Ehegatten weiterhin Bestandteil des österreichischen Eherechtes.

Da kümmert sich niemand darum, daß das ganz eindeutig Vorschriften der International Labour Organisation widerspricht. Von dieser wird nämlich heftig kritisiert, daß es keine arbeits- und sozialrechtliche Absicherung der Ehepartner gibt – es können theoretisch auch Männer betroffen sein, aber in der Praxis ist das nur selten der Fall. Bei uns kümmert das niemanden bei einer Novelle des Eherechtes, und die Nichtnachvollziehbarkeit dieser Bestimmung ist ein zweiter Punkt unseres Abänderungsantrages.

Ein dritter Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn es Entgeltansprüche gibt, dann sollten diese doch nicht nach sechs Jahren verjähren. Wir haben deshalb in unseren Antrag die Forderung aufgenommen, diese Verjährungsfrist aufzuheben.

Ich fahre fort in der Erläuterung unseres Abänderungsantrages und möchte Ihnen noch zwei Punkte vortragen, die auch schon meine Vorrednerin erwähnt hat.

Der erste Punkt: die Frage des Ehemündigkeitsalters. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unterschiedliche Behandlung beim Ehemündigkeitsalter ist meiner Ansicht nach keineswegs zeitgemäß – da werden mir alle sicherlich zustimmen – und ganz sicherlich auch sachlich nicht gerechtfertigt. Und deshalb frage ich mich: Wenn schon Novelle des Eherechtes, warum nicht Angleichung?

Deshalb fordern wir eine Angleichung des Ehemündigkeitsalters nicht, wie die Liberalen, bei 16 Jahren, sondern eine Vereinheitlichung des Ehemündigkeitsalters bei 18 Jahren, was nicht heißt, daß man nicht in Ausnahmefällen auch unter 18 Jahren, das heißt nach dem 16. Lebensjahr, und zwar sowohl Mann als auch Frau, die Möglichkeit haben sollte, eine Ehe zu schließen.

Ein weiterer Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, den ich zuletzt noch ganz kurz streifen möchte, ist jener der Begriffsbestimmungen des Eherechtes. Frau Dr. Schmidt hat das sehr lange und ausführlich dargestellt und hat auch dieses inkonsistente Bild geschildert, das da gezeichnet wird. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Herr Bundesminister aufgefordert, Stellung zu nehmen, weil ich mich tatsächlich nicht des Eindrucks erwehren kann, daß man bei der Begriffsbestimmung der Ehe suggeriert, daß man diese Nebenabrede, die Sie uns ja im Ausschuß vorgetragen haben, durchaus schließen kann. Unsittlich ist sie, wenn es beispielsweise um die Befristung geht, was ja jedem einleuchtet. Wenn ich sage: Ich schließe mit jemandem eine Ehe, verabrede aber, diese Ehe nur für zehn Jahre zu schließen. (Abg. Dr. Mertel: So lange?) Nach zehn Jahren ist unsere Ehe sozusagen nicht mehr Ehe.

Es würde jedem einleuchten, daß so etwas nicht wirklich gewünscht sein kann. Aber daß eine Art Nebenabrede für den Umstand, Kinder zu zeugen, geschlossen werden kann, das erscheint mir wirklich reichlich absurd, wiewohl ich verstehe, daß Sie meinen, daß damit diesem Punkt nicht diese große Bedeutung beigemessen werden soll. Aber ich sehe überhaupt nicht ein, warum der Gesetzgeber etwas, was in der Realität nicht so ist – wenn es so stimmt, wie Sie es dargestellt haben, wie es von der Judikatur her gesehen wird –, nicht entsprechend bereinigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das hat nämlich nichts mit der Stellung der Kinder im Familienrecht insgesamt zu tun, absolut nicht. Da geht es ja nicht um die Kinderversorgungspflicht, sondern es geht um die Pflicht der Zeugung von Nachkommenschaft. Darum geht es! Das ist sozusagen das Vorstadium. Da geht es in erster Linie um einen Sexualakt, und dieser ist nach dem österreichischen Ehegesetz verbindlich und verpflichtend vorgesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch nicht die Aufgabe des Staates, den Menschen ihr Sexualverhalten in der Ehe vorzuschreiben! Diese Interpretation ist aber für mich die einzig zulässige. (Beifall bei den Grünen.)

Als allerletzten Punkt erwähne ich, weil mir das ein wirklich großes Anliegen ist, die Änderung der ZPO im Hinblick darauf, daß auch Lebensgefährten von der Ablegung der Zeugnispflicht befreit werden sollten. Wir haben das hier vor ungefähr einem Jahr diskutiert, in der StPO geregelt, aber die Koalitionsparteien können sich nicht darauf verständigen, daß man eine Linie, die man einmal eingeschlagen hat und wo es sachlich keinerlei Punkte gibt, die das auch nur irgendwie in Frage stellen könnten, auch konsequent im Gesetz weiterführt.

Das hat überhaupt nichts zu tun mit einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner – absolut nicht! –, sondern dabei geht es nur darum, daß Menschen, die in Lebensgemeinschaft leben, vom Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet werden, sich sozusagen selbst zu schaden, indem sie ihre Partner bezichtigen. Einzig darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich kann nicht erkennen, was dabei eine Gefahr für das Institut Ehe sein sollte.

Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen, weil auch unsere Redezeit beschränkt ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundstrukturen eines Eherechtes aus 1811 oder des Deutschen Ehegesetzes 1938 und ein bißchen Familienrechtsreform der siebziger Jahre: Unser Eherecht bietet ein äußerst inkonsistentes Bild, voll von veralteten Wertungen, voll von antiquierten Rechtsinstituten, voll von moralischen Bewertungen! (Widerspruch bei der ÖVP.) Die Chance, es zu ändern, die Chance, eine umfassende Reform durchzuführen, wurde nicht genutzt, und auch in Hinkunft werden Frauen, die im Regelfall in einer Beziehung noch der ökonomisch schwächere Teil sind, benachteiligt sein. Deshalb können wir dieser Kleinstnovelle unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

11.27

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Abgeordnete Mag. Stoisits hat den Abänderungsantrag, der hier überreicht worden ist, in seinen Kernpunkten ausführlich dargelegt. Ich veranlasse jetzt die Verteilung dieses Antrages, und der Antrag wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Der Abänderungsantrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freunde und Freundinnen betreffend die Regierungsvorlage für ein Eherechts-Änderungsgesetz 1999 (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschussberichtes (1926 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Außerstreitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung und die Strafprozessordnung geändert werden (Eherechts-Änderungsgesetz 1999 – EheRÄG) (1653 der Beilagen in der Fassung des Ausschussberichtes 1926 der Beilagen) wird wie folgt abgeändert:

A. Artikel I wird wie folgt abgeändert und lautet:

a) Z 1 lautet wie folgt:

"1. § 44 wird wie folgt abgeändert und lautet:

‚§ 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. Im Ehevertrag erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben und sich gegenseitig Beistand zu leisten.‘"

b) Die bisherige Z 1 wird zu Z 2, wie folgt abgeändert und lautet:

"2. § 90 Abs. 2 entfällt, bei Abs. 1 entfällt die Absatzbezeichnung."

c) Die Z 2 bis 5 erhalten die Bezeichnung 3 bis 6.

d) Die Z 5 (nunmehr Z 6) wird wie folgt abgeändert und lautet:

"6. Bei § 1481 wird nach dem zweiten Halbsatz, der lautet: ‚den Kindern den unentbehrlichen Unterhalt zu verschaffen,‘ folgender Halbsatz eingefügt: ‚der Anspruch eines Ehegatten auf Abgeltung seiner Mitwirkung im Erwerb des anderen, ..."

e) Nach Z 6 wird folgende Z 7 eingefügt:

"7. § 1486a entfällt."

B. Artikel II wird wie folgt abgeändert:

a) Z 1 lautet wie folgt:

"1. § 1 wird wie folgt abgeändert:

‚§ 1. (1) Die Ehemündigkeit beginnt mit dem vollendeten 18. Lebensjahr.

(2) Das Gericht hat auf Antrag des oder der betreffenden Person diese mit vollendetem 16. Lebensjahr für ehemündig zu erklären, wenn er oder sie für diese Ehe reif erscheint.‘"

b) In Z 4, § 68a Abs. 2 wird nach der Wortfolge "der Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder" folgende Wortfolge eingefügt: "oder die Betreuung eines Angehörigen eines der Ehegatten"; Abs. 3 entfällt.

C. Artikel IV wird wie folgt abgeändert und lautet:

a) Z 2 lautet wie folgt:

"2. In § 321 Abs. 1 Z 1 wird nach dem Wort ‚Ehegatten‘ ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge ‚seinem anders- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten,‘ eingefügt."

b) Die Z 2 wird zur Z 3.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Michalek. – Bitte, Herr Minister.

11.28

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende Entwurf eines Eherechts-Änderungsgesetzes ist zwar keine grundlegende Erneuerung des österreichischen Eherechtes, aber ich bin überzeugt davon, daß dieses Gesetz jedenfalls ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung unseres Eherechtes ist, ein Schritt durchaus im Einklang mit unserer gesellschaftlichen Entwicklung.

Sie werden mir doch darin recht geben, daß die Neuformulierung des Partnerschaftsprinzips im § 91 ABGB, wonach die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Ziel der vollen Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten sollen, von vielen – besonders jüngeren – Ehepaaren schon heute gelebte Ehewirklichkeit ist, und gleiches läßt sich, um beim § 91 zu bleiben, von der grundsätzlichen Anerkennung des Wunsches eines Ehegatten nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als einen wichtigen Grund für die Neugestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sagen.

Ich glaube auch nicht, daß, wie Herr Abgeordneter Graf gemeint hat, der Großteil der Bevölkerung, wenn er nur korrekt und nicht desinformiert ist, eine Beseitigung des absoluten Charakters des Scheidungsgrundes Ehebruch ablehnt. Abgesehen davon – das wurde schon gesagt –, daß die Menschen mit dem Begriff des absoluten Charakters einer Eheverfehlung in Wirklichkeit nichts anzufangen wissen, ist es doch heute allgemeine Überzeugung, daß eine Ehe nur dann geschieden werden soll, wenn sie tatsächlich gescheitert ist, wenn sie also, wie es im Ehegesetz auch sonst verlangt ist, unheilbar zerrüttet ist.

Daß dies so auch die Bischofskonferenz und auch die Katholische Aktion in ihren positiven Stellungnahmen zum Gesetzentwurf nicht anders gesehen haben, wurde ebenfalls schon erwähnt, soll sich doch an der Bedeutung des Ehebruches als auch weiterhin schwere Eheverfehlung durch den Gesetzentwurf nichts ändern. Er wird in § 49 Ehegesetz neben der Zufügung körperlicher Gewalt und schweren seelischen Leides als schwere Eheverfehlung besonders hervorgehoben.

Schließlich glaube ich, daß auch die neue Unterhaltsregelung des § 68a Ehegesetz durchaus auf Verständnis und Akzeptanz eines objektiv aufgeklärten Bürgers stößt. Tatsächlich herrscht doch heute überwiegend die Auffassung, daß der Streit im Scheidungsverfahren über Eheverfehlungen, die sich die Ehegatten wechselseitig vorwerfen, besser vermieden werden sollte. Dieses sogenannte Schmutzwäschewaschen vor dem Scheidungsrichter ist allgemein verpönt und wird auch allgemein abgelehnt. Der hohe Anteil an einvernehmlichen Scheidungen belegt dies sehr eindeutig.

Gerade dieser Haltung trägt auch der neue Unterhaltstatbestand des § 68a Ehegesetz Rechnung. Ein Ehegatte, der deshalb nicht für seinen Unterhalt sorgen kann, weil er entweder die aus der Ehe stammenden Kinder zu betreuen hat oder einvernehmlich während vieler Ehejahre den Haushalt geführt und die Kinder betreut hat und daher seine eigenen beruflichen Möglichkeiten hintanstellen mußte, soll im Falle der Scheidung aus diesem Grund und nicht primär deshalb, weil sein Partner Eheverfehlungen gesetzt hat, Unterhalt verlangen können.

Meine Damen und Herren! Es gibt Untersuchungsergebnisse, wonach es vor allem den Frauen – und um diese geht es ja in der Ehe in Wirklichkeit zumeist – höchst unangenehm ist, sich vor Gericht mit ihrem Partner über wechselseitige Schuldvorwürfe auseinandersetzen zu müssen, nur um sich ihren berechtigten Unterhalt zu sichern. Der neue § 68a bietet nun künftig die Chance, ohne eine solche Auseinandersetzung, weil grundsätzlich unabhängig vom Verschulden, einen Unterhaltsanspruch zu erlangen, sofern eine der beiden Anspruchsvoraussetzungen gegeben ist.

Verschuldensunabhängig heißt zugegebenerweise, daß der neue Unterhaltsanspruch unter Umständen auch einem Ehegatten zustehen soll, den selbst ein Verschulden oder Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Daß es für einen solchen Anspruch des schuldigen Ehegatten aber Grenzen geben muß, entspricht auch überwiegend der gesellschaftlichen Anschauung, und das nicht nur hier in Österreich, sondern auch in jenen Ländern, die für den nachehelichen Unterhaltsanspruch statt des Verschuldens das Bedarfsprinzip kennen.

Je nach dem Gewicht des Verschuldens – dies drückt die Unbilligkeitsklausel des Abs. 3 des § 68a aus – soll es zu einer Minderung des Unterhaltsanspruchs unter Umständen auch auf den notwendigen Unterhalt oder letztlich zum völligen Entfall eines Unterhaltsanspruches kommen.

Von der Mediation war schon die Rede. Sie dient der Vermeidung der häßlichen und dem oft unvermeidlichen nachehelichen Kontakt abträglichen Auseinandersetzungen der Ehegatten vor Gericht über die Scheidung und die Scheidungsfolgen. Für sie sollen nunmehr die entsprechenden verfahrensrechtlichen Grundlagen geschaffen werden.

Wie das vom Justiz- und dem Familienministerium gemeinsam entwickelte Projekt zeigt, wird diese moderne Methode der Konfliktbewältigung in wachsendem Ausmaß gerade bei Scheidungsauseinandersetzungen, vor allem was die Vermögensaufteilung und die künftige Beziehung zu den Kindern anlangt, genützt. Die neuen Rechtsgrundlagen für die Mediation werden der Fortsetzung und Ausweitung des Modellprojektes sicher förderlich sein.

Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren – und damit komme ich zu der von den Grünen und vom Liberalen Forum erhobenen Forderung, das Verschuldensprinzip aus dem Scheidungsrecht gänzlich abzuschaffen –, müssen wir doch zur Kenntnis nehmen, daß es in Österreich gegenwärtig keinen ausreichenden gesellschaftlichen Konsens für eine so weitreichende Änderung unseres Scheidungs- und Scheidungsfolgen ... (Abg. Dr. Schmidt: Den muß man schaffen!) – Da muß man sich an der Diskussion in der zweieinhalb Jahre tagenden Arbeitsgruppe entsprechend beteiligen, aber das haben manche Parteien leider nicht getan. (Widerspruch der Abg. Dr. Schmidt. – Abg. Mag. Stoisits: Ja, aber wir nicht!)

Diese mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz haben nicht nur die doch sehr eingehenden Diskussionen in dieser Arbeitsgruppe, sondern auch die öffentliche Diskussion der letzten eineinhalb Jahre deutlich gezeigt. Nicht zuletzt auch aus dieser Sicht ist der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf, wie dies dem demokratischen Gesetzgebungsprozeß bei einem gesellschaftspolitisch so heiklen Thema eben entspricht, ein Kompromiß, der mir aber durchaus gelungen erscheint. Daß nicht alles, was wir zunächst zur Diskussion gestellt haben, auch verwirklicht wird, schmälert meiner Überzeugung nach die Bedeutung keineswegs. Manches, wie insbesondere die Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Scheidung, mußte, weil dies nicht isoliert, sondern in einem größeren, grundsätzlicheren Zusammenhang zu sehen ist, auf die nächste Legislaturperiode verschoben werden, weil es diesbezüglich noch vertiefende Überlegungen und Diskussionen zu den von den verschiedenen Seiten erstatteten Vorschlägen bedarf.

Im Zusammenhang mit den Scheidungsfolgen möchte ich abschließend noch darauf hinweisen, daß das Justizministerium für den Beginn der nächsten Legislaturperiode die Regierungsvorlage eines Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes vorbereiten wird. Einer der Schwerpunkte dieser Reform wird, wie Sie aus dem Begutachtungsentwurf ja entnehmen konnten, eine behutsame Weiterentwicklung der Rechtsfolgen der Scheidung hinsichtlich der gemeinsamen Kinder sein.

Der Begutachtungsentwurf hat ein breites Echo und überwiegend viel Zustimmung gefunden. Es sind über 80 Stellungnahmen eingelangt. Über eine Reihe von Einzelfragen muß noch mit verschiedenen Stellen, insbesondere mit den Jugendwohlfahrtsbehörden, Gespräche geführt werden, doch sehe ich keine grundsätzlichen Schwierigkeiten für eine erfolgreiche Verwirklichung dieses Vorhabens.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß auf dem Gebiete des Familienrechts die legislativen Arbeiten des Justizministeriums auch in der kommenden Legislaturperiode fortgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Trinkl mit einer gewünschten Redezeit von 8 Minuten. – Bitte.

11.38

Abgeordneter Mag. Dr. Josef Trinkl (ÖVP): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutigen Beschlußfassung – das ist schon wiederholt zum Ausdruck gekommen – ist tatsächlich eine lange Diskussionsphase vorausgegangen, und die Qualität des Kompromisses wird allein dadurch unterstrichen, daß sämtliche Oppositionsparteien, die einen aus dem linken Lager, die anderen aus dem rechten Lager, mit dem Kompromiß unzufrieden sind. Daher wird das Ergebnis so schlecht nicht sein, wenn es in der Mitte liegt. (Abg. Dr. Ofner: Das ist eine gescheite Begründung!)

Die Schwierigkeit, Kollege Ofner, kommt schon in der Semantik zum Ausdruck: Die einen reden vom Scheidungs-Änderungsgesetz, die anderen reden vom Eherechts-Änderungsgesetz. Ich möchte heute lieber zum Eherechts-Änderungsgesetz einige Gedanken einbringen.

Wir haben uns im Laufe der Diskussion von den Fragen: Was tut der Ehe gut? Was tut den österreichischen Familien auf Dauer gut? leiten lassen. Und wir haben damit die Linie der Verhandlungen bestimmt, weil uns das Institut der Ehe zu wichtig ist, um dessen rechtliche Ausgestaltung kurzfristigen, modernen, linken Strömungen zu opfern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte das in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen: Für uns von der Österreichischen Volkspartei ist die Familie nicht nur die Keimzelle und das Kernstück der Gesellschaft, sie ist quasi der Zement, der diese Gesellschaft zusammenhält. Die Grundlage der Familie ist für uns eine harmonische eheliche Gemeinschaft.

Wir sind mit dieser Meinung nicht allein. Ein Großteil der jungen Menschen wünscht sich eine glückliche, auf Dauer angelegte Beziehung. In dieser so wichtigen Frage unterscheiden wir uns ganz bewußt von anderen Fraktionen dieses Hauses. Wir werden es nicht zulassen, daß die Familie als zentrale Einheit unserer Gesellschaft Schritt für Schritt demontiert wird. Daher war es uns im Zuge der Verhandlungen ein wichtiges Anliegen, zu verhindern, daß die Ehe zu einer "Lebensgemeinschaft mit verschärfter Haftung" im Verhältnis zu einer "offenen Zweierbeziehung", die offenbar das Ziel der Grünen, aber vor allem auch der Liberalen ist, degradiert wird.

Frau Schmidt hat im Ausschuß um ein Mindestmaß an Offenheit gegenüber den Argumenten der Opposition appelliert. Das darf auch ich namens der Volkspartei in Anspruch nehmen und um ein Mindestmaß an Offenheit gegenüber unseren Argumenten appellieren, denn wir wissen uns in diesen Fragen noch dazu im Einklang mit der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung.

Frau Kollegin Stoisits hat – ebenfalls im Ausschuß – in einem Anflug von Romantik gemeint, am Anfang stehe Herz und Liebe und ähnliches, was immer das sei, nur weiche dies alles mit der Zeit der Vernunft – so nach dem Motto: Und wenn schon jemand so altmodisch ist, sich seine Beziehung über einen Trauschein, vielleicht gar einen kirchlichen, bestätigen zu lassen, soll er auch die Konsequenzen für seine Unvernunft tragen! Dem möchte ich entgegenhalten: Es gibt Tausende von Beziehungen, Tausende von ehelichen Gemeinschaften in diesem Land, in denen das "Herz", die Gemeinschaft und das "Ähnliche" auch noch nach -zig Jahren bestehen. (Abg. Dr. Fekter: Trotz Vernunft!) Trotz Vernunft!

Es war bezeichnend, daß sie vom Ende oder vom Scheidungsfall als einer existentiellen Krise gesprochen hat. Das ist zwar richtig, aber sie hat nur von einer finanziellen Existenzkrise gesprochen. – Sie sehen nicht die existentielle Krise für die Gemeinschaft, die seelischen Schmerzen, vor allem aber auch die Krise, in die die Kinder im Scheidungsfalle kommen. Das ist für uns das Allerwichtigste, Frau Kollegin Stoisits!

Wir von der ÖVP werden es daher nicht zulassen, daß der formellen Ehe immer mehr Pflichten aufgebürdet, den sogenannten modernen Beziehungen hingegen die gleichen und noch mehr Rechte zuerkannt werden. Die ÖVP bekennt sich auch angesichts, ja trotz hoher Scheidungsraten zum Ideal der Ehe!

Ich darf vielleicht einen Satz unserer Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic zitieren, die kürzlich gemeint hat: Man kann ein glückliches Familienleben nicht kaufen, man kann es aber fördern und man kann es unterstützen! – Wir wissen aber auch, daß es in vielen Beziehungen Schwierigkeiten gibt, daß viele Ehen letztlich scheitern, und daher bekennen wir uns zu einer Weiterentwicklung des Eherechtes im Sinne einer partnerschaftlichen Gestaltung der Ehe.

Ich meine, es ist uns auf diesem Weg gemeinsam vieles gelungen, und darf dabei auf die Ausführungen meiner Vorredner hinweisen. Ich gebe jedoch zu, daß wir in vielen Bereichen nicht mit dem Koalitionspartner übereinstimmen können, und nehme noch einmal in Anspruch, daß wir uns zu dieser Position auch öffentlich immer wieder bekannt haben. Es war uns wichtig, festzuhalten, daß derjenige, dem ein Verschulden am Bruch des Ehevertrages trifft, auch die Rechtsfolgen für dieses Verschulden zu tragen hat. Es war uns weiters wichtig, festzuhalten, daß der Ehebruch nicht bloß als ein Malheur unter Freunden zu behandeln ist, sondern als schwere Eheverfehlung erhalten bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es war uns aber ebenso wichtig, festzuschreiben, daß Gewalt in der Familie nichts verloren hat. Und letztendlich und ganz besonders ging es uns um die sozialrechtliche Absicherung des geschiedenen Partners. Ich möchte mit aller Deutlichkeit feststellen, daß es die Volkspartei war, die diese Themen mit Nachdruck in die Verhandlungen eingebracht hat und nicht – pardon! – die Frauenministerin, von der es eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Es waren unsere Damen, die diese Forderungen immer wieder erhoben haben. Ich bin froh darüber, daß wir diese Regelungen heute mit diesem Gesetz beschließen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Letztendlich ist es uns gelungen, den Unterhalt nach einer Scheidung so zu regeln, daß das Ergebnis von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen werden kann.

Ich darf vielleicht der Frau Kollegin Stoisits, die das weitere Bestehen der Mitwirkungspflicht im Unternehmen so bekrittelt hat, noch sagen, daß diese gesetzliche Bestimmung die Grundlage dafür ist, daß 180 000 österreichische Bäuerinnen in die Sozialversicherung einbezogen werden können. Ich bitte Sie also, wenn Sie sich schon um die Rechte der Frauen sorgen, sich um die Rechte aller Frauen Sorgen zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Staat Regeln für die Gestaltung höchst persönlicher Beziehungen aufstellt, wie das in der Ehe zum Ausdruck kommt, so unterstreicht er damit die Absicht, daß er dieses Institut besonders schützen möchte. Es liegt im Interesse des Staates, daß – Frau Kollegin Schmidt ist im Moment nicht anwesend – auch Kinder in die Welt gesetzt werden, weil sie den Fortbestand der Gesellschaft sicherstellen. Ich wollte, da sie vom Zeugungsrecht beziehungsweise von der Zeugungspflicht gesprochen hat, etwas heiter einwerfen, daß die Zeugung von Kindern halt noch nicht durch den Mann allein möglich ist, sondern es auch dafür einer partnerschaftlichen Beziehung und eines partnerschaftlichen Einverständnisses bedarf.

Kinder haben aber ein Recht auf beide Eltern, Vater und Mutter! Wir sind aufgerufen, ein Klima zu erzeugen, in dem glückliche und dauerhafte Beziehungen gedeihen können. Denn – und das möchte ich an den Abschluß meiner Ausführungen stellen – Investitionen in die Familie sind auch Investitionen in die Zukunft! (Beifall bei der ÖVP.)

11.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten ein. – Bitte.

11.46

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ich darf mich in meinen Ausführungen mit den Debattenbeiträgen insbesondere der Justizsprecher von Rot und Schwarz befassen.

Herr Kollege Jarolim hat sehr weit ausgeholt und versucht, aus Wortmeldungen der Abgeordneten Broesigke und Peter in den siebziger Jahren Argumente für seinen Standpunkt zu finden. Ich muß sagen, Herr Kollege Jarolim, wenn du soweit zurückgehen mußt (Abg. Dr. Jarolim: Das ist Tradition!), dann ist das ein Beweis dafür, daß du hier nichts findest, weil wir einen Standpunkt vertreten, der gerecht ist, der richtig ist und der der eigentlich zukunftsweisende ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Jarolim! Wenn du schon die Justizgeschichte bemühst, dann muß ich dich fragen (Abg. Dr. Jarolim: Das war dein intellektueller Höhepunkt!): Wieso hat denn ein Minister Broda den Ehebruch als strafbar erklärt, und zwar nicht als zivilrechtlich strafbar, sondern im Sinne des Strafgesetzes § 194 StGB? Dieser besagte nämlich:

"Wer seine oder eine fremde Ehe bricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten ... zu bestrafen." – Zitatende. (Abg. Dr. Jarolim: Wollt ihr das?) Das ist ein Gesetz, das Herr Broda eingeführt hat und das erst vor zwei Jahren außer Kraft gesetzt wurde. Das mußt du den Leuten einmal erklären. (Abg. Dr. Jarolim: Wollt ihr das? Dann sagt es!)

Meine Damen und Herren! Noch etwas anderes, Herr Kollege Jarolim! Du hast gesagt und glaubst, damit einen Beitrag zur Humoristik zu leisten (Abg. Dr. Jarolim: Leider nicht, das ist ernstgemeint!), daß die FPÖ es quasi unter Strafe stellen möchte, wenn zwei Ehepartner innerhalb einer angemessenen Frist keine Kinder zeugen. Ich muß sagen, dieses Argument von dir diskreditiert sich von selbst. Dieses Argument, Herr Kollege Jarolim, ist – nicht böse sein – der Ausdruck intellektueller Hilflosigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: ... Argument von Graf und dir ...!)

Zu Frau Kollegin Fekter! Wir haben es bereits im Ausschuß gesagt, und ich möchte es hier wiederholen: Die ÖVP hat sich in dieser Frage von der SPÖ über den Tisch ziehen lassen. Es ist wirklich eindrucksvoll, wenn die erste Aussage der Frau Kollegin Fekter von diesem Rednerpult aus ist, daß Rechts mit dieser Novelle nicht zufrieden sei und Links mit dieser Novelle nicht zufrieden sei! Mit der SPÖ aber beschließt sie sie in Kürze. Ist die SPÖ also in ihrem Sinne nicht mehr links? Es ist ja unglaublich! (Abg. Dr. Fekter: Kollege Jarolim hat ja auch gesagt, daß er nicht zufrieden war! Die ÖVP ist als einzige Partei in diesem Haus zufrieden gewesen!) Ihr seid in Wirklichkeit eine Einheitspartei, eine verschworene Einheit in der Justizpolitik. Das zeigt sich nicht nur im Eherecht, sondern vor allem auch im Strafrecht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist doch unglaublich, daß eine wertkonservative Partei mit den Genossen von der SPÖ eine Strafrechtsnovelle beschließt, in der vorgesehen ist, daß Delikte mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren, darunter Kindesmißbrauch und auch vorsätzliche Verstümmelung, unter den außergerichtlichen Tatausgleich fallen. (Widerspruch bei der ÖVP.) Unglaublich! (Abg. Dr. Jarolim: Das ist aber ein Armutszeugnis, was du jetzt gesagt hast!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Ich muß schon sagen: Niemand in diesem Land weiß heute, wofür die ÖVP steht, nicht einmal sie selbst! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Jarolim: Das ist eines Rechtsanwaltes unwürdig, was du jetzt gesagt hast!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ÖVP hat sich auch bei diesem Thema wieder über den Tisch ziehen lassen. (Abg. Dr. Jarolim: Unwürdig, was du da zusammenredest!) In Wirklichkeit ist der Standard der Scheidungen die verschuldensunabhängige Scheidung mit Unterhaltsanspruch. Wir haben das bereits ausgeführt. Und auch derjenige, der die Ehe zerrüttet hat – auch vorsätzlich, wenn er etwa Ehebruch begangen hat –, soll nach dieser Gesetzesnovelle unabhängig vom Verschulden einen Unterhaltsanspruch haben, wenn er dessen bedarf (Abg. Dr. Fekter: Der Kinder wegen!), weil er beispielsweise die Kinder erzieht oder auf dem Arbeitsmarkt keinen Job mehr findet. (Abg. Dr. Fekter: Uns sind die Kinder etwas wert!) Das ist der Standard und nicht die Ausnahme! Dabei hat sich Kollegin Fekter namens der ÖVP über den Tisch ziehen lassen! Die ÖVP-Justizpolitik tut mit ja insgesamt leid, insbesondere die Bevölkerung, die sich, zumindest was Ihre Klientel anlangt, auch irgendwie vertreten fühlen möchte. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist wirklich ärgerlich, was du von dir gibst!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Novelle des Scheidungsrechtes ist ungeeignet! Diese Novelle des Scheidungsrechtes wird zu einer wahren Prozeßflut führen (Abg. Dr. Fekter: Da spricht der Anwalt!), weil natürlich ausjudiziert werden wird, was unbillig und was nicht unbillig ist.

Frau Kollegin Fekter! Ein weiteres Beispiel für deine totale juristische Ahnungslosigkeit hast du geboten, als du gesagt hast, es gebe einen abgestuften Unterhalt. Davon kann keine Rede sein! Es gibt nur einen Unterhalt nach § 68a, also nach dem Lebensbedarf. Es muß einmal festgehalten werden: Es wird nun einen angemessenen Unterhaltsanspruch für jenen, der die Ehezerrüttung verschuldet, geben! Wer also Ehebruch begeht, wird vom Gesetzgeber belohnt! Und dagegen wenden wir uns! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es geht heute um eine Aufforderung des Gesetzgebers, einen Vertrag – und auch die Ehe ist ein Vertrag, die Treue ist nicht nur ein moralischer Wert, sondern auch ein Vertragswert – zu brechen. (Abg. Kiss: Das ist abenteuerlich, daß ein Rechtsanwalt so argumentiert!) Der Gesetzgeber belohnt den Ehebruch und die Eheverfehlungen dadurch, daß der grundsätzliche Unterhalt für den nicht Vertragstreuen gewährleistet ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Deine Klienten mußt du aber in Hinkunft anders beraten!)

11.52

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Konrad. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Kollege Ofner, ich ersuche Sie, das richtigzustellen!)

11.52

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Kollege Krüger, ich rechne mit Ihrem Verständnis dafür, daß ich nicht auf alles eingehe, was Sie jetzt gerade gesagt haben. (Abg. Dr. Krüger: Absolut!) Nur so viel dazu: Ich bin froh darüber, daß durch diese Novelle erstmals unabhängig von der Verschuldensfrage unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt gewährt wird. Durch diesen Unterhaltsanspruch werden Frauen nicht, wie manche meinen, auf Rosen gebettet, sondern er dient zur Vermeidung der äußersten Not und liegt ohnehin meist unter der Höhe der Sozialhilfe. – Nur soviel zu dieser Frage.

Meine Damen und Herren! "Ich bin froh darüber, daß wie heute dort sind, wo wir sind. Es hat nicht immer so ausgeschaut, daß wir so weit kommen würden." – Das hat Justizminister Michalek im Ausschuß gesagt. Ich schließe mich seiner Einschätzung und bis zu einem gewissen Grade auch seinem Gefühl der Erleichterung an – allerdings eben nur bis zu einem gewissen Grade. Gleichzeitig möchte ich ihm dafür danken, daß es wenigstens so weit gekommen ist. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß das sicherlich zu einem großen Teil an Ihnen, Herr Bundesminister, gelegen ist, daher möchte ich Ihnen für Ihre Beharrlichkeit und für Ihre Ausdauer danken.

Es ist heute schon einige Male erwähnt worden, daß die Verhandlungen jahrelang gedauert haben und sehr mühsam waren. Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nützen, allen Expertinnen und Experten, die sich dieser Verhandlungsarbeit in einem Arbeitskreis unterzogen haben, zu danken. Denn es ist nicht selbstverständlich, daß sie ihre Zeit, ihre Ideen und ihr Engagement so lange zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Novelle zum Eherechts-Änderungsgesetz, die heute zur Beschlußfassung vorliegt, ist ein Kompromiß. Ein Kompromiß ist auf jeden Fall besser als keine Lösung. Gleichzeitig aber wird durch diesen Kompromiß sehr deutlich, wie klein die rechtlichen Schritte in Richtung einer echten Partnerschaft zwischen Frauen und Männern sein müssen, damit sie von der Politik – um es neutral zu formulieren – verkraftet werden. Ich möchte aber auch nicht verschweigen, daß ich es bedauere, daß der Miterwerb beim Ehegatten noch immer Bestand der ehelichen Pflichten ist und durch diese nun vorliegende Gesetzesänderung nicht ersatzlos gestrichen wurde.

Frau Kollegin Fekter! Natürlich weiß und verstehe ich, daß dieser Punkt wegen der Bäuerinnen so formuliert wurde und nun auch drinnen bleibt. Ich bin jedoch der Ansicht, daß, wenn wir für die Bäuerinnen etwas tun wollen, wenn wir sie besser absichern wollen – wofür ich auf jeden Fall bin –, man das anders machen muß. Denn mit der gegenwärtigen Bestimmung läuft man Gefahr, wieder einmal – und das ist ja nicht zum ersten Mal so – zuzulassen, daß Frauen gegen Frauen ausgespielt werden.

Der vorliegende Entwurf geht in die richtige Richtung und ich hoffe, daß es für weitere Fortschritte nicht wieder so viele Mühen und vor allem nicht wieder so viele Jahre braucht. Ich bin nämlich überzeugt davon, daß jene irren, die glauben, überholte Lebensweisen mit einem altmodischen Eherecht einzementieren zu können. Moderne Ehen zwischen Frauen und Männern, die sich bewußt für eine partnerschaftliche Gemeinschaft entscheiden, brauchen ein Eherecht, das ihrem Begriff von Gemeinschaft entspricht und nicht dem unserer Großeltern! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte.

11.57

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Da auch diese Änderung noch vor dem Sommer beschlossen werden mußte und es große Eile gab, sind in den Beilagen einige Fehler zu finden, die ursprünglich nicht in den Unterlagen beziehungsweise in der eingereichten abweichenden persönlichen Stellungnahme der Liberalen enthalten waren. Daher möchte ich zu Protokoll geben, daß in Zeile 1 das Wort "Belange" falsch ist und ersetzt werden muß durch das Wort "Balance", und in Zeile 14 der abweichenden persönlichen Stellungnahme der Satz richtig heißen müßte: "Eines der wesentlichsten Anliegen dabei" – nämlich dieser Novelle – "war, das Verschuldensprinzip durch das Zerrüttungsprinzip zu ersetzen." – Der zweite Teil des Satzes fehlt und der nächste Satz muß mit den Worten beginnen: "In den meisten europäischen Staaten ist das Verschuldensprinzip längst aus dem Scheidungsrecht eliminiert".

Meine Damen und Herren! All das zeigt, unter welchem Druck hier im Hause noch gearbeitet werden muß und wie wenig auch bei dieser Novelle eine solide Arbeit im Vordergrund gestanden ist, weil einfach von seiten der Koalition erzwungen wird, noch etwas an Ergebnissen auf den Tisch zu legen.

Natürlich ist insbesondere die Frage, wie das Eherecht gestaltet ist, eine sehr stark weltanschauliche, Frau Abgeordnete Fekter. Da Herr Abgeordneter Trinkl, der immer davon gesprochen hat, daß es glückliche Ehen geben soll, gerade nicht im Saal ist, möchte ich in Ihre Richtung anmerken (Abg. Dr. Fekter: Das kommt vor! Stellen Sie sich das vor!): Niemand in diesem Hause und insbesondere nicht die Liberalen, Frau Abgeordnete, haben etwas dagegen, wenn Menschen glücklich sind! Bei uns liegt die Betonung allerdings darauf, daß die Menschen glücklich sein sollen.

Fragen Sie einmal Frauen, inwieweit sie in ihren jetzigen Ehen glücklich sind. Frauen, die Ehen eingehen, müssen nämlich genau hinhören, denn es geht um die glücklichen Ehen, es geht nicht um glückliche Frauen in diesen Ehen. Das ist nach unserem Dafürhalten ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den man ändern sollte, und zwar dahin gehend, daß der Fokus auf die Menschen und weniger auf die Institutionen gerichtet wird. Denn die Institutionen sind nur das wert, was sie im gesellschaftlichen Rahmen letztlich auch erhalten, um dem einzelnen, der einzelnen einen Entfaltungsraum zu geben. Das ist unser Zugang!

Meine Damen und Herren! Dieser Umstand führt nun dazu, daß die Situation der Frauen in der Ehe heute nach wie vor sehr schlecht ist, insbesondere deshalb, weil ihre Absicherung, sozialer Art zum Beispiel, in diesem Zusammenhang nicht sichergestellt wird, obwohl alle behaupten, daß die Frauen eine so wichtige Arbeit leisten. Die soziale Absicherung der Frauen in der Ehe ist nicht sichergestellt. Und das ist etwas, was die Liberalen nicht nur bereits eingefordert haben, sondern immer wieder an diesem Pult einfordern werden.

Meine Damen und Herren! Ganz kurz noch zum Verschuldensprinzip, zur Zerrüttung, weil immer davon gesprochen wird. Ich glaube, daß viele auch aus persönlicher Erfahrung hier etwas dazu beitragen können, und man sollte es, wenn man hier am Rednerpult steht, nicht vergessen: Wenn es darum geht, daß Ehen geschieden werden, auch Ehen mit Kindern, kann niemand entscheiden, wer wirklich schuld ist. Tatsache ist, daß diese Ehen zerrüttet sind, aber wer schuld ist, wer den Anfang gemacht hat, wo denn der Bruch war, ab wann sich diese Zweisamkeit oder familiäre Vier-, Fünf- oder Sechsamkeit auseinander entwickelt hat, all das ist von einem unabhängigen Dritten nicht zu klären. Es ist nicht einmal von jenen zu klären, die unmittelbar darin involviert sind, weil es unterschiedliche Wahrheiten gibt von jenen, die betroffen sind.

Wenn eine Ehe nicht mehr hält und damit das familiäre Leben bereits belastend für alle Beteiligten geworden ist, dann muß doch der Zugang der sein, daß man diesen Menschen einen neuen Anfang ermöglicht, daß man versucht, diesen Bund in einer Art und Weise aufzulösen, die für alle Beteiligten noch eine Zukunft bietet. Ich meine, daß das der sinnvollere Zugang wäre, als in dieser Situation nach Schuldigen zu suchen und vielleicht auch noch die einzelnen Familienmitglieder zu befragen, wer denn wann was getan hat, und darüber zu urteilen, was als Schuld ausgelegt werden könnte. Ich sage Ihnen, das zerstört in den bestehenden Familien, auch wenn es Schwierigkeiten gibt oder die Ehepartner vor einer Scheidung stehen, zwischen den Menschen mehr, als wenn man sich darauf konzentrieren würde, wie man einen neuen Anfang schaffen kann.

Daher, meine Damen und Herren, ist auch das Recht des Kindes auf beide Elternteile ein Wunsch, den wir unterstreichen, das aber in der Realität nicht so einfach durchsetzbar ist. Daher ist es sinnvoll, Frau Abgeordnete Bauer, daß im Vordergrund das Kindeswohl stehen soll. Es wird ohnehin an jenen, die in dieser Familie gemeinsam eine Zeitlang gelebt haben, liegen, nachher wieder zueinander zu finden. Aber wichtiger ist es in einer Situation, in der eine Ehe zerbricht – wenn es Kinder in der Familie gibt, die noch nicht eigenständig sind und sich noch nicht selbst versorgen können –, daß das Wohl der Kinder im Mittelpunkt steht und nicht die Ansprüche der Eltern auf ihre Kinder, die oftmals nichts anderes sind als ein "Kriegsschauplatz", wo die Eltern, die sich nicht mehr verstehen, ihre Machtansprüche oder vielleicht auch ihre wechselseitigen Verletzungen auf dem Rücken der Kinder austragen und versuchen, über die Kinder Druck auszuüben.

Daher ist es zwar wünschenswert, daß Kinder beide Elternteile haben und mit ihnen in Kontakt stehen können, aber Tatsache ist, daß es Situationen gibt, wo das nicht mehr der Fall ist, und wenn diese Verantwortung von den Eltern offensichtlich nicht mehr wahrgenommen wird, dann sollte das Kindeswohl nach unserer Meinung im Mittelpunkt stehen und nicht das Recht der Eltern auf die Kinder. Das ist in dieser Art und Weise aber hier vom Rednerpult aus so formuliert worden, und daher habe ich das klarlegen wollen.

Zur Definition der Ehe, meine Damen und Herren, möchte ich auch noch etwas sagen – Frau Abgeordnete Schmidt hat es bereits angesprochen –: Wir haben nichts dagegen, daß Menschen sich mit dem Willen, dem guten Willen, zusammenfinden, eine unzertrennliche Gemeinschaft zu bilden. Ja sie sollen sich auch vornehmen, Kinder zu zeugen und zu erziehen. Und sie sollen sich auch wechselseitigen Beistand versprechen. Das ist wichtig! Aber nach meinem Dafürhalten kann es nicht ein konstitutives Merkmal, ein begründendes Merkmal einer solchen Gemeinschaft sein, daß man sagt, man möchte Kinder zeugen und erziehen. Ich halte es für falsch – und wenn Sie es genau nehmen, müßten Sie es eigentlich auch so sehen –, in bezug auf Menschen, die organisch, körperlich überhaupt nicht in der Lage sind, Kinder zu zeugen, zu sagen, sie können vielleicht den Willen dazu haben, Kinder zu zeugen, da sie aber dazu nicht in der Lage sind, müßte man ihnen eigentlich die Institution der Ehe verschließen.

Sie konzentrieren sich jetzt darauf zu sagen: Diese Leute müssen ja ohnehin nur den Willen haben, Kinder zu zeugen. Ich frage mich, inwieweit das heute vor diesem Hintergrund noch angemessen sein kann, denn in Wahrheit ist das nach unserer Einschätzung ein Überbleibsel, Frau Abgeordnete Bauer, eine Fortsetzung des Kirchenrechts mit anderen Mitteln. Wir glauben, daß in zunehmendem Maße nicht eine vom Staat oder von der Gesellschaft gesetzte Moral maßgeblich ist, wiewohl hier Grenzen gesetzt werden, das ist unbestritten, aber das, was zwischen den Menschen passiert, wird in zunehmendem Maße eine Verhandlungsmoral. Es geht darum, wie die Menschen ihr eigenes Zusammenleben gestalten.

Wenn Ehen glücklich sind und wenn Lebensgemeinschaften glücklich sind, dann ist das alles, was wir in einer Gesellschaft erwarten können. Es ist nicht notwendig, diese Gemeinschaften, bei allen Schwierigkeiten, die sie sonst noch haben, mit externen Moralvorstellungen zu überfrachten. Daher unser Hinweis darauf, daß die Definition der Ehe nicht zwangsläufig verbunden werden sollte mit der Zeugung von Kindern und mit dem Willen, diese zu zeugen und diese zu erziehen. Das bedeutet überhaupt keine Abwertung, sondern wir sind selbstverständlich der Meinung, daß der Familienbegriff aufrecht bleiben muß. Wir haben nur einen etwas weiter gefaßten Familienbegriff, als ihn etwa die ÖVP hat, denn ich bin nicht geneigt, anzunehmen, daß, wenn Ehen geschieden werden, die Kinder nur mit der Mutter oder nur mit dem Vater zusammenleben und also demnach wechselseitig Verantwortung übernommen wird, diese nicht als Familien zu bezeichnen sind. Zu sagen, wenn der Vater oder der Mann von der Familie weg ist, dann handelt es sich nur noch um Rumpffamilien, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Optimal ist es natürlich – das wird niemand bestreiten –, wenn Eltern und Kinder in einer Gemeinschaft leben, das freut alle. Aber wenn es nicht so ist, dann sollten wir auch den anderen Gemeinschaften, die frei gewählt sind und wo sich die Partner sagen, wir wollen füreinander Verantwortung übernehmen, dieselbe Achtung und dieselbe Anerkennung entgegenbringen, wie wir das auch bei der Ehe tun.

Und daher, meine Damen und Herren, komme ich zum dritten Punkt, einen Abänderungsantrag betreffend das Zeugnisverweigerungsrecht im § 321 ZPO. Frau Abgeordnete Schmidt hat diesbezüglich bereits einen Antrag eingebracht, und ich bitte insbesondere die Abgeordneten der Koalitionsparteien, genau zuzuhören, denn es ist ein Abänderungsantrag, der zweigeteilt ist: Der Abänderungsantrag, den Frau Abgeordnete Schmidt eingebracht hat, bezog sich ausschließlich auf verschiedengeschlechtliche Lebensgefährten. Der Abänderungsantrag, den ich nun einbringe, bezieht sich auf anders- oder gleichgeschlechtliche Lebensgefährten, und er lautet wie folgt:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Schmidt, Dr. Kier und PartnerInnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die im Titel genannte Regierungsvorlage (1653 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichts (1926 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Art. IV lautet Z 2:

2. In § 321 Abs. 1 Ziffer 1 wird nach dem Wort "Ehegatten" ein Beistrich gesetzt und die Wortfolge "seinem anders- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten," eingefügt.

Die Ziffer 2 der Regierungsvorlage erhält die Bezeichnung "Ziffer 3".

*****

Meine Damen und Herren! Wir haben uns deshalb die Mühe gemacht, zwei Abänderungsanträge einzubringen, weil wir bereits in der Strafprozeßordnung dazu übergegangen sind, auch dem Lebensgefährten/der Lebensgefährtin das Recht zu geben, sich einer Aussage zu enthalten, wenn es für seine Lebensgefährtin/für ihren Lebensgefährten schlecht wäre. Dazu haben wir uns verstanden, das war auch ein sinnvoller Schritt.

Wir haben das aber nicht für den Bereich des Zivilprozesses gemacht, aber auch hier, meine Damen und Herren, muß man wohl zugestehen, daß die Verhältnisse dieselben sind: Es herrscht ein besonderes Vertrauensverhältnis in den Lebensgemeinschaften, und es ist falsch, im Zivilprozeß vor Gericht zur Zeugnislegung zu verpflichten, wenn dadurch ein Lebensgefährte seiner Lebensgefährtin oder eine Lebensgefährtin ihrem Lebensgefährten schaden würde, Frau Abgeordnete Bauer. Das ist wichtig, und ich bitte Sie, die Anträge nicht reflexartig abzulehnen, sondern zu entscheiden, ob sie wenigstens dem Antrag der Frau Abgeordneten Schmidt zustimmen können, in dem es um die verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften geht, oder dem Antrag, den ich jetzt eingebracht habe, in dem es um verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften geht. Wenn Sie beide Anträge ablehnen, dann sagen Sie eindeutig, daß Sie die Lebensgemeinschaften im Bereich der Zeugnislegung diskriminieren wollen gegenüber der Ehe und im Zivilprozeßbereich sogar diskriminieren wollen gegenüber jenen Lebensgemeinschaften, die im strafprozeßlichen Bereich behandelt werden.

Meine Damen und Herren! Es wäre gut, wenn wir uns wenigstens über diese Fakten einigen könnten und wenn wir Dinge, die zwar historisch erklärbar, aber sachlich nicht aufrechtzuerhalten sind, auch heute noch ändern würden, wenngleich das einen besonderen Druck für Sie darstellt, weil Sie noch vor Ende der Legislaturperiode einiges durchbringen müssen. Wenn das schon der Fall ist und Sie hier keinen großen Wurf zustande gebracht haben, dann stimmen Sie unseren Abänderungsanträgen zu. Dann haben wir, so meinen die Liberalen, einen größeren Schritt gemacht als den, den Sie jetzt planen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

12.08

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Mag. Barmüller vorgetragen hat, ist ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlung miteinbezogen.

Es liegen jetzt zwei Wortmeldungen zu tatsächlichen Berichtigungen vor. Ich mache beide Abgeordneten darauf aufmerksam, daß eine Redezeit von 2 Minuten gilt und mit dem zu berichtigenden Sachverhalt begonnen werden muß, dem dann ihre Version gegenüberzustellen ist.

Die erste tatsächliche Berichtigung hat Herr Abgeordneter Dr. Jarolim verlangt. – Bitte. (Abg. Dr. Krüger: Nicht vergessen: Werturteile sind nicht berichtigungsfähig!)

12.09

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Kollege Krüger hat vorhin ausgeführt, unter Minister Broda wäre der Straftatbestand des Ehebruches eingeführt worden. – Diese Behauptung ist unrichtig.

Richtig ist vielmehr, daß bereits im Vorgänger des heutigen Strafgesetzbuches sowohl der Ehebruch als auch die Ehestörung beinhaltet waren, daß eine Diskussion über die Streichung beider Straftatbestände geführt worden ist, in der sich Broda allerdings hinsichtlich des Ehebruches nicht durchsetzen konnte. Lediglich der Straftatbestand der Ehestörung wurde nicht in das Strafgesetzbuch übernommen, sehr wohl aber der Ehebruch. Das ist wohl ein qualitativ anderes Ergebnis! (Beifall bei der SPÖ.)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Eine weitere tatsächliche Berichtigung kommt von Frau Abgeordneter Dr. Fekter. – Bitte.

12.10

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Kollege Krüger hat behauptet, wir hätten den Tatausgleich für Kinderschänder beschlossen. – Das ist falsch!

Richtig ist vielmehr, daß nur jene Delikte diversionsfähig sind, die vor dem Einzelrichter abgehandelt werden. Tatausgleich gibt es zudem nur mit Zustimmung des Opfers. Ohne Bereitschaft des Opfers gibt es keinen Tatausgleich. – Für Kinderschänder gibt es keinen Tatausgleich! (Beifall bei der ÖVP.)

12.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter Dr. Krüger! Sie wollen eine persönliche Erwiderung, aber Sie wissen, daß das nicht identisch mit einer tatsächlichen Berichtigung ist. – Bitte.

12.10

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Eine persönliche Erwiderung: Unter die Diversion fallen alle Delikte bis zu fünf Jahren, also auch der Kindesmißbrauch. (Abg. Dr. Khol: Das ist keine persönliche Erwiderung! Das ist eine Wortmeldung! – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) Es gibt zwei Arten von Kindesmißbrauch: den durch geschlechtliche Vereinigung und den nicht durch geschlechtliche Vereinigung vollzogenen. Und der nicht durch geschlechtliche Vereinigung vollzogene Kindesmißbrauch hat eine Strafdrohung ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Das ist genau jenes Beispiel, das ich befürchtet habe. Das ist ein inhaltlicher Debattenbeitrag. (Abg. Dr. Krüger: Das ist unrichtig!) Nein, Sie müssen in einer persönlichen Erwiderung Ihre ganz besondere persönliche Betroffenheit darlegen. Verzeihen Sie, das war es nicht. (Abg. Dr. Krüger: Ich möchte meine persönliche Betroffenheit darlegen!)

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (fortsetzend): Hohes Haus! Meine persönliche Betroffenheit sehe ich darin, daß mir Frau Kollegin Fekter unrichtigerweise unterstellt hat, etwas Falsches gesagt zu haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Tatsächlich ist es so, daß der Kindesmißbrauch, der nicht durch eine geschlechtliche Vereinigung erfolgt, bis zu fünf Jahren bedroht ist und auch unter die Diversion fällt. Ich kann Ihnen das gleich anhand des Strafgesetzbuches nachweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.12

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Das war auch jetzt keine persönliche Erwiderung. Ich bitte, sich in Zukunft in dieser Frage etwas geschäftsordnungskonformer zu verhalten.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

12.12

Abgeordnete Rosemarie Bauer (ÖVP): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zwei Feststellungen treffen. Erstens – das betrifft auch Herrn Kollegen Barmüller –: Für uns von der Österreichischen Volkspartei bedeutet Ehe nicht Joch, nicht Bevormundung und Einengung, sondern Schutz. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens sehen wir in einer Lebensgemeinschaft eine Alternative, sie kann aber natürlich nicht die gleichen Rechte genießen, wie sie durch einen Ehevertrag eingeräumt werden, den zwei Ehepartner miteinander geschlossen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Für uns bedeutet der Schutz der Ehe zugleich auch Schutz der Kinder, die wir als Bestandteil dieser Gemeinschaft sehen, und wir wollen nicht wie Frau Kollegin Schmidt und, wie ich gelesen habe, auch Herr Kollege Jarolim die Kinder aus der Ehe hinauswerfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Fekter: Ganz richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für alle, die heute von Frauenfreundlichkeit geredet und mehr Rechte und mehr Schutz für die Frauen verlangt haben, darf ich noch einmal von diesem Platz aus feststellen, was ich auch immer in der Debatte zu Sozialgesetzen gesagt habe: Die Befreiung der Frau aus der Ehe führt meistens, in den häufigsten Fällen zu einer neuen Abhängigkeit, weg vom Mann in eine neue Abhängigkeit, nämlich in die der Sozialämter und der öffentlichen Hand. Das wollen wir nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Zur vorliegenden Regierungsvorlage möchte ich folgendes sagen: Herr Bundesminister! Ich bedanke mich sehr herzlich für die Tradition, möchte ich fast sagen, die bei Justizvorlagen herrscht. Es sind dieses Mal zweieinhalb Jahre seriöse langfristige Vorberatungen geführt worden, und das Ergebnis ist ein ausgewogenes Produkt, das auf die Einzelfallgerechtigkeit abstellt. Wir freuen uns darüber.

Mich haben die Vorwürfe bezüglich des Gesetzes getroffen, weil ich mich sehr darüber gefreut habe, daß die Regierungsvorlage beschlossen worden und im Hause eingelangt ist. Ich bekenne mich aber auch dazu, daß es uns im letzten Augenblick in einigen Punkten, auf die wir von Praktikern aufmerksam gemacht worden sind, gelungen ist, Verbesserungen zu bewirken.

Erstens ist es uns sehr wichtig gewesen, daß der Ehebruch als Verschuldensprinzip beibehalten wird. Es war uns wichtig – und ich habe das von niemandem anderen gehört –, daß ein Tatbestand des Ehebruches, nämlich die körperliche Gewalt und seelisches Leid, im Gesetz verankert ist. Ein Punkt, der sehr wichtig ist, weil wir leider sehen müssen, daß in den Familien immer mehr Gewalt herrscht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens bekennen wir uns zum schuldensunabhängigen Unterhalt, aber um das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung nicht zu verletzen beziehungsweise um auch nicht ungerecht zu werden, war es uns wichtig, vor allem im Bereich der Billigkeit klare, präzise Formulierungen zu finden, die den Willen des Gesetzgebers festschreiben.

Meine Ausführungen zum Partnerschaftsprinzip möchte ich streichen, weil meine Redezeit relativ kurz ist.

Wichtig ist uns auch, daß die Unterhaltsleistung in aufrechter Ehe ganz oder zum Teil in Geld abverlangt werden kann, wobei zu berücksichtigen ist, ob nicht ein Ehepartner bereits Naturalleistungen – und das kommt sehr häufig vor –, wie zum Beispiel Miete, Betriebskosten et cetera, erbringt.

Einen Punkt habe ich heute von noch niemandem gehört, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch nicht von jenen, die sich immer im besonderen Maße für die Frauen einsetzen, nämlich den, dessen Verwirklichung auf unsere Hartnäckigkeit zurückzuführen ist: Wir haben es erreicht, daß der Richter ehelich Mitversicherte im Scheidungsfall über einen möglichen Wegfall der sozialen Leistungen aufklären muß. Das sind die Härtefälle, die uns auch immer wieder an unseren Sprechtagen begegnen. Er muß weiters eine Mitteilung an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger machen, der dann die sozialrechtlichen Folgen der Scheidung überprüft und die Betroffenen darüber und gegebenenfalls über die Möglichkeiten einer Weiterversicherung aufklärt.

Wir von der Österreichischen Volkspartei konnten bewirken, daß es für diese Fälle eine günstige Krankenversicherung gibt, für die monatlich 300 S einbezahlt werden kann. Diese ist aber noch im Bereich der Sozialgesetzgebung zu verankern. Ich glaube, daß diese gerade für alleinerziehende Mütter eine große Entlastung darstellt und äußerst wichtig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können sehr wohl zufrieden sein. Wir können sämtlichen Vorwürfen, die heute aus einem Oppositionsgeist heraus oder aus wahltaktischen Gründen vorgebracht wurden, gelassen entgegensehen. Die Bevölkerung und im speziellen die Frauen werden zu schätzen wissen, was wir hier erreicht haben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.17

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Abgeordneter Dr. Jarolim hat eine tatsächliche Berichtigung begehrt. Die diesbezüglichen Geschäftsordnungsbestimmungen habe ich gerade vorhin erklärt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.17

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Abgeordnete Rosemarie Bauer hat bedauerlicherweise gesagt, ich hätte ihr mitgeteilt, daß Kinder aus der Ehe hinauszuschmeißen wären. (Abg. Rosemarie Bauer: Habe ich gelesen!) – Das ist unrichtig!

Ich habe gesagt, daß Kinder im Scheidungsverfahren besonders zu schützen sind. (Abg. Rosemarie Bauer: Das hat die APA nicht gut formuliert!) Das erfolgt unter anderem dadurch, daß Scheidungsverfahren, in denen der letzte Anstand vernichtet wird, zurückgedrängt werden, und das kann wiederum durch eine Stärkung des Zerrüttungsprinzips erreicht werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Kennen Sie Ihre eigene APA-Aussendung nicht? APA-Aussendungen lesen, Herr Kollege Jarolim, vor allem die eigenen!)

12.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Prammer. – Bitte.

12.18

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege Michalek! Meine Damen und Herren! Kollege Michalek hat mich vorhin darauf aufmerksam gemacht – und ich möchte das gerne aufgreifen –, daß die Arbeitsgruppe zum Eherechts-Änderungsgesetz ihre Arbeit bereits unter Anwesenheit meiner Vorvorgängerin Johanna Dohnal begonnen hat. Wir hätten uns durchaus – und ich möchte die Wortmeldung des Kollegen Jarolim aufgreifen – mehr vorstellen können von dem, was an Veränderungen gerade im Familienrecht notwendig erscheint und angesagt wäre.

Ich habe parallel zu den Diskussionen in der Arbeitsgruppe eine Studie mit dem Titel "Die Verteilung der Haus- und Versorgungsarbeit vor dem Hintergrund der Scheidung in der sozialen und gerichtlichen Praxis" in Auftrag geben lassen. Ich möchte Ihnen gerne einige Erkenntnisse aus dieser Studie präsentieren, und zwar deswegen, weil sie ganz deutlich zeigen, worum es denn überhaupt geht und weshalb es die Notwendigkeit für Veränderungen gibt.

Zum ersten. Es ist sehr viel über das Verschulden, die Verschuldensfrage und den verschuldensunabhängigen Unterhalt gesprochen worden. Das hat nicht nur bei den wenigen Verschuldens- und Teilverschuldensscheidungen seine Auswirkung – das sagen auch die ExpertInnen –, sondern vor allen Dingen auch bei den vielen einvernehmlichen Scheidungen.

Es kann nämlich davon ausgegangen werden, daß die einvernehmlichen Scheidungen immer sozusagen auf Basis eines Verschuldens abgeschlossen werden und das Einvernehmen hergestellt wird, aber irgendwie schwimmt trotzdem immer die Frage Verschulden oder Nichtverschulden mit. Wir glauben, und die Experten gehen davon aus, daß es auch bei den einvernehmlichen Scheidungen sehr viel an Stützung geben wird, weil in Zukunft ganz andere Zugänge zum Verschulden und Nichtverschulden vorhanden sein werden.

Der zweite für mich sehr wichtige Bereich in dieser Novelle ist die Klarstellung und Dynamisierung bei der Aufteilung der Versorgungsarbeit. Das ist schon angesprochen worden, und ich möchte es nicht wiederholen. Ich möchte dabei nur einen zweiten Punkt noch erwähnen, der auch Eingang gefunden hat, nämlich die Verdeutlichung des Umstandes, daß auch der berufstätige Ehegatte den anderen in seiner Freizeit im Haushalt unterstützen muß. Das ist eine erste, wirkliche Weiterentwicklung!

Es geht nicht an, nur einfach zu sagen: Hier Berufstätigkeit, 38-Stunden-Woche, dort die Versorgungsarbeit. Das geht vor allen Dingen dann nicht, wenn Kinder da sind und wenn diese Kinder klein sind. Ich finde, es ist wichtig, das einmal von Gesetzes wegen gesagt zu haben, auch im Hinblick darauf, daß sich daraus durchaus gesellschaftliche Veränderungen ergeben werden.

Wovon sprechen wir, wenn wir über die heutige Situation in den Scheidungsverfahren reden? – Ich möchte Ihnen gerne ein paar Beispiele aus dieser Studie zur Kenntnis bringen und vorausschicken, daß es sich dabei um konkrete Scheidungsurteile handelt, die in der Studie anonymisiert wurden.

Erstes Beispiel: Der Mann ist Alkoholiker und mißhandelt Frau und Kinder. Sie wird mitschuldig geschieden, weil sie den Haushalt – seinen Angaben nach – nicht ordentlich geführt hat. Begründung – ich zitiere –:

"Gerade das auf charakterlichen Schwächen beruhende Fehlverhalten des Mannes erfordert eine besonders nachhaltige Betreuung der Kinder und der Ordnung im Haushalt." – Teilverschulden, kein Unterhalt. – Das ist die Situation, wie wir sie jetzt haben.

Zweites Beispiel: Die Frau wird teilschuldig geschieden, weil sie ihren Mann im Krankenhaus nicht besucht hat. Dieser hatte aber zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verhältnis mit einer anderen Frau, was der Ehefrau bekannt war, sie hat es nur nicht beweisen können, wie das in diesen Situationen oft der Fall ist. Der Mann – so die Argumentation des Mannes – hatte jedoch die Affäre wegen der Vernachlässigung des Haushaltes begonnen. (Abg. Marizzi führt ein Telephongespräch mit einem Handy.)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Frau Bundesministerin, entschuldigen Sie einen Augenblick. – Herr Abgeordneter Marizzi, bitte, das ist völlig unmöglich! Es besteht doch kein Zweifel darüber, daß man in diesem Saal nicht telephonieren darf. (Abg. Marizzi: Ich bitte um Entschuldigung, ich habe es schon ausgeschaltet!)

Frau Bundesministerin, bitte setzen Sie fort!

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer (fortsetzend): Im Nichtbesuch wurde die Vernachlässigung des Haushaltes nachträglich verstärkt. – Teilschuld, kein Unterhalt!

Drittes Beispiel: Die Frau wechselt zwar wöchentlich die Bettwäsche, macht aber das Bett nicht regelmäßig und bereitet kein Frühstück zu. Sie hat im Betrieb des Mannes mitgearbeitet. – Ihr kommt Mitverschulden zu; kein Unterhalt!

Nächstes Beispiel: Die Frau putzt den Haushalt nur mit umweltfreundlichen Putzmitteln, was für den Mann unzufriedenstellend ist. Sie bügelt auch seine bügelfreien Hemden nicht. Das schmutzige Geschirr steht länger als einen Tag herum. Die Frau besucht zudem eine Schule, um ihre Ausbildung abzuschließen. Dies mißfällt dem Mann. – Sie wird mitschuldig geschieden. Kein Unterhalt!

Wenn wir uns diese Beispiele vor Augen führen, dann verstehe ich keine Argumentation, die hier und heute gegen eine Regelung spricht, mit der wir in diesem Bereich endlich Fairneß walten lassen wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

"Fairneß" sage ich vor allen Dingen auch deswegen, weil wir per Gesetz ja klar sagen, daß die ehelichen Aufgaben so geteilt werden können, daß ein Teil der Erwerbsarbeit nachgeht und der andere Teil der Versorgungsarbeit. Es besteht ja auch ein Vertrauen jenes Teiles, der zu Hause bleibt, in das Gesetz. Dieses Vertrauen wird aber irgendwann im Falle des Scheiterns einer Ehe verletzt, gebrochen, und es wird bis ins kleinste Detail auch alles, was daran hängt, in Frage gestellt und in Unsicherheit gestürzt. Aus diesem Grund bin ich wirklich sehr froh darüber, daß es hier zu einer Weiterentwicklung gekommen ist, wenngleich ich natürlich noch viele Punkte aufzählen könnte, über die wir meiner Ansicht nach auch nach dieser Novelle neuerlich die Gespräche aufnehmen sollten.

Noch etwas, was den Bedarfsunterhalt und diese zwei Situationen, diese zwei Möglichkeiten betrifft. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß es nicht so ist, daß dieser Unterhalt bei Vorliegen von Verschulden nur befristet gewährt werden kann. Dazu möchte ich zitieren – auf diesen Punkt lege ich großen Wert –:

Wird der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgelegt, so hat ihn das Gericht jeweils auf längstens drei Jahre zu befristen, wenn nicht erwartet werden kann, daß der geschiedene Ehegatte danach in der Lage sein wird, seinen Unterhalt insbesondere durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit zu sichern. – Zitatende.

Ich finde, das ist gerade all jenen Frauen gegenüber fair, die immer, die lange zu Hause waren. Das ist im Sinne der Hausfrauen, die immer zu Hause gearbeitet haben. Wir fordern dringend auch deren Stützung und Unterstützung.

Was die Sozialversicherung betrifft und all jene Argumente, die sagen, daß vieles fehlt, vor allen Dingen auch die Alterssicherung, so kann ich nur auf folgendes hinweisen: Mir geht es, was das betrifft, darum, daß alle eine eigenständige Alterssicherung haben, und zwar unabhängig vom Tatbestand und von der Tatsache, ob es zu einer Scheidung gekommen ist oder nicht. Hier plädiere ich sehr laut für die verheiratete Frau, die natürlich dasselbe Recht haben muß wie eine geschiedene Frau, die unbedingt zu einer eigenständigen Alterssicherung kommen muß.

Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dieser langen Debatte um die Änderung des Familienrechtes, des Eherechtes, ist immer wieder gesagt worden, all jene Veränderungen, die wir hier diskutieren, würden die Ehe gefährden. – Ich meine: Das Gegenteil ist der Fall!

Wir leben in einer Gesellschaft, die nur dann funktioniert, wenn es Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gibt. Das bedeutet, es muß ein ständiges Ringen umeinander, eine faire Auseinandersetzung um die gemeinsamen Ziele und den gemeinsamen Weg geben. Das kann manches Mal auch scheitern. Aber eine offene und echte Partnerschaft kann nur auf Basis von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gelebt werden. Ich finde, dazu trägt diese Novelle ein beachtliches Stück bei. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesministerin.

Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander mit einer gewünschten Redezeit von 10 Minuten. – Bitte.

12.28

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Ausführungen – und das möchte ich vorausschicken – ausschließlich aus der Sicht der Frauenpolitik sehen und auch so verstanden wissen. Warum? – Zu der Begründung möchte ich gleich kommen.

Ich denke mir, daß diese Reform des Eherechtes in erster Linie ein vordringliches frauenpolitisches Anliegen ist. Ganz anders als das, was hier vor allem die ÖVP ausführt, sehe ich die Rolle der Frauen in der Ehe beziehungsweise die Folgen, die die Frauen vor allem dann zu tragen haben, wenn es zur Scheidung der Ehe kommt. (Abg. Kiss: Sie werden aber schon akzeptieren, daß es weiterhin Männer gibt! Ich darf darum ersuchen, Frau Kollegin!)

Halten wir vorweg noch einmal fest, daß Frauen in der Ehe, daß Ehefrauen keineswegs, wie die Redner Ihrer Fraktion behaupten, in diesem Zusammenhang besonders gut gestellt, besser gestellt oder auch nur gleichberechtigt seien. Davon ist keine Rede! (Ironische Heiterkeit des Abg. Kiss.) Keine Rede davon, Herr Kollege Kiss! Schauen Sie sich einfach die Zahlen an, schauen Sie sich die Erfahrungen an!

Beginnen wir bei der Erwerbstätigkeit der Frauen. Beginnen wir mit der Frage, wie viele Frauen aus dem Arbeitsprozeß hinausgedrängt werden mit der Begründung, sie seien ja schließlich verheiratet, sie seien ja schließlich versorgt. Beginnen wir damit, wie viele Frauen in Teilzeit arbeiten oder geringfügig beschäftigt sind, weil sie entweder als versorgt gelten oder weil sie Betreuungspflichten haben, die selbstverständlich in der Mehrzahl der Fälle, das wissen wir längst, immer an den Frauen hängenbleiben und bei den Frauen liegen. Daher kommt eine Vollerwerbstätigkeit in vielen Fällen gar nicht in Frage. (Abg. Kiss: Das bestreitet ja niemand!)

Aber das mindert natürlich die Chancen auf eine eigenständige Absicherung. Das ist ganz klar! Schauen Sie sich die Zahlen betreffend die Altersvorsorge an! Wir haben die Zahlen ja ein Jahr lang oder länger auch im Ausschuß diskutiert, und zwar im Rahmen der Debatte des Frauen-Volksbegehrens. Mehr als 50 Prozent der Frauen haben keine eigenständige Altersvorsorge! – Finden Sie das gleichberechtigt?! Finden Sie das gleichberechtigt und können Sie dann wirklich sagen, daß die Ehe eine Einrichtung ist, die die Frauen in besonderer Weise schützt oder stützt?! – Keines von beidem ist der Fall. Das sehen Sie, wenn Sie sich diese Zahlen anschauen.

Dabei rede ich noch gar nicht vom Ehegesetz selbst! Meine Vorrednerinnen haben es gesagt: Das Gesetz stammt aus dem vorigen Jahrhundert. – Und so schaut es auch aus. Es hat patriarchalische Züge, und zwar bis in die kleinsten Details hinein – abgesehen von den Skurrilitäten, die noch immer darin enthalten sind.

Ich sage Ihnen: Es wäre angesichts des ausgehenden 20. Jahrhunderts eigentlich angebracht gewesen, eine Totalreform zu machen, eine zeitgemäße Totalreform des Ehe- und Scheidungsrechts. Das wäre eigentlich angesagt gewesen. Es wäre Zeit gewesen, daß man sich endlich aufrafft und diesem Gesetz Züge verleiht, die den Entwicklungen der Zeit entsprechen, damit es anwendbar ist und einfach auch der Realität entspricht.

Für mich und für uns von den Grünen war die Streichung des Verschuldensprinzips so etwas wie der Minimalkonsens, damit wir überhaupt daran gehen, über eine Reform des Eherechtes und des Scheidungsrechtes zu sprechen. Das ist für mich der Minimalkonsens! Denn in dem Aufrechterhalten des Verschuldensprinzips gipfelt ja die Ungerechtigkeit und die Ungleichbehandlung am stärksten! Wir sind meilenweit von einer Gleichbehandlungspolitik entfernt, wenn heute diese Novelle angenommen und beschlossen wird.

Ich lege besonderen Wert auf diese Feststellung: Wir sind meilenweit entfernt von jeder Form der Gleichbehandlungspolitik! Machen Sie von der SPÖ sich nichts vor! Und auch Sie, Frau Ministerin: Machen Sie sich nicht vor, daß Sie mit dieser Novelle irgend etwas im Sinne einer Gleichbehandlungspolitik erreicht haben! Davon sind wir nach wie vor weit entfernt.

Ich möchte drei Beispiele aufzählen, weil sie markant sind und weil auch meine Vorrednerinnen zum Teil auf diese Bespiele eingegangen sind. Sie – vor allem Sie von der ÖVP – rühmen sich ja, in bestimmten Ausnahmefällen nun eine Verschuldensunabhängigkeit zugelassen zu haben. Dabei wird das Beispiel der Frau mit den Kindern unter fünf Jahren angeführt, das Beispiel der "jungen Muttis", wie das Frau Kollegin Fekter immer so nett und adrett hier formuliert hat.

Ich frage mich nur: Was ist denn der Preis, den diese – wie Sie es formulieren – "jungen Muttis", diese jungen Frauen dafür zahlen müssen? – Der Preis dafür ist, daß sie nicht arbeiten gehen können und dürfen, wenn sie diesen Unterhalt nicht verlieren wollen! Der Preis dafür ist, daß sie nach fünf Jahren, wenn sie es sich überlegen, eventuell arbeiten zu gehen, auf dem Arbeitsmarkt kaum mehr Chancen haben werden, überhaupt eine Arbeit zu finden!

Fünf Jahre lang nicht arbeiten zu gehen, das macht eine Rückkehr auf den Arbeitsplatz und eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt so gut wie aussichtslos! Das wissen wir alle aus der Frauenpolitik, das wissen wir alle aus der Debatte über die Gleichbehandlungspolitik. – Das ist offensichtlich der Preis, den diese Frauen zahlen müssen und den Sie hier besonders feiern, besonders herausstreichen wollen.

Abgesehen davon ist es für mich überhaupt völlig absurd, Frauen sozusagen indirekt vorzuschreiben, daß sie nicht arbeiten gehen sollen, können, dürfen, weil sie sonst ihren Unterhalt verlieren, denn sie sind dadurch ja benachteiligt!

Selbst dann, wenn sie arbeiten gingen, hätten sie ja eine doppelte Belastung. Sie hätten die Last, daß sie arbeiten – Teilzeit arbeiten oder wie immer –, und die Last, daß sie für die Versorgung, für die Erziehung der Kinder aufkommen müssen. Aber diese Ungleichbehandlung haben Sie überhaupt nicht aus dem Weg geräumt – im Gegenteil! Sie haben dem Vater sozusagen noch den Persilschein ausgestellt: Er kann sich ruhig nur mehr um seinen Job kümmern, er braucht überhaupt nichts anderes zu bedenken. Er kann weiter den Freizeitvater, den Wochenendvater spielen, völlig unbesorgt und ohne Hindernisse.

Das ist ein Kompromiß, der mehr als faul ist! Noch einmal: Er bringt sie meilenweit weg von jeder Gleichbehandlungspolitik!

Spinnen wir es weiter: Was ist mit der Frau mit den halbwüchsigen Kindern, die unter Umständen nicht in eine solche Verschuldensunabhängigkeit hineinkommt? Was ist mit ihr, und was ist mit den halbwüchsigen Kindern? Wo wird das geregelt? Diese Kinder bedürfen noch genauso der Aufsicht, der Pflege, der Erziehung und vielleicht auch der besonderen Zuwendung der Eltern! Was ist mit diesen Fällen? – Diese Fälle werden in Ihrem Gesetz überhaupt nicht geregelt!

Oder: Was ist mit der Frau nach langer Ehe? – Das ist wieder einer dieser Fälle, bei denen ausnahmsweise eine Verschuldensunabhängigkeit eintreten kann. Diese Frau, die vielleicht 60 Jahre alt ist, die ihre Ehe noch in der ganz traditionellen Auffassung geschlossen hat, daß sie zu Hause ist, für den Haushalt sorgt, für die Kinder sorgt, für die Erziehung der Kinder sorgt, wird dann vielleicht mit 50, 60 Jahren geschieden. Sie hat keine Chance auf irgendeine Arbeit, sie hat vermutlich nicht einmal eine eigenständige Altersvorsorge. Was ist mit dieser Frau? Soll sie alle drei Jahre vor Gericht gehen und darum streiten, daß sie vielleicht noch ein würdiges Auskommen im Alter hat? Was ist mit dieser Frau? – Das sind Ihre "berühmten" Ausnahmen, die Sie geschaffen haben!

Abgesehen davon, vor allem auch in Richtung ÖVP gesagt: Was ist eigentlich der Ehebruch? Was ist ein Ehebruch? Wie definieren Sie ihn? – Sie ziehen das Faktum der Zerrüttung der Ehe überhaupt nicht in Betracht! Sie ziehen überhaupt nicht in Betracht, was vor einem Ehebruch passiert ist!

Sie maßen sich an, Sie glauben, Sie können sich hier aufschwingen, zum Richter über alle Richter zu werden und zu sagen: Wenn das passiert ist, dann kriegt die Frau unter diesen und jenen Umständen oder unter allgemeinen Umständen keinen Unterhalt mehr.

Das ist für mich eigentlich das Ungeheuerliche: die Art, wie Sie hier mit einem Faktum umgehen und immer von der Institution der Ehe reden, aber nie mit bedenken oder berücksichtigen, daß es um Menschen geht und daß Sie diese Menschen in Ihren Überlegungen berücksichtigen müßten und nicht nur die Institution. Aber es scheint so zu sein, daß Ihnen diese Institution und die Einrichtungen allemal mehr wert sind als die Menschen, die damit zu leben und damit auszukommen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gehört ja auch, daß Frau Kollegin Rosemarie Bauer in ihrem Redebeitrag offensichtlich nicht zwischen Ehebruch und Eheverfehlung unterscheiden konnte. Das war für mich ein weiteres signifikantes Beispiel dafür, daß es Ihnen in Ihren Köpfen immer nur um die Institution geht, aber nicht um die Menschen, die damit zu tun haben.

Zuletzt möchte ich Ihnen von der ÖVP noch sagen: Sie haben es geschafft, eine konstruktive, langwierige Arbeit zunichte zu machen: das Ergebnis einer Debatte, die in einer interministeriellen Arbeitsgruppe sehr lange stattgefunden hat, in der es sehr heftige und zum Teil auch kontroversielle Debatten, aber zuletzt doch immer öfter sehr konstruktive Debatten gegeben hat. Es war zuletzt immer mehr eine Annäherung erkennbar. Das Ergebnis der Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe war der Entwurf, den das Ministerium zunächst einmal vorgelegt hat. Sie haben es geschafft, eine solche Arbeit mit Ihrer wirklich unsinnigen Kritik und mit Ihrem unsinnigen, sturen Verhalten völlig zunichte zu machen! Sie haben dem Parlamentarismus damit keinen Dienst erwiesen, das will ich Ihnen auch sagen. (Beifall bei den Grünen.)

12.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten ein. – Bitte.

12.38

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Hohes Haus! Frau Kammerlander, wenn ich auf alle Ihre vorgebrachten Ausführungen eingehe, dann erschöpfe ich meine Redezeit. Wenn ich aber manchen Ihrer Anmerkungen folge, dann muß ich sagen, daraus kann man nur den Schluß ziehen, daß es eigentlich gescheiter ist, man bleibt Hausfrau, denn eine berufstätige Frau hat ohnehin auch im geltenden Recht keinen Unterhaltsanspruch, wenn sie selbst verdient.

Natürlich sind alle Gesetze, auch das Ehe- und Scheidungsrecht und das Familienrecht, immer unter dem Aspekt der Frauenpolitik zu betrachten, und das geschieht ja auch. Einer der Aspekte in dieser Novelle ist die Frauenpolitik. Auch im Familienrecht ist das so. Das nehme ich jetzt als Anknüpfungspunkt: Für mich als Familienpolitikerin und Familiensprecherin der SPÖ ist selbstverständlich das Familienrecht im allgemeinen und das Ehe- und Scheidungsrecht im besonderen sehr interessant. Das Eherecht ... (Abg. Gaugg: Wie viele Kinder haben Sie? Nur so aus Interesse!)

Herr Gaugg! Ihre untergriffigen Bemerkungen sind ja bekannt. (Abg. Gaugg: Es war nur eine Frage, gnädige Frau!) – Ihr Niveau ist bekannt. Ihr Niveau war in Kärnten schon immer bekannt, und es ist jetzt auch bundesweit bekannt. (Abg. Gaugg: Das können Sie nie erreichen!) Darauf müssen Sie nicht stolz sein! Aber ich habe nur vier Minuten Redezeit, und in dieser Zeit werde ich mich mit Ihren Fähigkeiten nicht auseinandersetzen!

Das Eherecht greift ganz unmittelbar und direkt in das Zusammenleben von Menschen in den Familien ein. Daher haben wir im Grundsatzprogramm der SPÖ aus dem Jahr 1998 auch verankert, daß wir eine familien- und kindgerechte Gesellschaft anstreben. Damit ist auch der Vorwurf widerlegt, daß Kollege Jarolim "Kinder aus der Familie hinausdrängen" will.

Sinnvolle Regelungen in diesem Bereich können viel Positives für das Zusammenleben von Menschen bewirken, untaugliche und wenig taugliche Regelungen hingegen können Schaden, Leid und Schmerz anrichten und verstärken. Dieser Verantwortung, und zwar gerade bei dieser Materie, sind wir uns selbstverständlich bewußt. Daher treten wir von der SPÖ und daher trete ich gegen alle Bestrebungen auf, daß im Eherecht Regelungen nicht aus sachlichen, sondern nur aus ideologischen Gründen einerseits angestrebt oder andererseits verhindert werden sollen.

Meine Damen und Herren! Ein gutes Beispiel dafür ist die Debatte über die Beseitigung der sogenannten absoluten Scheidungsgründe und in diesem Zusammenhang vor allem des Ehebruchs. Obwohl alle Experten, die Familienrichter, die Arbeitsgruppe im Justizministerium und sogar die katholische Kirche die Abschaffung dieser hoffnungslos antiquierten Regelung begrüßt haben, hat sich dazu in der Öffentlichkeit über eine lange Zeit eine wenig sinnvolle Diskussion entwickelt. Obwohl ganz klar war, daß Ehebruch weiterhin eine schwere Eheverfehlung sein soll, wurde um diese Neuregelung künstlich, ja fanatisch diskutiert.

Für wichtig halte ich es, daß durch die Neuregelung des § 91 die Pflicht zur partnerschaftlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft verdeutlicht worden ist. Für wichtig halte ich auch die Schaffung des nachehelichen Unterhaltsanspruches unter eng eingeschränkten Voraussetzungen, grundsätzlich unabhängig vom Verschulden an der Scheidung und in besonderen Härtefällen. Die Lösung, die wir gefunden haben, ist zu begrüßen, obwohl ich mir eine weitaus bessere vorstellen könnte.

Wenig verständlich ist mir, warum in § 68a die Unzumutbarkeit der Selbsterhaltung bis zum fünften Lebensjahr des Kindes vermutet wird. Diese Festlegung auf das fünfte Lebensjahr scheint mir recht willkürlich zu sein. (Abg. Dr. Schmidt: Ist es auch!) – Ja, es scheint nicht nur, es ist so! Aber daran sollte es nicht scheitern.

Für eine weitere sinnvolle Maßnahme erachte ich es, daß auch bei Aufrechterhaltung der Haushaltsgemeinschaft die Leistung des Unterhaltes in Geld verlangt werden kann. Das beendet wohl zahlreiche unwürdige Situationen.

Aber besonders wichtig ist – daher möchte ich es trotz des roten Lichtes noch betonen –, daß das Konfliktregelungsmodell Mediation erstmals gesetzlich anerkannt wird. Damit wird ein bereits erprobtes Instrument verbessert nutzbar gemacht. Unser Anliegen ist es vor allem und muß es sein, dafür zu sorgen, daß Scheidungen – wenn es schon Scheidungen gibt, und das ist die Realität – in würdiger Form abgeführt werden und daß vor allem Kinder – das ist das Wichtigste – dabei keinen oder nur möglichst geringen Schaden davontragen. Es geht also darum, Kinder besonders zu schützen.

Die Mediation ist nicht nur im Scheidungsverfahren im engeren Sinn vorgesehen, sondern auch auf Besuchsrechte und Obsorgeverfahren anzuwenden. Ich verweise hier darauf, daß wir übermorgen, also am Freitag, eine Familienlastenausgleichsgesetz-Novelle beschließen werden, sodaß der Familienminister gemeinnützige Einrichtungen fördern kann, welche die Mediation oder Eltern- und Kinderbegleitung in Scheidungs- und Trennungssituationen anbieten.

Das vorliegende Eherechts-Änderungsgesetz bringt also eine Reihe von Änderungen für die schwächeren Partner mit sich. Das sind in der Regel nach wie vor die Frauen. Aber es führt auch zu Verbesserungen für Kinder. Wenn es nach meiner Fraktion oder nach mir gegangen wäre, dann wären die Regelungen weitreichender und die Neufassungen weniger zögerlich gewesen.

Immerhin ist es in einer Zeit des Vorwahlkampfes gelungen, in einer gesellschaftspolitisch besonders sensiblen Materie eine Gesetzesvorlage zustande zu bringen. In diesem Sinn – und nur in diesem Sinn – begrüßt meine Fraktion das vorliegende Gesetzesvorhaben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Herr Abgeordneter, ich stelle Ihrem Wunsch entsprechend 5 Minuten ein. – Bitte.

12.44

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf mich zunächst mit zwei Vorrednern auseinandersetzen, und zwar mit tatsächlichen Berichtigungen, die sie vorgebracht haben.

Ich bitte zunächst, dem Kollegen Jarolim auszurichten, daß ich auf seine tatsächliche Berichtigung zu sprechen komme. Es ist unrichtig, wenn er den Standpunkt vertritt, daß der Ehebruch praktisch schon vor Broda im strafgesetzlichen Bereich vorhanden gewesen und von ihm sozusagen nur fortgeschrieben worden sei. Es hat das Strafgesetz aus dem Jahr 1852 gegeben – es hat auch "Strafgesetz" geheißen –, und das ist in der Broda-Zeit per 1. Jänner 1975 durch ein völlig neu gestaltetes – inhaltlich und auch in der Diktion neu gestaltetes – Gesetz, das Strafgesetzbuch, ersetzt worden.

Broda beziehungsweise sein Haus haben in dieses völlig neue Gesetz Bestimmungen aufgenommen und andere Bestimmungen nicht aufgenommen. Ich möchte es nicht werten, ob es nachvollziehbar und vernünftig war, daß Broda die Ehestörung herausgenommen hat, das heißt, in das neue Gesetz die Ehestörung nicht hineingebracht hat, den Ehebruch aber schon. Aber wenn man auf dem Boden der Tatsachen bleiben möchte, dann muß man darauf hinwiesen, daß ins Brodasche Strafgesetzbuch zwar der Ehebruch, nicht jedoch die Ehestörung aufgenommen wurde. (Abg. Dr. Mertel: Gott sei Dank!) In dieser Hinsicht kann man sich nicht auf den historischen Verordnungs- und Gesetzgeber des Jahres 1852 ausreden. (In Richtung des inzwischen zu seinem Platz zurückgekehrten Abg. Dr. Jarolim): Kollege Jarolim! Ich habe mich mit Ihnen und Ihrer tatsächlichen Berichtigung auseinandergesetzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Problemkreis zwei ist die Sache mit der Diversion, mit dem außergerichtlichen Tatausgleich. Es reagieren viele, die – ich möchte fast sagen: irrtümlich – zugestimmt haben, vor allem die Freunde von der ÖVP, noch immer sehr allergisch, wenn man sie mit der Wahrheit konfrontiert.

Frau Kollegin Fekter! Ich lese § 207 des Strafgesetzbuches vor: "Sexueller Mißbrauch von Unmündigen. Wer ... eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornimmt oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen läßt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."

Ich lese gleich noch etwas vor, zur Kinderpornographie, die wir so gerne und so oft bemüht haben, § 207a, "Pornographische Darstellungen mit Unmündigen": "Wer eine bildliche Darstellung einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, daß es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist, 1. herstellt oder zum Zweck der Verbreitung einführt, befördert oder ausführt oder 2. einem anderen anbietet, verschafft, überläßt, vorführt oder sonst zugänglich macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen." Sogar nur bis zu zwei Jahren!

Schöffenzuständigkeit gilt für beides nicht! (Abg. Dr. Fekter: Wenn es zwei sind, aber schon!) Es gibt drei Voraussetzungen: Das eine ist die Strafbarkeit bis zu fünf Jahren, die von Ihnen immer wieder fehlinterpretiert wird, weil Sie es nicht wissen. Bitte machen Sie sich die Mühe oder beauftragen Sie einen Sekretär, daß er Ihnen aus dem Strafgesetzbuch einmal herausschreibt, was alles unter den Strafrahmen bis fünf Jahre fällt! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie werden staunen: Darunter fällt nahezu die gesamte Schwer- und Schwerstkriminalität! (Abg. Dr. Fekter: Lesen Sie doch das Diversionsgesetz! Einzelrichterzuständigkeit!) Aber Sie wissen es nicht, weil Sie damit wenig zu tun haben und weil Sie sich nicht der Mühe unterziehen, es anzuschauen. Da gehen Sie lieber heraus und begrapschen andere, die sich damit auseinandersetzen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Einzelrichterzuständigkeit haben wir beschlossen!)

Noch etwas sage ich Ihnen dazu: Wenn Sie immer wieder behaupten, daß jemand an der Diversion nicht teilnehmen muß, so haben Sie damit schon recht – aber sie findet dann ohne ihn statt! Er muß nicht daran teilnehmen, er kann sich auch nicht darum kümmern, was auf seinem Rücken geschieht. (Abg. Dr. Fekter: Einzelrichterzuständigkeit haben wir beschlossen!) Wenn immer wieder gesagt wird, daß er nicht teilnehmen muß, dann ist das, bitte, nicht einmal die halbe Wahrheit, sondern das ist eine Chuzpe. Denn in Wahrheit geschieht die Diversion, ob er daran teilnimmt oder nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ähnlich verhält es sich mit den Vorgängen hier. Denn im Zivilbereich ist es die Mediation, die so hochgelobt wird, im Strafbereich der außergerichtliche Tatausgleich. Es ist immer wieder dasselbe: Sogenannte fortschrittliche Bereiche aus der linken Hälfte dieses Saales wünschen sich etwas. Zunächst ist die ÖVP dagegen, denn sie fürchtet sich vor ihren Wählern und überhaupt vor den Bürgern. Dann treten ihre Repräsentanten vor die Medien und sagen: Verlaßt euch darauf, wir halten die Stellung!

Irgendwann aber wird die berühmte Scheibe der Salami abgeschnitten. Bei der ÖVP stellt sich dann heraus – wenn man in den Reihen diskutiert, während hier heraußen darüber gesprochen wird –, daß die Freunde dort sagen: Ist das wirklich so? Wir haben uns das gar nicht angesehen! (Abg. Dr. Fekter: Nein! Die halbe Wahrheit! Immer nur die halbe Wahrheit!) – Anschließend trauen sie sich nicht, den Schritt zurück zu machen, weil sie sich vor ihren Wählern fürchten.

Genauso ist es auch in diesem Fall. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Da gehen Sie heraus und loben, daraufhin kommt Frau Kollegin Konrad und sagt: Das war einmal ein Teilstück, wir haben noch viel im Köcher – so wie auch die Frau Bundesministerin –, aber wir hoffen, es wird bis zur nächsten Scheibe der Salami nicht so lange dauern.

Sie von der ÖVP sind immer dabei und führen das Messer, wenn die nächste Scheibe der Salami abgeschnitten wird! – Das wollte ich sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.50

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Brinek mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

12.50

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Zu meinem Vorredner: Auch langjährig mit der Materie vertraut zu sein, schützt vor Irrtum nicht. Ich vertraue meiner Justizsprecherin und den übrigen Experten hier im Haus. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Beifall bei der ÖVP. – Abg. Madl: Das ist ein Argument!?) Die ÖVP hat überhaupt keine Veranlassung, nicht hinzutreten und die Dinge beim Namen zu nennen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.)

Herr Exminister Ofner! In vielen Justizmaterien gehen wir den Weg der kleinen Schritte. Das ist nicht Salamitaktik, wie Sie uns vorwerfen wollen, sondern es ist das maßvolle Angleichen an reale und gesellschaftliche Verhältnisse. Wenn Sie Radikal- und Ho-ruck-Politik machen wollen, dann machen Sie sie! Wir gehen da nicht mit. Machen Sie sich darüber keine Illusionen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Die gefängnislose Gesellschaft ermöglicht die ÖVP!)

In diesem Zusammenhang wünsche ich mir – und ich bin den Vorrednern dankbar, die darüber aufgeklärt haben, welches gute, hohe Niveau wir auch in der Justizpolitik im Zusammenhang mit den Justizpolitikern Broesigke und Peter aufwiesen –, daß es nicht nur vorwärts in die Zukunft zurück geht, sondern daß wir uns auch vor denjenigen hüten, die in einer bloß ideologischen Zukunft die Chance sehen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Ofner und Abgeordneten der ÖVP.) Die Tatsache, daß wir mit Broesigke auf einem anderen Niveau gearbeitet haben, macht mich ein bißchen stutzig. Ich stehe dazu, daß das hier ein Gesetzeswerk, eine Novellierung ist, die den Weg der kleinen Schritte geht, den Weg der Schritte, die die Menschen erwarten. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Dr. Fekter und Abgeordneten der Freiheitlichen. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.)

Es ist von Vorrednern zitiert worden, daß die Mehrheit der jungen Menschen eine auf Dauer und auf Ehe gegründete Familie haben wollen. Diese Familie soll den Prinzipien der Partnerschaft und der Gerechtigkeit gehorchen. Wenn Sie in der FPÖ andere Gerechtigkeitsvorstellungen haben, etwa solche, die päpstlicher als der Papst sind, dann sagen Sie es. (Abg. Dr. Ofner: Ich habe mich mit dem Verhalten der ÖVP beschäftigt, Frau Kollegin, nicht mit unserem Standpunkt!) Sie haben hier die Position der Kirche dazu gehört. Sie haben hingegen hier auch gehört und zur Kenntnis nehmen müssen, daß Sie das, wofür die Kirche im Beichtstuhl eine Vergebung ausspricht, dem Scheidungsrichter für eine absolute und endgültige Entscheidung in die Hand geben wollen: insgesamt ein Instrument, das "nie und nimmer vergeben" heißt. (Abg. Dr. Ofner: Das war überhaupt nicht mein Thema!) Das maßen Sie sich bitte nicht an, eine auf eine derart rigide Konsequenz ausgelegte Partnerschaft will keiner. (Abg. Dr. Ofner: Nur mit das Messer führen bei der Salami!) Also reden Sie bitte nicht so, als würden Sie eine menschengerechte Politik machen! Junge Menschen wünschen sich das nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wünschen sich die Form, die wir heute beschließen. Das ist auch eine vorläufige Lösung. Das Vorläufige liegt im Schritt für die Bäuerinnen und ihre Pension. Wenn wir die Mitwirkung anders gelöst hätten, hätten wir die Bäuerinnen ins Unrecht gesetzt. Das junge Bauern-Sozialversicherungsrecht muß erst adaptiert werden, es muß erst aus eigener Kraft eine autonome Regelung finden.

Wir von der Volkspartei bleiben dabei, daß das Pensionssplitting nicht durch die Unterhaltsregelung ersetzt wird, wie wir sie heute beschließen werden, weil uns – im Gegensatz zur FPÖ – Kindererziehung wichtig ist. (Erstaunen bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Ofner: Deshalb sperrt ihr alle Kindergärten zu, weil euch die Kinder wichtig sind! Deshalb gibt es in Niederösterreich keine Kindergärten!) Jemand, der sich der Mühe und Freude der Kindererziehung unterzogen hat, diese Frauen und Männer wollen unter bestimmten Umständen diese Zeit bezüglich Pensionsanspruch berücksichtigt haben, sie wollen nicht in ein Versorgungsloch fallen. Die ÖVP bleibt beim Pensionssplitting, und zwar unter der Maßgabe, daß langfristig eine eigenständige Altersversicherung für Frauen und Männer der beste Weg ist.

Wichtig ist auch – wie ich bereits gesagt habe –, daß in bezug auf den Unterhalt für die Frau, die ihn unter bestimmten Bedingungen auch nach der Scheidung haben soll, berücksichtigt wird, daß der Mann – in den meisten Fällen ist er es – wirtschaftlich nicht an die Grenze gerät oder in die Existenzgefährdung geführt wird. Frau Kollegin Kammerlander, ich muß Frau Kollegin Mertel recht geben: Nach Ihrer Variante soll man ja möglichst nicht berufstätig sein, um alle möglichen Quellen der individuellen und staatlichen Unterstützung ausschöpfen zu können.

Wir von der Volkspartei verfolgen ein partnerschaftliches, familienorientiertes Ehe-, Zusammenlebens- und Frauenmodell. Wir kommen mit dieser Novelle der Gerechtigkeit und dem Prinzip der Angemessenheit wieder ein Stück näher. Wenn die FPÖ zu vorchristlichen und mittelalterlichen Rechts- und Gerechtigkeitsvorstellungen, wonach ein Partner den anderen im Eigentum besitzt, zurückkehren will, dann soll sie das tun. (Abg. Dr. Graf: Was haben Sie gegen das Christliche?) Ich trete vor die Wähler hin und sage, was ich für richtig halte! (Beifall bei der ÖVP.)

12.55

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Höbinger-Lehrer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

12.55

Abgeordnete Dr. Liane Höbinger-Lehrer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es fällt mir nach dieser letzten Rede sehr schwer, nicht darauf einzugehen, aber in drei Minuten kann man leider nicht sehr viel machen. Ich möchte mich jedoch dagegen verwahren, daß wir hier als mittelalterlich, als – ich weiß nicht – dem Papst hörig und so weiter verdammt werden.

Ich denke aber, daß in dieser Debatte etwas vergessen wird: Es wird immer über Menschen geredet, aber die Menschlichkeit wird außer acht gelassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist doch folgendes zu sagen: Wenn man eine Ehe eingeht, dann steht, zumindest im Regelfall, am Anfang Liebe, Zuneigung, der Wunsch, ein Leben miteinander zu verbringen. Das kann sich dann verflüchtigen, aber es bleibt auch in späteren Ehejahren – diejenigen von Ihnen, die schon spätere Ehejahre erlebt haben, werden das wissen – zumindest eine tiefe Freundschaft bestehen.

Ich halte es für ganz falsch, daß man das alles jetzt zerstückeln will. Damit spreche ich nicht die ÖVP, sondern die Grünen und die Liberalen an. Ich kann nicht verstehen, daß man, da es so viele Möglichkeiten gibt, andere Formen der Lebensgemeinschaft zu wählen, in die sich der Staat nicht einmischt, die trotzdem Rechte geben, aber keine Pflichten verlangen, diese nicht wählt und die Ehe und alles, was der Staat darin regelt, so sehr verdammt. Irgend etwas muß er ja regeln, denn wir leben in einem Rechtsstaat und in einem Rechtsbereich.

Dieses Gesetz hat sicherlich gute Teile. Ich darf aber einen Punkt herausgreifen, der mich sehr stört. Das ist der § 68a betreffend den verschuldensunabhängigen Unterhalt. Ich glaube, Sie müssen einmal demjenigen Ehepartner – das muß nicht immer nur der Mann sein – erklären, daß er für das, was ihm der andere angetan hat – und er hat ihm etwas angetan: es ist das Leben gestört; ich weiß nicht, ob Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis so etwas schon erlebt haben, ich habe es hautnah erlebt –, bezahlen muß. Dafür muß er lange bezahlen, auch fünf Jahre sind lang. Es ist nicht die alte Frau der Regelfall, die irgendwann einmal ausgeschaltet wird und die sicherlich nicht so viele Liebhaber finden wird, daß sich das dann auszahlt, daß der Ehemann ihr deswegen nichts bezahlen will. Das glaube ich einfach nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Mertel: Jetzt wird es spannend!)

Es ist die junge Frau mit den Kindern! (Abg. Dr. Brinek: Dafür haben wir die Regelungen!) Ja, Frau Kollegin Brinek, das ist die junge Frau, die sich plötzlich nicht mehr nur in den Kindern selbst verwirklichen kann, sondern dazu auch einen Hausfreund braucht. Das soll dann der Ehemann bezahlen – dagegen bin ich, dagegen verwahre ich mich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich denke, Sie sollten das Restrisiko nicht wieder dem Schuldlosen aufbürden, jenes Restrisiko, von dem wir schon im Strafverfahren so viel gehört haben. Das können wir nicht dulden!

Ich habe leider keine Redezeit mehr, obwohl mir noch eine Menge dazu einfiele. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Sehr interessant! – Ruf bei den Freiheitlichen: Zugabe!)

12.59

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Keine Zugabe, sondern eine tatsächliche Berichtigung von Frau Abgeordneter Dr. Fekter. – Bitte.

12.59

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Herr Kollege Ofner hat hier wiederum behauptet, daß Kinderschändung außergerichtlich tatausgleichsfähig sei. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Dazu hat er das Strafgesetzbuch, nämlich den § 207, zitiert.

Es ist falsch, daß § 207 außergerichtlich tatausgleichsfähig ist! – Vielmehr ist richtig, daß nur jene Delikte diversionsfähig sind, die vor dem Einzelrichter abgehandelt werden. Gemäß § 13 Strafprozeßordnung sind aber Vergewaltigung, geschlechtliche Nötigung, Schändung und Unzucht mit Unmündigen vor dem Schöffensenat abzuwickeln und somit nicht tatausgleichsfähig. (Beifall bei der ÖVP.)

13.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bures. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.00

Abgeordnete Doris Bures (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mir steht nicht mehr viel Redezeit zur Verfügung, aber ich möchte doch kurz auf das eingehen, was Kollegin Hörbiger (Abg. Scheibner: Höbinger!), Höbinger – Höbinger-Lehrer, sie versucht ohnedies immer, hier als Lehrer aufzutreten – meiner Auffassung nach völlig zu Unrecht gesagt hat.

In Ergänzung zu all dem, was die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ohnedies schon angeführt haben, ist es mir wichtig, aufzuzeigen, daß dieses Gespenst, die junge Frau, die sich den Tennislehrer nimmt, die junge Frau, die mit einem Geliebten durchbrennt und sich dann vom Mann Unterhalt zahlen läßt, in diesem Fall überhaupt nicht anders geregelt wird. Offensichtlich haben Sie die Vorlage nicht einmal gelesen, denn in diesem Fall gibt es natürlich keine Unterhaltsansprüche. (Abg. Dr. Graf: Aber geh!)

Sie verdrängen absichtlich, worum es geht. Es geht nämlich darum, daß jene jungen Frauen, die ihre Kinder betreuen, eine existentielle Absicherung erhalten, und daß Frauen, vor allem ältere Frauen, die jahrelang die Kinder versorgt und den Haushalt geführt haben, nicht ohne Unterhalt, ohne Existenzsicherung auf der Straße stehen. Würden wir das heute nicht regeln, dann wäre das der Fall, denn es war nämlich in der Vergangenheit so. Ich bin daher sehr froh, daß wir das heute hier beschließen werden – als ersten Schritt. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesministerin Prammer hat ja jene Fälle genannt, in denen für Frauen kein Unterhalt gezahlt wird, obwohl sie 20, 30 Jahre hindurch die Kinder betreut und den Haushalt geführt haben, obwohl sie mit Kleinstkindern nur unter großen Schwierigkeiten einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Gründe dafür, daß kein Unterhalt bezahlt werden muß, sind beispielsweise: wenn die Frau den Mann nicht im Spital besucht, wenn zänkisches Verhalten an den Tag gelegt wird. Wer beurteilt denn heute – die Richter im Scheidungsprozeß? –, wenn das Verschuldensprinzip gilt, welche Vorgänge in einer 10, 20, 30 Jahre dauernden Ehe stattgefunden haben?

Herr Bundesminister! Ich möchte mich abschließend bei Ihnen und Ihrem Ressort, aber auch beim Bundesministerium für Frauenangelegenheiten für diese Vorlage bedanken und sagen: Entstanden ist das Ganze bei einer Enquete zum Thema "Frauen und Recht", bei der eine be-kannte Juristin unter dem Referatstitel "Was erwarten sich Frauen von der Justiz?" gesagt hat – dabei betonte sie vor allem das Wort "warten" –: Und sie warten auf alles. Auf alle Leistungen der Justiz müssen vor allem Frauen warten. – Heute sind wir einen Schritt weitergekommen, und ich bin froh, daß wir in dieser Frage nicht noch länger warten müssen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Wurm. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

13.04

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am Ende der Debatte der Familienrechtsreform – es ist das heute ja schon einmal bemüht worden – in den siebziger Jahren stand eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Oskar Lehner. Er hat sozusagen in einer Zusammenfassung in den Ausblicken Forderungen angeführt und sich deren Erfüllung gewünscht. Ich möchte das heute am Ende dieser Debatte zur Familienrechtsreform, zu dieser Novelle erwähnen.

Ich zitiere: Als noch zu bewältigendes Reformvorhaben wartet eine große Scheidungsreform. Kernprobleme werden sein: die Durchsetzung des Zerrüttungsprinzips und insbesondere die Frage der Verknüpfung von Unterhalt und Verursachung der Zerrüttung. – Zitatende.

Wird nach geltendem Recht ein finanziell Unabhängiger schuldig geschieden, so verliert er seine Ehe, nicht jedoch seine ökonomische Existenz. Ein wirtschaftlich abhängiger schuldig geschiedener Ehegatte hingegen büßt zusätzlich noch seine materielle Grundlage ein. Mit anderen Worten – so Oskar Lehner –: Der Ehegatte, der nicht berufstätig ist, sondern den Haushalt führt und die Kinder betreut, muß sich in der Ehe disziplinierter verhalten und darf aus wirtschaftlichen Gründen und wirtschaftlichen Überlegungen nicht riskieren, schuldig geschieden zu werden.

Da dies in Österreich überwiegend auf die Frauen zutrifft, wäre eine generelle Reform des Scheidungsfolgenrechtes ein weiterer notwendiger Schritt zur Herstellung der sozialen Chancengleichheit der Frau. – In diesem Punkt sind wir weitergekommen, und das ist keine Frage von rechts und links, sondern eine Frage der Gleichstellung, eine Frage der Gerechtigkeit! (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Wenn wir heute hier diese Maßnahmen beschließen, dann muß ich sagen: Mir ist das auch in der einen oder anderen Bestimmung zuwenig weitgehend. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn § 90 ABGB – wie im Ministerialentwurf vorgesehen war – nicht mehr vorhanden wäre, wenn man die Absicherung der landwirtschaftlich Bediensteten, der Bäuerin, anders regeln würde, nämlich im Sozialrecht und nicht über die Ehe. Das ist noch umzusetzen.

Familienpolitik ist ein permanenter Prozeß. Sie ist auch ein sehr ideologisch besetzter Prozeß. Ich würde mir aber wünschen, daß wir von der Politik her nicht nur gesellschaftliche Prozesse nachvollziehen, sondern auch verschiedene Schritte setzen, mit denen wir gestaltend wirken könnten. (Beifall bei der SPÖ und beim Liberalen Forum.)

Zum Schluß – die Redezeit ist kurz – möchte auch ich mich noch einmal bedanken, vor allem für die Erläuterungen, aber auch für das Vorblatt. Es enthält wirklich alles für den Rechtsanwender, da können fast keine Mißverständnisse entstehen. Daran können sich die Familienrichter und -richterinnen und die Rechtsanwälte wirklich anhalten. Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Stabentheiner, Herrn Dr. Stormann, Herrn Sektionschef Dr. Hopf und auch beim Justizminister sowie beim Kollegen Jarolim für die Langmut. Es war ja wirklich nicht einfach, das doch noch zur Beschlußfassung zu bringen. – Es bringt mehr Gerechtigkeit, vor allem für die Frauen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Zweite Wortmeldung; freiwillige Redezeitbeschränkung: 2 Minuten. – Bitte.

13.07

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Ich lasse alle Titel weg, um mich kurz fassen zu können.

Frau Kollegin Fekter hat recht: Es besteht Eigenzuständigkeit des Schöffengerichtes bei § 207.

Aber damit es nicht ganz so lustig wird, darf ich aus demselben Bereich der Sittlichkeitsdelikte andere Bestimmungen anführen – ich sage das gleich auf Widerspruch; wenn irgend jemand etwas findet, was dagegen ist, soll er es gleich sagen –: die Geschlechtliche Nötigung nach § 202, ... (Abg. Dr. Fekter: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Es ist dies auch eine Wortmeldung, Frau Kollegin.

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (fortsetzend): ... die Pornographischen Darstellungen mit Unmündigen – die Kinderpornographie, wie wir sie immer genannt haben – nach § 207a, die Sittliche Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208, die Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209, die Blutschande nach § 211 und der Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses in diesem Zusammenhang nach § 212 sowie die Zuhälterei nach § 216.

Also: Ich nehme § 207 zurück, aber ich glaube, die Auswahl bleibt trotzdem ganz interessant! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort der Frau Berichterstatterin.

Wir treten nun in das Abstimmungsverfahren ein, und ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1926 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von den Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträgen betroffenen Teile, und zwar der Reihe nach, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 1 § 44 in Artikel I eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür eintreten wollen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Minderheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Somit erübrigt sich auch eine Abstimmung der beantragten Änderung der Ziffernbezeichnungen.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen ebenfalls einen Zusatzantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 1 § 44 in Artikel I eingebracht, der denselben Inhalt wie der vorhergehende Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen hat, jedoch nicht wortidentisch ist.

Wer hiefür eintritt, möge ein entsprechendes Zeichen geben. – Dies ist gleichfalls die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Auch in diesem Fall erübrigt sich somit eine Abstimmung der beantragten Änderung der Ziffernbezeichnungen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. I Z 1 § 90 sowie eine neue Fassung des § 1481 in Z 5 bezieht.

So Sie dem zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Damit erübrigt sich abermals eine Abstimmung der beantragten Änderung der Ziffernbezeichnungen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Art. I Ziffern 1 und 5 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Z 7 in Art. I betreffend Streichung des § 1486a vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer neuen Ziffer 1 § 1 in Art. II beinhaltet.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

Es erübrigt sich daher auch eine Abstimmung über die beantragte Änderung der Ziffernbezeichnungen.

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag ebenfalls zu Art. II Z 1 eingebracht, der eine Neufassung des § 1 vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über Art. II Z 1 in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Weiters haben die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Art. II Z 4 § 68a bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über dieselbe Bestimmung in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Daher angenommen.

Die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen sowie die Abgeordneten Mag. Stoisits und Genossen haben je einen gleichlautenden Zusatzantrag zu Art. IV Z 2 § 321 Abs. 1 Z. 1 eingebracht, der nach dem Wort "Ehegatten" die Einfügung der Wortfolge "seinem anders- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten" sowie eine Änderung der Ziffernbezeichnung vorsieht.

Ich werde daher über diese beiden Anträge unter einem abstimmen lassen.

So Sie dem zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Ferner haben die Abgeordneten Dr. Schmidt und Genossen einen weiteren Zusatzantrag zu Art. IV Z. 2 § 321 Abs. 1 Z. 1 eingebracht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Daher abgelehnt.

Damit erübrigt sich abermals eine Abstimmung der beantragten Änderung der Ziffernbezeichnungen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

2. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1775 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 1988 geändert wird (Kartellgesetznovelle 1999 – KartGNov. 1999) (1923 der Beilagen)

3. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 1056/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Erhaltung von Wettbewerb und Marktwirtschaft durch ein stärkeres Kartellrecht (1924 der Beilagen)

4. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag 52/A (E) der Abgeordneten Dr. Jörg Haider und Genossen betreffend Reform des Insolvenzrechtes zur Verbesserung der Sanierungsmöglichkeiten (1925 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 2 bis 4 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet. Wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Krüger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.15

Abgeordneter Dr. Michael Krüger (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die zur Beschlußfassung vorliegende Kartellgesetznovelle stellt selbst nach den Erläuterungen des Ministers lediglich eine kleine Etappe in Richtung eines effizienten Kartellrechts dar. Sie sehen, meine Damen und Herren, daß man bei der Materie Kartellrecht – so wie bei verschiedensten andere Materien – in diesem Hohen Haus innerhalb dieser Legislaturperiode nicht jenes Ergebnis erreichen konnte, das sich die Regierungsparteien vorgenommen hatten. Ob es der Medien-bereich ist, in dem ein völliges Versagen der Regierungsparteien zu beklagen ist, oder auch der jetzt vorliegende kartellrechtliche Bereich: Es bleibt alles beim alten; es wird lediglich ein kleiner Schritt vorwärts gemacht.

Schon bei der Beschlußfassung dieser Kartellgesetznovelle sagen sogar jene, die sich dafür stark machen: Es ist bereits jetzt neuer Reformbedarf gegeben!

Meine Damen und Herren! Ich stelle hier die Frage: Was ist denn das für ein Gesetz, das wir hier im Hohen Haus zu beschließen haben, wenn wir schon am Tag der Beschlußfassung sagen – nicht nur wir von der Opposition vertreten diese Meinung, sondern das sagen auch Vertreter der Regierungsparteien bereits am Tag der Beschlußfassung –, daß diese Kartellgesetznovelle nicht ausreichend ist? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube, eine größere Bankrotterklärung der Regierungspolitik in Sachen Kartellrecht, in Sachen Medienrecht ist kaum vorstellbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ja schon bisher gesehen, daß der Bereich Kartellrecht in Österreich ein Papiertiger ist. Wenn wir über den Tellerrand hinausblicken, stellen wir fest, daß andere Staaten ein ganz anderes Kartellrecht haben, nämlich ein viel schärferes Kartellrecht, ein wirklich effizientes Kartellrecht zum Schutz auch von Klein- und Mittelbetrieben.

Erst kürzlich haben sich etwa die Firma Hofmann-La Roche und der deutsche Chemiekonzern BASF, die sich zu einem illegalen Kartell in Sachen Vitamine zusammengeschlossen hatten, gegenüber dem amerikanischen Justizministerium freiwillig zu einer Geldstrafe von sage und schreibe 10 Milliarden Schilling verpflichtet. Sie sehen, meine Damen und Herren, daß das Kartellrecht, wenn es entsprechend ausgeformt ist, durchaus in der Lage ist, dem kleinen Kaufmann auf die Sprünge zu helfen, ihn zu begünstigen.

Wie ist das in Österreich? – In Österreich ist das Kartellrecht nicht effizient. Das hat man zuletzt etwa in der Frage des Zusammenschlusses von Rewe und Meinl gesehen. Als die Schrecksekunde vorbei war, hat der Herr Wirtschaftsminister vollmundig erklärt, dies sei kein Problem für ihn, er zieht die Materie von Brüssel nach Österreich, und hier in Österreich werde entschieden, daß dieser Zusammenschluß rechtswidrig ist.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, daß der ÖVP-Wirtschaftsminister auch dieses Mal den Mund viel zu voll genommen hat und versucht, der Öffentlichkeit ein X für ein U vorzumachen, denn die Kartellbehörden in Brüssel haben sich keineswegs damit einverstanden erklärt, daß das in Österreich vom Kartellgericht und Kartellobergericht administriert wird, sondern haben dem Herrn Wirtschaftsminister die lange Nase gezeigt und selbst entschieden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht zufrieden, und das kleine und mittlere Gewerbe in Österreich können nicht zufrieden sein mit dem Spruch und mit dem Judikat der Brüsseler Behörden im Zusammenhang mit diesem Zusammenschluß, denn was ist denn das für eine Kartellentscheidung von Brüssel, die dem Rewe- und dem Meinl-Konzern gebietet, das einzige Lebensmittelgeschäft für die Nahversorgung in Enns, am Ennser Stadtplatz, zuzusperren? Das kann doch nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Da wären der Wirtschaftsminister und der Herr Justizminister aufgefordert, entsprechende Abhilfe zu schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Frage des Verbotes des Verkaufs unter dem Einstandspreis: Wir sind im Prinzip dafür, daß man dem kleinen und mittelständischen Handel entsprechende Hilfestellung bietet. Sogar der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, daß öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Nahversorgung durch Verhinderung der Verdrängung kleiner und mittlerer Unternehmen am Markt besteht.

Meine Damen und Herren! Dieses öffentliche Interesse findet nicht das Interesse der ÖVP, die in ihren Sonntagsreden davon spricht, daß sie den kleinen und mittleren Gewerbetreibenden hilft. Kein Wort davon ist wahr, ganz im Gegenteil: Es wird keine Mittelstandspolitik betrieben, es wird keine Politik für den kleinen Gewerbetreibenden etwa in der Frage der Nichtbesteuerung des nichtentnommenen Gewinnes betrieben. Diese kleinen Strukturen werden letztlich durch die Gesetze, die Sie vom Wirtschaftsbund hier im Hohen Haus befürworten, sukzessive zerstört. Ein zahnloses Kartellgesetz wird nicht zu einem effizienten Kartellgesetz, wenn man einen einzigen Zahn einpflanzt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.21

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

13.22

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch die heute diskutierte Kartellgesetznovelle ist eine Novelle, über die hinaus man natürlich Regelungen hätte beschließen können, die Vorlage soll aber in sich auch nicht unterbewertet werden.

Zum Redebeitrag des Herrn Kollegen Krüger ist folgendes zu sagen: Man muß nicht auf das amerikanische Justizministerium verweisen, um zu zeigen, daß sehr hohe, abschreckende Strafen verhängt werden können. Auch die europäischen Instanzen können dies tun. Das europäische Kartellgesetz ist an sich ein sehr scharfes Gesetz. Es hat, wie wir alle wissen, beispielsweise bei VW zu doch erheblichen Geldstrafen geführt. Das heißt, der europäische Rahmen für ein wirksames Kartellgesetz ist vorhanden.

Auch das österreichische Kartellgesetz ist in der derzeitigen Fassung wesentlich bißstärker, als es vielleicht den Anschein erweckt. Wenn man in der Regierungsvorlage den Satz findet, daß der Wirtschaftsminister angekündigt hat, künftig in vermehrtem Ausmaß von dem dem Bund eingeräumten Antragsrecht Gebrauch zu machen, so ist das wohl der Beweis dafür, daß in der Vergangenheit von den bestehenden Rechtsinstrumentarien offenkundig nicht genügend Gebrauch gemacht worden ist. Ich würde also appellieren, daß wir, wenn wir hier Änderungen diskutieren und letztlich beschließen, auch berücksichtigen, was alles aufgrund der derzeit bestehenden Normen bereits möglich wäre. Rechtsanwendung und Rechtssetzung sind zwar unterschiedliche Paar Schuhe, man muß sie allerdings jeweils im Zusammenhang berücksichtigen.

Die Kernbestimmung der Kartellrechtsänderung ist die Amtswegigkeit. Zukünftig soll das Kartellgericht von sich aus prüfen können – was insbesondere im Fusionsrechtsbereich sehr wichtig ist –, wohingegen derzeit die Amtsparteien, wenn ihnen daran gelegen ist, einen Prüfungsantrag stellen können. Wir wissen – das ist auch in der Regierungsvorlage ausgeführt –, daß es Fälle gibt, in denen derartige Bedürfnisse nicht geortet werden. Daher denke ich, daß diese Maßnahme gut ist.

Darüber hinaus sollte es aber so sein, daß wir auch über die Person eines Kartellanwaltes, den wir gefordert haben, weiter diskutieren, weil es sicher sinnvoll ist, über die derzeitige Regelung hinaus noch etwas zu schaffen, das sicherstellt, daß der bestehende Regelungsbestand noch schlagkräftiger angewendet wird.

In Summe ist dies daher ein Gesetz, das in die richtige Richtung weist. Die Diskussion darf nicht beendet sein, sie muß weitergehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Peter. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.24

Abgeordneter Mag. Helmut Peter (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ja, ja, Herr Dr. Jarolim! Die Diskussion muß weitergehen. – Sie geben uns hier als Vorlage nicht ein fertiges Kartellrecht, sondern Sie lassen den Nationalrat einmal einen Zwischenstand beschließen. Das halte ich für nicht sehr befriedigend.

Herr Bundesminister! Sie kennen natürlich den letzten OECD-Bericht, der uns einen Überblick über den Fortschritt bei der Lösung der OECD-Vorschläge hinsichtlich einer unabhängigen Wettbewerbsbehörde gibt. Die Regierung hat darauf geantwortet, daß sie sich über begrenzte Reformen einigen wird. Das stimmt. Die OECD meint richtigerweise: Als Auftrag soll eine Überprüfung gemäß den Anforderungen der EU-Gesetzgebung und die Vollendung der Reformen, darunter die Schaffung einer neuen unabhängigen Wettbewerbsbehörde, erfolgen. – Das ist der ganze Knackpunkt.

Der Knackpunkt Ihrer gesetzlichen Vorschläge ist es, daß versucht wird, sich über diese unabhängige Kartellbehörde hinwegzuturnen. Sie machen also das Kartellgericht gleichzeitig auch zum Ankläger; es ist Ankläger und Richter gleichzeitig. Dann gibt es die Sozialpartner, die auch noch Ankläger und Gutachter sein dürfen und noch als Schöffen, als Richter dabeisitzen. Das ist eine Art der Gerichtsbarkeit, die, so glaube ich, während der Französischen Revolution geherrscht hat. Da standen aber die Urteile schon im vorhinein fest.

Meine Damen und Herren! Das Kartellrecht ist viel zu wichtig, als es hier in sehr kleinen Schritten weiterzuentwickeln. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Unsere Märkte verändern sich so schnell, daß derjenige, der Märkte befreit, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen muß. So wie es eine originäre staatliche Aufgabe ist, die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens zu definieren, und zwar im sozialen, im ökologischen, im wirtschaftlichen und im rechtlichen Bereich, ist es auch eine originäre staatliche Aufgabe, Wettbewerb, der in Märkten stattfindet, begleitend zu kontrollieren. Natürlich ist es das Ziel jedes Unternehmens – ob es nun die Treibstoffverschleißer in Österreich, die Mineralölkonzerne, die Braubeteiligungs-AG, die KROKUWAZ oder viele andere sind –, ist es jedem Unternehmen inhärent, eine Monopolstellung zu erringen und damit letztlich den Markt und die Kunden auszubeuten. Aber es ist eine originäre staatliche Aufgabe, über einen Kartellanwalt, der von sich aus den Markt beobachtet, genau diese Tendenzen zu verhindern und zu garantieren, Herr Dr. Jarolim, daß das Entdeckungsverfahren auf dem Markt überhaupt erst funktionieren kann. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Sie sitzen für eine Regierungsfraktion im Justizausschuß, Sie tragen mit Verantwortung für diesen Gesetzentwurf, den Sie uns vorgelegt haben. Dieser ist aber im weitesten Maße ungenügend, Herr Doktor. Sie wissen, daß er ungenügend ist. Warum haben Sie nicht den Mut, gemeinsam mit einem parteiunabhängigen Justizminister, auch wenn es da und dort Widerstände von seiten der Sozialpartner gibt, zu sagen: Wir brauchen euch nicht als Ankläger, Gutachter und Richter!?

Das, was wir brauchen, ist eine unabhängige Kartellbehörde, ein Kartellanwalt, der im Bereich des Justizministers angesiedelt ist, der dieselben Rechte und Pflichten wie ein Staatsanwalt in Österreich hat, der selbstverständlich auf die Instrumente der Wirtschaftspolizei und alle Erkenntnisse aus den Voruntersuchungen und den Vorerhebungen zugreifen kann, der garantiert, daß marktbeherrschende Stellungen nicht zu Lasten der Konsumenten oder zu Lasten der Nachfrager oder zu Lasten der Anbieter ausgenutzt werden können; es gibt ja Kartelle auf beiden Seiten – im Bereich der Anbieter und im Bereich der Nachfrage.

Heute hat uns der Wirtschaftsbund in einer "grandiosen" Presseaussendung wissen lassen, wie toll doch das geregelte Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis für die Verbesserung der Nahversorgung ist. – Das ist wieder so ein ÖVP-Placebo. Frau Dr. Fekter, das glauben nicht einmal Sie, daß Sie den Einkaufspreis kontrollieren können! Welche Bürokratie wollen Sie denn dorthin hetzen? (Abg. Dr. Fekter: Wollen Sie weiter zuschauen?)

Herr Hartlauer hat in einer Presseaussendung ganz klar gesagt: Schauen Sie, wenn ich Filme, Filmapparate oder was auch immer billiger verkaufen möchte, dann bekomme ich von meinen Lieferanten aus Japan, aus Amerika oder sonstwoher eine Rechnung, auf der genau der Einstandspreis steht, wodurch ich dann mit 20 Prozent Aufschlag immer noch kostengünstiger bin als ein kleiner Händler.

Sie können das nicht reglementieren. Sie können die Nahversorgung nicht durch Reglementierungen schützen. Sie können aber folgendes machen: Sie können den Nahversorgern durch Liberalisierung der Gewerbeordnung, der Ladenöffnungszeiten und so weiter die Chance geben, beweglicher und schneller zu werden. Das, was Sie jetzt mit dem Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis beschließen, ist absoluter wirtschaftspolitischer Holler. Es wirkt nicht. Es ist sinnlos. Es ist nicht kontrollierbar. Es funktioniert nicht.

Frau Dr. Fekter! Das Schlimme dabei ist, Sie wissen das, und trotzdem ... (Abg. Dr. Fekter: Sie wollen zuschauen und die Großen immer noch größer machen und die Kleinen sterben lassen!) – Aber das ist doch nicht wahr! Sie erreichen damit überhaupt nichts, Frau Dr. Fekter, und Sie wissen, daß Sie damit nichts erreichen. Das ist ein Placebo, das Sie über den Wirtschaftsbund in Ihren Aussendungen herumreichen. Sie können den Verkauf unter dem Einstandspreis nicht kontrollieren. Er ist in einer offenen Wirtschaft nicht kontrollierbar. Sie wissen das, und Sie machen den Menschen trotzdem ein X für ein U vor. (Beifall beim Liberalen Forum. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.) – Diese Regelungen funktionieren auch dort nicht, Frau Dr. Fekter, weil sie nicht kontrollierbar sind. Das wissen Sie, das weiß ich. Sie machen es trotzdem, damit Sie den Nahversorgern irgendwelche Hoffnungen machen, die zu nichts führen werden.

Herr Bundesminister! Die Kartellgesetznovelle – Sie wissen es ja ohnehin –, die Sie uns vorgelegt haben, ist wirklich nur ein erster zahmer Schritt. Sie ist besser als nichts, aber unsere Zustimmung werden Sie zu solchen Schrittchen nicht bekommen können.

Meine Damen und Herren! Deregulierung führt nur dann zu mehr Wettbewerb und damit zu besseren Leistungen für die VerbraucherInnen, wenn sie auf funktionierenden Märkten stattfindet. Das sollte das Kartellgesetz garantieren.

Zum Antrag 52/A (E) des Dr. Haider: Da ist ein alter Herr doch noch einmal auf die Tagesordnung gerutscht, aber mittlerweile wurde ein Insolvenzrechtsänderungsgesetz, ein Unternehmensreorganisationsgesetz beschlossen. Dieses Unternehmensreorganisationsgesetz sollte eigentlich das "Chapter 11-Verfahren" ersetzen. Herr Bundesminister! Solange Sie und wir jedoch nicht durchsetzen, daß es zu diesem Unternehmensreorganisationsgesetz auch eine steuerliche Freistellung der Sanierungsgewinne gibt, so lange wissen Sie, weiß auch Frau Dr. Fekter als Obfrau des Justizausschusses, daß dieses Unternehmensreorganisationsgesetz eine parlamentarische Leiche ist. Es wird bis heute nicht benützt, und es ist seit über einem Jahr in Kraft. (Bundesminister Dr. Michalek: Präventiv nur!) – Das ist aber nett, was Ihnen jetzt eingefallen ist. (Bundesminister Dr. Michalek: Das habe ich schon in der Debatte hier gesagt!) – Gut.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir halten fest: Wir haben ein Präventionsgesetz beschlossen, das so gut ist, daß niemand mehr pleite geht und es braucht. (Bundesminister Dr. Michalek: Weniger!) – Ich danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

13.31

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.31

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Werter Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Haigermoser: Das ist nicht der Tag der Fekter heute!) – Doch, das glaube ich schon, Herr Kollege Haigermoser! Justizangelegenheiten zu Beginn der Tagesordnung zu debattieren, das ist der Tag der Fekter. (Abg. Haigermoser: Ein Fettnapf nach dem anderen!) Führen wir sonst Justizdebatten immer spät um Mitternacht, sind wir heute in der glücklichen Lage, daß wir sogar Zuhörer haben. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Ein schlechter Tag! – Abg. Haigermoser: Das ist nur noch ein Beobachten, was Sie in den Reihen der ÖVP tun!)

Das Thema lautet: verzerrter Wettbewerb durch kartellähnliche Zusammenschlüsse; verzerrter Wettbewerb, der zu massiven Schlagzeilen in den Medien geführt hat (Unruhe bei den Freiheitlichen – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen), beispielsweise übernimmt der deutsche Rewe-Konzern, der schon die Billa-Lebensmittelkette geschluckt hat, auch Teile von Julius Meinl.

Oder beispielsweise in Ostösterreich wird ein Skandal in der Baubranche bekannt (Abg. Haigermoser: Das Schlimme an dem Ganzen ist, daß Sie offenbar das selbst glauben, was Sie sagen!): Firmen sollen durch Preisabsprachen und fingierte Angebote eine Art Kartell gebildet haben.

Es gibt auch die Schlagzeile, daß seit Wochen große Lebensmittelketten verschiedene Produkte angeblich unter dem Einstandspreis verkaufen.

Oder erinnern Sie sich an die Debatte, die wir hier im Hohen Hause über den angeblich zu hohen Benzinpreis geführt haben!

All diese verzerrten Wettbewerbssituationen durch kartellähnliche Zusammenschlüsse haben dazu geführt, daß wir das Kartellrecht novelliert haben, damit der Markt funktionieren kann, damit fairere Bedingungen herrschen. Ich bin nicht so pessimistisch wie Sie, Herr Kollege Peter, ich glaube, daß wir mit den jetzigen Regelungen sehr wohl fairere Bedingungen schaffen.

Da ist einmal das amtswegige Prüfungsverfahren. Ich halte es nicht für so aussichtslos, daß das Kartellgericht Mißstände von sich aus aufgreift und daß dort das Prüfungsverfahren amtswegig eingeleitet wird. Es ist auch so, daß wir das Verbotsprinzip für Verhaltenskartelle normieren. Aus meiner Sicht ist das ein großer Schritt in die Richtung, die Sie sich ja auch wünschen. (Abg. Mag. Peter: Was ist mit den Verbandsempfehlungen? Gibt es die immer noch?)

Es ist auch so, daß wir per Gesetz gesetzliche Vermutungen festlegen: daß beispielsweise bei einem Marktanteil von mindestens 30 Prozent eine marktbeherrschende Stellung gegeben ist.

Es ist weiters festgelegt, daß der sachlich nicht gerechtfertigte Verkauf unter dem Einstandspreis eine Mißbrauchsposition darstellt, daß Marktmißbrauch herrscht. (Abg. Mag. Peter: Wie hoch ist der Einkaufspreis bei Schotter?) Damit ist außerdem eine Beweislastumkehr verbunden; ähnliches gilt für unangemessene Zahlungsfristen und Verzugszinsen.

Außerdem ist es auch so, daß wir die Beseitigung der Anzeigepflicht für bestimmte Bagatellbereiche novellieren und eine geringfügige Erhöhung der Aufgriffsschwellen für anmeldebedürftige Zusammenschlüsse durchführen.

Das haben Sie aber nicht kritisiert. Sie haben kritisiert, daß wir erstmals, Herr Kollege Peter, für Kleine und Mittlere tatsächlich etwas getan haben. Mir ist es lieber, wir nehmen einmal etwas in Angriff, auch wenn es vielleicht zuwenig ist, aber wir haben damit zumindest einen Schritt gesetzt. Gemeinsam mit dem amtswegigen Verfahren kann das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis vielleicht doch der Nahversorgung helfen.

Es ist ja so, daß heutzutage die Preiskampfmaßnahmen, nämlich die sogenannte Preisschleuderei, speziell von den Großen gegen die Kleinen betrieben werden. Der Sinn und Zweck dieser Preisschleuderei sind Lockangebote, Sonderangebote – Sie kennen das –, um den Konsumenten in einer gewissen Art zu täuschen, daß man ihm nämlich wirtschaftliche Macht vorgaukelt, die vielleicht nicht gegeben ist, oder daß man auch andere Artikel, die unter Umständen zu überhöhten Preisen verkauft werden, mitverkauft.

Das ist ein internationales Problem, Herr Kollege Peter. Ich halte Ihre Kritik nicht für berechtigt, weil sich nämlich auf internationaler Ebene Länder ähnlich schützen wie wir – zugunsten der Kleinen! In der Schweiz und Spanien beispielsweise stellt man darauf ab, ob mit dem verlangten Preis eine Täuschung des Konsumenten verbunden ist oder ob damit auch eine Täuschung über den Mitbewerber verbunden ist. In Frankreich und Belgien beispielsweise ist der Verlustverkauf striktest verboten, und in Deutschland gibt es seit 1. Jänner 1999 eine kartellrechtliche Regelung beim Verkauf von Produkten unter dem Einstandspreis.

Was ist also so falsch daran, daß wir in Österreich auch unsere kleinen und mittelständischen Betriebe schützen wollen und eine Novelle vorgelegt haben, die diesem Ansinnen mit Sicherheit Rechnung trägt? (Beifall bei der ÖVP.)

13.37

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. – Bitte.

13.37

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung hat nicht unmittelbar mit dem jetzigen Tagesordnungspunkt zu tun. Mir sind jedoch bezüglich der Berichte über die Belastung österreichischer Lebensmittel mit Dioxin Informationen zugekommen, daß nach wie vor in Lebensmitteln – vor allem in Lebensmitteln, deren Zielgruppe Kinder sind, also in Süßigkeiten – Dioxinbelastungen vorhanden sind und daß es keine ausreichende Kontrolle dieser und keine ausreichende Information über diese Belastungen gibt. Es besteht in Österreich nicht einmal die Möglichkeit, entsprechende Kontrollmaßnahmen durchzusetzen.

Gestern erhielten wir auch einen Bericht, daß ein Futtermittelbetrieb geschlossen wurde. Ich habe jetzt gerade die Information bekommen, daß diese Schließung nur eine ganze Stunde gedauert hat.

Ich beantrage daher, Herr Präsident, eine Präsidialsitzung einzuberufen, die sich mit der Frage befassen sollte, ob Frau Ministerin Prammer und Herr Minister Molterer dem Parlament in den laufenden Sitzungstagen einen Bericht und eine Erklärung über diese Materie abgeben sollen.

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: In den laufenden Sitzungstagen, haben Sie gemeint? (Abg. Scheibner: Ja!) – Dann würde ich vorschlagen, da die anderen Klubobleute jetzt nicht im Plenum sind und wir die Verhandlungen über die Tagesordnung möglichst nicht unterbrechen wollen, daß ich den anderen Präsidenten und Klubobleuten darüber Mitteilung machen werde. Wir werden während der laufenden Plenarsitzung darüber beraten und vielleicht irgendwann eine Präsidiale abhalten.

Dann setzen wir in der Rednerliste fort. Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

13.39

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! In der Regierungsvorlage zur Kartellgesetznovelle 1999 gibt es einen ganz bemerkenswerten Überblick. Auf Seite 5 werden die vorgesehenen Änderungen dieser Novelle erläutert – das ist ungefähr so viel, damit Sie das optisch sehen (die Rednerin zeigt einen kleinen Abstand mit Daumen und Zeigefinger) –, und auf der nächsten Seite, auf Seite 6, unter dem Punkt "Fortführung der Reformdiskussion", zählt die Regierung, da es ja eine Regierungsvorlage ist, das auf, was eigentlich alles geschehen sollte oder geschehen wird. Das ist aber so viel (die Rednerin zeigt einen größeren Abstand mit Daumen und Zeigefinger) – nur um Ihnen optisch zu verdeutlichen, wie intensiv diese Novelle vom Inhalt her ausgefallen ist.

Das, was noch fehlt, und das, was – das meine ich jetzt nicht ironisch, sondern ernsthaft – der Herr Bundesminister – das hat er im Ausschuß auch versichert – als notwendige Schritte in der Reform des Kartellrechtes sieht, ist weit mehr als die Reform, um die es heute geht, wiewohl ich auch nicht verhehle, daß das, was Inhalt der Reform ist, durchaus zu begrüßen ist und grundsätzlich keine Verschlechterung der gegenwärtigen Gesetzeslage in dem Sinn, wie wir uns das vorstellen, darstellt, sondern grundsätzlich positiv ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber ganz wesentliche Punkte, die sich in den letzten Jahren gezeigt haben, wurden eben nicht aufgenommen. Kollege Peter hat in seinen Ausführungen schon einen wesentlichen Punkt erwähnt: Trotz der Einführung der Amtswegigkeit des Kartellverfahrens ist die Gelegenheit nicht wahrgenommen worden, die Kartellgerichtsbarkeit neu zu organisieren. So spezifische Ausformungen, die österreichische Spezialität etwa, daß die Sozialpartner – mit "Sozialpartner" sind die Bundesarbeitskammer, die Bundeswirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer gemeint – in der österreichischen Kartellgerichtsbarkeit in einem Verfahren gleichzeitig Ankläger, Gutachter und Richter sind und niemand etwas dabei findet, kann man nicht mehr mit rechtsstaatlichen Grundsätzen tatsächlich als vereinbar betrachten. Und hier ist kein Schritt dazu gesetzt worden, das abzuändern. – Das ist einer der wesentlichsten Kritikpunkte, die sie sich auf das beziehen, was eben nicht in der Novelle enthalten ist.

Aber mir ist es noch wichtig, einen zweiten Punkt zu erwähnen, der die Ablehnung dieser Novelle von seiten der Grünen begründen soll, nämlich die Frage der Medienfreiheit, der Medienvielfalt, die eine besonders sensible demokratiepolitische Frage ist. Im Rahmen der letzten großen Novelle im Jahre 1993 wurden auch medienspezifische Sonderbestimmungen in das österreichische Kartellrecht aufgenommen, wobei sich jetzt aufgrund in der Praxis gemachter Erfahrungen gezeigt hat, daß durchaus Nachbesserungen notwendig wären. Da geht es vor allem um den publizistischen Mißbrauch der Marktmacht, und das ist in dieser Novelle gänzlich unberücksichtigt geblieben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist einer der ganz sensiblen Punkte, wenn im Medienkartellrecht diesbezüglich keine Vorsorge getroffen wird. Wir wissen es alle, und wir sind sozusagen täglich mit den Auswirkungen dieser gesetzlichen Bestimmungen konfrontiert. Niemand hier ist so blauäugig, zu sagen, daß Entflechtungsbestimmungen notwendig sind, einfach so ins Blaue gesprochen, sondern es wird tatsächlich von allen seriös verlangt, daß, wenn es ein Ende der Besserstellung jener Unternehmen geben sollte, die Nutznießer der Bestimmungen des neuen Kartellrechts, also all dessen, was nach dem Jahr 1993 in Kraft getreten ist, gewesen sind, auch wenn es eine rückwirkende Entflechtung geben sollte, dies selbstverständlich im Rahmen von zumutbaren Übergangsbestimmungen zu geschehen habe. In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, sollte für die Prüfung von Zusammenschlüssen, die eben vor der letzten Novelle durchgeführt worden sind, auch eine gesetzliche Grundlage, nämlich das Muß und die Notwendigkeit, geschaffen werden. Aber, bitte, das ist in dieser Novelle nicht enthalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da es eben um einen so demokratiepolitisch sensiblen Punkt geht, können wir uns mit dieser ganz kleinen Novelle, die von allem zeugt, nur nicht von der vielgepriesenen Arbeitsenergie dieser Bundesregierung, nämlich der beiden Koalitionsparteien, was die inhaltliche Gestaltungskraft angeht, nicht zufriedengeben. Daher lehnen wir diese Novelle heute ab. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister für Justiz Dr. Michalek. – Bitte, Herr Bundesminister.

13.45

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende Kartellgesetznovelle ist keineswegs bloß eine hastige Vorausleistung für eine dringend notwendige Gesamtreform (Abg. Mag. Peter: Von "hastig" war keine Rede! Wir haben lange genug gewartet!) – aber im Ausschuß ist das so gesagt worden –, sondern sie stellt einen durchaus selbständigen weiteren wichtigen Schritt in der schon bisher eingeschlagenen Richtung einer schrittweisen Weiterentwicklung des österreichischen Kartellrechts dar.

Im Begutachtungsverfahren haben das alle begutachtenden Stellen, insbesondere die Stimmen aus der Praxis, wie aus dem Bereich der Richter, der Rechtsanwälte und auch der Rechtswissenschafter, durchaus bestätigt und die Novelle einhellig begrüßt.

Was den Inhalt anlangt, so möchte ich auf das aus meiner Sicht sozusagen Kernstück des Gesetzentwurfes näher eingehen, nämlich auf die vorgesehene Möglichkeit des Kartellgerichts zum amtswegigen Einschreiten, ein Einschreiten, das die Wirksamkeit unseres Kartellrechts vor allem im Bereich der Zusammenschlußkontrolle steigern soll.

Gegen diese Änderung sind von verschiedenen Seiten, sozusagen von unterschiedlichen Richtungen, Bedenken vorgebracht worden. Einerseits soll es rechtsstaatlich bedenklich sein, daß das Kartellgericht gleichzeitig gewissermaßen Ankläger und Richter ist. Dem muß ich entschieden entgegenhalten, daß amtswegiges Einschreiten im Außerstreitverfahren durchaus üblich ist und das überdies das allgemein übliche Prinzip auch im internationalen Vergleich ist, nach dem Kartellbehörden arbeiten. Das gilt sowohl für das vielgepriesene deutsche Kartellamt als auch für die Kommission als Wettbewerbsbehörde der EG.

Der andere Einwand wieder geht dahin, daß das Kartellgericht der ihm künftig zugedachten Aufgabe mit Rücksicht auf seine beschränkten personellen Ressourcen nicht gerecht werden könnte. Dabei möchte ich aber doch darauf hinweisen, daß die neu eingeführte, aus meiner Sicht wichtige Amtswegigkeit ja nicht, wie etwa für das deutsche Kartellamt, die einzige und allumfassende Grundlage seiner Tätigkeit ist, sondern nur eine zusätzliche Möglichkeit in jenen Fällen, in denen das bisherige – auf Anträge durch Amtsparteien und gegebenenfalls betroffene Unternehmer gestützte – System, aus welchen Gründen immer, faktisch nicht wirksam ist.

Überhaupt möchte ich feststellen, daß es keineswegs so ist, daß unser österreichisches Kartellrecht im materiellen Bereich oder in der Möglichkeit seiner Durchsetzung gegenüber vergleichbaren Rechtsordnungen, etwa in der Bundesrepublik Deutschland oder auch im Vergleich zum EG-Recht, gravierende Defizite aufweist. Natürlich, es gibt verschiedene Wege zum zu erreichenden Ziel, und über die eine oder andere Verbesserung soll durchaus auch noch weiter gesprochen werden. Jedenfalls aber ist es eine echte österreichische Errungenschaft, dem betroffenen Unternehmer im kartellgerichtlichen Verfahren Antragsrecht und Parteistellung zu geben, die ihm weder im Wettbewerbsrecht Deutschlands noch im Wettbewerbsrecht der EG zukommen.

Wir sind uns natürlich dessen bewußt, daß es notwendig sein wird, dem Kartellgericht personelle Ressourcen sowohl im richterlichen Bereich als auch im Bereich einschlägig akademisch ausgebildeter Hilfspersonen zur Verfügung zu stellen. Es wird sich das aber durchaus in Grenzen halten können. Wir sind bemüht, dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen, und haben im Finanzministerium schon die entsprechenden Anträge gestellt.

Wir sind uns auch dessen bewußt – es wurde schon auf die diesbezüglichen langen Passagen im Allgemeinen Teil der Erläuternden Bemerkungen hingewiesen –, daß die Entwicklung des österreichischen Kartellrechts mit der vorliegenden Novelle auch nicht vorläufig abgeschlossen ist.

Der Gesetzgeber wird gehalten sein, gerade auch auf diesem Gebiet die Rechtsordnung den ständigen Veränderungen im Wirtschaftsleben, mit denen wir nicht zuletzt in einem immer mehr zusammenwachsenden Europa konfrontiert sind, auch anzupassen.

Mit gutem Grund ist daher in den Erläuterungen von der Fortführung der Reformdiskussion die Rede. Konkret geht es um verschiedene Anliegen, die in den der Erstellung der Regierungsvorlage vorangegangenen Gesprächen von einzelnen Beteiligten, auch von uns, vorgebracht worden sind und die in die Regierungsvorlage nicht aufgenommen wurden, weil sie noch einer weiteren eingehenden Erörterung bedürfen, wobei auch die Erfahrungen mit der Anwendung der vorliegenden Novelle zu berücksichtigen sein werden.

Zu diesen Fragen gehört auch die Schaffung eines bundesweit zuständigen Kartellanwalts, von dem auch heute schon die Rede war. Auch wenn eine solche Institution von verschiedenen Seiten gefordert wird, müssen ihre rechtlichen Grundlagen, insbesondere ihre Stellung zwischen Kartellgericht und verantwortlichem Ressortleiter, sowie die Einzelheiten der Befugnisse und der Organisation noch gründlich überlegt werden.

In der fortzuführenden Diskussion werden wir auch auf die weitere Entwicklung auf europarechtlicher Ebene Bedacht zu nehmen haben. So könnte sich eine Änderung der Ausgangslage für unsere weiteren Überlegungen mit Beziehung auf das Zusammenwirken von Kartellgesetz und EG-Wettbewerbsrecht dadurch ergeben, daß, wie Sie wissen, die Kommission Pläne schmiedet, die Anwendung des EG-Wettbewerbsrechts durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die innerhalb bestimmter Grenzen auch derzeit schon möglich und geboten ist, wesentlich auszuweiten und in diesem Zusammenhang auch auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Daraus könnte sich natürlich ein viel weitergehender Anpassungsbedarf auch im innerstaatlichen Recht ergeben. Auch dies wären Umstände, die wir bei den weiteren Bemühungen um eine fortschreitende Entwicklung unseres österreichischen Kartellrechts zu berücksichtigen hätten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.52

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Heinzl. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.53

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Durch einige aufsehenerregende Ereignisse, wie beispielsweise durch den Zusammenschluß Rewe-Meinl, ist im Jahre 1998 wieder eine Diskussion über das gegenwärtige Kartellrecht entstanden. Das ist auch notwendig. Ich glaube nämlich, daß unser Kartellrecht dringend verbesserungsbedürftig ist. Die heute zu beschließenden Änderungen gehen tatsächlich in die richtige Richtung, meiner Meinung nach sind sie aber zu wenig weitgehend.

Wie es in den Erläuterungen der Regierungsvorlage heißt, beschränkt sich die vorliegende Novelle auf jene Gesetzesänderungen, über deren Inhalt grundsätzlich Einigung erzielt werden konnte und denen auch sonst keine Schwierigkeiten entgegenstehen.

Ich glaube, daß man auch Änderungen anstreben sollte, denen zwar Schwierigkeiten entgegenstehen, die aber höchst notwendig sind. So finde ich es sehr bedauerlich, daß die Schaffung eines Bundesanwaltes für Wettbewerbskontrolle nicht möglich war. Dieser Bundesanwalt, Hohes Haus, sollte als unabhängige Behörde beim Justizministerium angesiedelt sein, alle zivilrechtlichen Verstöße gegen das Kartellgesetz von Amts wegen aufgreifen und ein volles Antragsrecht zur Kontrolle der Zusammenschlüsse haben. Die Einrichtung eines solchen Bundesanwaltes wurde zwar von meiner Fraktion vorgeschlagen, konnte aber aufgrund von Widerständen von seiten der ÖVP leider nicht durchgesetzt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In den zuvor erwähnten Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist vom Bundesminister für Justiz auch festgeschrieben worden, daß es einer Fortführung der Reformdiskussion nach der Beschlußfassung dieser Novelle bedarf, und dem möchte ich mich voll anschließen.

Eine Weiterführung der Reformdiskussion ist deshalb notwendig, weil eine funktionierende soziale Marktwirtschaft ein wirklich taugliches Kartellrecht braucht. Deshalb wundert es mich, daß Teile der ÖVP beziehungsweise Vertreter der Wirtschaft bei der Fortgestaltung des Kartellrechtes so zögerlich sind. In Wirklichkeit ist es nämlich so, daß Kartellbildungen einen großen Schaden für die Marktwirtschaft bedeuten und daß es Eingriffe des Gesetzgebers in diesem Bereich dringend bedarf, um eine echt funktionierende soziale Marktwirtschaft erst zu ermöglichen.

Es ist nämlich überhaupt nicht so, meine Damen und Herren, daß die Marktwirtschaft dann bestens funktioniert, wenn der Gesetzgeber möglichst wenig Einfluß ausübt. Das ist eine Illusion, der viele aufsitzen, die aber grundfalsch ist. Erst geeignete Rahmenbedingungen garantieren eine gesunde Marktwirtschaft und gesunde Marktverhältnisse.

Hohes Haus! Mit der heutigen Beschlußfassung der Kartellgesetznovelle 1999 ist ein Fortschritt in diesem Rechtsbereich gelungen, der für die Wirtschaft wie auch für die Konsumenten in unserem Land von großer Bedeutung ist. Ich möchte aber nochmals daran erinnern, daß gerade das Kartellrecht einer ständigen Weiterentwicklung und Anpassung an neue Verhältnisse bedarf und daß wir deshalb die heutige Diskussion in Zukunft werden fortführen müssen, und zwar auch dann, wenn es Widerstand geben sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Haigermoser. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.57

Abgeordneter Helmut Haigermoser (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundesminister! Sie haben fast so getan, als ob es das Konzentrationsproblem in der Wirtschaft erst seit heute gäbe. Wenige Minuten vor Ende dieser Legislaturperiode kommen Sie daher und entdecken, daß etwas getan werden soll, tun aber dann eigentlich Untaugliches oder zu wenig. Und das ist die Peinlichkeit, Herr Bundesminister. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Michalek.) Es gab jahrelang die Diskussionsforderung und Vorschläge zuhauf, welche darin gipfelten, daß ein modernes, fortschrittliches und nicht zahnloses Kartellrecht eingeführt werden soll.

Meine Damen und Herren! Kollege Krüger hat schon ausgeführt, daß Sie dem ganzen Kartellrecht eigentlich nur einen einzigen Zahn gegeben haben. Das Problem der Nahversorgung und der volkswirtschaftlichen Schäden insgesamt, die durch diesen Konzentrationsprozeß entstehen, haben Sie eigentlich nicht behandelt. Sie sind frei nach dem Motto über die politische Bühne gegangen: "Bei unerwünschten Nebenwirkungen fragen Sie einen Arzt oder Apotheker." Sie waren der Arzt, und der Herr Farnleitner war der Apotheker. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Der hat in die falsche Kiste gegriffen. Das ganze Drama beziehungsweise die Peinlichkeit in Sachen Rewe-Meinl ist heute schon erwähnt worden.

Herr Bundesminister! Es wird – und das ist auch von allen Seiten bestätigt worden – mit dieser Novelle überhaupt nichts eingebremst, es wird auch nicht mehr Markt erzeugt, sondern die Großen lachen sich heute schon wieder ins Fäustchen. Das ist das Problem, das im Zusammenhang mit Rewe beziehungsweise Meinl aufgetaucht ist, als Herr Farnleitner zuerst das österreichische Kartellrecht einsetzen wollte, um zu einem Erfolg zu kommen, und dann nach Brüssel pilgerte, mit all den Peinlichkeiten, die darin bestehen, daß, wie Krüger schon ausgeführt hat, der einzige Nahversorger in einem Ort aufgrund einer Verfügung von van Miert zusperren mußte. Das gipfelt darin, daß in einem erst in jüngster Zeit herausgegebenen Weißbuch der EU über die kartellrechtliche Situation auf Seite 22 gesagt wird, daß die Dezentralisierung der Anwendung der Wettbewerbsregeln Zukunft hat. Und Sie sprechen heute davon, daß die EU eigentlich das Problem lösen sollte. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Michalek.) Richtig, bei den Multis wird das Gemeinschaftsrecht ... (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Michalek.)

Herr Bundesminister! Ich zitiere – und da bin ich neugierig, was Sie sagen werden –: In einer auf über 20 Mitgliedstaaten erweiterten Gemeinschaft läßt sich die Feststellung und Ahndung der Wettbewerbsverstöße durch eine Zentralbehörde nicht mehr in effizienter Weise organisieren und somit auch nicht mehr rechtfertigen. – Das heißt also, das nationale Recht muß gestärkt werden. Einmal ist die EU bereit, zu föderalisieren und nationales Recht einzumahnen, und dann tun Sie es nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist doch das Traurige an Ihrem Vorgehen.

Dann heißt es weiter: Die staatlichen Gerichte sind eher in der Lage, bestimmten Ansprüchen der Beschwerdeführer Geltung zu verschaffen – Ende. Na ja, aber das tun Sie ja nicht, das Ganze ist ja zahnlos, Herr Bundesminister! Sie sind wieder einmal ertappt worden! 4 bis 5 ist die Benotung für dieses Gesetz, das Sie uns heute vorgelegt haben!

Wir haben getrennte Abstimmung verlangt, weil wir zumindest den Versuch unternehmen, beim Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis etwas zu verbessern. Wir wollen uns anschauen, ob es Möglichkeiten gibt, da etwas zu verbessern, genauso bei diesen Quasi-Erpressungsversuchen – nennen wir es einmal volkstümlich so – der Multis im Preisbereich. Hier sollte man einen Tatbestand einführen. Dem werden wir in getrennter Abstimmung zustimmen, meine Damen und Herren, weil uns, wie gesagt, der Spatz in der Hand wichtiger ist als die Taube auf dem Dach.

Eine Schlußbemerkung: Gugerbauer, einer der Kartell-Spezialisten Österreichs, hat ja auch eingemahnt – weil Sie so locker gesagt haben, alle wären da Feuer und Flamme in der Begutachtung gewesen; na ja, da gibt es schon einige, die anderer Meinung sind –, daß man mit Geldbußen, mit stark verschärften Geldbußen einiges hätte tun können, und nicht nach dem Motto vorgehen soll: Wir sperren eben einmal die Manager ein, und dann ist die Sache erledigt. Wir sagen: Hohe Geldbußen gegen Konzerne statt Freiheitsstrafen für Manager!

Es wäre besser gewesen, Herr Bundesminister, wenn Sie diesen Forderungen nachgekommen wären und wenn Sie vor allem dem jüngsten Weißbuch der Gemeinschaft nachgekommen wären dahin gehend, daß Sie die entsprechenden Dinge umsetzen beziehungsweise Instrumentarien schaffen, um diese Marktmacht einzudämmen – zum Schutz der Nahversorgung, zum Schutz des Mittelstandes, zum Schutz der klein- und mittelständischen Wirtschaft. Da sind Sie einiges schuldig geblieben, und es ist traurig, daß Frau Fekter heute schon wieder in den Fettnapf getreten ist – so wie in anderen Bereichen – und nicht die Interessen gewahrt hat, die der gesamten Volkswirtschaft zum Nutzen gereicht hätten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.01

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schrefel. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.02

Abgeordneter Josef Schrefel (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben heute schon genug gehört über die Anlaßfälle für die Änderung des Kartellrechts. Dieser Ministerialentwurf des Justizministers, in dessen Erarbeitung das Wirtschaftsministerium und die Sozialpartner eingebunden waren, wurde zur allgemeinen Begutachtung versendet, ist grundsätzlich auf weitgehende Zustimmung gestoßen und stellt eine Weiter-entwicklung des Kartellgesetzes dar.

Der Justizausschuß hat die erwähnte Regierungsvorlage am 9. Juni in Verhandlung genommen.

Die Schwerpunkte der Novelle sind die Regelung, wonach an einen mindestens 30prozentigen Marktanteil die widerlegbare Vermutung des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung geknüpft wird.

Ein weiterer wichtiger Punkt: eine ausdrückliche Regelung des Verkaufs unter dem Einstandspreis als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. – Hier wird dem marktbeherrschenden Unternehmen die Beweislast dafür auferlegt, daß trotz des Anscheins eines Verkaufs unter dem Einstandspreis doch kein solcher vorliegt und daß in solch einem Fall dieses Verhalten sachlich gerechtfertigt ist.

Grundsätzlich geht die neue Regelung davon aus, daß tatsächlich gewährte Preisnachlässe und Rabatte bei der Berechnung des Einstandspreises zu berücksichtigen sind. Der Verkauf unter dem Einstandspreis soll daher nicht mehr möglich sein.

Dieser Preisterror hat die Preisspirale immer weiter nach unten gedreht, und gerade der jüngste Dioxin-Skandal hat gezeigt, daß der scharfe Wettbewerb und der Preisdruck gerade im Lebensmittelhandel Teil der Ursache derartiger Entgleisungen sind. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß es das Beste nicht unbedingt zum besten Preis gibt und daß es für die Qualität der Lebensmittel auch Grenzen des Liberalismus gibt.

Es ist einfach nicht möglich, immer aufwendiger hergestellte und gleichzeitig immer billigere Produkte zu verlangen. Qualität hat nun einmal ihren Preis, und daß der Konsument im Supermarkt zum Billigeren greift und dabei seine Furcht vor Genchemie & Co an der Kasse abgibt, ist auch Allgemeingut.

Schließlich macht das neue Kartellrecht auch ein amtswegiges Einschreiten – wie wir ja bereits gehört haben – möglich, wenn dies im öffentlichen Interesse notwendig ist. Bisher lag die Schwachstelle darin, daß das Kartellrecht nur auf Antrag einer Partei in Anspruch genommen werden konnte. Diese Befugnis zum amtswegigen Einschreiten läßt sich daher mit der Wahrung des öffentlichen Interesses rechtfertigen.

Der nun vorliegende Entwurf samt Abänderungsantrag stellt die Umsetzung der in fachlicher Diskussion gefundenen Lösung dar und wurde auch im Justizausschuß – teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit – angenommen, und ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, um eine möglichst breite Zustimmung zu diesem Kartellrechts-Änderungsgesetz bitten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Huber. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.06

Abgeordnete Anna Huber (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Maßnahmen des Kartellrechts, die heute beschlossen werden, sind sehr zu begrüßen. Es ist aber auch schon mehrfach angeklungen, daß es nur Schritte sind – Schritte in die richtige Richtung, nämlich zu mehr Fairneß und zu faireren Bedingungen auf dem Markt, auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Auch ich sehe eigentlich in der Amtswegigkeit den zentralen Punkt dieser Novelle. Es war eben bisher eine wirkliche Schwachstelle, daß das Kartellgericht nur auf Antrag einer Partei hat tätig werden können und Zusammenschlüsse daher vom Kartellgericht nur dann geprüft und gegebenenfalls auch untersagt werden konnten, wenn eine Amtspartei einen Prüfungsantrag gestellt hat.

Ich halte es zweitens für einen wichtigen Schritt, daß das Verbotsprinzip von Verhaltenskartellen ausgeweitet wird und daß – drittens – ausdrückliche Regelungen des Verkaufs unter dem Einstandspreis als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung enthalten sind. Das alles sind Regelungen, die mehr Fairneß innerhalb der Wirtschaft bringen, die einen gewissen Schutz für die Nahversorger beinhalten, die aber auch Konsumentinnen und Konsumenten vor einer Täuschung in diesen Bereichen schützen sollen.

Ich meine aber, die Diskussion über weitere Novellierungen, über weitere Vorschläge – ein zentraler Punkt wäre zum Beispiel der bundesweit zuständige Kartellanwalt, der mit den Rechten und Pflichten eines Staatsanwaltes ausgestattet ist, um alle zivilrechtlichen Verstöße gegen das Kartellrecht auch verfolgen zu können – muß weitergehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.08

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Kritik der Opposition an dieser Kartellgesetznovelle 1999 sei eines ganz klar festgestellt: Die Gesetzeslage wird damit nicht verschlechtert, sondern verbessert. – Erste Feststellung. Und die zweite Feststellung ist: Die Reformdiskussion zum Kartellrecht muß national wie europaweit weitergeführt werden. Lassen Sie mich das begründen.

Es wurde vor kurzem, wie dies der Herr Bundesminister bereits mitgeteilt hat, durch die Kommission das Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag vorgestellt; da geht es um die Fragen des Wettbewerbsrechtes. Und wenn Kollege Haigermoser eine Passage zitiert, würde ich ihn ersuchen, das nächste Mal vollständig zu zitieren, denn diese Passage lautet nämlich folgendermaßen: Ganz wesentlich ist, daß die Dezentralisierung keine Unstimmigkeiten bei der Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechtes zur Folge hat.

Was will nun dieses Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union? – Die Kommission spricht im Weißbuch verschiedene Reformmöglichkeiten an und schlägt schließlich ein System vor, das folgenden Zielen gerecht wird – Kollege Haigermoser, und diese Diskussion läuft zurzeit noch –: konsequente Durchsetzung der Wettbewerbsregeln, effektive Dezentralisierung, Vereinfachung der Verfahren und einheitliche Anwendung von Recht und Politik in der gesamten Europäischen Union.

Die Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln soll also in Zukunft gemeinsam von der EU-Kommission und den nationalen Gerichten gewährleistet werden – die Betonung, Kollege Haigermoser, liegt auf: in der Zukunft, denn der Diskussionsprozeß ist auf europäischer Ebene nicht abgeschlossen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten sowie alle anderen Institutionen und interessierten Kreise auf, bis 30. September 1999 ihre Kommentare abzugeben.

Herr Bundesminister! Ich darf Sie ersuchen, die Diskussion zu diesem Kartellrecht weiterzuführen, die neuen medienkartellrechtlichen Problemstellungen im Internetbereich und im audiovisuellen Bereich zu berücksichtigen, und Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich einladen, dieser Vorlage zuzustimmen, denn damit wird sich die Rechtslage in Österreich verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Da seitens der Berichterstatter kein Schlußwort gewünscht wird, kommen wir zur Abstimmung, und ich bitte daher, die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen also zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt wird.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1775 der Beilagen unter Berücksichtigung der dem Ausschußbericht 1923 der Beilagen beigedruckten Abänderung.

Hiezu liegt ein von den Abgeordneten Dr. Krüger und Genossen eingebrachtes Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzesentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur Abstimmung über Art. I Z 10a in der Fassung des Ausschußberichtes 1923 der Beilagen sowie über Art. I Z 11, 12 und 13 in der Fassung der Regierungsvorlage 1775 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit, daher angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit; daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1924 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, seinen Bericht 1925 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie auch diesen Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit gleichfalls zur Kenntnis genommen.

5. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Bericht (III-154 der Beilagen und Zu III-154 der Beilagen) des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr über den Österreichischen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) und über den Masterplan (1927 der Beilagen)

6. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 954/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend die Entwicklung eines gesamtösterreichischen Verkehrsgestaltungsplanes (1928 der Beilagen)

7. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 728/A (E) der Abgeordneten Peter Rosenstingl und Genossen betreffend Alternative zum Semmering-Basistunnel (1929 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir treten in die Beratungen ein.

Zuvor unterbreche ich allerdings die Sitzung und bitte die Herren Klubobmänner beziehungsweise Stellvertreter der Klubobmänner zu mir auf das Präsidium, um hier ganz kurz eine Angelegenheit zu besprechen.

(Die Sitzung wird um 14.15 Uhr unterbrochen und um 14.18 Uhr wiederaufgenommen.)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Hohes Haus! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich möchte nur kurz sagen: Es ging dabei darum, ob von Frau Bundesministerin Prammer im Rahmen der Tagesordnung eine Erklärung zu Dioxinvorfällen abgegeben wird. Es ist eine Einigung zwischen den Klubobleuten dahin gehend erzielt worden, daß es im Rahmen der Tagesordnung – ohne diese zu ergänzen, ohne ein anders parlamentarisches Mittel anzuwenden – zu einer solchen Erklärung kommen wird.

*****

Ich rufe jetzt als ersten Redner in dieser Debatte Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger auf. 7 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.18

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Gleich eingangs meines Debattenbeitrages möchte ich feststellen, daß Bundesminister Einem – genauso wie seine Amtsvorgänger Scholten und Klima – einem klaren Auftrag des Nationalrates nicht nachgekommen ist.

Herr Bundesminister! Sie wissen, es gibt eine Entschließung des Nationalrates vom 9. Februar 1995 – diese ist also jetzt viereinhalb Jahre alt –, wonach der Verkehrsminister aufgefordert wurde, einen bundeseinheitlichen Verkehrswegeplan mit Reihung der Infrastrukturprioritäten und einem klaren Finanzierungskonzept für alle Verkehrswege zu erarbeiten.

Herr Bundesminister! Das ist bis heute nicht geschehen! Ich habe Sie, Herr Bundesminister, im Ausschuß und bei anderen Angelegenheiten, auch im Unterausschuß, wiederholt auf diesen Umstand aufmerksam gemacht, und ich wollte auch wissen, warum Sie sich weigern, dieser Aufforderung nachzukommen. Darauf habe ich allerdings keine Antwort von Ihnen erhalten, jedenfalls keine Antwort, die auch nur ansatzweise an den Kern der Sache geht.

Statt dessen habe ich mir im Ausschuß ein paar Meinungen von Abgeordneten der Regierungsparteien anhören müssen, die folgendermaßen lauteten: Das ist sowieso nur ein Entschließungsantrag, der am Ende der XIX. Legislaturperiode verfallen ist. – Meine Damen und Herren! Daran sieht man, wie ernst Beschlüsse dieses Hauses – einstimmige Beschlüsse! – genommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wir allerdings vorgelegt bekamen, Herr Bundesminister, und was zwei Monate lang in Diskussion stand, waren zwei Netzzeichnungen, ein Netzregelwerk und ein dreiseitiger Kommentar. Das ist ein wahrlich dürftiges Ergebnis und im Grunde genommen eine Verhöhnung des Parlaments, denn dieses Parlament hat sich mehr verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was die Öffentlichkeit statt dessen registriert hat, Herr Bundesminister, waren endlose Kompetenzstreitereien zwischen dem roten Eisenbahnminister und dem schwarzen Straßenbauminister. Diese Kompetenzstreitigkeiten reichen von einem uneinheitlichen Vorgehen vor den Brüsseler Behörden bis hin zur ungeklärten Verantwortlichkeit für Ampelanlagen an Tunnelbaustellen. Das hat die Öffentlichkeit sehr wohl registriert.

Herr Bundesminister! Ich habe Sie viele Dinge gefragt, und Sie haben mir dann darauf geantwortet, es sei eigentlich nicht Ihre Aufgabe, die Prioritäten festzulegen. Im übrigen sei auch die Finanzierung durch das Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesetz gesichert. Diese Antwort ist wahrlich nicht befriedigend. Es ist überhaupt keine Antwort, und ich habe aus diesem Grund auch an Herrn Bundesminister Farnleitner die gleiche Frage gestellt. Was Herr Farnleitner gesagt hat, war ebenfalls sehr ernüchternd, denn er vertrat und vertritt die Auffassung, er wolle keine Trassenverordnungen in den Planungen vorwegnehmen. Punkt. Das war‘s. Er will keine Trassenverordnungen. Mehr hat der Bundesminister, Ihr Kollege, nicht zu sagen.

Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Masterplanes nimmt ein weiteres, trauriges Kapitel in der Geschichte der österreichischen Verkehrspolitik ein unrühmliches Ende. Statt ein Verkehrskonzept mit zukunftsweisender Tendenz zu präsentieren, nämlich mit Gültigkeit für den Beginn des nächsten Jahrhunderts und Jahrtausends, haben sich die Regierungsparteien auf eine lose, unverbindliche Absichtserklärung in der Verkehrspolitik geeinigt, welche in einem sehr vage gehaltenen Entschließungsantrag ihren Niederschlag findet. Das war das Ergebnis monatelanger, ja wenn nicht sogar jahrelanger Beratungen.

Wenn es im Entschließungsantrag etwa heißt, die Bundesregierung solle einige Netzwerkergänzungen prüfen, und dann Beispiele angeführt werden, wie etwa viergeleisiger Ausbau der Westbahn, Neubau der Koralmbahn, Lückenschluß des bestehenden Autobahnen- und Schnellstraßennetzes, Bau von zweiten Tunnelröhren und so weiter, dann sind das lauter "Nona"-Erklärungen, Herr Bundesminister, aber keine Maßnahmen, die als konkrete Schlußfolgerung einer langjährigen Amtszeit von zwei Ministern gelten können. Herr Bundesminister! Mir ist das wirklich zuwenig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Den Bürger und die Bürgerin interessiert ein solches Geschwafel, was im Entschließungsantrag steht, wirklich nicht. Den Bürger interessiert vielmehr, welche konkreten Baumaßnahmen das immer unerträglicher werdende Transitdesaster lösen werden, den Bürger interessiert, wann er mit dem Autoreisezug von Wien nach Innsbruck in dreieinhalb Stunden fahren kann, den Bürger interessiert es, ob er den Ausbau der Pyhrn Autobahn noch erleben wird oder ob das seiner Nachkommenschaft überlassen bleibt, und der Bürger, meine Damen und Herren, möchte hören, wie die zukünftige Eisenbahnanbindung in den Süden Österreichs ausschaut, er möchte wissen, ob die bestehenden und die neu zu errichtenden Tunnels sicher sind und so weiter. Den ganz normalen Bürger interessiert, ob er von Wien nach Krems eine durchgängige Verbindung auf der Straße hat und ob diese im Jahre 2003 zur Verfügung steht, so wie es Landeshauptmann Pröll und andere niederösterreichische Landespolitiker versprochen haben, oder nicht.

Mit anderen Worten, Herr Bundesminister: Den Bürger interessiert, ob die damit befaßten Minister tauglich waren, taugliche Arbeit geleistet haben oder nicht. Letzteres möchte ich eindeutig bezweifeln. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die österreichischen Verkehrsteilnehmer einschließlich jener der 4 Millionen Autofahrer haben ein Recht darauf, diese Dinge zu erfahren. Sie haben deshalb ein Recht darauf, weil sie jährlich mit 120 Milliarden Schilling zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur beitragen, und daher kann ich das dauernde Lamento der Verantwortlichen in der Bundesregierung überhaupt nicht mehr hören. Es wird immer gesagt, man müsse erst neue Finanzierungsquellen erschließen, um das Ganze auch möglich zu machen. Das ist mit Verlaub, Herr Bundesminister, eine einzige Zumutung und für die Öffentlichkeit schlichtweg unerträglich. Es ist nicht einzusehen und auch völlig inakzeptabel, daß beide Minister die Erklärung abgeben, für detaillierte Verkehrsplanungen nicht zuständig zu sein.

Herr Bundesminister! Wer soll denn diese Planungen machen, etwa der Herr Staatssekretär Dr. Wittmann oder die Opposition? – Wer? Sagen Sie es bitte! Ich sage Ihnen folgendes: Das gehört in die Hand eines einheitlichen Verkehrsinfrastrukturministeriums, und ich hoffe, daß das wenigstens in der nächsten Legislaturperiode so der Fall sein wird.

Letzter Punkt: einige Gedanken noch zur Tunnelsicherheit, meine Damen und Herren. Das tragische Unglück ist passiert. Es ist vorbeigegangen, und die Regierung hat eine Absichtserklärung formuliert: Ja, man will dort eine zweite Röhre bauen, wo es notwendig ist. In Wirklichkeit aber, meine Damen und Herren, wollen Sie Gras über diese Angelegenheit wachsen lassen, denn anders ist es nicht zu erklären. Würden Sie nicht Gras darüber wachsen lassen, sondern jetzt endlich Sicherheit herstellen, meine Damen und Herren, dann hätten Sie unserem Entschließungsantrag im Ausschuß zustimmen müssen. Es geht dabei um Maßnahmen, die nicht so viel Geld kosten und die unverzüglich umgesetzt werden können. Es sind dies: Fluchträume in bestehenden Tunnels, Identifizierung von Einzelfahrzeugen, Videoüberwachung und so weiter. Sie alle wissen, daß wir noch große Lücken haben, vor allem dort, wo heuer im Sommer das neue Nadelöhr entstehen wird, nämlich im Felbertauerntunnel. Es ist schlichtweg unverantwortlich, daß Sie keine Sicherheit herstellen.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, habe ich nochmals diesen Entschließungsantrag eingebracht. Wenn Sie an Österreich, an den Tourismus und an die Sicherheit denken, meine Damen und Herren, dann können Sie nur diesem Unterfangen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Parnigoni. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.28

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Kollegen Firlinger nur sagen, daß dieser Entschließungsantrag aus dem Jahr 1995 keine zeitliche Begrenzung hatte. Zum zweiten halte ich als Ausschußvorsitzender fest, daß die Freiheitlichen eine andere Meinung vertreten als alle Experten, die im Unterausschuß gewesen sind, weil die Experten die Vernetzung und die Integration sowohl des Masterplans als auch des GSD massiv unterstützt haben.

Kollege Firlinger! Das ist aber kein Problem, ich verstehe es. Sie selbst haben es angesprochen: Die Zeiten werden rauher und hitziger. Du hast den Auftrag, Oppositionspolitik zu machen, und diesen führst du aus. So ist es eben! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gaugg: Wofür bringt ihr einen Entschließungsantrag ein?)

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Masterplan ist ein inhaltliches Kernstück, eine zeitliche Vorstufe des Bundesverkehrswegeplans, der als Auftrag des österreichischen Gesamtverkehrskonzepts von 1991 zu verstehen ist. Die wesentlichen Ziele sind: erstens: die Vermeidung von unnotwendigem Verkehr, zweitens: die Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger und drittens: die Erschließung von bisher schlecht erreichbaren Regionen in Österreich.

Hohes Haus! Mit diesem Masterplan steht fest (Abg. Gaugg: Herr Kollege! Eine Frage: Wann wird das realisiert?), wie sich die Netze von Straße, Schiene, Wasserstraße und Flughäfen aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2015 entwickeln sollen und wie sie sich in TEN und TINA – damit Sie es wissen, Kollege Gaugg, das sind europäische Verkehrsnetze – einfügen werden. Die Notwendigkeit dieser Planungen und Überlegungen ergibt sich vor dem Hintergrund, daß es Prognosen gibt, die auf alle Fälle eine mehr als 100prozentige Verkehrszunahme im Ost-West-Transit voraussagen.

Hohes Haus! Es ist festzustellen, daß die Schiene bei den Investitionen einen eindeutigen Nachholbedarf hat. Erst 40 Prozent des hochrangigen Schienennetzes sind ausgebaut. 2 200 Kilometer müssen nachjustiert werden. 143 Milliarden Schilling haben wir bis jetzt dafür ausgegeben, und laut Masterplan werden wir weitere 160 bis 170 Milliarden Schilling bis zum Jahre 2015 aufwenden müssen, um das Schienennetz hochrangig zu gestalten. Aber über 92 Prozent des hochrangigen Straßennetzes haben wir bereits ausgebaut und haben dafür 471 Milliarden Schilling ausgegeben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Peter.) 92 Prozent! Jetzt brauchen wir, Kollege Peter, für die restlichen 8 Prozent, für den Lückenschluß weitere geschätzte 30 Milliarden und für den sogenannten GSD zirka 20 Milliarden. Soviel also kostet die Umsetzung der entsprechenden Überlegungen in diesem Bereich.

Für mich haben auf alle Fälle der Masterplan mit seinem zweigleisigen Ausbau Wien – Wels, ebenso der Ausbau und die Qualitätsverbesserungen der Südbahn inklusive Semmering-Basistunnel, der Ausbau der Koralmbahn sowie die Kapazitätserweiterungen auf der Brennerstrecke inklusive Brennerbasistunnel Vorrang. Wir müssen natürlich auch die Interoperabilität verbessern, und zwar durch einen Ausbau der Logistikterminals.

Hohes Haus! Für mich ist der wesentlichste Schwerpunkt bei dieser Diskussion und beim Masterplan, daß wir die Verlagerung des Schwerverkehrs weg von der Straße in Richtung Schiene oder Wasserstraße erreichen können. (Abg. Ing. Nußbaumer: Wie viele Tage war die Arlbergbahn geschlossen?) Das ist nur möglich, Kollege Nußbaumer, indem wir die fahrleistungsabhängige Maut raschest einzuführen versuchen. Ich sage Ihnen aber auch weitere Argumente, warum wir diese fahrleistungsabhängige Maut beim LKW dringendst benötigen.

Erstens haben wir im Schienenverkehr bereits dieses Rail-Pricing. Da ist es so, daß bei jedem Transport auf der Schiene dem Schienenerhalter ein Benutzungsentgelt bezahlt werden muß.

Zum zweiten wurde schon gesagt, daß wir den Lückenschluß im hochrangigen Straßennetz irgendwie finanzieren müssen.

Zum dritten müssen wir die Kostenwahrheit vorantreiben. Wir wissen genau, daß etwa ein 10-Tonnen-Achslast-LKW, das heißt also ein 40-Tonner, die Straße zehntausendmal mehr belastet als ein 1-Tonnen-PKW. Ich habe es immer wieder gesagt: Spurrillen auf der Autobahn kann nur ein beladener LKW erzeugen, niemals ein PKW.

Viertens müssen wir die Quersubventionierung vom PKW zum LKW vermindern und eindämmen.

Fünftens müssen wir danach trachten, daß folgendes abgestellt wird: Derzeit ruinieren ausländische LKW – etwa 30 Prozent aller LKW im hochrangigen Netz sind ausländische – unsere Straßen völlig kostenlos. Das muß ebenfalls mittels LKW-Maut abgestellt werden.

Sechstens ist es so, daß wir in den Ländern um uns, etwa in den neuen Reformstaaten, folgende Entwicklung haben: In der Tschechischen Republik beispielsweise wird jetzt eine ähnliche Maßnahme eingeführt, nämlich eine LKW-Vignette. Das heißt, dort wird ebenfalls de facto eine Maut für den LKW eingehoben.

Ein letztes Argument, eine letzte Bemerkung zu meinem Kollegen Kukacka: Er hat in den Medien erklärt, der Masterplan sei zu schienenlastig. Er habe mit der Zusammenführung der beiden dafür gesorgt, daß die Straße nicht zu kurz komme. Tatsache ist, daß die Straßenplanungsvorschläge nicht durch entsprechende Daten abgesichert waren.

Weiters: Viele Jahre sind keine entsprechenden Vorschläge in der Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Masterplans und des Bundesverkehrswegeplans eingebracht worden. Ich führe das darauf zurück, Hohes Haus, daß Herr Landeshauptmann Pröll, der zuerst als Pseudo-Grüner vehement gegen die Nord Autobahn gewesen ist, das bis zu diesem Zeitpunkt verhindert hat. Jetzt ist Herr Pröll auf einmal ein glühender Befürworter der Nord Autobahn, jeder Straße und sogar der Straßentunnel. Das ist eine eigenartige Wandlung. Und jetzt gibt es auf einmal auch Planungsvorschläge bezüglich der Straße.

Aber ich bekenne mich dazu, daß diese Zusammenführung des Masterplans und der GSD-Studie zu einem integrierten Gesamtverkehrsplan im Sinne aller Verkehrsträger erfolgt. Allerdings verweise ich auf die entsprechenden notwendigen Untersuchungen, die auch in der Entschließung festgehalten sind. In der Entschließung steht auch, Kollege Kukacka, daß die Quantifizierung von Verkehrsmengen und die Dimensionierung der Straßen im GSD noch nicht vorgesehen waren. Daher brauchen wir diese Untersuchungen. Wenn es gelingt, die notwendigen Nachweise über Verkehrsmengen und Dimensionen zu erbringen, dann werden wir auch zu einem integrierten Gesamtverkehrskonzept kommen, das Grundlage für eine Verbesserung des Wirtschaftsstandortes und das Grundlage für mehr Lebensqualität in den Regionen sein wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.36

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Parnigoni! Die Prognosen über den Verkehrszuwachs sind immer sehr interessant, weil sie unter den Voraussetzungen des Status quo gemacht werden. Solange wir das, was bereits im Nationalen Umweltplan festgehalten wurde, nämlich daß es eine ökologische Steuerreform geben soll, daß es Kostenwahrheit geben soll, daß das Verursacherprinzip Platz greifen soll, nicht umsetzen, so lange wird man im Verkehr hinter den Entwicklungen nachbauen. Das halten wir für falsch, denn die Regierung versäumt es nach wie vor, das umzusetzen, was sie sich selbst als Vorgabe gegeben hat.

Insbesondere verwundert es mich, Herr Abgeordneter Parnigoni, daß zwar von der Verlagerung des Schwerverkehrs die Rede ist, aber nicht von der Kostenwahrheit, nicht vom Durchsetzen des Verursacherprinzips und nicht von einer ökologischen Steuerreform. Die Regierung hatte Zeit, das zu tun, aber sie hat es bis heute nicht getan. Sie sagen es immer am Rednerpult, aber Sie werden es auch in Zukunft nicht tun.

Ich glaube, die SPÖ sollte nicht darauf verfallen, das LKW-Road-Pricing deshalb durchsetzen zu wollen, weil man damit angeblich die ausländischen LKW erwischt, die jetzt unsere Straßen kostenlos ruinieren. (Abg. Edler: Stimmt es nicht?) – Herr Abgeordneter Edler! Wie kann man so etwas hier sagen? – In Wirklichkeit ist das eine Hetze, die Sie ansonsten nur den Freiheitlichen vorwerfen. Sie haben auch bei der Einführung der Vignette gesagt: Wir müssen die Ausländer erwischen, die immer auf unseren Straßen fahren. Sie wissen ganz genau, daß es die Inländer zahlen müssen. Der ausländische Verkehr, insbesondere der Transitverkehr, macht gemessen am Gesamtvolumen des Verkehrs, das wir haben, nicht sehr viel aus. Darum geht es vielleicht ganz am Schluß. (Zwischenruf des Abg. Dietachmayr.) Aber es geht um den Zugang, den Sie haben: Sie verkaufen den Österreichern und den Österreicherinnen eine neue Belastung, und zwar nur aus Budgetgründen, aber nicht deshalb, weil Sie eine ökologische Änderung erreichen wollen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Insofern ist der Entschließungsantrag auch ein Beleg dafür, meine Damen und Herren, daß die Planungen, die vom Verkehrsministerium auf der einen Seite und vom Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite gemacht worden sind, völlig unkoordiniert sind. Deshalb verlangen wir – wie in der Vergangenheit auch – ein einheitliches Infrastrukturministerium, welches Straße, Schiene, Flugverkehr, insbesondere auch die Schiffahrt, aber auch Leitungen oder Pipelines miteinschließt. Das wäre notwendig, und es sollte nicht daran scheitern, daß das mit der Farbenlehre in Österreich nicht vereinbar ist.

Meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, diese beiden Pläne zusammenzuführen – das will dieser Entschließungsantrag, der heute mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Liberalen beschlossen werden wird –, dann möchte ich einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, der sich auf die Obersteiermark bezieht. Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Einleitung erforderlicher Maßnahmen zur Entwicklung der verkehrstechnischen Anbindung der Obersteiermark

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird ersucht, ungeachtet des Baus der Koralmbahn, die Beschleunigung und die Verbesserung der Südbahn im Streckenabschnitt zwischen St. Michael und Klagenfurt vorzubereiten."

*****

Meine Damen und Herren! Die derzeitige Vorgangsweise – Herr Abgeordneter Parnigoni hat auch gesagt, wir bräuchten ein Vorantreiben der Koralmbahn –, nämlich daß die Obersteiermark nicht ausgebaut wird, halten wir für den falschen Weg. Davon abzugehen, dazu dient dieser Entschließungsantrag. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

14.39

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.39

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Ich glaube, es ist zwischen allen Fraktionen unbestritten, daß wir einen Bundesverkehrswegeplan brauchen. Es ist unbestritten, daß er Schienenwege und das höherrangige Straßensystem umfassen muß, aber selbstverständlich auch die Wasserstraßen. Es ist unbestritten, daß damit auch die Vermeidung von unnötigem Verkehr verbunden sein soll und auch die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger erfolgen soll.

Unbestritten, so glaube ich, sollte nach all den Diskussionen der letzten Monate auch sein, daß es dazu nicht nur des Masterplans des Verkehrsministers mit seiner – ich bleibe dabei – einseitigen Prioritätensetzung für den Schienenverkehr bedarf, sondern vor allem eben auch der Einbeziehung der GSD-Studie des Wirtschaftsministers mit ihren Ausbauplänen für das höherrangige Straßensystem und vor allem auch mit der Anbindung der ost- und mitteleuropäischen Länder an das Verkehrsnetz der EU und auch an die Verbindung mit Österreich.

Ich brauche auch nicht nochmals zu betonen, daß wir den vom Herrn Verkehrsminister vorgelegten Masterplan für unausgewogen halten. Unausgewogen und vor allem auch politisch wenig hilfreich war es, Herr Verkehrsminister, daß Sie sich in den letzten Wochen und Monaten als der für den Gesamtverkehr zuständige Verkehrsminister eigentlich allzusehr und zu einseitig auf die Seite eines Verkehrsträgers, nämlich auf den Verkehrsträger Bahn, gestützt haben und gleichzeitig zugelassen haben, daß in einer Kampagne des Verkehrsministeriums und in einer Werbekampagne der Österreichischen Bundesbahnen der LKW, der für die Versorgung der österreichischen Bevölkerung und für den Wirtschaftsverkehr notwendig ist, als Umweltvergifter, als Unfallverursacher und als Staubegründer abqualifiziert wurde.

Herr Bundesminister! Das halten wir für unfair, das halten wir für ungerechtfertigt, und das halten wir auch in bezug auf Ihre Funktion als Verkehrsminister, der für alle Bereiche des Verkehrs zuständig ist, für nicht sinnvoll und für nicht gerechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Edler.)

Außerdem, Herr Kollege, liebe Kollegen von der SPÖ, halten wir es ehrlich gesagt für doppelbödig, monatelang diese 50-Millionen-Schilling-Werbekampagne "Schiene statt Verkehrslawine" durchzuführen, während andererseits die Österreichischen Bundesbahnen ständig lancieren, den Güterverkehr auf Nebenstrecken einstellen zu wollen – zumindest dann, wenn die Länder nicht sofort bereit sind, mitzuzahlen.

Während also diese Kampagne läuft, hören wir gleichzeitig aus dem Mund der ÖBB-Pressesprecherin, Frau Kickinger,, was die Experten im übrigen ohnedies schon seit langen wissen, nämlich daß der LKW auf der Fläche weitaus billiger und flexibler sei als der Schienenverkehr und daher der ÖBB-Güterverkehr mittels eigenem LKW forciert werden wird. Das sagt Frau Kickinger, Pressesprecherin der Österreichischen Bundesbahnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich doppelbödig, auf der einen Seite "Schiene statt Verkehrslawine" zu propagieren und auf der anderen Seite, wie das eben auch geschieht, etwa einen Stückgutdienst zwischen Villach und Lienz und rund um die Region des neuen Güterbahnhofes Stockerau einzustellen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht in Ordnung, und das grenzt schon bedenklich an die sonst in der letzten Zeit im politischen Bereich geübte Praxis, nämlich auch in diesem Bereich eine Art "Schiene statt Verkehrslawine"-Lüge in die Welt zu setzen.

Auf der einen Seite etwas in einer Werbekampagne zu behaupten und auf der anderen Seite politisch etwas ganz anderes durchzuführen, das halten wir für keine nicht sehr anständige Vorgangsweise. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schwemlein: Also Sie halten es für eine, weil Sie es zweimal verneint haben!)

Meine Damen und Herren! Der von der Koalition eingebrachte Entschließungsantrag korrigiert die einseitige Schienenausbaupriorität, und das ist richtig, und das ist notwendig, weil wir nicht die Augen vor der verkehrspolitischen Realität verschließen dürfen, weil die europaweite Zunahme der wirtschaftlichen Verflechtungen und der Verkehrsbeziehungen eben auch den Ausbau der notwendigen Straßenverbindungen erfordert.

Deshalb fordere ich auch eine bessere Dotierung des Autobahn- und Schnellstraßenausbaues. Denn in den nächsten zehn Jahren – dazu bekennen wir uns – werden mindestens 140 bis 150 Milliarden Schilling – das ist schon festgelegt – in den Ausbau der Schienenwege investiert, aber nur 30 Milliarden Schilling stehen für den Ausbau des Lückenschlusses zur Verfügung. (Abg. Schwemlein: Wie schaut die Bilanz der letzten 20 Jahre aus?) Dieses Geld kommt selbstverständlich nicht aus dem Budget (Abg. Seidinger: Straße zu Schiene 4 : 2!), sondern dieses Geld kommt wiederum vom Autofahrer, von der Verkehrswirtschaft, meine Damen und Herren!

Eine Einnahmen- und Ausgabenübersicht für die Straße ergibt einen Budgetüberschuß in der Höhe von rund 25 Milliarden Schilling, während die Ausgaben des Bundes für die Bahn deren Einnahmen um rund 26 Milliarden Schilling übersteigen.

Das, meine Damen und Herren, ist die finanzpolitische Realität. Die Bahn, das System Schiene, kostet uns, nämlich den Steuerzahler, sehr viel, und der Verlagerungseffekt ist derzeit ziemlich gering.

Ich hoffe aber, daß sich dieser Verlagerungseffekt durch den weiteren Ausbau tatsächlich einstellen wird, denn grundsätzlich bekennen wir uns selbstverständlich auch zum Ausbau der Schienenwege. Zumindest sollte der weitere Zuwachs des Straßenverkehrs damit eingebremst werden. Das wäre schon eine wichtige Zielsetzung.

Aber, meine Damen und Herren, klar ist auch, daß dieser Ausbau des Schienenverkehrs in einer sinnvollen Kosten-Nutzen-Relation stehen muß. Diese sinnvolle Kosten-Nutzen-Relation sehen wir jedenfalls in diesem Zusammenhang noch nicht ausreichend gegeben. Das müssen Sie auch eingestehen, wenn Sie diese Probleme und diese Fakten ehrlich analysieren und bewerten.

Meine Damen und Herren! Für uns von der ÖVP gibt es keine einseitig ideologisch motivierte Bevorzugung eines Verkehrsträgers. (Abg. Schwemlein: Das könnte ich mir nicht einmal vorstellen!) – Wir wollen den integrierten Ausbau von Schiene, von Straße und selbstverständlich auch von den Wasserwegen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Für die ÖVP ist der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auch nicht primär irgendeine Art von Beschäftigungsprogramm, sondern für uns bildet eine ausreichend ausgebaute Infrastruktur die Grundlage für wichtige Standortentscheidungen österreichischer und ausländischer Unternehmen und damit insgesamt auch für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Das wird auch in Zukunft das Ziel unserer Verkehrspolitik sein! (Beifall bei der ÖVP.)

14.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.48

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Was Sie jetzt hören konnten und was wir heute beschließen sollten – ich meine den Antrag der zwei Koalitionsparteien –, ist die Ausgeburt – man kann es so sagen – einer in sich widersprüchlichen und in sich schizophrenen Verkehrspolitik, die Ausgeburt eines Verschnitts von Schiene und Straße, bei dem in den Grundsetzungen, in den Grundlagen, in den Vorausarbeiten, im Gesamtverkehrskonzept, auch im Vorwort des Bundesverkehrswegeplanes beziehungsweise des Masterplans eindeutig die Prioritäten zugunsten der Schiene oder der umweltfreundlichen Verkehrsträger dargelegt werden, bei dem aber dann im Maßnahmenkatalog und konkret im Entschließungsantrag ein Verschnitt von Schiene und Straße unter dem gemeinsamen großen Nenner genannt wird: Wir bauen für die Bahn, und wir bauen auch für die LKW, und wir bauen auch für die PKW! – All das ist ein herrlicher Verschnitt, der genau das wahrmachen wird, was an Horrorszenarien, an Prognosen in den Eingangsbemerkungen des Bundesverkehrswegeplans beziehungsweise des Masterplans umrissen wird. (Abg. Schwemlein: Das ist ein "Verkehrs-Cuvée", kein "Verschnitt"!)

Das ist für mich symptomatisch, schizophren und widersprüchlich. Wir haben im Masterplan hehre Ziele, das muß man unterstreichen. Im Masterplan werden auch die richtigen Fragen gestellt. Es gibt erstmals eine umfassende Datenerfassung. Jetzt gibt es sogar Haushaltsbefragungen. Wir haben also richtige Analysen, wir haben glaubwürdige Prognosen. Es gibt auch das Verlangen nach neuen Rahmenbedingungen verkehrspolitischer Natur und die entsprechende Berücksichtigung.

Bundesverkehrswegeplan und Masterplan weisen darauf hin, daß die Kostenwahrheit notwendig ist; sie weisen darauf hin, daß die Parkraumbewirtschaftung notwendig ist. All das ist richtig, aber all das ist die eine Seite, und dann kommt die andere Seite.

Dann kommt das, was die vielen falschen Antworten anlangt. Ich darf sie konkretisieren. Es sind falsche Antworten auf die momentane verkehrspolitische Realität. Sie wissen, die Realität heißt: Stau, LKW-Kolonnen durchgehend auf der West Autobahn, Autostau an den Einfahrtsstraßen in die großen Ballungsräume, Pendlerfrust in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Gerade kürzlich hat es wieder eine Studie für die niederösterreichischen ÖVs gegeben, und darin haben 64 Prozent der Pendler ihre Unzufriedenheit geäußert. Der Masterplan gibt eine schizophrene Antwort. Darin heißt es: Wir bauen die Bahn aus, aber wir bauen auch die Straßen aus! – Was glauben Sie, wo sich dann der Verkehr abspielen wird? – Dort, wo er bequemer ist, dort, wo er gängig ist, nämlich auf der Straße.

Die falsche Antwort gibt es auch auf die nächste konkrete Herausforderung. Sie haben die Ziele formuliert: Umweltschutz, Sicherung der Lebensgrundlagen, der gesundheitlichen Grundlagen; all das soll geschützt werden. Es gibt steigende CO2-Emissionen. Sie gehen im Masterplan darauf ein, dort werden sie auch erwähnt, aber die Antwort – das ist immer das Schizophrene – heißt: Steigerung, Zunahme des Straßenbaues, und das bedeutet natürlich auch eine weitere Fortschreibung der steigenden CO2-Emissionen.

Wenn man dann vom Verkehrsausschuß, vom Bautenausschuß, vom Unterausschuß des Verkehrsausschusses oder vom Unterausschuß des Bautenausschusses in den Umweltausschuß geht und diese Situation Herrn Umweltminister Bartenstein darlegt, dann wird er blaß und sagt: Wir können das Reduktionsziel, zu dem wir uns vertraglich in Kyoto verpflichtet haben, nicht einhalten. – Wir haben diesbezüglich ärgste Handlungsdefizite, wir müssen wirklich einen nationalen Kraftakt setzen, damit wir das erreichen können.

Dann geht man wieder in den Bautenausschuß, spricht mit Herrn Minister Farnleitner, und dieser sagt, das Kyoto-Ziel sei nicht sein primäres Aufgabenfeld, er müsse die Autofahrer, die im Stau stehen, vertreten. Und was kommt heraus? – Das, was ich skizziert habe, nämlich ein verkehrspolitischer Verschnitt. Man kann sich nicht entscheiden, den Zielen entsprechende Maßnahmen zu setzen, sondern man schlägt Maßnahmen vor, die den Zielen zuwiderlaufen. Die Ziele sind, wie gesagt, sehr schön, man will von der Straße auf die Schiene verlagern, aber wo bleibt dann wieder die Kostenwahrheit?

Mein Vorredner, Kollege Parnigoni, hat sie eingefordert, etwa das Road-Pricing et cetera. Dann ruft man im Wirtschaftsministerium an, und dann hört man – siehe da –: Die Mautverordnung wackelt, weil die Länder den Konsultationsmechanismus in Gang setzen, weil natürlich auch die Wirtschaftskammer dagegen ist und weil natürlich auch die Interessenvereinigung der Frächter dagegen ist. – Also wo bleibt da die Rahmenbedingung, die das erst ermöglicht, was als Ziel im Masterplan, im Bundesverkehrswegeplan auch von der ÖVP mitgetragen wird? – Das ist ganz klar, das kann zu keiner positiven Entwicklung führen, wenn die Diskrepanz derartig groß ist.

Oder: Es wird in den Zielen des Masterplans und Bundesverkehrswegeplans durchaus auch die Intermodalität angesprochen, das verkehrsträgerübergreifende Planen und Gestalten der Verkehrspolitik. Aber was wird gemacht? – Es wird – im Entschließungsantrag ist es wortwörtlich enthalten – parallel dazu der Ausbau der Schieneninfrastruktur zu den MOEL-Staaten und der Ausbau des hochrangigen Straßennetzes in diese Richtung angegangen. Ich brauche Sie gar nicht zu fragen, die Antwort liegt auf der Hand: Der Güterverkehr wird auf der Straße rollen.

Herr Minister! Sie tun mir leid. Sie haben damals bei Ihrem Bericht über die erfolgreichen Verhandlungen Prognoseszenarien dargestellt. Sie haben dies im Rahmen der EU-Präsidentschaft so formuliert. Sie haben Graphiken über den Ost-West-Transit ausgeteilt und uns auch optisch eine Vervierfachung vor Augen gehalten. Und was machen Sie jetzt? – Sie gehen vor einem Wirtschaftsminister in die Knie, der den Straßenausbau will und Ihnen mehr oder weniger dieses Horrorszenario aufzwingt, und Sie lassen sich das aufzwingen! Das ist für mich großkoalitionär in verkehrspolitischer Hinsicht am ärgsten zu bemängeln. (Beifall bei den Grünen.)

Eine zweite falsche Konsequenz aus den richtigen Zielsetzungen und den richtig umschriebenen Vorhaben lautet: Lückenschluß, Autobahnlückenschluß. Das war auch in Ihrem Ur-Masterplan immer wieder ein Ziel, eine Maßnahme und ein Projekt. Ich sage Ihnen: Wir sind bereits übererschlossen. Vergleichen Sie Österreich mit Deutschland! Österreich hat im Vergleich zu Deutschland 200 Autobahnkilometer – es sind sogar 220 Kilometer – pro eine Million Einwohner. In Deutschland sind es 136 Kilometer Autobahn pro eine Million Einwohner. – Sie sagen immer, der Vergleich mit Deutschland sei notwendig, wir wollen den nationalen Gleichklang. – Aber gerne bezüglich Autobahnpolitik! Denn dann müssen wir "runtergehen" und nicht Lücken schließen.

Ich muß also auch in dieser Hinsicht einmal die Wahrheit auf den Tisch legen und sagen: Wenn es einen Gleichklang geben soll, dann heißt das auch, daß nicht so viele Autobahnen gebaut werden, sondern daß wir auf das Niveau unseres deutschen Nachbarstaates mit 136 Kilometer pro eine Million Einwohner herunterkommen sollen. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich nenne noch eine falsche Antwort, die in Ihrem Ur-Masterplan gegeben wird: Manche Schienenprojekte sind sicherlich überdimensioniert und passen nicht zu dem, was Sie als Ziel zur Verbesserung formulieren. Ich kann das beweisen. Es gibt Untersuchungen vom Institut von Professor Bökemann betreffend Erreichbarkeiten. Es gibt auch Institute wie das Österreichische Institut für Raumplanung, das festgestellt hat und gemeinsam mit dem gerade genannten Institut auch schwarz auf weiß dokumentiert hat, daß besonders der Südosten Österreichs eisenbahnmäßig schlecht erschlossen ist. Das könnte ich noch vorlesen, falls ich Zeit hätte. Auf alle Fälle heißt Ihre Antwort Semmering-Basistunnel und nicht flächendeckende Bahn für den südoststeirischen Raum. (Beifall bei den Grünen.)

Daran merkt man sehr wohl, daß auch Lobbyinggruppen bei der Urkonzeption des Masterplans mitmischten, der an sich verkehrswissenschaftliche Ansatzpunkte hat. Aber er wurde nicht nur verwässert, sondern er wurde durch die entsprechenden Lobbyinteressen, die ein- und ausgingen, auch umgemünzt.

Es gab – das konkret zu Kollegen Kukacka – im Verkehrsministerium ein Kontaktkomitee, bei dem die Herren des Wirtschaftsministeriums mit ihren Straßenprojekten vorstellig wurden. Darüber konnte kein Einvernehmen erzielt werden. Das ist klar: Wenn man die Ziele verfolgt, wie sie im Masterplan, wie sie im Bundesverkehrswegeplan umrissen sind, und feststellt, daß man schon genügend Straßen hat, dann kann man den Vorstellungen des Wirtschaftsministeriums nicht mehr Folge leisten. Das ist klar . Dann kommt die Parallelaktion, die sich GSD nennt, und jetzt kommt der großkoalitionäre Verschnitt in Form des Entschließungsantrages. Das ist sozusagen der Wermutstropfen in der gesamten Angelegenheit, denn damit werden jetzt sehr viele ursprünglich gute Ansätze nicht nur neutralisiert, sondern wieder ins Gegenteil verkehrt.

Ich darf zum Schluß noch auf spezielle Oberösterreich-Projekte zu sprechen kommen. Der zweigleisige Ausbau der Summerauer Bahn wäre dringend notwendig, gerade angesichts der europäischen Korridore, gerade angesichts der Verlagerung. Genauso ist der zweigleisige Ausbau der Pyhrn Bahn oder – wir haben es im Ausschuß besprochen – der zweigleisige Ausbau der Innviertler Bahn dringend notwendig. Das ist viel notwendiger, als die B 125, die Prager Bundesstraße, womöglich in einen TEN-Rang zu erheben.

Ich kann Ihnen das auch dokumentieren. Es gibt ein Ranking im Arbeitspaket N 1, das dem Verkehrsministerium zur Verfügung stand. Darin wird aufgeführt, welche Bahnbauten – darauf legen Sie immer Wert – den besten Kostenwirkungsgrad haben. Ich sage es Ihnen: eindeutig die Innviertler Bahn zwischen Braunau und Simbach mit 185 im Vergleich zum Beispiel zu dem Ausbau der Westbahn viergleisig mit 1078. Der Einsatz der Mittel ist bei der Innviertler Bahn viel besser. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kukacka.)

Ich weiß, Sie sind sowieso ein Befürworter, nur setzen Sie sich nicht durch, obwohl Sie viel maßgeblicher sind als ich. Darum werden Sie, Herr Kollege Kukacka, sicher unserem Entschließungsantrag zustimmen, der da lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freunde und Freundinnen

Der Nationalrat wolle beschließen:

Im Rahmen der weiterführenden Arbeiten zum Bundesverkehrswegeplan sind besonders folgende Netzergänzungen beziehungsweise Netzverbesserungen zu prüfen oder zu berücksichtigen – da habe ich mich nach Ihrer Vorlage gerichtet, nur diese sind jetzt anders –:

ressourcenschonender und landschaftsangepaßter Ausbau der Westbahn Wien – Wels,

ressourcenschonender und landschaftsangepaßter Ausbau der Westbahn Attnang Puchheim –Salzburg,

zweigleisiger Ausbau der Bahn zwischen Neumarkt Kallham und Simbach,

zweigleisiger Ausbau der Bahn zwischen Summerau und Bruck an der Mur – damit meine ich auch die ganze Pyhrn Strecke –,

kein hochrangiger Ausbau von Straßenverbindungen parallel zur Bahninfrastruktur in Richtung Reformstaaten,

keine weitere Erklärung und Aufnahme von Straßen in die Transeuropäischen Netze.

*****

Hiermit meine ich besonders die Ennstal Straße, die B 145, die meines Erachtens zu keiner internationalen Transitroute werden darf. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend: Sie reden immer von der Naturgesetzlichkeit des Verkehrszuwachses. Ich bringe ein lebendes Gegenbeispiel: Dänemark. In Dänemark war noch vor Jahren, in den siebziger Jahren, das Verhältnis PKW zur Einwohnerzahl viel größer als in Österreich. Jetzt haben wir in Österreich pro Jahr um hunderttausend PKW mehr. In Dänemark ist diese Entwicklung rückläufig. Heute gibt es in Dänemark 40 Prozent weniger PKW als in den siebziger Jahren. So ginge es mit einem ordentlichen Bundesverkehrswegeplan, der umweltorientiert arbeitet! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.01

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag, den die Frau Abgeordnete Dr. Gabriela Moser zum Thema Bundesverkehrswegeplan, Netzergänzung und Netzverbesserungen vorgetragen hat, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Ich unterbreche jetzt die Beratungen zu den Punkten 5 bis 7 der heutigen Tagesordnung, damit die verlangte dringliche Behandlung einer schriftlichen Anfrage nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Heide Schmidt und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Ablegung eines Offenbarungseides über den sicherheitspolitischen Status Österreichs (6412/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 6412/J. Sie ist inzwischen allen Angeordneten zugegangen, sodaß sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die Regierungsparteien vertreten zur vitalen Frage der Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik so unterschiedliche Positionen, daß Österreichs Einschätzbarkeit innerhalb der EU schweren Schaden erleidet und in Krisensituationen extreme innerösterreichische Konflikte auftreten. Während in Österreich die Neutralität verbal einbetoniert wird, werden auf europäischer Ebene alle Schritte in Richtung europäischer Solidarität mitgetragen.

Bundeskanzler Viktor Klima rief in der ‚Pressestunde‘ vom 18.4.1999 sogar ein Diskussionsverbot aus, indem er vorschlug, die Neutralität ‚für fünf Jahre außer Streit zu stellen.‘ In der Folge führte er mit dem Neutralitätsthema einen Wahlkampf der leeren Versprechungen. Jetzt bietet er den anderen Parteien eine ‚Vereinbarung‘ an, das Thema ‚Neutralität‘ die gesamte folgende Legislaturperiode außer Streit zu stellen (STANDARD, 15.6.1999).

Die ÖVP hingegen – durch einen gültigen Parteitagsbeschluß aus dem Jahr 1998 auf den NATO-Beitritt festgelegt – widerspricht sich sogar innerhalb weniger Tage selbst. Während Außenminister Wolfgang Schüssel noch im April dieses Jahres ‚auch angesichts der Militäraktionen gegen Jugoslawien einen Beitritt Österreichs zur NATO‘ anstrebt (‚Profil‘, 5.4.1999), meint Klubobmann Andreas Khol in ‚Zur Sache‘ am 19.4.1999, daß die ÖVP eine NATO-Mitgliedschaft ‚derzeit nicht‘ anstrebe. Der SPÖ warf sie jedoch während des gesamten EU-Wahlkampfes vor, eine ‚Sicherheitslüge‘ zu betreiben.

Es geht nun darum, die Position Österreichs innerhalb der EU nicht weiterhin so widersprüchlich darzustellen, sondern die Karten auf den Tisch zu legen. Während die Neutralität scheibchenweise de facto beseitigt wird, wird der Bevölkerung gleichzeitig vorgegaukelt, man sei weiterhin neutral und könne gewissermaßen die Politik der 50er bis 70er Jahre unverändert fortführen. Das führt zu einem Befremden der europäischen befreundeten Staaten, für die Österreich im-mer weniger ein verläßlicher europäischer Partner ist. Zugleich aber wird gegenüber der österreichischen Bevölkerung der Eindruck erweckt, daß die Neutralität nicht nur die Identität Öster-reichs bestimme sondern auch der Sicherheit des Landes diene. Eine Diskussion über das Wesen und den Inhalt der Neutralität findet schon deshalb nicht statt, weil dabei jedenfalls die Dif-ferenz zwischen Rechtslage und Handlungsweise der Regierung zutage träte, anderseits man sich der mühsamen Aufgabe unterziehen müßte, die tatsächlichen Wirkungsweisen der außenpolitischen Instrumente wie Neutralität oder Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen.

Auch unter diesem Gesichtswinkel ist der Aufruf vom Bundeskanzler aber auch des Bundespräsidenten, die Sicherheitspolitik aus Wahlkämpfen herauszuhalten, höchst befremdlich. Vielmehr ist es nach Auffassung der Liberalen notwendig, endlich eine Debatte darüber zu führen, wo Österreich sicherheitspolitisch tatsächlich steht, welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung es gibt und für welchen Weg man sich tatsächlich entscheidet. Diese sicherheitspolitische Weichenstellung ist unter anderem auch für das österreichische Bundesheer und dessen Beschaffungswesen von existentieller Bedeutung. Für die Zukunft des Bundesheeres muß dringend ein umfassendes Planungskonzept erstellt werden. Daher ist es wichtig zu wissen, ob das Heer nach wie vor auf der Basis des völlig veralteten Landesverteidigungsplanes agieren soll, der auf der autonomen Verteidigung eines Einzelstaates aufbaut, oder ob es in die zukünftige euro-päische Sicherheitspolitik eingebettet werden soll.

Um die Debatte seriös zu führen, ist die Zustandserhebung nötig und dabei aufzuzeigen, welche Schritte zur Aushöhlung der Neutralität bereits gesetzt wurden.

Folgende Schritte zur Aushöhlung der Neutralität wurden gesetzt:

1991 wurden im Zuge des Golfkonfliktes, als der UN-Sicherheitsrat militärische Sanktionen gegen den Irak beschloß, Strafgesetzbuch und Kriegsmaterialiengesetz dahingehend geändert, daß bei einem Transit von Kriegsmaterial auf Basis eines Sicherheitsratsbeschlusses keine Neutralitätswidrigkeit vorliege,

1995 brachte Österreich mit dem Beitritt zur Europäischen Union den sicherheitspolitisch gravierendsten Schritt weg von der Neutralität, denn in einer Gemeinsamen Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) verpflichteten sich die neuen Mitgliedstaaten zu folgenden Punkten: Man kommt überein, daß

‚die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden, sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, so wie sie im Vertrag über die Europäische Union definiert ist, zu beteiligen;

die neuen Mitgliedstaaten mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrags ... vollständig und vorbehaltlos übernehmen werden

die neuen Mitgliedstaaten bereit und fähig sein werden, die zum Zeitpunkt ihres Beitritts für die verschiedenen Bereiche gültige Politik der Union zu unterstützen.‘

Folgerichtig wurde im selben Jahr auch das Bundes-Verfassungsgesetz durch einen neuen Art. 23f geändert:

(Abs. 1): ‚Österreich wirkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union...mit. Dies schließt die Mitwirkung .. an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden.‘

Die klarste Ansage zur Verabschiedung von der Neutralität fand durch den von Österreich mitgetragenen EU-Vertrag über die Europäische Union von Amsterdam 1997, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist, statt. Er bringt ein Bekenntnis zur künftigen europäischen Verteidigung. Teile des neuen Artikel 17 sind nicht mit dem österreichischen Neutralitätsgesetz vereinbar:

(Abs. 1) ,Die Union fördert engere institutionelle Beziehungen zur WEU im Hinblick und auf die Möglichkeit einer Integration der WEU in die Union, falls der Europäische Rat dies beschließt:

(Abs. 2) ‚Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein.‘

Durch die so erfolgte Integration der ‚Petersberger Aufgaben‘ der WEU kann die EU im Sinne dieses Artikel theoretisch auch ohne Beschluß des UN-Sicherheitsrates tätig werden. Unter unveränderter Aufrechterhaltung der ‚immerwährenden‘ Neutralität und des Neutralitätsgesetzes kann Österreich an Kampfmaßnahmen im Rahmen der GASP nicht teilnehmen.

Folgerichtig wurde daher der Art. 23f B-VG neuerlich dahingehend geändert, daß Österreich an solchen Kampfeinsätzen teilnehmen könnte. In den Erläuterungen zu dem diesbezüglichen Antrag 791/A der Abgeordneten Kostelka und Khol, beschlossen am 18.6.1998, heißt es sogar:

‚Mit dieser Änderung ist klargestellt, daß Österreich nicht nur an Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund des Maastrichter Vertrages ...teilnehmen kann, sondern vollumfänglich auch an den durch den Vertrag von Amsterdam...neu eingeführten sog. Petersberg-Aufgaben. In Entsprechung des Vertrages von Amsterdam gilt dies auch für den Fall, daß eine solche Maßnahme nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ergriffen wird.‘

1997 brachte auch das Scheitern eines der wichtigsten Vorhaben der Bundesregierung für diese Legislaturperiode, nämlich die Erstellung eines gemeinsamen ‚Optionenberichtes‘ über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik. Hauptgrund: die möglichen Konsequenzen für das Neutralitätsgesetz.

Anfang 1999 einigt sich die Bundesregierung darauf (so Außenminister Schüssel im Februar vor dem Nationalrat), die Integration der WEU in die EU in der Europäischen Union aktiv zu betreiben und somit die EU auch zu einer Verteidigungsunion einschließlich Beistandspflicht zu machen. Kein einziger Völkerrechtler vertritt die These, daß in diesem Fall die ‚immerwährende‘ Neutralität aufrechtzuerhalten wäre. Dies ist auch logischer ein Schritt in Richtung europäischer Solidarität, der im übrigen durch die geltende Regierungserklärung ins Auge gefaßt wurde. Die Bundesregierung beabsichtigte

‚alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen, einschließlich der Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU einer umfassenden Überprüfung (zu) unterziehen und dem Parlament hierüber ... noch vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich, spätestens jedoch im Laufe des ersten Quartals 1998 zu berichten.‘

Der Artikel 5 der WEU (Beistandsverpflichtung) ist darin mit keinem Wort erwähnt, was bedeutet, daß seine Übernahme nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte.

1999 kann sich Österreich nicht solidarisch mit seinen EU-Partnern zeigen, indem es Überflugs-genehmigungen für den NATO-Kosovo-Einsatz verweigert, obwohl Bundeskanzler und Außenminister den Militärschlag anläßlich des Europäischen Rates in Berlin Ende März akzeptieren und im April die NATO-Luftangriffe in einer Erklärung der EU-Außenminister weiter als ‚notwendig und geboten‘ bezeichnen, da die Genehmigung dem Neutralitätsgesetz widerspräche.

Durch die Beschlüsse des Europäischen Rates in Köln vom 4. Juni 1999 wird mit Zustimmung des Bundeskanzlers die europäische Verteidigungspolitik weiterentwickelt. In der Erklärung ‚zur Stärkung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik‘ wird in den Leitprinzipien neben einer Bekräftigung dieses Grundprinzips festgestellt, daß der Rat der Europäischen Union ‚in die Lage versetzt wird, Beschlüsse über das gesamte Spektrum der ihm zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumente zu fassen, wenn es darum geht, auf Krisensituationen zu reagieren.‘ Gefordert wird, daß die Mitgliedstaaten ‚Streitkräfte weiterentwickeln, die auch für Krisenbewältigungsoperationen geeignet sind‘. Zur effektiven Durchführung von EU- geführten Operationen soll die EU von Fall zu Fall zu entscheiden haben, ob diese ‚unter Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO‘ oder ‚ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO‘ durchgeführt werden. Dazu sei es schließlich notwendig, ‚daß entweder die nationalen Kommandostrukturen ... genutzt werden oder daß auf die bestehenden Kommandostrukturen innerhalb der multinationalen Streitkräfte zurückgegriffen wird.‘ All dies deutet auf ein endgültiges Ende einer Rolle für neutrale Staaten hin, vor allem aber auch auf eine Emanzipation der EU vom atlantischen Bündnis, ohne aber die Verbindungen zu diesem völlig zu durchtrennen.

Damit ist klargestellt, daß ein gemeinsames Handeln aller Mitglieder vorgesehen ist, und zwar ohne Festschreibung eines Sonderstatus für die Neutralen. Vetorecht und ‚konstruktive Enthaltung‘ gilt daher für alle 15 Staaten gleichermaßen und ist nicht als Sonderrecht für Neutrale konzipiert.

Dieser kurze Abriß zeigt, daß zwischen der österreichischen Neutralität und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein fundamentaler Widerspruch besteht.

Doch die Diskussion um Österreichs Rolle im Kosovo-Konflikt und die unehrliche Debatte rund um die Neutralität während des EU-Wahlkampfes haben das Desaster der österreichischen Sicherheitspolitik prolongiert. Bis heute liegt keine entscheidungsreife Positionierung der Bundesregierung über eine zu verfolgende Option vor, obwohl man sich in der Regierungserklärung 1996 dazu verpflichtet hatte. Wie oben erwähnt hat Bundeskanzler Viktor Klima nur den Vorschlag des Diskussionsverbotes.

Die österreichische Außenpolitik ist allerdings – das zeigte der Kosovo-Konflikt – weder neutral noch solidarisch. Auf der einen Seite wird in einer Aussprache des Europäischen Rates vom 14.4.1999‚ der Einsatz schärfster Maßnahmen, einschließlich militärischer Aktionen‘ für notwendig und gerechtfertigt erachtet, weil man das Morden und die Deportationen im Kosovo nicht hinnehmen könne; militärische Überflüge können hingegen wegen der Verfassungslage nicht gestattet werden. Auf der anderen Seite betreibt Österreich keineswegs die ‚aktive Neutralitätspolitik‘, von der Klima spricht. Denn während sogar die NATO-Länder Italien und Ungarn sowie das bündnisfreie Schweden ihre Botschaften in Belgrad geöffnet hielten, zog Österreich sein Botschaftspersonal ab, obwohl ein Offenhalten mit freiwilligen MitarbeiterInnen dringend geboten schien, um beispielsweise Serben über die Erteilung eines Visums einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen. Es ist daher bezeichnend, daß der Präsident des bündnisfreien Finnland, Martti Ahtisaari, beauftragt wurde, im Namen der EU eine Vereinbarung mit Serbien über den Einsatz einer Friedenstruppe unter UN-Mandat im Kosovo auszuverhandeln. Österreich blieb in der Rolle des Zuschauers.

Notwendig ist für die Zukunft daher, die GASP und ein Vorantreiben einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität nicht nur in den Verträgen zu verankern, sondern auch wirklich zu leben. Die Voraussetzungen dafür, auch was die künftige Sicherheits- und Verteidigungsstruktur der EU betrifft, wurden schon großteils (einschließlich der unbedingt notwendigen Integration der WEU in die Union) im Vertrag von Amsterdam hergestellt und nun beim Europäischen Rat in Köln fortgeführt. Doch nur ein Land, das weiß, in welche Richtung der sicherheitspolitische Zug fahren soll, kann sich aktiv an einer Weiterentwicklung Europas für mehr Frieden und Stabilität beteiligen. Allererste Voraussetzung ist jedoch, daß Österreich die völkerrechtliche ‚immerwährende‘ Neutralität geklärt wird, ihr Widerspruch zu jeglicher Art von militärischer Kampfmaßnahmen außer Streit gestellt und endlich eine innerösterreichische Bereinigung mit dem Ziel der vollen Teilnahme Österreichs an der GASP im Sinne des Amsterdamer Vertrages herbeigeführt wird.

Daher richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

an den Bundeskanzler:

1. Österreich hat 1955 das BVG zur immerwährenden Neutralität beschlossen und dessen Inhalt der internationalen Staatengemeinschaft völkerrechtlich notifiziert. Sind Sie der Auffassung, daß diese völkerrechtliche Verpflichtung weiterhin besteht?

2. Der völkerrechtlich immerwährend neutrale Staat ist völkerrechtlich zur Nicht-Teilnahme an militärischen Konflikten zwischen Dritten generell verpflichtet. Halten Sie diesen Inhalt der immerwährenden Neutralität für aufrecht?

3. Österreich hat anläßlich seines Beitrittes zur EU die seit dem Maastricht-Vertrag festgelegte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, inklusive Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen soll, ratifiziert. Halten Sie die Umsetzung und die Beteilung an der GASP in diesem Sinne für eine österreichische vertragliche Verpflichtung?

4. Halten Sie die Aufnahme der Petersberger Aufgaben unter Einschluß von Kampfmaßnahmen in den Amsterdamer Vertrag, und damit seit 1. Mai dieses Jahres in die österreichische Bundesverfassung, für eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Teilnahme Österreichs an derartigen militärischen Aktionen und somit für vereinbar mit den völkerrechtlichen Enthaltungspflichten durch das Neutralitätsgesetz?

5. In Entsprechung des Amsterdamer Vertrages wurde durch Art. 23 f B-VG ausdrücklich verfassungsrechtliche Vorsorge für die österreichische Teilnahme an friedensschaffenden Maßnahmen (Kampfeinsätze) geschaffen. Ist diese Verfassungsnovelle kompatibel mit der immerwährenden Neutralität? Wenn ja, warum?

6. In den Erläuternden Bemerkungen zu Antrag 791/A XX. GP werden ausdrücklich Kampfeinsätze auch ohne Beschluß des UN-Sicherheitsrates ermöglicht. Ist dies geltende Rechtsauffassung der Bundesregierung?

7. In den Erläuternden Bemerkungen zu Antrag 791/A werden ausdrücklich Überflüge und Durchfuhren im Rahmen von GASP-Beschlüssen ermöglicht. Ist dies geltende Rechtsauffassung der Bundesregierung?

8. Im Falle der konstruktiven Enthaltung ist der Mitgliedsstaat laut Art. 23 Abs. 1 EUV zwar ‚nicht verpflichtet, den Beschluß durchzuführen, akzeptiert jedoch, daß der Beschluß für die Union bindend ist. Im Geiste gegenseitiger Solidarität unterläßt jener MS alles, was dem auf diesem Beschluß beruhenden Vorgehen zuwiderlaufen oder es behindern könnte.‘ Ist dies vereinbar mit der völkerrechtlichen Gleichbehandlungspflicht des immerwährend Neutralen gegenüber Konfliktparteien?

9. Müßte Österreich nicht in konsequenter Befolgung der immerwährenden Neutralität gegen jede einzelne GASP-Maßnahme mit militärischen Auswirkungen ein Veto einlegen? Wenn nein, warum nicht?

10. Wären aber Vetos im Sinne der Frage 9 nicht ein fundamentaler Widerspruch zu der eingegangenen Verpflichtung im Beitrittsvertrag, die GASP vollinhaltlich mitzutragen und umzusetzen? Wenn nein, warum nicht?

11. Die EU hat im Mai 1999 Wirtschaftssanktionen gegen das kriegführende Jugoslawien verhängt bzw. verschärft (Einfrieren von Geldern, Investitionsverbote). Einseitige Wirtschaftssanktionen gegen kriegführende Staaten verstoßen gegen die immerwährende Neutralität und das Neutralitätsgesetz. Mit welchen Begründungen konnten Sie daher diesen Sanktionen zustimmen?

12. Beim Europäischen Rat in Berlin haben Sie als Regierungschef eines immerwährend neutralen Staates für militärische Aktionen einer Konfliktpartei gestimmt, indem Sie den NATO-Einsatz für ‚sinnvoll und geboten‘ erachteten. Wie läßt sich diese Haltung mit der österreichischen Neutralität vereinbaren?

13. Sie haben die beim Europäischen Rat in Köln erfolgte Erklärung über die Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterzeichnet. Betrachten Sie dies für eine auch für Österreich richtige Zielsetzung?

14. In den Schlußfolgerungen von Köln steht, daß sich neben bündnisfreien auch ‚neutrale‘ Staaten in vollem Umfang und gleichberechtigt an EU-Operationen beteiligen können. Welche prinzipiellen Unterschiede bzw. rechtlichen Sonderpositionen für Neutrale gibt es dann noch gegenüber EU-Mitgliedstaaten, die in einem Bündnis oder bündnisfrei sind?

15. Halten Sie die Integration der WEU in die EU, wie im Amsterdamer Vertrag als Ziel formuliert, für sinnvoll und notwendig?

16. Stehen Sie zum geltenden Koalitionsübereinkommen, in dem der Beitritt Österreichs zur Westeuropäischen Union als Option ausdrücklich angesprochen wird?

17. In den Schlußfolgerungen von Köln heißt es, daß die Europäische Union zur effektiven Durchführung von EU-geführten Operationen entscheiden kann, ob sie diese unter Rückgriff und Fähigkeiten der NATO oder OHNE Rückgriff auf die NATO durchführt. Sehen Sie darin die Entwicklung der EU zu einer Verteidigungsunion, die ggf. auch ohne Beteiligung der NATO tätig werden kann?

18. Werden Sie sich für die Schaffung einer europäischen Friedens- Sicherheits- und Verteidigungsunion im Sinne des Amsterdamer Vertrages – unter Einschluß Österreichs – einsetzen?

19. Wieso schlagen Sie vor, die Debatte über die Zukunft der österreichischen Neutralität und Sicherheitspolitik bis Ende der nächsten Legislaturperiode zu beenden, obwohl entscheidende Verhandlungen über die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik, an der sich Österreich aktiv beteiligen sollte, in den nächsten Jahren anstehen?

20. Die Bundesregierung konnte entgegen Ihrem Versprechen im Koalitionsübereinkommen dem Nationalrat im ersten Quartal 1999 keinen ‚Optionenbericht‘ über die Zukunft der österreichischen Sicherheitspolitik vorlegen. Werden Sie einen Optionenbericht vorlegen, der die hier aufgezeigten grundsätzlichen Fragestellungen und Widersprüche klärt? Wenn nein, was werden Sie tun, um die völlig unterschiedlichen Positionen von SPÖ und ÖVP zu einer sicherheitspolitischen Linie der Bundesregierung zusammenzuführen, mit der Sie international wieder glaubwürdig werden?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 GOG als dringlich zu behandeln."

*****

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Heide Schmidt als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort nach § 93 der Geschäftsordnung, was bedeutet, daß die Redezeit 20 Minuten beträgt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

15.02

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es haben uns heute einige Personen gefragt, wie denn die Liberalen dazu kommen, heute eine Dringliche Anfrage zu Fragen der Sicherheitspolitik und zum Thema Neutralität zu stellen. Ich möchte Ihnen diese Frage gerne beantworten.

Ich glaube, daß der vergangene Wahlkampf gezeigt hat, wie leicht es dem Bundeskanzler und der SPÖ gemacht wurde, mit Schlagworten eine Scheinwelt herzustellen, die mit der Realität gar nichts zu tun hat, und damit eine Wahl zu gewinnen, und zwar mit dem Schlagwort: Die SPÖ sichert die Neutralität.

Dieser Wahlkampf hat aber auch deutlich gemacht, wie es der ÖVP geglückt ist, mit einem theoretischen Begriff von ihrer politischen Zielsetzung abzulenken, mit dem theoretischen Begriff eines Europäischen Sicherheitssystems von der politischen Zielsetzung eines NATO-Beitrittes abzulenken.

Es hat dieser Wahlkampf auch gezeigt, wie es der FPÖ gelungen ist – nicht so gut wie sonst, aber immerhin –, die Wählerinnen und Wähler an der Nase herumzuführen (Abg. Scheibner: Der übliche Reflex gegen die FPÖ!) und ihnen mit einer Volksabstimmung das zu versprechen, was man ihnen von seiten der FPÖ eigentlich wegnehmen will, nämlich die Neutralität (Abg. Scheibner: Das ist ein völliger Unsinn!) – abgesehen davon, daß die Grundlage einer Volksabstimmung ohnehin erst einmal die Abschaffung der Neutralität sein müßte. (Abg. Scheibner: Das ist nicht sehr schlüssig! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn das so weitergeht, dann wird die Dringliche ein Absturz!)

Es ist daher im Interesse dieser Parteien, nachdem das für sie unterschiedlich gut, aber doch funktioniert hat, das alles im Nebel zu belassen, in der Hoffnung: Wenn es einmal funktioniert hat, wird es wieder funktionieren. Dieses im Nebel-Belassen hat sogar die Unterstützung durch den Herrn Bundespräsidenten, der meinte, daß die Sicherheitspolitik aus sämtlichen Wahlkämpfen herausgelassen werden sollte.

Wir Liberalen haben eine andere Auffassung dazu. Wir Liberalen glauben, daß nicht nur Wahlkämpfe dazu da sind, inhaltliche Positionen klarzumachen, sondern daß vor allem im Vorfeld die Inhalte offengelegt werden sollen, damit man weiß, worüber man eigentlich abstimmt, damit man weiß, welchen Positionen man Rückhalt gibt und welche Positionen man ablehnt, und das hat nicht nur auf Schlagwortebene zu geschehen.

Um das zu machen, ist es allerdings notwendig, daß man den Status quo für Österreich offenlegt. Offengelegt werden soll damit das Auseinanderklaffen zwischen Verfassungsrechtslage einerseits und der Realpolitik auf der anderen Seite. Aber es ist uns auch ein Bedürfnis, diese Gelegenheit dazu zu benützen, die Position der Liberalen offenzulegen und klarzumachen.

Um das alles zu erreichen, halte ich es für notwendig, daß wir zuerst einmal wenigstens ein paar Worte über das Wesen der Neutralität verlieren, denn wenn von Neutralität geredet wird, operiert man immer mit einer Keule, ohne überhaupt zu sagen, was die Neutralität eigentlich ist, was dahinter steht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die immerwährende Neutralität, Frau Kollegin Reitsamer, ist mehr als nur die Verpflichtung, keine militärischen Stützpunkte zuzulassen, keinem Militärbündnis anzugehören und sich aus Kriegen herauszuhalten. Sie ist mehr als das!

Das ist genau der Punkt, den es auch einmal zu unterscheiden gibt, und zwar auch deswegen, weil man sich immer so gerne auf andere europäische Staaten beruft, die bündnisfrei und nicht immerwährend neutral sind, und das ist, wie die meisten von Ihnen hier wissen, wie es jedenfalls der Herr Bundeskanzler weiß, ein Unterschied. Die Vermengung halte ich bereits für nicht sehr redlich, weil hier verbal eine schleichende Entwicklung eingeleitet wird, wo man sich dann plötzlich wundert, daß die Realitäten völlig anders ausschauen.

Die immerwährende Neutralität – und Sie, Herr Bundeskanzler, sind derjenige, der sich als Wahrer der Neutralität darstellt, und daher müssen Sie wohl die immerwährende österreichische Neutralität meinen und nicht die finnische, die schwedische oder sonst irgendeine, die eine Bündnisfreiheit ist, denn Sie reden ja von den Österreichern, nehme ich doch an – hat auch andere Verpflichtungen als jene, die ich gerade genannt habe.

Die immerwährende Neutralität Österreichs hat auch eine Verpflichtung zu einer bestimmten Neutralitätspolitik, und diese Neutralitätspolitik steht durchaus in der Disposition jenes Landes, für die sie zu gelten hat, aber es ist eine Neutralitätspolitik, die bereits im Vorfeld, in den Vorwirkungen klarmacht – und das sind die simpelsten Definitionen, die sie im Handbuch des Völkerrechtes lesen können –, daß man im Frieden auch nichts tun darf, was in künftigen Kriegen die Einhaltung der Pflichten der gewöhnlichen Neutralität unmöglich machen würde, nämlich sich herauszuhalten. Damit ist nicht eine Gesinnungsneutralität gemeint – unterstellen Sie mir nicht, daß ich das so simplifizieren möchte! –, sondern ich meine die Realpolitik des Landes.

Wenn ich mir das anschaue und sehe, wie Österreich in den letzten Jahren agiert hat – und wir haben das in unserer Dringlichen Anfrage aufgelistet –, dann muß ich sagen: Wir haben uns von dieser immerwährenden Neutralität Schritt für Schritt, und zwar in großen Schritten, bereits meilenweit entfernt.

Ich fange deswegen mit dem Jahre 1991 an, weil ich nicht bis zum Beitritt zur UNO zurückgehen möchte. Die Schweiz in ihrer Konsequenz hat auch gefunden, daß selbst der Beitritt zur UNO mit ihrer Neutralität nicht vereinbar wäre, und das ist auch die Auffassung vieler Völkerrechtler. Wir haben gefunden – ich möchte es auf Wienerisch ausdrücken –: Das geht g‘rad noch!

Ich will mich damit gar nicht auseinandersetzen. Aber ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1991, als hier im Parlament in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – ich glaube, zwischen zwei und vier Uhr früh war es, bis vier Uhr früh hat, so habe ich es nebulos in Erinnerung, der Ausschuß gedauert – das Strafgesetz und das Kriegsmaterialiengesetz geändert werden mußten, weil in der Golfkrise Österreich die Bewilligung für Überflüge und für Durchfahrten geben wollte, um Solidarität zu beweisen. Dies habe auch ich in diesem Fall für richtig gehalten. Die Rechtslage war allerdings darauf nicht eingestellt, die Rechtslage haben wir adaptiert: Weg von der Neutralität!

Viel wesentlicher aber scheint mir der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahre 1995. Ich erinnere mich noch sehr gut an die damaligen Diskussionen. Wie man weiß, war es den Liberalen immer ein Anliegen, daß Österreich Mitglied der Europäischen Union wird. Es wäre uns weit lieber gewesen, hätten Sie, nämlich die Bundesregierung und die Funktionäre der Bundesregierung, damals die Bürgerinnen und Bürger darüber aufgeklärt, mit welchen Konsequenzen ein solcher EU-Beitritt verbunden ist. Ich halte es einfach für nicht fair, daß man, nur um etwas erreichen zu können, die Dinge nicht beim Namen nennt, Dinge verschleiert oder überhaupt unerwähnt läßt.

Genau das haben Sie mit dem Thema Neutralität getan! Sie haben sich formal darauf zurückgezogen – was zugegebenermaßen stimmt –, daß wir der EU als neutraler Staat beigetreten sind, und haben gehofft – und die Rechnung ist aufgegangen –, daß die Menschen damit den Glauben verbinden, daß wir das auch bleiben können.

Nur: Mit diesem EU-Beitritt haben wir uns zu Dingen verpflichtet, die mit einer immerwährenden Neutralität absolut nicht vereinbar sind. In der Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik steht nämlich unter anderem drinnen, daß die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden, sich im vollen Umfang aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu beteiligen.

Weiters steht drinnen, daß diese Ziele des Vertrages vollständig und vorbehaltlos übernommen werden.

Herr Bundeskanzler! Ich kenne ja die Argumentation: In unserem Rahmen halt! Aber wenn ich das Ziel einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unterschreibe, wenn ich dieses vorbehaltlos unterschreibe, dann ist es nicht redlich, eine Mentalreservation zu haben und zu sagen: Ich bleibe das, was ich bin, und ich werde daher nie fähig, diese Ziele auch mitzuverfolgen und mitzutragen! Ich bleibe in meiner Beschränkung, ich unterschreibe etwas, was ich dann gar nicht erfüllen kann! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das halte ich nicht für richtig, und daher gibt es nur eines: Entweder ich entscheide mich, daß ich das nicht tun kann, oder aber ich versetze mich in die Lage, daß ich diese Ziele auch vorbehaltlos und vollständig übernehmen kann. Das heißt aber nicht, daß man bei allem mittun muß, das sage ich damit nicht, ich muß nur bereit sein, theoretisch bei allem mitzutun. Das ist der Unterschied!

Wir haben daher – und das ist auch ganz logisch – in weiterer Folge unsere Verfassung geändert, denn es ist natürlich mit einer immerwährenden Neutralität nicht vereinbar, wenn man Partei für eine Streitpartei ergreift, indem man zum Beispiel Wirtschaftsaktionen mitträgt. Daher haben wir unsere Verfassung geändert, wo im Artikel 23f drinnen steht, daß wir Aktionen mittragen können. Dort heißt es: Dies schließt die Mitwirkung an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden.

Diese Adaptierung war notwendig, um ein Mindestmaß an Verpflichtung erfüllen zu können, die wir mit dem EU-Beitritt eingegangen sind.

Ein noch viel größerer und klarerer Schritt ist aber mit dem Amsterdamer Vertrag erfolgt. Das war die endgültige Ansage – es ist wohlwollend, wenn ich sage Ansage – zur Verabschiedung der Neutralität, denn da haben wir uns auch zu den Petersberger Aufgaben verpflichtet, die – und jeder hier weiß es – eben nicht nur friedenssichernde und friedenserhaltende Maßnahmen einschließen, sondern im Zusammenhang mit Krisenbewältigung auch Kampfeinsätze.

Dies ist mit einer immerwährenden Neutralität unvereinbar, und jemand, der das bestreitet, redet wirklich an der Realität und auch am Rechtsbestand vorbei.

Wir haben daher wieder unsere Verfassung adaptiert, und ich kann mir gut vorstellen, welches Tauziehen um jedes Wort zwischen den Koalitionsparteien geherrscht haben muß. Aber es wurde klargestellt – und jetzt zitiere ich nur noch die Erläuterungen der Abgeordneten Kostelka und Khol –, daß in Entsprechung des Vertrages von Amsterdam auch Maßnahmen für den Fall mitgetragen werden, daß diese nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ergriffen werden. Das steht so wörtlich drinnen. (Abg. Dr. Khol: Ganz richtig! Ja! Dazu stehen wir auch!) Das heißt, wir haben auch damit deutlich gemacht, daß das, was unter immerwährender Neutralität jedenfalls völkerrechtlich und staatsrechtlich zu verstehen ist, nicht mehr haltbar ist. Man kann das für gut oder für richtig halten, es ist eben geschehen. (Abg. Dr. Kostelka: Lesen Sie einmal den Text und nicht nur die Erläuterungen!)

Aufgrund dessen ist es auch kein Wunder, daß die beiden Regierungsfraktionen keinen Optionenbericht zusammengebracht haben, obwohl sie sich noch in der Regierungserklärung dazu verpflichtet und auch die Wichtigkeit dieses Themas erkannt haben, indem sie in die Regierungserklärung hineingeschrieben haben, daß alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen – und zwar noch vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich – dem Parlament unterbreitet werden. Jeder weiß, wie es ausgegangen ist: Der Optionenbericht ist nicht gekommen.

Nun komme ich – damit ich nicht alles, was Sie ohnehin in der Dringlichen Anfrage nachlesen können, wiederholen muß – zum 4. Juni 1999, zum Kölner Gipfel. Auch da erinnere ich mich gut an die Diskussionen im Hauptausschuß, an die Diskussionen zwischen Außenminister, Klubobmann Kostelka, meiner Person, wo es darum gegangen ist, wie, in welchem Zeitrahmen und wie engagiert Österreich für eine Integration der WEU in die EU eintreten soll. Darüber will ich jetzt nicht reden, nur darüber, was herausgekommen ist.

Herausgekommen ist beim Kölner Gipfel, daß jedenfalls der Rat der Europäischen Union in die Lage versetzt wird, Beschlüsse über das gesamte Spektrum der ihm zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumente zu fassen, wenn es darum geht, auf Krisensituationen zu reagieren.

Nun weiß ich schon, daß das alles Absichtserklärungen sind, aber jedenfalls Absichten in eine Richtung: daß in einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auch gemeinsame militärische Aktionen stattfinden sollen, und zwar – und das ist das, was mich noch beruhigt – entweder mit oder ohne Inanspruchnahme der NATO-Strukturen.

Wenn Sie, was ich annehme, jetzt auf das Vetorecht oder auf die konstruktive Enthaltung hinweisen werden und darauf, daß Österreich ja nicht mitmachen muß, so sage ich: Dieses Vetorecht, die konstruktive Enthaltung gibt es, nur ist es kein Sonderinstrumentarium für Neutrale, sondern es ist ein Instrumentarium, das allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Verfügung steht. Es ist daher unrichtig, daß, wie Sie behaupten, da auf die Sondersituation Neutraler Bedacht genommen worden wäre.

Weil das für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gilt, halte ich es für logisch und auf der Hand liegend, daß das nur so ausgelegt werden darf, daß sich ein Land nur im Einzelfall, dann, wenn besondere Gründe dafür sprechen, enthält – aber nicht aus prinzipiellen Gründen, weil ein neutraler Staat niemals daran teilhaben kann, denn das wäre eine Mentalreservation bei der Unterzeichnung eines Vertrages, und diese hielte ich für inkorrekt. Daher wundert es mich auch nicht, daß unser Stellenwert und unser Ernstgenommenwerden bei der Europäischen Gemeinschaft nicht so ist, wie Sie das uns gegenüber gerne darstellen.

Wenn wir davon sprechen, daß endlich eine Sicherheitsdebatte notwendig ist, dann meinen wir, daß wir den Österreicherinnen und Österreichern einerseits, wenn man ehrlich ist, sagen muß, daß man schon deswegen nicht als Wahrer der immerwährenden Neutralität auftreten kann, weil sie inzwischen weg ist. Und wenn das so ist, dann ist es auch nicht fair, so zu tun, als könnte man die Neutralität auch für die Zukunft weiter retten, denn es ist nichts mehr da, was man retten kann!

Wenn ich mir jetzt den bevorstehenden Wahlkampf vorstelle, wenn ich mir vorstelle, daß mit den gleichen Schlagworten agiert werden wird, dann muß ich sagen: Das mag zwar wählerwirksam sein, mit politischer Verantwortung hat es aber herzlich wenig zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wird der Tag kommen, an dem wir gar nicht anders können, als in dieser Europäischen Union Farbe zu bekennen. Dann stehen die Bürgerinnen und Bürger da, und sie werden überhaupt nicht wissen, wie ihnen geschieht, weil man ihnen jahrelang Sand in die Augen gestreut hat. Das ist einfach nicht in Ordnung, das ist ein falsches Politikverständnis!

Die SPÖ und, wie ich meine, auch die Grünen halten da an einem Potemkinschen Dorf fest, und zwar aus unterschiedlichen Motivationen und mit unterschiedlicher Glaubwürdigkeit in der Überzeugung. Das kommt dazu, denn die Glaubwürdigkeit der Grünen in dieser Frage ist meiner Ansicht nach um ein Vielfaches höher als die der SPÖ. Nur, es nützt überhaupt nichts, es ist trotzdem ein Potemkinsches Dorf. (Abg. Wabl: Nein! Die Wirklichkeit machen auch wir aus als Partei!) Es nützt nichts, daß ihr dabei glaubwürdiger seid! Daher ist das für mich nicht unbedingt als ein Plus gemeint.

Die ÖVP und die FPÖ wollen den direkten Weg in die NATO. Das mag eine Option sein, für die man eintreten kann. Die Liberalen treten dafür nicht ein, und wir sind nie dafür eingetreten! (Abg. Dr. Khol: Wofür treten Sie denn ein?) Wir halten das für den falschen Weg, weil wir glauben, daß ein europäisches Sicherheitssystem, von dem ich zuvor geredet habe und das die ÖVP so gerne als einen theoretischen Begriff und damit als einen Mantel für etwas Verhüllendes benützt hat, der richtige Weg wäre, und wir meinen, daß man offenlegen muß, was darunter verstanden werden kann. Was wir darunter verstehen – im Gegensatz zu Ihnen, im Gegensatz zu einem NATO-Beitritt –, ist ein eigenständiges Sicherheitssystem und – ich sage das, auch wenn es viele gibt, die das als eine Illusion abtun – auch ein europäisches Freiwilligenheer. (Abg. Scheibner: Das ist ein gefährlicher Wunsch!)

Wir wollen ein europäisches Sicherheitssystem mit all seinen Komponenten der Sicherheitsaktionen, und das ist nicht nur eine militärische Komponente, wie mir hoffentlich viele recht geben werden, aber eine der Sicherheitskomponenten ist eben bedauerlicherweise die militärische, und für diese eine Komponente wünschen wir uns ebenfalls ein europäisches Instrumentarium, nämlich ein europäisches Freiwilligenheer. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn es auch manchen visionär erscheint, so stehe ich dazu. Vielen wäre seinerzeit die Europäische Union insgesamt visionär erschienen, und erst recht wäre ihnen eine gemeinsame europäische Währung visionär erschienen. Heute haben wir sie, und das Euro-Heer wird das nächste sein, was wir haben.

Aus diesem Grunde kommt es darauf an, Vorstellungen davon zu haben, wie dieses System aufgebaut sein soll. Nur wenn ich diese Vorstellungen habe, nur wenn ich klare Ziele habe, wenn ich von der Richtigkeit dieser Ziele überzeugt bin, kann ich mich auch dafür engagieren.

Ich halte es für richtig, sich dafür zu engagieren, und ich glaube, daß das auch in Österreich – mir, das sage ich ganz offen, sehr angenehme – Begleiterscheinungen hätte. Es würde nämlich die Auflösung des nationalen Heeres bedeuten – in den anderen europäischen Staaten genauso –, es würde nämlich die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht bedeuten, weil wir auf ein Freiwilligenheer umstiegen.

Ich glaube, daß das eine sehr gute Zukunftsvision ist, und zwar sowohl für die Verteidigung der Werte in einer solchen Gemeinschaft als auch für die Entscheidung derjenigen, die auf diese Weise dafür eintreten wollen.

Um all das zu diskutieren – auch wenn Sie es für falsch halten –, um das mit Sachargumenten zu diskutieren, um all das offenzulegen und nicht immer nur auf der Schlagwortebene zu bleiben, haben wir die heutige Dringliche Anfrage eingebracht. Und ich hoffe sehr, Herr Bundeskanzler, daß Sie den Weg hierher deswegen gemacht haben, weil Sie bereit sind, zu den 20 Fragen, die wir gestellt haben, nicht nur Ihre Statements, Ihre Worthülsen und Ihre – wie soll ich sagen – Botschaften abzuliefern, sondern diese unsere Fragen auch wirklich zu beantworten. Ich bitte Sie, nicht das zu tun, was Sie uns gelegentlich anbieten, nämlich den Mantel des Schweigens darüberzubreiten, wenn wir Ihrer Meinung beitreten, sondern einen politischen Diskurs über die Richtigkeit der Argumente zu führen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum.)

15.22

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

15.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag schwer sein, drei Tage nach einer Wahl und drei Monate vor einer Wahl eine sachlich fundierte Diskussion zu führen. (Abg. Haigermoser: Uns fällt das nicht schwer! Wir haben kein Problem damit!) Ich werde mich auf jeden Fall im Rahmen der Beantwortung der an mich gestellten Fragen darum bemühen.

Sehr geehrte Frau Dr. Schmidt! Gestatten Sie mir, daß ich vorab auch die Überlegungen und Vorstellungen über die Sicherheit und Stabilität in Europa, die mich bewegen, eine Politik zu führen, die uns vielleicht unterscheidet, kurz darlege.

Ich glaube, daß wir alle hier ein dringliches Interesse haben, im nächsten Jahrhundert eine Architektur für Europa zu finden, die uns Stabilität und Sicherheit im höchstmöglichen Ausmaß gewährleistet. Und ich meine, daß es schlecht wäre, wenn wir zu einer Politik kämen, die dazu führt, daß wir neue Teilungslinien, neue Gräben, neue Blockbildungen in Europa haben. (Abg. Wabl: Da hat er recht!) Es ist daher meiner Meinung nach wichtig und richtig, daß wir – und das sind nicht nur die vier paktfreien oder neutralen Staaten in der Europäischen Union, sondern auch andere, die mittel- und langfristig über Stabilität und Sicherheit in Europa nachdenken – die Europäische Union nicht zu einem Militärpakt mit obligatorischer NATO-Mitgliedschaft machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, daß das nicht nur ein Problem für die vier Staaten ist, die bereits im Vertrag von Maastricht erreicht haben, daß eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf die jeweils bestimmte Sicherheitspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen hat – das findet sich ja auch, damals bekannt unter "Irischer Formel", im Vertrag von Amsterdam wieder und gibt uns die Flexibilität, die dieses Europa braucht –, und ich bin der Ansicht, daß auch in Richtung des Erweiterungsprozesses, den wir uns für das nächste Jahrhundert durchaus in Richtung Lettland, Litauen, Estland und so weiter vorstellen können, eine solche obligatorische NATO-Mitgliedschaft in einem Militärpakt Europäische Union dazu beitragen könnte, daß neue Blockbildungen in diesem Europa entstehen (Abg. Dr. Schmidt: Deswegen wollen wir sie ja auch nicht!), welche ohne Zweifel nicht zur Sicherheit beitragen. (Abg. Dr. Schmidt: Da bin ich Ihrer Meinung!)

Frau Dr. Schmidt! Ich weiß nicht, wann der Moment war und wodurch er entstanden ist, daß in den Verhandlungen in Rambouillet und Paris und den Entschlüssen danach Rußland nicht mehr im Boot war, ich weiß nur eines (Abg. Dr. Schmidt: Herr Bundeskanzler, Sie laufen offene Türen bei mir ein!) – entschuldigen Sie, vielleicht können wir das dann fortführen –, ich weiß nur eines – und da gibt es in der Zwischenzeit gut fundierte Quellen dafür –, daß aufgrund der Tatsache, daß Rußland nicht mehr in dieser internationalen Staatengemeinschaft vertreten war, Milošević geglaubt hat, einen starken Partner zu haben. Und das war ein treibendes Moment für diese Greueltaten, die wir am Balkan erleben mußten. Daher halte ich es für so wichtig, daß wir eine Sicherheitsstruktur und Politik für Europa entwickeln können, die genau solche Blockbildungen und Teilungen vermeidet. (Abg. Dr. Schmidt: Ich auch! Genau das ist es!)

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung: Wissen Sie, was ich an Solana so schätze? Daß er es ist, der die politische Vision entwickelt hat, daß wir eine Brücke zu bauen haben zwischen Rußland und einem Militärblock NATO, daß es wichtig ist, auch die Partnerschaft für den Frieden, auch die erweiterte Partnerschaft für den Frieden zur möglichen Zusammenarbeit in Krisen und sicherheitspolitischen Überlegungen aufzubieten. Das ist es, was ich für wichtig halte: Weg vom Pakt in Richtung einer Struktur einer Gemeinsamkeit und einer Zusammenarbeit!

Das war in Wirklichkeit der Grund – ich sage das sehr klar –, warum wir nach dem zumindest mißverständlich formulierten Erstpapier der deutschen Präsidentschaft über die Schlußfolgerungen des Rates von Köln besorgt waren. Aber ich bitte Sie, tun Sie nicht so, als ob nur Österreich besorgt gewesen wäre. Es waren auch Finnland, Irland und Schweden sehr besorgt über den Erstentwurf der deutschen Präsidentschaft vom Mai. Es sind darüber wirklich engagierte Diskussionen geführt worden, die dann schlußendlich zu dem, was in Köln beschlossen wurde, geführt haben, nämlich zum Bekenntnis zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoliltik der Europäischen Union, die ein Miteinander ermöglichen soll, das aber sehr klar und deutlich sagt, daß die Europäische Union keine Artikel-5-Beistandspflichten übernehmen wird, daher kein Militärpakt wird und auf diese Weise die gleichberechtigte Teilnahme von paktfreien und neutralen Staaten ermöglicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wo steht das? Herr Bundeskanzler, wo steht das?)

Erlauben Sie mir, noch auf eines hinzuweisen – ich werde im Rahmen der Anfragebeantwortung dann noch darauf zu sprechen kommen, Frau Dr. Schmidt, weil Sie das immer sehr gut darlegen –, was Sie schon beachten sollten: daß Österreich drei Monate nach der Beschlußfassung über das Neutralitätsgesetz den Vereinten Nationen beigetreten ist und daß alle Staaten das auch völkerrechtlich so akzeptiert haben. (Abg. Dr. Graf: Das war der erste Schritt!) Wir in Österreich sind daher seit diesem Zeitpunkt – und nicht erst, seit Klima Bundeskanzler ist – der Meinung, daß eine Teilnahme an einem Krieg dann nicht gegeben ist, wenn ein Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen besteht.

Ich darf Sie auf folgendes hinweisen: Wenn Sie den gesamten Titel V der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union lesen, dann werden Sie in der Präambel bereits sehen, daß alle Maßnahmen dieser Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen zu stehen haben. (Abg. Dr. Petrovic: Wie war das mit dem NATO-Bombardement?) Sehr klar und deutlich: im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen.

In der Charta der Vereinten Nationen sind zwei Krisenbewältigungsmaßnahmen vorgesehen (Abg. Dr. Petrovic: Wie war das mit dem NATO-Bombardement? Das war nicht im Einklang mit der Charta! – Abg. Scheibner: Alles ohne UNO-Mandat!) – darf ich das ausführen –: Die erste Form, wie Maßnahmen beschlossen werden können, beruht auf Basis eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. (Abg. Wabl: War das im Einklang?) Die zweite Form ist der Artikel 51 in der Charta der Vereinten Nationen, das Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung. (Abg. Dr. Petrovic: Sie scheinen eine andere Wahrheit zu haben!)

Wenn Sie zum Beispiel die so oft zitierten Erläuterungen zu unserem Artikel 23f B-VG ansehen, dann werden Sie dort sehr klar und eindeutig sehen, daß es auch möglich ist, ohne Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu agieren. Klammer auf: Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Klammer zu. (Abg. Wabl: Ich glaube, Sie verwechseln NATO-Statut und UN-Charta! War der Einsatz in Jugoslawien ein UNO-Einsatz?) Deswegen sage ich schon sehr klar und deutlich, daß Handlungen, die im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen, aus meiner Sicht immer, seit dem Herbst des Jahres 1955, mit der österreichischen Neutralität vereinbar sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wabl: Das war doch nicht im Einklang mit der UNO-Charta! – Abg. Scheibner: Das sagen Sie!)

Das sage nicht nur ich! Seither gab es viele Bundeskanzler, die der Meinung waren, daß Maßnahmen, die im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen, mit dem Neutralitätsgesetz vereinbar sind. Das ist nicht meine Erfindung, die ich vor drei Monaten oder vor zwei Jahren gemacht habe, das ist seit dem Herbst 1955 so, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist in dieser Form auch völkerrechtlich von den anderen Staaten anerkannt worden. (Abg. Dr. Krüger: Es geht um die Frage eines gerechten Krieges!) Selbstverständlich. (Abg. Dr. Krüger: Es geht um die Frage eines gerechten Krieges!) Denn bereits damals, beim Beitritt zu den Vereinten Nationen, haben wir das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität erlassen. Das ist wirklich eine inhaltlich sachliche Argumentation, und ich bitte, daß Sie das auch überlegen. (Abg. Scheibner: Ich werde Ihnen dann die richtige Erklärung dafür geben!)

Ich glaube, daß es in der Diskussion natürlich auch Unschärfen oder Mißverständnisse gibt, denn die österreichische Neutralität war für uns immer ein Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik unseres Landes und nicht Selbstzweck, ein Instrument der Außenpolitik, die sich seit den fünfziger Jahren natürlich sehr stark gewandelt hat, aber unbestritten ist: Der Kern dieses Neutralitätsverständnisses hat sich nicht verändert in diesen Jahrzehnten.

Ich glaube, es geht auch nicht darum, eine Neutralitätspolitik mit den Methoden der fünfziger Jahre fortzuführen. Das ist nicht möglich, dazu hat sich das weltpolitische Umfeld zu stark verändert. Die österreichische Neutralität war auch nie ein statisches Konzept, aber sie hat gerade gezeigt, daß sie in der Lage ist, in bestmöglicher Form auf die Veränderungen und Herausforderungen zu reagieren.

Frau Dr. Schmidt! Die Kernelemente, wie ich sie verstehe und sehe und wie sie im Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität festgelegt sind, die Kernelemente, die Sie selbst aufgezählt haben, also keine Teilnahme an einem Militärpakt, keine fremden Truppen auf unserem Gebiet und keine Teilnahme an einem Krieg – ich sage jetzt dazu: Klammer auf: wenn er nicht im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen steht; das gilt seit 1955 –, die haben sich, das können wir, glaube ich, klar und deutlich sagen, nicht verändert. (Abg. Dr. Schmidt: Sie wissen genau, was gemeint war! – Abg. Scheibner: Wo steht das?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben auch nach den weltpolitischen Veränderungen im Jahr 1989 die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten, die sich für Österreich seit dem Zerfall des Warschauer Paktes und des COMECON vergrößert haben, zusätzlich genützt, und ein Schwerpunkt war zu Recht – und ich bekenne mich dazu – der Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben daher im breiten Konsens mit allen Kräften diesen Beitritt vorbereitet, und wir, die beiden Regierungsparteien, Sozialdemokraten und Christdemokraten, haben damals sehr großen Wert darauf gelegt, daß Österreich als neutrales Mitglied der Europäischen Union beitreten kann und es auch bleiben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Dr. Schmidt! Ich darf, weil ich es für ein Kernelement halte, noch einmal wiederholen, daß bereits zu diesem Zeitpunkt – damals war es nur Irland, in der Zwischenzeit sind Schweden, Finnland und Österreich dazugekommen – im Maastrichter Vertrag festgehalten war, daß auf die besondere Verfassungslage und Sicherheitspolitik der einzelnen Staaten Rücksicht genommen wird.

Die Darstellung zum Artikel 23 B-VG habe ich bereits in meiner Einleitung gebracht, und aus meiner Sicht ist es so, daß der Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist, an dieser grundsätzlichen Konstellation nichts verändert hat. Die Parteien, die hier sitzen, hätten es ja gar nicht beschließen können, wenn sie der Meinung gewesen wären, daß damit das österreichische Neutralitätsgesetz obsolet wird. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum und bei den Freiheitlichen.) Also Verfassungsbruch wird hier im Nationalrat nicht begangen, davon bin ich überzeugt. (Abg. Dr. Kier: Es gibt Fakten!) Ich bin überzeugt davon, daß keiner der Abgeordneten hier im Zuge der Gesetzgebung die Verfassung gebrochen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Smolle: Vielleicht nicht vorsätzlich, aber tatsächlich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir daher im Rahmen der Europäischen Union – Österreich bekennt sich dazu – sehr rasch die Chance, eine politische Stimme Europas in einer multipolaren Welt zu sein, stärken müssen, daß wir eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik brauchen. Ich bin der Auffassung, daß der Vertrag von Amsterdam uns sehr klar die Möglichkeit gibt, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen tätig zu werden, und ich meine auch, daß das mit dem Neutralitätsgesetz Österreichs durchaus vereinbar ist.

Eine Bemerkung noch, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu dem Widerspruch zwischen der Neutralität und der Solidarität. Ich glaube, daß Österreich seit dem Jahr 1955 sehr klar bewiesen hat, daß es solidarisch an friedensichernden Maßnahmen in der ganzen Welt teilnimmt. Ich darf Ihnen sagen, daß mehr als 40 000 Personen – militärisches, polizeiliches und ziviles Personal – an mehr als 30 internationalen Einsätzen mitgewirkt haben und Österreich dafür mehr als 800 Millionen Schilling jährlich verwendet. Österreich ist derzeit mit 1 200 Soldaten und knapp 50 Polizisten bei 15 verschiedenen Missionen im internationalen Einsatz. Drei Missionen, nämlich der Einsatz in Osttimor, der KFOR-Einsatz auf Basis des Sicherheitsrates – er wurde heute früh besprochen – und eine UN-Polizei-Operation im Kosovo, sind derzeit in Vorbereitung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, noch etwas hinzuzufügen, weil ich gehört habe, daß es gegen die Neutralität verstoßen soll, daß österreichische Soldaten beim Aufbau des Österreich-Camps in Albanien sind. Das ist eine "Allied-Harbour"-Aktion, eine "PfP"-Aktion, und ich glaube, daß wir sehr klar sagen sollten, daß es doch nicht das Feindbild NATO gibt, wo wir Berührungsängste haben. Eine Zusammenarbeit ist sinnvoll und nötig. Meine politische Position ist allerdings, daß ich einen Beitritt Österreichs zur NATO nicht für sinnvoll erachte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch zu begründen versucht, warum ich es für Europa nicht für sinnvoll erachte, daß es diese Militärpakt-Identität gibt (Abg. Dr. Schmidt: Da sind wir uns einig!), und warum ich meine, daß Europa einen Mehrwert daraus ziehen kann, wenn wir eine Sicherheits- und Außenpolitik haben, die eine Zusammenarbeit zwischen Staaten ermöglicht, die NATO-Mitglied sind, Staaten, die paktfrei sind, und Staaten, die neutral sind. (Abg. Dr. Schmidt: Deswegen brauchen wir ja das europäische Sicherheitssystem! Genau das ist es! Das europäische Sicherheitssystem ist nicht die NATO!)

Genau das haben wir am Kölner Gipfel erreicht. Daher, glaube ich, können wir zu Recht sagen: Wir haben gemeinsam mit anderen sichergestellt, daß eine europäische Sicherheitsstruktur einen Militärpakt in Zukunft nicht erfassen wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schmidt: Das heißt, Sie nehmen in Kauf, daß die NATO Ihre Geschicke lenkt!)

Ich darf nun, Frau Dr. Schmidt, wenn Sie einverstanden sind, die einzelnen Fragen beantworten, wobei ich natürlich schon sehr viel in meinen einleitenden Bemerkungen erläutert habe.

Zu den Fragen 1 und 2:

Die österreichische Neutralität wurde durch das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 begründet. Sein Inhalt wurde von allen Staaten, mit denen Österreich seinerzeit diplomatische Beziehungen hatte, notifiziert. Der Kern dieser Verpflichtungen, der auch von Ihnen in der Anfrage angesprochen wurde, nämlich Nichtteilnahme an Kriegen, Militärpakt und so weiter, ist Inhalt dieses BVG-Neutralität. (Abg. Dr. Kier: Es geht um das Ganze! Es geht nicht nur um den Kern, es geht um das Ganze! – Abg. Dr. Schmidt: Die Notifikation bedeutet: Es ist eine völkerrechtliche Verpflichtung!)

Es ist nun so, daß die gesamte Staatspraxis unseres Landes, sehr geehrte Frau Dr. Schmidt, bereits – ich wiederhole es – im Herbst 1955 mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen von allen Völkern als nicht im Widerspruch zur österreichischen Neutralität stehend angesehen wurde.

Sie wollen doch nicht behaupten, daß der Beitritt zu den Vereinten Nationen im Widerspruch zur österreichischen Neutralität steht! – Das tut er nicht! (Abg. Dr. Schmidt: Dies ist nicht die Antwort!) Daher erlauben Sie mir, daß ich sehr klar und deutlich feststelle, daß die internationale Staatengemeinschaft unsere Entwicklung vom Beitritt zu den Vereinten Nationen bis hin zum Beitritt zur Europäischen Union als im Einklang mit der Neutralität unseres Landes gesehen hat und sieht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Kier: Das ist ein Irrtum! – Abg. Smolle: Das ist eine Behauptung!)

Zu Frage 3:

Wie ich bereits dargelegt habe, ist Österreich im Jahre 1995 der EU als aktives und solidari-sches, aber neutrales Land beigetreten. Der EU-Vertrag – auch in der Fassung des Vertrages von Amsterdam – bietet natürlich die notwendigen rechtlichen Grundlagen dazu.

Die von Ihnen in der Anfrage zitierten Bestimmungen des Artikels J.4 Abs. 1 des EU-Vertrages in der Fassung des Vertrages von Maastricht lauten wörtlich – wörtlich! –, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, umfaßt.

Gleichzeitig wird bereits im Maastricht-Vertrag, aber auch im Amsterdam-Vertrag klargelegt, daß auf den spezifischen Charakter der sicherheitspolitischen Optionen bestimmter Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen ist. Das kann also kein Widerspruch sein, und es ist nicht daraus abzuleiten, daß Staaten, die bündnisfrei sind, oder Staaten, die neutral sind, plötzlich – ich weiß nicht – ihre Verfassung ändern müssen.

Zu den Fragen 4 bis 10:

Ich habe bereits sehr ausführlich dargelegt, daß Artikel 23f die verfassungsrechtliche Grundlage dafür ist, daß Österreich als aktives, solidarisches und neutrales Mitglied an einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union teilnehmen kann. (Abg. Dr. Maitz: Nur nicht bei der Durchsetzung!)

Ich darf Ihnen zur Wortwahl der Fragestellung noch erläutern, daß Initiativanträge grundsätzlich nichts, wie Sie geschrieben haben, "ermöglichen" können, aber was die Ausübung der der Europäischen Union im Bereich der sogenannten Petersberger Aufgaben übertragenen Befugnisse betrifft, so sind – und das wiederhole ich noch einmal, weil es wirklich ein zentraler Punkt ist – alle Beschlüsse der GASP an die Charta der Vereinten Nationen gebunden. Nur solche Beschlüsse der GASP sind im Rahmen der Europäischen Union möglich; das ist ein ganz wesentlicher und entscheidender Punkt. (Zwischenrufe beim Liberalen Forum.)

Gegen Beschlüsse der Europäischen Union, die sich im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen bewegen – also Mandat des Sicherheitsrates oder Artikel 51, Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung –, wird Österreich keine Bedenken haben. (Abg. Scheibner: Also doch eine gemeinsame Verteidigung!) Ich sage das sehr deutlich, weil das unser Verständnis der Neutralität bisher, seit dem Jahre 1955, war und ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Scheibner: Eine gemeinsame Verteidigung, aber neutral! Das ist ja wunderbar!)

Sollte sich Österreich an Maßnahmen (Abg. Dr. Schmidt: Was sagen Sie zu Frage 9?), die sich nicht auf einen Beschluß des Sicherheitsrates oder Artikel 51 beziehen, nicht beteiligen, dann kann sich Österreich (Abg. Dr. Schmidt: Werden wir jetzt ein Veto einlegen oder nicht? Was ist mit Frage 9?), wie Sie wissen, auch konstruktiv enthalten, und die Maßnahmen, die daraus resultieren, werden natürlich im Rahmen der Durchführung dieses Beschlusses mit den einzelnen Mitgliedstaaten zu verhandeln sein, ohne daß es behindert wird. (Abg. Scheibner: Wird es ein Veto geben oder nicht?)

Das Veto habe ich gar nicht angesprochen! Das habe ich jetzt gar nicht angesprochen. (Abg. Scheibner: Aber das ist die zentrale Frage!) Nein, nein! Sie haben mir nicht gut zugehört! (Abg. Scheibner: Als Neutraler dürfen Sie das gar nicht zulassen, daß so etwas passiert!) Ein neutraler Staat kann das tun, was auf Basis eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen oder auf Basis des Artikels 51 der Vereinten Nationen steht, und nichts anderes werden wir tun, sehr geehrter Herr Abgeordneter Scheibner. (Abg. Scheibner: Das ist aber gemeinsame Verteidigung!)

Zu Frage 11:

Österreich hat sich mit seinem Beitritt zur Europäischen Union dazu bekannt, daß Kompetenzen, auch solche auf dem Gebiet der Außenwirtschaft, an die EU übertragen werden. Allfällige Wirtschaftssanktionen werden nicht mehr von Österreich, sondern, wie Sie angemerkt haben, von der Europäischen Union verhängt, und im übrigen bietet Artikel 23 B-VG eine gesicherte verfassungsrechtliche Grundlage dafür, daß Österreich sich solchen Beschlüssen anschließt.

Zu Frage 12:

Erlauben Sie mir, bitte, dazu eine Bemerkung, Frau Dr. Schmidt – ich schätze Sie, weil Sie sehr präzise sind –: Machen Sie sich doch die Mühe und schauen Sie sich die einzigen Beschlüsse, die es auf Staats- und Regierungsebene dazu gibt, nämlich die Beschlüsse des Berliner Gipfels, an. Bitte! Dabei werden Sie sehen, daß von Ihren Behauptungen in den Beschlüssen des Berliner Gipfels nicht die Rede ist! (Abg. Dr. Schmidt: Das ist aber nicht wahr!) Jenes "justified and warranted" ist aus einer Presseerklärung der deutschen Präsidentschaft über das Brüsseler informelle Treffen auf Basis eines Beschlusses der Außenminister eine Woche vorher. – Ich möchte gar nicht spitzfindig sein, sondern nur korrigieren, da ich Ihre Präzision, Frau Dr. Schmidt, ansonsten schätze, aber hier ist Ihnen ein Fehler unterlaufen! (Abg. Wabl: Was ist Ihre persönliche Meinung, Herr Bundeskanzler?)

Meine persönliche Meinung sage ich Ihnen gerne: Österreichs Neutralität war nie eine Neutralität der Werte, wir haben immer – vom Ungarn-Aufstand bis hin zum Prager Frühling und nun auch im Kosovo-Krieg – sehr klar und deutlich zwischen Mördern und Opfern unterschieden. (Abg. Dr. Schmidt: Das will jeder!) Das wird Österreich auch in Zukunft tun, und das ist mit der Neutralität vereinbar! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Smolle: Das ist nicht die Frage!)

Frage 12 beantworte ich Ihnen sehr gerne präzise. (Anhaltende Zwischenrufe beim Liberalen Forum. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Die Antwort auf Frage 12 lautet:

Die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Berlin am 24. und 25. März 1999 sowie die dort verabschiedeten Erklärungen enthalten keinerlei solche Aussagen! – Aber ich war ohnehin fair und habe all das noch darüber hinaus genau dargestellt. (Abg. Dr. Schmidt: Distanzieren Sie sich davon?)

Zu den Fragen 13 bis 18:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen sowie die wesentlichen Inhalte der vom Europäischen Rat in Köln verabschiedeten Schlußfolgerungen zur Weiterentwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen der Europäischen Union habe ich in meinen einführenden Erläuterungen sehr, sehr klar und umfassend dargestellt. Diese Schlußfolgerungen werden von Österreich mitgetragen, dies insbesondere deshalb, weil klargestellt ist, daß es nicht das Ziel dieses Weges ist, die Beistandspflicht der Artikel-5-Bedingungen und damit die Militärpakt-Identität in der Europäischen Union umzusetzen. (Abg. Scheibner: Können Sie das ausschließen?)

Wir haben weiters erreicht – auch das wurde in Köln sichergestellt –, daß paktfreie Staaten, NATO-Mitglieder und Neutrale gleichberechtigt an der Entwicklung einer Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik teilnehmen können. Die Frage eines Beitritts Österreichs zur Westeuropäischen Union, in der es eine Artikel-5-Bestimmung, also eine Beistandspflicht gibt, stellt sich aus meiner Sicht nicht.

Zu Frage 19:

Ich habe das bereits in den einleitenden Bemerkungen beantwortet. (Abg. Dr. Schmidt: Was soll das?)

Zu Frage 20:

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsübereinkommen vorgenommen, in einem gemeinsa-men Bericht die verschiedenen Optionen der Sicherheitspolitik darzustellen und zu bewerten. (Abg. Dr. Kier: Auf Frage 19 gibt es keine Antwort!)

Zu diesen Bewertungen kam es ohne Zweifel! Wozu es jedoch nicht kam, war eine Formulierung, wonach die Perspektive, also das Ziel einer NATO-Mitgliedschaft zu überlegen sei. Ich sage Ihnen ganz offen, daß es diesbezüglich Differenzen zwischen den Regierungspartnern gab, und ich verstehe das auch. (Abg. Wabl: Wieso nur "gab"? Ist das ausgeräumt?) Es gab einen Regierungspartner (Abg. Dr. Schmidt: Es gibt ihn noch!) mit einer aktiven Beschlußlage für den Beitritt zur NATO, wir jedoch haben eine sehr klare politische Orientierung in jene Richtung, daß wir einen Beitritt zur NATO nicht für sinnvoll erachten! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Dr. Schmidt, es ist meiner Ansicht nach ein Mißverständnis, wenn Sie meinen, mein Angebot, das österreichische Neutralitätsgesetz zumindest für die nächste Legislaturperiode außer Streit zu stellen, bedeute ein Ende der Debatte über die österreichische Sicherheitspolitik. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es bedeutet viel eher, daß wir dann ausreichend Zeit haben, um in Ruhe über eine gemeinsame wichtige österreichische Entscheidung, nämlich wie die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik weitergehen soll und wird, zu diskutieren. (Abg. Scheibner: In zwei Jahren wird in der EU entschieden! Sie wollen in fünf Jahren erst ...!)

Wofür ich nicht zu haben bin – und ich sage das auch sehr klar und deutlich –, das ist, daß man bis 3. Oktober mit seiner Meinung hinter dem Berg hält, anschließend seine alten Parteibeschlüsse herausholt und einfach weitertut. Dafür bin ich nicht zu haben! (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Unglaublich! – Abg. Dr. Schmidt: Aber mit dem Diskussionsverbot machen Sie es ihnen leicht!)

Also wenn jemand die Absicht hat, in der nächsten Legislaturperiode unsere Bundesverfassung zu ändern, so soll er das sagen, und dann wird das natürlich eine Diskussion für die Wahl sein; das ist völlig richtig! (Abg. Dr. Maitz: Sehr nett, daß wir diskutieren "dürfen"!) Wer sonst bitte als der Wähler soll über unterschiedliche Richtungen entscheiden und wählen können? Wenn wir allerdings das Thema "keine Änderung der Bundesverfassung, keine Änderung des Neutralitätsgesetzes" für die gesamte Legislaturperiode außer Streit stellen (Abg. Scheibner: Das ist nicht mehr notwendig, wir haben eh schon alle Änderungen gemacht!), dann muß das kein Wahlkampfthema sein, sondern dann können wir in Ruhe und in Sicherheit darüber reden. (Rufe bei der ÖVP: Naiv!)

Es ist das der Versuch, eine Sachlichkeit in dieser Diskussion zu erreichen (Ruf bei den Freiheitlichen: Wie bei der EU-Wahl!), wobei ich gleich dazusage: Wenn wir das nicht tun, dann werden wir gemeinsam in einer Wahlauseinandersetzung die Richtungsentscheidung zu diskutieren und den Wähler darum zu bitten haben. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Ich bitte Sie aber, diese Bemerkung zu entschuldigen; sie ist nicht zur Anfrage gehörig. Ich wollte damit nur ein Mißverständnis aufklären: Ich habe nie ein Diskussionsverbot gemeint, nie ein Debattenverbot gemeint. Dazu ist es zu wichtig in der Demokratie, sich über inhaltliche, über sachliche Positionen auseinanderzusetzen. Ich meine, daß es – und ich sage das wirklich sehr klar – für unser Land wichtig ist, daß wir – Sie haben das auch in Ihrer Anfragebegründung angesprochen – anderen gegenüber als berechenbarer Partner erscheinen. (Abg. Dr. Schmidt: Das sind wir im Moment augenscheinlich nicht!)

Wenn man mit ausländischen Politikern spricht, so fällt einem auf, daß diese kein Problem haben mit der Position Irlands, Finnlands oder Schwedens, jedoch manchmal Österreich nicht verstehen. Daher habe ich auch gesagt – um es diesbezüglich den anderen leichter zu machen –: Genauso wie das bei Finnland, Irland und Schweden der Fall ist, sollten auch wir eine klare Position dazu haben und dort, wo wir offiziell unser Land vertreten, diese Vertretung auf Basis der Verfassung, auf Basis des bestehenden Neutralitätsgesetzes vornehmen. (Langanhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.53

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Ich bin enttäuscht. Der Applaus Ihrer Fraktion ist zwar plausibel, denn damit sollte Ihnen offensichtlich nachträglich für den Mut gedankt werden, daß Sie weiter dabei geblieben sind, nicht offen und ehrlich die Wahrheit zu sprechen. (Zwischenruf des Abg. Leikam.)

Auch ein Weglassen ist ein Teil von mangelnder Wahrheit! Die Wahrheit ist aber den Wählern zumutbar. (Beifall beim Liberalen Forum.) Daher ist es ein Denkfehler, zu vermuten, daß es Ihnen im Abstand von wenigen Monaten immer wieder gelingen wird, ein zentrales Thema der Republik Österreich, nämlich, wie geht es wirklich weiter mit der Sicherheit, auch in der militärischen Dimension, vor den Wählern zu verstecken, geheimzuhalten – und außerdem noch so zu tun, als ob alles noch so wäre wie im Jahre 1955, als Österreich der UNO beigetreten ist, vorher das Neutralitätsgesetz beschlossen wurde, im übrigen die Neutralität notifiziert wurde. Sie tun so, als sei seither alles beim alten geblieben, obwohl wir inzwischen der Europäischen Union beigetreten sind.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben heute regelmäßig den Vertrag von Maastricht und die "irische Formel" angesprochen. – Dazu bitte: Irland ist kein immerwährend neutraler, sondern ein bündnisfreier Staat. Das möchte ich schon zu bedenken geben. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Klima.) Irland ist kein immerwährend neutraler Staat mit Notifizierung, mit völkerrechtlicher Bindung, und daher haben Sie, Herr Bundeskanzler, regelmäßig im Zuge Ihrer Anfragebeantwortung die Wendung "paktfreie und neutrale Staaten" verwendet.

Das einzige, was in Ihrer Beantwortung klar herausgekommen ist, ist, daß Sie nicht in die NATO wollen. Da sind wir ja ganz nahe beieinander. Wir Liberalen halten die NATO ebenfalls für einen Anachronismus in ihrer ganzen Konstruktion, ebenfalls für ein Kind des Kalten Krieges ex 1949, sosehr sich die NATO auch entwickelt haben mag. Die NATO hat sich tatsächlich mehr entwickelt, als man vielleicht annimmt, ist aber eben etwas anderes als eine europäische Sicherheitsidentität. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da Sie, Herr Bundeskanzler, von der Charta der Vereinten Nationen und vom Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gesprochen haben: Individuelle Selbstverteidigung ist Recht und Pflicht eines immerwährend neutralen Staates. Kollektive Selbstverteidigung verletzt sogar das Kernelement der Bündnisfreiheit, das Sie hier beschwören, denn kollektiv kann man sich nur mit anderen gemeinsam verteidigen – und das ist allemal ein Bündnis, wenn auch vielleicht nur eines auf Zeit, jedenfalls aber ein Bündnis.

Daher, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie sich auf die Charta berufen und auf die kollektive Selbstverteidigung, so haben Sie mit diesem Satz – möglicherweise durch völkerrechtliche Unkenntnis, das kann ja sein – die Neutralität bereits aufgegeben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Abg. Schieder: Das ist ja nicht wahr!) Das ist so! Das ist so! Kollektive Selbstverteidigung heißt: gemeinsam mit anderen, das heißt im Bündnis. (Abg. Dr. Khol: Da hat er hundertprozentig recht!)

Außerdem ist die Charta für die Zwecke von Aggression oder von Angriffskriegen nicht gedacht. Sie ist für Verteidigungskriege gedacht, und daher war selbstverständlich zu allen Zeiten das NATO-Bombardement im Kosovo nicht konform mit der UNO-Charta. Das wissen Sie ganz genau! (Bundeskanzler Mag. Klima: Ja!) Im politischen Raum hat sich auch der Rat in Berlin – mag es vielleicht auch nur der Pressesprecher gewesen sein, der sich da irrtümlich geäußert hat – davon nicht distanziert! Im Gegenteil: Er hat den NATO-Einsatz im Kosovo bekräftigt.

Sie waren Mitglied dieses Rates. In diesem Fall mögen Sie sich zwar innerhalb des Rates ein bißchen anders geäußert haben, die offizielle Erklärung nach dem Rat war eine andere, und das wissen Sie genau. (Bundeskanzler Mag. Klima: Beim Berliner Rat gab es keine Erklärung!) Keine Erklärung! Gut! (Bundeskanzler Mag. Klima: Brüssel meinen Sie!)

Sie haben Frage Nummer 9 dadurch überhaupt nicht beantwortet, indem Sie gesagt haben, daß Sie nun zu den Fragen 4 bis 9 sprechen, obwohl in der Frage 9 präzise formuliert war, ob Sie, wenn Sie weiter auf dem Boden der immerwährenden Neutralität stehen wollen, dann konsequenterweise gegen jede einzelne GASP-Maßnahme mit militärischen Auswirkungen ein Veto einlegen müßten, und zwar zwangsläufig, weil Sie sonst nämlich Mittäter, Helfershelfer sind, auch wenn wir keine physischen Truppen einbringen. Aber in dem Moment, in dem man an militärischen Aktionen durch Beschlußfassungen mitwirkt, ist man Mittäter, auch wenn man sich dann selbst nicht dabei betätigt. Denn auch derjenige, der an der Entwicklung des Planes, eine Bank auszurauben, teilnimmt, ist Mittäter, nicht nur jener, der dann tatsächlich einsteigt. (Abg. Dr. Khol: Da hat er auch recht!)

Ich meine daher, daß Sie ein merkwürdiges Verhältnis zur immerwährenden Neutralität und ihrer völkerrechtlichen Dimension haben. Die immerwährende Neutralität bedeutet nämlich absolute Einschätzbarkeit und Verläßlichkeit! Und nur dann, wenn Sie gleichzeitig das Versprechen abgeben, daß Sie gegen jeden Beschluß der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der militärische Implikationen hat, ein Veto einlegen, wären wir weiterhin im völkerrechtlichen Sinn immerwährend neutral.

Sie haben nicht den Mut, zuzugeben, daß das so ist – denn das, was wir in dieser Dringlichen Anfrage beschrieben haben, ist ja nur der Befund, das sind ja keine Absichtserklärungen –, Sie sind nicht bereit, nicht Manns genug, wenigstens zu sagen: Ja, das ist der Befund, daher haben wir de facto den Status der immerwährenden Neutralität aufgegeben, wenngleich das Neutralitätsgesetz noch im Raum steht und es selbstverständlich auch die Elemente der Bündnisfreiheit, die Elemente, daß es keine fremden Truppen auf unserem Territorium und auch keine Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen mit Ausnahme aufgrund eines UNO-Mandates im Sinne von friedenserhaltenden Maßnahmen geben darf, enthält.

Herr Bundeskanzler, mir kommt das so vor, als ob Sie, um ein Bild zu gebrauchen, behaupten, Österreich behält den Status des Gelübdes eines Mönches oder einer Nonne, die gelobt haben, in einem Kloster zu leben, und das Keuschheits- sowie das Armutsgelübde abgelegt haben. Sie verhalten sich aber so wie jemand ohne Gelübde im freien Raum, wie ein lediger Mensch. Ich halte das wirklich für eine fatale Sache! Wir wohnen im Kloster und gehen abends in die Disco. Das ist die Politik, die Sie in der Neutralitätsfrage machen: Wohnen im Kloster und abends in die Disco gehen. Das finde ich nicht gut, denn gleichzeitig ist das nicht gut! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wir sollten uns daher gemeinsam dazu finden, eine ruhige und sachliche Debatte darüber zu führen, wie es wirklich mit der europäischen Sicherheit weitergehen und welche Beiträge Österreich dazu leisten soll. Und dazu hat das Liberale Forum einen qualifizierten Vorschlag vorgelegt, der zwar vielleicht eine etwas längerfristige Dimension haben mag, aber das werden Sie uns nicht verübeln können, nämlich das gemeinsame europäische Heer als Antwort darauf in Parallelität zur Europäischen Union! So wie wir eine gemeinsame Währung haben, sollten wir auch eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik haben! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Selbstverständlich muß es eine emanzipierte Lösung für Europa geben, nicht eine, die ausschließlich im Kielwasser, im Windschatten oder auf dem Trittbrett der Vereinigten Staaten von Nordamerika läuft. Sie sind unsere Freunde und Partner, aber wir sollten uns von ihnen in dieser Frage emanzipieren, damit wir uns nicht täglich den Vorwurf anhören müssen: Ohne daß wir etwas tun, kann ohnehin nichts geschehen!

Die Balkankrise hat deutlich gezeigt: Hätte Europa eine gemeinsame Außen- und Sicherheits-politik, eine stringente, hätte es andere Möglichkeiten gegeben, vielleicht früher etwas zu erreichen und nicht erst, nachdem vorher wochenlang Tausende Tonnen von Bomben geworfen werden mußten.

Immerwährende Neutralität im internationalen Raum heißt auch absolute Verläßlichkeit, Herr Bundeskanzler. Sie haben ja selbst gesagt, im internationalen Raum werde die österreichische Position gelegentlich nicht richtig verstanden, daher müsse man da etwas tun. Aber man kann doch nicht den Leuten im internationalen Raum vorgaukeln, die immerwährende Neutralität Österreichs wäre bloß eine Bündnisfreiheit, nur deswegen, weil wir das gerne so hätten.

Daher will ich mit aller Deutlichkeit noch einmal sagen, Herr Bundeskanzler: Die Wahrheit ist den Wählern zumutbar! Und daher war Ihr Vorschlag, den Sie jetzt nicht als Diskussionsverbot bezeichnen, sondern als einen Art Friedenspakt, ein undemokratischer Vorschlag, denn etwas für fünf Jahre außer Streit stellen und es dem Wähler für fünf Jahre vorenthalten, das ist ungesund für eine Demokratie. Wenn eine Demokratie die Auseinandersetzung um ihre sicherheitspolitische Zukunft nicht mehr aushält, dann gibt sie sich in einer ihrer vitalsten Fragen selbst auf. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Denn es ist eine der vitalsten Fragen: Wie werden wir uns in einer militärischen oder sonstigen Krise verhalten? Wie werden wir uns verteidigen, was werden wir tun können? Das ist eine vitale Frage, und diese dem Wähler vorzuenthalten, ist ein Fehler. (Abg. Dr. Schmidt: Und was ist mit der Bundesheerreform vier Jahre lang?) Und die Bundesheerreform kann dann auch vier Jahre im Nirwana "geparkt" werden. Das ist den Leuten, die in diesem Heer arbeiten, auch nicht zumutbar, das ist eine Unverschämtheit diesen Menschen gegenüber, die endlich wissen möchten, in welche Richtung sich das Heer weiterentwickeln soll, in welche Richtung es reformiert werden soll. Soll es aufgehen in einer europäischen Armee, oder soll es weiterhin so tun, als ob es ein Heer wäre, das etwas leisten kann, obwohl wir ihm kein Geld geben?

Das ist nicht gut, man muß hier Farbe bekennen. Und Farbe bekennen heißt, die Karten auf den Tisch zu legen. Ich hoffe, daß jetzt endlich dieses Nebelwerfen aufhört, daß endlich dieses Verdummen der Menschen aufhört, daß man endlich ehrlich sagt, was Sache ist. Das wäre uns ein echtes Anliegen, und das ist ein Problem, das wir in Österreich lösen müssen. Da können wir nicht warten, bis uns irgend jemand auf internationaler Ebene hilft. Auf der internationalen Ebene haben wir nämlich schon sehr viel an Reputation verloren – durch unsere knieweiche Positionierung einerseits und durch unsere Unaufrichtigkeit andererseits.

Ich bin auch ein bißchen unterwegs, vielleicht nicht in so staatstragenden Kreisen wie Sie, Herr Bundeskanzler, ich treffe vielleicht nur einfachere Menschen, die allerdings auch sehr politisch sind, und ich kann Ihnen sagen: Man wundert sich landauf, landab, wie ein Staat, der noch bei Sinnen ist, von sich behaupten kann, daß er immerwährend neutral ist, obwohl er gleichzeitig mit der Ratifizierung des Vertrags von Amsterdam eindeutig alle Voraussetzungen geschaffen hat, beliebig in militärische Konflikte eingreifen zu können. Ein immerwährend neutraler Staat darf sich nicht einmal in die Lage versetzen, in militärische Konflikte eingreifen zu können. Das ist ein echter Völkerrechtsbruch, und das ist nicht gesund für ein kleines Land, das darauf angewiesen ist, daß Recht Recht bleibt. Unser Freund ist das Völkerrecht, und wir treten es mit Füßen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kostelka. Gleiche Redezeit. – Bitte, Herr Abgeordneter.

16.04

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ): Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Position der Sozialdemokratischen Partei in diesem Hause, aber auch in der Wahlbewegung in der Vergangenheit in der gesamten Argumentation war immer klar (Abg. Böhacker: Nur dem Swoboda nicht! – Abg. Schwarzenberger: Klar wie trübes Wasser!): Wir stehen zur Neutralität, für uns steht die Neutralität nicht zur Disposition! Wir sind daher ganz klar gegen einen Beitritt zur NATO. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich muß hinzufügen, die Diskussion ist durchaus legitim. Sie ist deswegen legitim, weil es in diesem Haus, aber auch in der Bundesregierung zwei Lager gibt. Für das eine, vertreten von der Sozialdemokratie, besteht keine Disposition im Zusammenhang mit der Neutralität und keine Möglichkeit für einen NATO-Beitritt (Abg. Scheibner: Gilt das für alle in Ihrer Fraktion? – Abg. Schwarzenberger: Gilt das auch für Swoboda?), und das andere Lager, die ÖVP – in zunehmendem Maße im Gleichklang mit der Freiheitlichen Partei –, betrachtet die Neutralität als ein Schauobjekt in der Schatzkammer. (Abg. Scheibner: Warum sitzt Kollege Cap auf der Galerie? – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Und die Klarheit, mit der man sich für den Beitritt zur NATO ausspricht, hängt von der jeweiligen Großwetterlage der Meinungsumfragen ab. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! In diesem Zusammenhang ist Ihnen der Vorwurf zu machen, daß Sie wie ein Schilfrohr im Wind sind. (Beifall bei der SPÖ.) Einmal argumentieren Sie so, einmal so, je nachdem, wie die Großwetterlage der Meinungsumfragen ist. Wenn die Meinungsumfragen in der österreichischen Bevölkerung signalisieren, daß es eine Zustimmung zum NATO-Beitritt geben könnte, dann sind Sie mutig, dann sagen Sie, Sie wollen beitreten. Gibt es eine Strömung gegen einen NATO-Beitritt bis zu 80 Prozent, dann verläßt Sie auf einmal der Mut, dann sagen Sie, das mag in fünf, in zehn Jahren aktuell sein – so geschehen in der Sendung "Zur Sache". (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Position der Sozialdemokraten ist klar (Abg. Tichy-Schreder: Klar ist sie nicht! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP): Wir stehen zum Neutralitätsgesetz und zu der sich daraus ergebenden heutigen Interpretation und zu den sich daraus ergebenden Pflichten: keine Beteiligung an Kriegen, keine Truppen auf österreichischem Territorium und auch kein Beitritt zu einem Militärpakt. Da können Sie so laut werden, wie Sie wollen, meine Damen und Herren (Abg. Dr. Khol: Wir sind ganz leise, wir lachen nur!), das, was die Sozialdemokraten in Österreich verwirklichen, ist eine Garantie dieser Neutralität.

Herr Kollege Khol! Für uns ist diese Neutralität – im übrigen auch die Beschäftigung – kein Mickymaus-Thema. Das sage ich Ihnen mit allem Ernst. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Schmidt: Welche Neutralität?)

Eine Beeinträchtigung dieser Neutralität hat es weder vor unserem Beitritt zur EU, weder durch unseren Beitritt zur EU noch durch den Vertrag von Maastricht, noch durch den Vertrag von Amsterdam und im übrigen auch nicht durch die Erklärung von Köln gegeben.

Herr Kollege Kier! Frau Dr. Schmidt! Sie wissen ganz genau, daß im Artikel 17 des Amsterdamer Vertrages, aber auch in allen vorangehenden Artikeln ausdrücklich die sogenannte irische Klausel verwendet wurde, derzufolge die Politik der Union nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten, darunter Österreich mit seiner Neutralität und seiner verfassungsgesetzlichen Garantie der Neutralität, berührt. (Abg. Scheibner: Das steht nicht dabei!) Das, meine Damen und Herren, ist die EU-rechtliche Garantie dafür, daß unser Neutralitätsgesetz aus dem Jahre 1955 uneingeschränkt erhalten bleibt. (Abg. Scheibner: Zitieren Sie richtig! Der Zusatz steht nicht dabei!)

Und genauso verhält es sich mit der von Ihnen so häufig zitierten Erklärung von Köln. In dieser findet sich ausdrücklich die Formulierung: Wir wollen eine effektive EU-geführte Krisenbewältigung entwickeln, in deren Rahmen sich sowohl der NATO-Angehörende als auch neutrale und bündnisfreie EU-Mitgliedsstaaten in vollem Umfang und gleichberechtigt an den EU-Operationen beteiligen können. (Abg. Scheibner: Das ist ein Bruch mit der Neutralität!)

Meine Damen und Herren! Es ist von einer Gleichberechtigung neutraler und NATO-Staaten die Rede. Das heißt, nur das, was mit dem Rechtsbestand der Neutralen vereinbar ist, wird im Rahmen der unter französischem Vorsitz stehenden Verhandlungen Eingang in das EU-Recht finden. Wir haben zuzustimmen, und wir haben von Anbeginn an – das war nicht unser Koalitionspartner, sondern das waren die Sozialdemokraten – klargemacht: In das EU-Recht wird nur das übernommen, was mit unserem Neutralitätsgesetz vereinbar ist. Das haben wir ganz deutlich gesagt. (Abg. Scheibner: Das haben Sie aber dort nicht gesagt!)

Daher, meine Damen und Herren, ist die Antwort relativ einfach, und sie müßte auch Ihnen zugänglich sein. Sie bedeutet nämlich nicht nur, daß Österreich eine neutralitätskonforme Haltung möglich ist, sondern darüber hinaus, daß sie aufgrund des Bestandes des Neutralitätsgesetzes in Österreich sogar zwingend ist. Der zuständige Bundesminister, der Außenminister, aber auch der Verteidigungsminister – welches Regierungsmitglied auch immer – sind in einem europäischen Ministerrat dazu verpflichtet, das Neutralitätsgesetz voll zu wahren und sein Abstimmungsverhalten so zu deklarieren, daß auf diese Art und Weise eine Verletzung des Neutralitätsgesetzes nicht zustande kommt. EU-Recht und österreichisches Recht ergeben zusammen eine zwingende Haltung, nämlich das Neutralitätsgesetz zu wahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Daß Sie, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, auch von der Freiheitlichen Partei, sich damit offensichtlich schwertun, ist schon klar. (Abg. Scheibner: Mit Ihrer Argumentation!) Aber daß wir nicht bei der NATO sind, daß es nicht einmal Verhandlungen mit der NATO gibt, daß es keine Erweiterung unter Einschluß Österreichs gibt, was Sie wollen, aber auch was die ÖVP will, das ist das Ergebnis sozialdemokratischer Politik in der Bundesregierung, aber auch im Nationalrat. Das ist die Neutralitätsgarantie der Sozialdemokraten! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das, was wir verordnen, ist in keiner Weise ein Diskussionsverbot – ganz im Gegenteil. (Abg. Dr. Khol: Bei dieser Rede geht sogar der Klima weg!) Daß die Diskussion notwendig ist, ist offensichtlich und ist nachvollziehbar. Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist, daß sich die Bürger und Bürgerinnen, daß sich die europäischen Staaten, daß sich aber auch die außereuropäischen Staaten auskennen: Österreich ist auch in den nächsten vier Jahren neutral. Sagen wir das nicht deutlich, sind wir unehrlich, und das ist Ihnen (in Richtung ÖVP) und Ihnen (in Richtung Freiheitliche) vorzuwerfen. Sagen wir das nicht in aller Deutlichkeit vor den Wahlen, so wird das eine Entscheidung des Bürgers nicht ermöglichen. Was Sie wollen, meine Damen und Herren, ist offensichtlich, daß bis zum 3. Oktober über die Neutralität nicht geredet wird (Abg. Dr. Maitz: Der Herr Klima wollte das!) und daß ab dem 3. Oktober Verhandlungen in Brüssel beginnen. Dafür werden wir – und das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, Herr Abgeordneter Maitz – nicht zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Khol! Wenn Sie in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff der Sicherheitslüge verwenden (Abg. Dr. Khol: Mit Recht!), sage ich Ihnen, der Vorwurf der Lüge ist ein Zeichen der Schwäche, ein Zeichen der Schwäche der Argumentation, aber auch – dies sei mit allem Nachdruck hinzugefügt – des Charakters. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Vorwurf der Lüge ist der Vorwurf, bewußt die Unwahrheit zu sagen. Sie wissen ganz genau, was wir denken, Sie kennen unsere Verhaltens- und Abstimmungsweise in diesem Zusammenhang. (Abg. Scheibner: Eben!) Und ich sage Ihnen: Der Vorwurf trifft Sie selbst! Er trifft Sie deswegen, Herr Kollege Khol, weil das, was Sie jetzt getan haben, 110 Tage vor dem Wahltag, ist, systematisch eine Lügenkampagne aufzubauen, ... (Heftige Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Kostelka! Dieses Wort bitte ich nicht im Sitzungssaal zu verwenden!

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (fortsetzend): ... eine Kampagne, bei der Sie offensichtlich den Boden, auf dem wir stehen, und auch die Brücken in die nächste Legislaturperiode verbrennen. Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Finden Sie zurück zu einer lügenfreien Sprache! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Haigermoser: Hinter dem Vorhang gibt es dann schon wieder Bussi-Bussi; vor dem Vorhang Kasperl und das Krokodil!)

16.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Das ist ein wichtiges Thema, und ich bitte Sie wirklich, daß wir diese Fragen in einer Art und Weise diskutieren, wie das notwendig ist und wie eine Eskalation der Ausdrücke durch Pro und Kontra vermieden werden kann.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spindelegger. – Bitte.

16.15

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP): Herr Präsident! Der Herr Bundeskanzler hat die Regierungsbank schon verlassen, wie ich sehe. (Nein-Rufe bei der SPÖ.) Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Herr Abgeordnete Kostelka hat soeben wortreich die Neutralitätspolitik seiner Partei dargelegt. Wenn ich das in einem Satz zusammenfassen darf: Espenlaub ist wohl ein Stabilitätsanker im Vergleich zu Ihrer Neutralitätspolitik, meine Damen und Herren. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka.)

Herr Abgeordneter Kostelka! Wenn ich betrachte, was der Herr Bundeskanzler heute in seinen einleitenden Bemerkungen zur Sicherheitspolitik gesagt hat, dann kann man das wohl nur als einen Tanz auf heißen Kohlen bezeichnen – was ja kein Wunder ist. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Am 14. April 1999, beim informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs, sagt er – wie wir gehört haben, war es sogar sein Formulierungsvorschlag –, daß die Staats- und Regierungschefs der Auffassung sind, daß im Kosovo-Konflikt der Einsatz schärfster Maßnahmen, einschließlich militärischer Aktionen, notwendig und gerechtfertigt war. Zwei Tage später, bei einem SPÖ-Landesparteitag, sagt Klima, er fordere ein rasches Ende des NATO-Bombardements im Kosovo. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Bundeskanzler Mag. Klima: Das ist falsch! – Abg. Gaál: Das ist ja falsch!)

Beispiel Nummer 2: Am 25. April in Washington – ich kann Ihnen alles zitieren, Herr Kollege, Sie können es sich gerne anschauen –, beim NATO-Gipfel, sagt Viktor Klima im Angesicht von Bill Clinton: Ich glaube, daß es wichtig ist, daß Milošević nicht damit rechnen kann, die Staatengemeinschaft zu spalten und damit sein Werk der Greueltaten fortzuführen. Es ist sehr wichtig, daß die Staatengemeinschaft hier Geschlossenheit zeigt. (Abg. Scheibner: Der doppelte Viktor!)

Zurück in Österreich heißt es in der "ZiB 2": Österreich als neutraler Staat sieht seine Aufgabe im Bereich der humanitären Hilfe und in der Suche und Unterstützung einer politischen Lösung. (Abg. Gaál: Das ist ja kein Widerspruch!)

Meine Damen und Herren! Beispiel 3: Bevor der Herr Bundeskanzler nach Köln gefahren ist, hat er wortreich die Neutralität verteidigt und gesagt, er werde das dort durchsetzen. Und was ist am 4. Juni 1999 in Köln passiert? – Er hat mit den Staats- und Regierungschefs den Generalsekretär der NATO Solana zum Außenminister der Europäischen Union bestellt.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Tanz auf heißen Kohlen, einmal so und einmal so – aber nicht die Politik, die wir brauchen in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP. – Abg Schieder: Herr Kollege! Das macht jede Fußballmannschaft, daß man dem Gegner den besten Spieler wegnimmt! – Abg. Dr. Petrovic: Wir spielen aber nicht Fußball!)

Ich glaube, daß die Sicherheitspolitik, so, wie sie der Herr Bundeskanzler vorgegeben hat, nach einem Motto abläuft, und dieses Motto der Sicherheitspolitik lautet: Wir wollen dabeisein, aber nicht mitmachen. – Das kann keine Lösung für Österreich sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Ich gestehe Ihnen zu, daß jeder Politiker seinen eigenen Stil hat, daß er auch seine Stärken und Schwächen hat. Ich gestehe Ihnen auch zu, daß jeder seine Politik nach bestimmten persönlichen Prägungen, nach seiner Ideologie ausgestaltet. Aber für die Außenpolitik muß wohl eines für alle gelten, und das ist, daß das Interesse Österreichs im Mittelpunkt steht. Und das, meine Damen und Herren, erwarten wir von einem Bundeskanzler: daß nur das Interesse Österreichs im Mittelpunkt steht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Und das tut er auch!)

Zum zweiten möchte ich noch einmal festhalten, Herr Kollege Schieder: Ein Bundeskanzler muß im Inland und im Ausland das gleiche sagen. Er darf nicht einmal so und einmal so reden. Das erwarten wir von einem Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Kostelka und Dr. Schmidt.)

Zum dritten sehen wir ja, in welche Richtung die Entwicklung läuft. Sie läuft in Richtung eines europäischen Sicherheitsverbundes, in dem jeder einen Teil der Solidarität tragen muß. Darum erwarte ich auch von einem Bundeskanzler, daß er uns in die Integration führt und nicht in die Isolation, so wie das heute schon der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler selbst hat heute kritische Worte in die Richtung gefunden, daß wir vielleicht nicht den richtigen Zeitpunkt wählen, wenn wir vor einer Wahl, sowohl was die Europawahl letzte Woche als auch die Nationalratswahl am 3. Oktober betrifft, also im Wahlkampf, über Sicherheitspolitik reden.

Ich muß aber schon festhalten: Das, was in Österreich heute unter dem Begriff "Sicherheitslüge" als Diskussion läuft, hat vieles in sich, was gerade von Ihnen, Herr Bundeskanzler, und von den Sozialdemokraten verursacht wurde. Ich darf Ihnen zum Abschluß aus meiner Sicht nur etwas sagen, was sich auch am Sonntag bestätigt hat: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, wer dreimal lügt, den wählt man nicht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Die Abgeordneten Schieder und Dr. Stippel: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Heindl: Das ist das Mieseste vom Miesen! Ein mieser Nebbochant!)

16.20

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

16.21

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Wir sehen heute hier, wie "einig" und "geschlossen" die österreichische Bundesregierung bei dieser wichtigen Frage der Weiterentwicklung der österreichischen und der europäischen Sicherheitspolitik agiert. Das läßt ja einiges "hoffen" für die nächsten zwei Jahre, wenn es darum gehen wird, die österreichischen Positionen gerade bei diesem Entwicklungsprozeß, der mit Köln in Gang gesetzt wurde, einzubringen.

Herr Bundeskanzler! Ich frage mich heute schon: In welcher Funktion sitzen Sie heute auf der Regierungsbank? Sitzen Sie hier als Bundeskanzler der Republik Österreich, der als Kanzler, als Vertreter der gesamten Bundesregierung, auf eine Dringliche Anfrage hin die Position der Bundesregierung hier klarlegen sollte? Oder haben Sie heute die Antworten als Parteichef der Sozialdemokraten gegeben?

Denn als Bundeskanzler hätten Sie hier nicht unverhohlene Drohungen aussprechen dürfen, sinngemäß etwa in der Art: Entweder ihr redet jetzt fünf Jahre lang nicht über die Neutralität, entweder ihr sagt hier, wir werden die Verfassung nicht ändern in den nächsten fünf Jahren, oder ich sage euch, das wird Wahlkampfthema werden, und dann wird der Wähler entscheiden, wohin es geht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Das hat er nicht gesagt! Das war doch keine Drohung, das stimmt doch nicht!) – Selbstverständlich hat er das gesagt, da haben Sie halt nicht zugehört.

Herr Bundeskanzler! Die Verfassung braucht man ja gar nicht zu ändern. Sie haben sie schon geändert! Sie haben mit dem Artikel 23f schon all das ermöglicht, was jetzt in Köln möglicherweise oder ziemlich sicher auf uns zukommt.

Herr Bundeskanzler! Sie haben ein bißchen in die Historie gegriffen und dargelegt, warum denn alles mit der Neutralität vereinbar gewesen ist, was Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit vollzogen hat. Sie haben mit dem UNO-Beitritt begonnen. Aber dabei haben Sie schon – vielleicht haben Sie es nicht gewußt – die erste Unrichtigkeit hier dargelegt. Denn es stimmt ganz einfach nicht, daß Österreich als neutraler Staat der UNO beigetreten ist.

Damals, 1955, ist nämlich nicht über einen Beitrittsantrag des neutralen Österreich abgestimmt worden – das wäre bereits damals ein Problem gewesen! –, sondern man hat ganz einfach einen Beitrittsantrag aus dem Jahre 1947 wieder aufleben lassen. Damals hat Österreich nämlich zum ersten Mal den Beitritt zur UNO verlangt, das ist aber am Veto der Sowjetunion gescheitert.

Um eben genau dieser prekären Frage auszuweichen, hat man 1955 ganz einfach das Beitrittsgesuch des natürlich nicht neutralen Österreich aus dem Jahre 1947 wieder aufleben lassen, und über dieses Beitrittsgesuch ist in einem Paket mit vielen anderen Beitrittswerbern entschieden worden. – Das war schon einmal die erste Unrichtigkeit, Herr Bundeskanzler. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir darüber sprechen, wie es dann weitergegangen ist, dann will ich mich jetzt gar nicht mit der Verfassungsänderung und dem Kriegsmaterialiengesetz 1991/92 beschäftigen, sondern nehmen wir nur den Beitritt zur Europäischen Union.

Auch vor diesem Beitritt hat es ja ein Versprechen gegeben, und zwar von Herrn Bundeskanzler Vranitzky. Österreich wird als neutraler Staat der Europäischen Union beitreten, hat es geheißen. Ja warum hat man das gesagt? – Nicht deshalb, weil man davon überzeugt war, daß das dann auch wirklich so kommen wird, sondern weil man ganz genau gewußt hat, daß dann, wenn man der Bevölkerung die Wahrheit sagt, wenn man ihr 1994 die Wahrheit gesagt hätte, diese Volksabstimmung mit einiger Wahrscheinlichkeit anders ausgegangen wäre.

Wenn Sie damals wirklich die Absicht gehabt hätten, diese Neutralität auch nach dem Beitritt zur Europäischen Union beizubehalten, dann hätten Sie das doch wohl auch bei den Beitrittsverhandlungen irgendwo zum Ausdruck bringen müssen! Dann hätten Sie das doch in den Beitrittsvertrag hineinschreiben müssen! – Aber darin lesen wir überhaupt nichts davon.

Es wurde heute schon zitiert, daß die Beitrittswerber Österreich, Schweden, Finnland und damals auch Norwegen erklärt haben, daß sie vorbehaltslos die Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen werden – ich betone: vollständig und vorbehaltslos! Und es war doch sicherlich auch kein Zufall, daß man gerade diese Passage in diesen Beitrittsvertrag, in diese Vereinbarung mit hineingenommen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dann ist der Vertrag von Amsterdam gekommen, in dem die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik weiterentwickelt worden ist, in dem Kampfeinsätze zur Friedensschaffung vorgesehen sind. – Ich wiederhole: Kampfeinsätze der Europäischen Union zur Friedensschaffung. Sicher wurde das jetzt einmal als Ziel formuliert. Gut.

Sie haben auch gesagt, das ist alles kein Problem für die österreichische Verfassung. – Ist es auch nicht, denn Sie haben ein Verfassungsgesetz beschlossen, gleichrangig mit dem Neutralitätsgesetz, Herr Bundeskanzler, gleichrangig mit dem § 23f, womit Sie genau all das ermöglicht haben. (Abg. Dr. Kostelka: Na und? Lesen Sie es einmal genauer!)

Was heißt "Na und?", Herr Kollege Kostelka? Sie können nicht 1955 ein Neutralitätsgesetz beschließen und dann, 1998, ein Verfassungsgesetz, das genau diese Neutralität bricht! Und dann sagen Sie, das sei überhaupt kein Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Das stimmt ja gar nicht! Lesen Sie den Text einmal genau!)

Sie sagen, das stimmt nicht. Gut. – Dann schauen wir uns einmal die Definition der dauernden Neutralität an, Herr Kollege Kostelka. Ich weiß schon, da gibt es verschiedene Interpretationen. Aber bei allen Unterschieden werden Sie mir recht geben: Da gibt es zunächst einmal den normalen Neutralen, der angesichts einer kriegerischen Situation für sich selbst entscheidet, ob er an Militäraktionen teilnimmt oder sich heraushält. Da gibt es gewisse Regeln, etwa das Verbot der Überflugsgenehmigungen, die Gleichbehandlung aller Konfliktparteien et cetera.

Auf der anderen Seite gibt es die dauernde Neutralität, Herr Kollege Kostelka, Herr Bundeskanzler. Und der dauernd Neutrale hat eben nicht nur die Verpflichtung, angesichts eines aktuellen Konflikts neutral zu sein ... (Abg. Dr. Kostelka: Sie wollen die Neutralität abschaffen! Das, was Sie wollen, ist ein NATO-Beitritt auf dem Schwindelweg! Das ist die Unehrlichkeit in Ihrer Politik! Sagen Sie doch, was Sie wollen!)

Herr Kollege Kostelka, da geht es nicht ums Wollen, sondern es geht darum, daß Sie die Neutralität abgeschafft haben und sich hier heute als Anwalt dieser Neutralität aufspielen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Kostelka! Der dauernd Neutrale – und das ist der Mindestkonsens, der im Völkerrecht verankert ist – muß auch im Frieden all das vermeiden, was ihn im Konfliktfall in eine Konfliktsituation mit dieser partiellen Neutralität bringt. Eine Grundvoraussetzung ist, daß er eben nicht Mitglied einer internationalen Organisation werden darf, die kollektive Sicherheitsmaßnahmen vorsieht.

Das ist eine Grundvoraussetzung für einen dauernd Neutralen! Aber spätestens mit dem Beitritt zur Europäischen Union haben Sie diese Grundvoraussetzung gebrochen. Spätestens mit dem Beitritt zur Europäischen Union haben Sie die Neutralität Österreichs aufgegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Alles andere ist nur Makulatur, das ist nur Hin- und Hergerede! (Zwischenruf des Abg. Dr. Kostelka.)

Herr Kollege Kostelka! Ich lese Ihnen Ihre Interpretation, die Erklärung zum Neutralitätsgesetz 1955 vor. (Abg. Dr. Kostelka: Sie lesen nie das Verfassungsgesetz! Aus guten Gründen!) – Das Gesetz soll ich Ihnen auch vorlesen? – Gut, bitte, lesen wir das Gesetz auch noch vor. Warum? Was steht da drinnen? (Abg. Dr. Kostelka: Weil Sie genau wissen, daß keine Verletzung der Neutralität erfolgt ist, sondern daß im Gegenteil ...!)

Folgendes steht im Neutralitätsgesetz: "Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht erhalten und verteidigen." – Da sind schon ein paar Dinge drinnen, über die man diskutieren könnte, etwa im Zusammenhang mit der Verteidigung, ob Sie das jemals ernst genommen haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weiter heißt es hier: "Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen." – Zitatende.

Herr Kollege Kostelka! Und in den Erläuterungen zu diesem Neutralitätsgesetz steht: "Der dauernd neutrale Staat ist verpflichtet, keine Bindungen einzugehen, die ihn in einen Krieg verwickeln könnten." – Ich betone: "könnten", Herr Kollege Kostelka!

Genau das ist diese Forderung, daß ein dauernd Neutraler eben keiner Organisation beitreten darf, die es ihm überhaupt ermöglicht, anhand eines Konfliktes zu entscheiden, ob er mitmacht oder nicht. Genau das haben Sie aber beim Kölner Gipfel mit beschlossen. Denn was steht denn in dieser Vereinbarung? – Ich muß Ihnen sagen, ich war überrascht darüber, daß in Europa die gemeinsame Verteidigung endlich ernst genommen wird. – Da steht plötzlich drinnen, daß man eine gemeinsame europäische Verteidigung aufbauen wird, daß man bis zum Ende des Jahres 2000 die Westeuropäische Union – ein Militärpakt, Herr Kollege Kostelka, Herr Bundeskanzler! – mit der Europäischen Union verschmelzen wird und daß es damit eine gemeinsame Verteidigung gibt.

Meine Damen und Herren! Eine gemeinsame Verteidigung ohne Beistandsgarantie ist nicht möglich. Das hat der neue Mister GASP, Solana, den der Herr Bundeskanzler so gelobt hat, ja auch ausdrücklich gesagt. Die Bündnis-, die Beistandsverpflichtung ist die Klammer jeder Sicherheitsorganisation. Und so wird es auch kommen, meine Damen und Herren.

Sie wollen fünf Jahre lang nicht darüber diskutieren, aber in eineinhalb Jahren werden Sie dafür sorgen, daß Österreich in der Europäischen Union mit einer Beistandsverpflichtung mit dabei ist, wenn die Westeuropäische Union mit integriert ist. Und Sie wissen auch ganz genau, daß es die klaren Verschränkungen mit der NATO gibt. Sie können hier alles garantieren, aber draußen werden Sie all dem zustimmen, Sie werden all das aufgeben, was Sie hier angeblich verteidigen. Das ist Ihre Art und Weise von Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das haben Sie uns ja auch bei dieser EU-Wahl gezeigt. Herr Swoboda durfte nicht Spitzenkandidat sein, weil er in seinen Thesen zur Zukunft Europas (der Redner hält eine Broschüre mit dem Titel: "Hannes Swoboda: Thesen zur Zukunft Europas" in die Höhe) über eine sozialdemokratische Friedensstrategie klar sagt, daß die NATO in Zukunft unverzichtbar sein wird, daß es gilt, mit der Europäischen Union einen europäischen Pfeiler der NATO weiterzuentwickeln. Deshalb durfte er nicht Spitzenkandidat sein. Mit einem solchen Spitzenkandidaten kann man schlecht in eine Neutralitätsdiskussion eintreten. Aber schon einen Tag nach dieser EU-Wahl wurde das alles wieder weggekehrt, der arme Hans Peter Martin wurde in die zweite Reihe gestellt, und der NATO-Anwalt Swoboda darf wieder Delegationsleiter sein. Meine Damen und Herren! Das ist Ihre Glaubwürdigkeit in der Sicherheitspolitik!

Ich finde es schade, daß es so gekommen ist, denn wir sollten uns in diese europäische Entwicklung wirklich einbringen. Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten! Ich weiß ja, daß viele von Ihnen mit dieser Diskussion sehr unglücklich sind. Und es sagen mir viele von Ihnen: Bis zum 4. Oktober müssen wir das halt jetzt weitermachen, und dann können wir wieder normal reden.

Meine Damen und Herren! Verunsichern Sie die Bevölkerung nicht weiter! Sagen Sie ihr nicht weiter die Unwahrheit, sondern gehen Sie gemeinsam mit den anderen Fraktionen den Weg, den auch jedes andere Land geht! Versuchen Sie einen nationalen Konsens in der Sicherheitspolitik zu finden! Befragen Sie dann auch die Bevölkerung, ob dieser Weg der richtige ist, und schaffen Sie dann endlich geordnete Verhältnisse für dieses Land, damit wir am Aufbau einer europäischen Sicherheitsstruktur aktiv und wirklich gleichberechtigt teilnehmen können! (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Zur Geschäftsbehandlung!)

16.32

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Kostelka gemeldet. – Bitte.

16.32

Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Den Vorwurf der Lüge auszusprechen, mag in einer Debatte in der Hitze des Gefechtes geschehen. (Abg. Dr. Graf: Das haben Sie 20mal gemacht!) Aber es ist eine Frage des Anstandes, sich dafür zu entschuldigen. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Entschuldigen Sie sich!) Das betrifft nicht nur den einzelnen Abgeordneten, sondern das ist auch eine Frage des Klubs und der Klubführung, wenn sie es zuläßt, daß man sich nicht entschuldigt. Da dies offensichtlich nicht geschieht, ersuche ich Sie, Herr Präsident, einen Ordnungsruf zu erteilen. Das ist dringend notwendig. (Beifall bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

16.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hohes Haus! Ich würde Sie bitten, folgendes zu überlegen (weitere Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen): Wenn wir übereinstimmen, daß der Vorwurf der Lüge, an eine Person gerichtet, mit einem Ordnungsruf geahndet wird, damit wir eine gewisse Diskussionskultur aufrechterhalten, dann kann ich nur die Bitte äußern, das nicht in der Weise zu umgehen, daß man indirekte Formulierungen verwendet, die eigentlich das gleiche zum Ausdruck bringen, obwohl es mit einer Wortwahl geschieht, die sich abzusichern versucht.

Ich habe zum erstenmal gezögert, Herr Dr. Kostelka, als Sie an die Adresse der ÖVP gesagt haben, sie soll lügenfrei in die nächste Wahl gehen, weil da natürlich auch etwas Entsprechendes mitschwingt. Und ich habe auch überlegt, ob ich den Abgeordneten Dr. Spindelegger, wenn er das Sprichwort zitiert: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht!", so verstehen muß, daß er damit an eine konkrete Person einen Vorwurf richtet.

Ich hoffe, daß es ein Beitrag zur Deeskalation ist, wenn ich es in beiden Fällen damit bewenden lasse, Sie zu bitten, sachlich zu argumentieren, dies umso mehr, als der Herr Bundeskanzler mir gesagt hat, er ist bereit und wird noch einmal versuchen, Herrn Abgeordnetem Spindelegger trotz dieser harten Ausdrucksweise seinen Standpunkt, nämlich den Standpunkt des Herrn Bundeskanzlers, zu erklären.

Bitte, Herr Bundeskanzler. (Abg. Haigermoser: Die nächste Koalition ist schon ausgemacht! Sie sollten sich wieder vertragen!)

16.34

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP sowie den Freiheitlichen.) Ich halte es für sehr wesentlich, daß wir in einer demokratischen Kultur persönliche Angriffe und Untergriffe unterlassen. Ich möchte daher auf zwei Bemerkungen eingehen, aber zuerst eine sachliche Information zu der, wie ich meine, durchaus ernsthaften Auseinandersetzung des Herrn Abgeordneten Scheibner.

Herr Abgeordneter! Sie haben zum Thema Verschmelzung der Europäischen Union mit der Westeuropäischen Union zu Recht etwas zitiert, was beabsichtigt war. Es war nämlich beabsichtigt, daß es zu einer vollen Verschmelzung der Europäischen Union mit der Westeuropäischen Union unter Anwendung des Artikels 5 auch im WEU-Vertrag käme. Das hat ohne Zweifel die Charakteristik eines Militärpaktes. Aber es ist sehr klar und deutlich ein Anliegen von mehreren Staaten gewesen, in den Schlußfolgerungen von Köln klarzustellen, daß die Artikel-5-Beistandsverpflichtung nicht integriert wird, nicht verpflichtend integriert wird in die Europäische Union und daß nur jene Teile der WEU (Abg. Böhacker: Wo steht das?) – in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates (Abg. Scheibner: Aber es ist nicht ausgeschlossen!), o ja! – integriert werden, die eine vernünftige Zusammenarbeit erlauben. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Abg. Böhacker: Seite, Absatz, Zeile? – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Es steht sehr klar und eindeutig – seien Sie bitte fair, ich bin es auch! – in der entsprechenden Deklaration von Köln, daß der Militärpakt, Artikel 5, daß die Beistandsverpflichtung nicht übertragen wird.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Spindelegger! Ich erlaube mir aber, weil ich annehme, daß auch Sie an einer seriösen Diskussion interessiert sind, doch einige Klarstellungen zu treffen, um auch etwaige Mißverständnisse aufzuklären, die Sie vielleicht zur bewußten Äußerung gebracht haben.

Zum ersten, zum Ausdruck "justified and warranted". (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Wie bitte?) Ich darf noch einmal festhalten – es wurde mehrfach das Gegenteil behauptet, aber das ist nicht wahr –: In der von den Staats- und Regierungsschefs beschlossenen Berliner Erklärung kommt das nicht vor! – Richtig ist, daß zwei Wochen später in der Sitzung der Außenminister am 8. April im Allgemeinen Rat diese Formulierung von "justified and warranted" getroffen wurde.

Und jetzt komme ich sofort zu dem informellen Treffen in Brüssel. Beim informellen Treffen in Brüssel hat die deutsche Präsidentschaft – in Eigenverantwortung der Präsidentschaft – eine Presseerklärung zur Diskussion gestellt, die nie beschlossen wurde. Aber in dieser Presseerklärung, die diskutiert wurde, haben mehrere Staaten, nicht nur Österreich, sich dagegen gewandt, daß es eine aktive Unterstützung der Militärschläge, die die NATO durchführt, geben kann, weil das nicht verträglich ist mit der Erklärung der 15. Und ich habe dann vorgeschlagen: Nehmen wir doch die Formulierung, auf die sich alle 15 Außenminister schon eine Woche zuvor geeinigt haben!

Das war, wie ich meine, durchaus vernünftig, weil damals alle Außenminister – auch der irische, der finnische, der schwedische und der österreichische – eine Formulierung gefunden haben, die ich dann vorgeschlagen habe.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Spindelegger! Ich halte das nicht für eine dem österreichischen Neutralitätsgesetz widersprechende Vorgehensweise des österreichischen Bundeskanzlers, denn sonst wäre zuvor schon der österreichische Außenminister bei einem Beschluß gegen die österreichische Bundesverfassung und das Neutralitätsgesetz gewesen. Das war gar kein Beschluß.

Zu Ihrer zweiten Bemerkung hinsichtlich der Parteiveranstaltung. Herr Abgeordneter Spindelegger! Ich habe bei jeder Veranstaltung sehr eindringlich klargemacht, daß die fünf Punkte, die die Vereinten Nationen, die NATO und die Europäische Union beschlossen haben, von Milošević zu akzeptieren sind. Dabei geht es erstens um das Ende der Vertreibungen, zweitens um den Rückzug der militärischen, paramilitärischen und polizeilichen Kräfte, drittens um die Rückkehr der Vertriebenen, viertens um die Stabilität, die einzurichten ist, und fünftens um den Einmarsch der internationalen Friedenstruppen. Erst danach folgt das Ende der Bombardements. Ich habe das immer sehr klar und deutlich gesagt.

Zusammenfassend habe ich in der politischen Rede dann folgenden Satz gesagt: Schluß mit den Vertreibungen und dann Schluß mit den Bombardements! – Das ist nicht doppelzüngig, wenn Sie das fair und ernsthaft betrachten, sehr geehrter Herr Abgeordneter Spindelegger.

Erlauben Sie mir abschließend eine Bemerkung dazu, wie der österreichische Bundeskanzler im Ausland vorgeht.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Spindelegger! Ich war persönlich – obwohl es mir unterstellt wurde – nie beim NATO-Gipfel. Aber ich war, wie Sie wissen, beim Treffen der "Partnerschaft für den Frieden", des "European Atlantic Partnership Council", bei dem auch Länder wie die Schweiz vertreten waren, natürlich auch Schweden, Finnland und Irland. Wenn Sie in den Protokollen, in den Reden dieses Treffens nachsehen, dann werden Sie feststellen, daß ich dort den Status des neutralen Österreich hervorgehoben habe.

Weiters werden Sie feststellen, daß ich in meiner Stellungnahme am Kölner Gipfeltreffen die österreichische Position – Bundesverfassung, Neutralität, mit diesen drei wesentlichen Punkten, dokumentiert in den Redebeiträgen – sehr klar und deutlich erläutert habe. Wenn Sie einfordern, sehr geehrter Herr Abgeordneter, daß die österreichische Bundesregierung ein gemeinsames Bild der Außen- und Sicherheitspolitik in Europa gibt, so sage ich: Ja, aber nur auf dem Boden der Verfassung! Und das habe ich immer getan. (Beifall bei der SPÖ.)

16.40

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

16.40

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Daß Österreich keine gemeinsame Regierungshaltung in Sachen Sicherheitspolitik hat und keinen Optionenbericht zustande gebracht hat, ist bekannt. Daß die ÖVP in der Politik des Verteidigungsministers mehrfach und x-fach das österreichische Neutralitätsrecht gebrochen hat, ist auch bekannt und wurde von den Grünen immer wieder aufgezeigt. (Abg. Dr. Maitz: Das ist eine Behauptung!) Es ist gut, daß diese Wahrheiten mittlerweile auch bekanntwerden. (Abg. Dr. Maitz: Durch nichts bewiesen, nur behauptet!)

Der Sündenfall der SPÖ liegt in einem anderen Bereich, nämlich einerseits darin, die ÖVP immer nach deren Gutdünken schalten und walten zu lassen, was die Beschaffungspolitik, die Kleinwaffenverkäufe und ähnliches betrifft, und andererseits – um nur ja keinen Koalitionsbruch heraufzubeschwören – darin, einen verbalen Eiertanz rund um die Neutralität aufzuführen.

Es hat den Anschein – Österreich ist ja ein Land der Titel und Ehrenprädikate –, daß auch der Ausdruck "das neutrale Österreich" schön langsam und durch die Politik der ÖVP zu einem quasi inhaltsleeren Titel verkommen ist, zu einer Neutralität ad pompam velat ostentationem, einem Neutralitätszierat, der dieser Republik verpaßt wurde. So wie den Hofrat, der kein wirklicher ist, und den akademischen Grad, der ehrenhalber verliehen wird, haben Sie die Neutralität en passant mitgeführt. Das rächt sich jetzt.

Herr Bundeskanzler! Ich möchte Ihnen sagen, bei welchen zwei Worten ich immer das entsetzliche Gefühl gehabt habe, daß die österreichische Neutralität dem Geiste nach eigentlich schon verletzt und gebrochen wird. Sie haben es mit geduldet, daß verbale Verdrehungen letztlich unterschwellig Stimmungen vorbereiten.

Das ist mit dem Begriff "Solidarität" geschehen. Da hatte doch die Sozialdemokratie einmal – ich habe das immer so wahrgenommen – eine sehr klare Vorstellung von internationaler Solidarität. Ich habe darunter immer (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Da gibt es ein Lied!) – darüber gibt es ein Lied – den Kampf gegen Ausbeutung, gegen Unterdrückung, den Kampf für soziale Gerechtigkeit, gegen Bevormundung, gegen unfaire Arbeits- und Tauschbedingungen verstanden. Mittlerweile höre ich immer öfter, daß das Wort "Solidarität" in einem Atemzug mit "Waffenbruderschaft" verwendet wird. Es scheint so zu sein, daß "Solidarität" mittlerweile den Einklang mit denjenigen bedeutet, die über Tarnkappenbomber, Graphitbomben und schwere Panzer verfügen. (Abg. Dr. Gusenbauer: Wo ist das vorgekommen?) Das ist nicht mein Begriff von Solidarität, und das möchte ich hier klarstellen! (Beifall bei den Grünen.)

Die zweite Verdrehung, die auf diese Weise Einkehr gehalten hat – in einem Atemzug mit dem Wort "Trittbrettfahrerei" oder "Feigheit" –, war die Umdeutung des Wortes "neutral" zu "ignorant", "an Menschenrechten desinteressiert". Das hat das Wort "neutral" früher – auch unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern und Außenministern – nie geheißen. Im Gegenteil, "neutral" hieß damals "bedingungslos den Menschenrechten verpflichtet", und wo immer sie verletzt werden, hat ein Aufschrei zu erfolgen. Auch diese Umdeutung – das feige Wegschauen, das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen – hat die Neutralität Österreichs bereits von der Stimmung her untergraben.

Ich werfe Ihnen nicht vor, Herr Bundeskanzler, daß Sie am Neutralitätsgesetz gerüttelt hätten. Ich unterstelle der Sozialdemokratie auch nicht, daß sie die Neutralität abschaffen wollte oder will. Aber ich werfe Ihnen vor, daß Sie um des Koalitionsfriedens willen diese Verdrehungen und diese klimatische Aushöhlung der Neutralität geduldet haben.

Es gibt andere Politiker – auch der Sozialdemokratie –, die ich sehr deutlich verstehe, wenn sie darüber sprechen. Das ist der ehemalige Außenminister Pahr – ihn verstehe ich, wenn er über die Neutralität spricht –, das ist auch Präsident Fischer. Es gibt andere wie den Abgeordneten Cap, die ich ebenfalls verstehe; ihre Meinung teile ich nicht. Aber bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, weiß ich nicht so recht: "Das war eine informelle Erklärung", "das war eine Presseaussendung", dieses und jenes. – So geht es nicht! Ich nehme zur Kenntnis, daß Ihre Haltung eine deutlich andere als jene der ÖVP ist. Aber dann setzen Sie sie auch in dieser Deutlichkeit und Klarheit um, oder lassen Sie eine Entscheidung des Volkes darüber zu! (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Auch als Sie gesagt haben, daß das, was im Kosovo geschehen ist, "im Einklang" mit der Charta der Vereinten Nationen erfolgt sei, waren Sie wieder sehr auf die Wortwahl bedacht. (Abg. Dr. Maitz: Das hat Kofi Annan gesagt!) Herr Bundeskanzler, es mag manches geben, was "im Einklang" mit den Intentionen der Charta der Vereinten Nationen stattfindet, aber es ist gefährlich – und ich sage, daß es in Österreich rechtswidrig und ein Bruch der Neutralität ist –, die Interpretation dessen, was im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen steht, einem Militärpakt, einem einseitigen Militärpakt zu überlassen.

Was im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen ist, das wird nach Kapitel 7 eindeutig festgelegt. Es wäre mit der Neutralität einzig und allein vereinbar, daß Sie nicht "im Einklang mit den Intentionen", sondern "auf Basis der Charta der Vereinten Nationen" sagen. Dann wäre es tatsächlich kein Bruch der Neutralität.

Denn alles andere führt zu einem unauflösbaren Rattenschwanz an Problemen, Herr Bundeskanzler. ”Im Einklang” mit den Bestimmungen gegen den Angriffskrieg oder gegen die Verletzungen der Rechte der Völker – mancher Diktator wird behaupten, daß er so handelt! Milošević hat seiner Bevölkerung immer gesagt: Es geht um die heiligen Rechte der serbischen Bevölkerung im Kosovo, es geht um die große Geschichte dieses Volkes, es geht um den Schutz vor der Zunahme der albanischen Bevölkerung und der Verdrängung der Serben. – Viele Diktatoren dieser Erde werden sagen: Ich habe nur zum Schutz meines Volkes gehandelt.

Es führt daher zu unauflösbaren Problemen, wenn "im Einklang" mit dieser Charta agiert wird, ohne auf deren Basis zu agieren. Denn im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen wäre es wohl auch, Herr Bundeskanzler, daß die Kurden in ihrem Land leben können, ihre Sprache sprechen können und daß die Kinder kurdische Schulen besuchen können. (Bundeskanzler Mag. Klima: Richtig!) Dort werden wir wohl lange darauf warten, daß die NATO Partei im NATO-Staat Türkei ergreift. Auch die tibetische Bevölkerung wartet schon lange darauf, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen leben zu können. Nur ist China ein zu mächtiger Handelspartner, als daß die Rechte des tibetischen Volkes durchsetzbar wären.

Herr Bundeskanzler, kehren Sie mit der ganzen SPÖ auf den Boden und auf die Basis der Charta der Vereinten Nationen zurück! Denn das ist das einzige, was mit der österreichischen Neutralität hic et nunc kompatibel ist. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Letztes: Selbstverständlich ist auch der Kerninhalt der Neutralität – Truppenstationierung, keine Teilnahme an Kriegen – im konkreten Fall gefährlich. Der Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes sagt, daß die Entwicklung sehr problematisch ist: Zum ersten Mal führt eine Allianz, die in einen bewaffneten Konflikt verstrickt ist, gleichzeitig eine humanitäre Aktion durch. – Wenn dann noch dazu Soldaten aus dem neutralen Österreich mit einer Kriegspartei marschieren, dann muß ich Sie fragen: Wo bleibt der Kernbestand? Hat dieser sich dann nicht wirklich schon zu stark aufgelöst?

Das gilt selbstverständlich auch für die Frage einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn das neutrale Österreich ausgerechnet der Bestellung des höchstrangigen Militärs zum "Mr. GASP" zustimmt.

Herr Bundeskanzler! Ich schließe damit, daß ich noch einmal auf die Worte des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zu sprechen komme. Auf die Frage, warum es so schwer zusammengeht, voll und ganz der Neutralität und der nur humanitären Hilfe verpflichtet zu sein und gleichzeitig an einem Waffenpakt in irgendeiner Form teilzuhaben oder ihn zu unterstützen, antwortet Sommaruga sehr klar: Wer eine Waffe trägt, hat nur eine Hand, zu helfen. – Ich denke, die Rolle der Österreicher im Kosovo wäre es, mit dem Herzen und mit beiden Händen zu helfen! (Beifall bei den Grünen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Scheibner gemeldet. Die Bestimmungen der Geschäftsordnung sind bekannt. – Bitte.

16.51

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben behauptet, es sei am Kölner Gipfel ausdrücklich ausgeschlossen worden, daß bei der Verschmelzung der Westeuropäischen Union mit der Europäischen Union in eineinhalb Jahren die Beistandsverpflichtung mit aufgenommen werden wird.

Ich habe mir das Papier angesehen. In der Erklärung des Rates steht darüber überhaupt nichts geschrieben, und in der Erklärung des deutschen Vorsitzes gibt es nur einen Satz, der Sie möglicherweise zu dieser Interpretation gebracht hat. (Abg. Schieder: Das ist aber keine tatsächliche Berichtigung!)

Natürlich, weil das falsch ist, Herr Kollege Schieder! (Abg. Schieder: Das ist ein Debattenbeitrag! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Nur nicht nervös werden! – Abg. Schieder: Sie werden nervös!) Es ist falsch, daß an diesem Gipfel ausdrücklich ausgeschlossen worden wäre, daß die Beistandsverpflichtung übernommen wird. Da heißt es nämlich: Die Verpflichtung nach Artikel 5 des Vertrages von Washington und Artikel V des Brüsseler Vertrages – also Beistandsverpflichtung bei NATO und Westeuropäischer Union – bleiben auf jeden Fall für die Mitgliedstaaten, die diesen Verträgen angehören, bestehen.

Das heißt, es ist zwar nicht präjudiziert worden, aber selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, sondern sehr wohl möglich (Abg. Schieder: Aber übernommen wird sie nicht!), daß bei der Verschmelzung der Westeuropäischen Union mit der Europäischen Union auch die Beistandsverpflichtung mit übernommen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Sie haben das Wort "übernommen" nicht begriffen!)

16.52

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

16.52

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wichtig, daß wir uns darüber unterhalten, welchen Weg Österreich gehen sollte. Ich bin erschüttert darüber, daß sich die Bundesregierung beziehungsweise die Parlamentarier der Regierungsparteien gegenseitig vorwerfen, welche Position der jeweils andere Regierungspartner wann eingenommen hat.

Eigentlich ist eine Bundesregierung dazu da, eine gemeinsame Position zu vertreten, und dies insbesondere dann, wenn sie im Ausland tätig ist und Österreich im Ausland vertritt. Jetzt im Hohen Haus in gegenseitigen Anschuldigungen klarzumachen, wann Verfehlungen der jeweils anderen Seite vorgekommen sind, ist wohl ein Armutszeugnis. Das halte ich für katastrophal, muß ich sagen. Deshalb brauchen wir dringend diese offene Debatte mit der Bevölkerung, und nichts anderes wollten wir als Liberales Forum hier bewirken! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich habe vor kurzem Herrn Vranitzky auf der Straße getroffen. (Abg. Wabl: Vranitzky auf der Straße?) Er hat mir gesagt, daß er damals mit Herrn Mock sehr viel gestritten hat, daß aber die Positionen im Ausland immer akkordiert waren. Ich möchte gerne wissen, welche Art von Bundesregierung wir, wenn schon jetzt ein Chaos herrscht, nach der nächsten Wahl zu erwarten haben und wie sich das dann darstellen wird. Mir schwant Böses, muß ich sagen.

Wenn man sagt, daß die konstruktive Enthaltung ein Mittel für uns ist, die Neutralität darzustellen, dann muß ich sagen: Sehen Sie es einmal von der anderen Position aus. Nehmen Sie einmal an, daß die NATO – berechtigt oder unberechtigt – eine Aktivität in Ihrem Gebiet entfaltet, und Sie wollen sich dagegen wehren und erwarten von Neutralen, daß sie, zumindest auf europäischer Ebene, versuchen, dies zu verhindern. Ist es dann wirklich neutral, wenn man sagt: Ich lehne mich zurück und mache eine konstruktive Enthaltung? – Das kann nicht neutral sein, das funktioniert nicht. Dann werden wir selbstverständlich gemeinsam mit den anderen in einem Sack landen und gemeinsam diese Position zu vertreten haben.

Man hat dies im Konflikt mit Serbien bereits dargestellt. Warum haben wir eigentlich ein Handelsembargo unterstützt, wenn wir so "wahnsinnig" neutral sind? Was hat das für einen Sinn? – Wenn ich neutral bin, dann kann ich ein Handelsembargo, das von einer Seite ausgesprochen wird, selbstverständlich nicht unterstützen. Die logische Konsequenz ist, daß ich das eben nicht tue. Das ist meiner Meinung nach nicht gelungen, wenn man neutral sein sollte.

Was ist das für eine neutrale Position, wenn man für Deserteure vorsieht, daß sie in Österreich in Verwahrungslagern aufgenommen werden? – Das hat sich dann – zum Glück, muß ich sagen – erübrigt, aber es war ursprünglich geplant, zwei Verwahrungslager aufzumachen. Es war auch so, daß serbische Deserteure sich im Burgenland im Gefängnis wiedergefunden haben, weil man nicht genau gewußt hat, wie man als Neutraler diese Personen zu behandeln hat. Offensichtlich sind sie dann in ihrer Position anerkannt worden.

Was für einen Sinn hat das? Ist Europa ein Selbstbedienungsladen, in dem man einmal beschließen kann, daß man mittut, und ein anderes Mal beschließen kann, daß man nicht mittut? – Europa ist kein Selbstbedienungsladen, und insbesondere die Verteidigungspolitik in Europa ist kein Selbstbedienungsladen. Ich halte das für eine ganz gefährliche Position: "pick and choose". Wenn wir ein Europa machen, in dem jeder sich nur das herausnimmt, worauf er im Moment gerade Lust hat, dann haben wir keine europäische Entwicklung mehr, sondern einen Haufen von autistischen Völkern, die miteinander eigentlich nicht kooperieren wollen.

Europa heißt, Solidarität miteinander zu üben und daher eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu erreichen. Die gemeinsame Verteidigungspolitik nennen wir beim Namen, das Liberale Forum sagt dazu "Europa-Armee". Es gibt eine europäische Währung, es gibt den Wunsch nach einer europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Gewählt worden ist ein Herr Solana – kein glückliches Zeichen in einer Zeit, in der die NATO nicht wirklich zu hundert Prozent das gemacht hat, was wir von ihr erwartet haben! Aber auf jeden Fall geht es in Richtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik.

Sich zu verweigern und zu sagen, daß es nur Neutralität oder nur NATO gibt, ist eine Verweigerung gegenüber der Realität in Europa. Wir wollen dieses Projekt gemeinsam erarbeiten, und die Bereitschaft dazu ist vorhanden. Man hat es an den Staatsoberhäuptern gesehen, daß eine gewisse Gesprächsbereitschaft dafür, sich völlig neu zu orientieren, da ist.

Warum nimmt Österreich das nicht zum Anlaß, Vorreiter in dieser Rolle zu sein? Warum gibt es keine konstruktiven Vorschläge von seiten der Bundesregierung, die den anderen Staaten unterbreitet werden könnten, damit wir eine gemeinsame Verteidigungsstruktur suchen, für die wir eine Berufsarmee brauchen, und daher auf der anderen Seite das, was derzeit voneinander isoliert existiert, langsam und sinnvoll eingliedern beziehungsweise auflösen könnten?

Es gibt ja ein Eurocorps. Im Eurocorps sind zwei Armeen total integriert, nämlich die Armeen der Niederlande und Belgiens, und dazu kommen zwei weitere Länder, darunter Spanien, die Teile ihrer Armee drinnen haben. Es gibt somit einen Nukleus. Dieser Nukleus Eurocorps ist nicht nur mit Musikkapellen und Militärpfarrern bestückt, sondern es sind effektive Strukturen vorhanden. Belgien und die Niederlande haben eine gemeinsame Suprastruktur in puncto "Navy", das heißt, alles, was die Schiffe betrifft, wird von einem gemeinsamen Kommando erledigt.

Das heißt, das sind keine Konfabulationen der Liberalen, sondern es sind bereits tatsächliche Schritte gesetzt worden. Wir wollen sie nur in einem Europa der 15 schaffen, nicht in einem Europa von vielleicht fünf Ländern, zu denen wir nicht gehören. Das ist unsere gemeinsame Position, und das ist unser Ziel.

Herr Bundeskanzler! Sie wollten, daß wir ein Thema außer Streit stellen. Es geht nicht um den Streit, sondern es geht um eine gemeinsame Diskussion mit der Bevölkerung darüber, in welche Richtung wir gehen wollen. Es ist nicht lustig, sich die ganze Zeit zu streiten, aber es lohnt sich, sich für etwas zu streiten, was wir als sehr sinnvoll erachten. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik würde bedeuten, daß wir in Europa gemeinsam solidarisch agieren könnten. Das wäre eigentlich der Schlüssel für Aktivitäten gewesen, die auf dem Balkan notwendig sind, nämlich gemeinsam zu agieren, und zwar nicht als allererstes auf militärischer Ebene.

Wenn wir den demokratischen Pflänzchen, die sich dort entwickelt haben, gesagt hätten, daß wir sie in Europa haben wollen, daß sie in der nächsten Erweiterungsrunde, in der zweiten Erweiterungsrunde, dabeisein können und daß wir uns anstrengen werden, um das mit ihnen gemeinsam zu schaffen, dann hätte ein Milošević niemals diesen Höhenflug erreichen können, den er erreicht hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es tut schon weh, zu hören, daß wir eine verwaschene Position noch fünf Jahre lang weiterführen sollen. Ich glaube nicht, daß wir das tun sollten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Zum Entschließungsantrag der Freiheitlichen: Eine Volksabstimmung kann nur über eine tatsächliche Gesetzesvorlage durchgeführt werden. Das, was die Freiheitliche Partei in ihrem Entschließungsantrag offensichtlich will, ist die Option: entweder Neutralität oder NATO. (Abg. Scheibner: Da müssen Sie einmal den Antrag lesen!) Wir sind für eine gemeinsame europäische Armee, und wenn die europäische Armee Gegenstand der Diskussion in Österreich ist und Konsens besteht, dann wollen wir mithelfen (Abg. Scheibner: Entscheid von Köln, Frau Kollegin!), das der Bevölkerung auch klarzumachen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Scheibner: Sie müssen den Antrag lesen und nicht nur das sagen, was die Frau Schmidt sagt!)

17.01

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Hlavac. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

17.01

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Gredler, wir stellen uns der Debatte und sind auch daran interessiert, unseren Standpunkt klar darstellen zu können.

Die Haltung der SPÖ ist eindeutig: Wir sind für die Neutralität. Wir sind dafür, daß Österreich neutral bleibt (Abg. Mag. Haupt: Warum habt ihr sie dann nicht verteidigt?), denn die Neutralität ist eine sinnvolle Option (Abg. Scheibner: Für Ihre Wahlkämpfe!), in unseren Augen die einzig sinnvolle, und sie entspricht auch den Interessen unseres Landes. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreich hat kein Interesse daran, an einem Krieg teilzunehmen, an einem Bündnis teilzuneh-men. Fragen Sie die Bevölkerung! Es ist eindeutig: Die Österreicherinnen und Österreicher wollen nicht für fremde Interessen Krieg führen! (Abg. Scheibner: Warum beschließen Sie dann alles mit? – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal wiederholen, was der Herr Bundeskanzler bereits gesagt hat: Österreich ist als neutraler Staat der Union beigetreten! – Das haben alle gewußt. Und gerade Sie von der FPÖ haben uns damals vorgeworfen, daß wir das so betonen: "Österreich ist neutral und tritt als neutraler Staat bei!" – Das haben alle gewußt und das haben auch alle akzeptiert.

Was die weitere Entwicklung, was den Vertrag von Amsterdam betrifft: Es ist das übernommen worden, was bereits in Maastricht vereinbart wurde, nämlich daß der besondere Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt wird. – Auch das ist ein eindeutiger Verweis darauf, daß es Neutrale und Bündnisfreie gibt und daß diese Staaten nicht in ein Militärbündnis einbezogen werden wollen.

Noch etwas zu Köln – Kollege Scheibner hat leider den Sitzungssaal verlassen –: Die Schlußerklärung, die Erklärung des Europäischen Rates zu dieser Frage ist ganz eindeutig: Es sollen nur die Aufgaben der WEU übernommen werden, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der Petersberger Verträge notwendig sind. Also keine Rede von einer Übernahme des Artikels 5. (Abg. Dr. Schmidt: Entschuldige, aber das ist ...!) Das wird sicher nicht in den Europäischen Vertrag aufgenommen. Solange wir das mitbestimmen können, wird es nicht aufgenommen werden, da die neutralen und bündnisfreien Staaten dem nicht zustimmen werden.

Meine Damen und Herren! Natürlich hat sich die Neutralitätspolitik verändert. Das, was diesbezüglich in der Dringlichen Anfrage geschrieben wurde, nämlich daß wir die Politik der fünfziger bis siebziger Jahre fortsetzen wollen, ist nicht richtig.

Die Neutralitätspolitik hat sich sehr wohl verändert (Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt), wohl aber ist die Neutralität in ihrem Kern unverändert geblieben (Abg. Dr. Schmidt: Daher sind wir nur noch allianzfrei, aber nicht mehr neutral!): kein Kriegseinsatz, keine fremden Truppen, kein Militärbündnis – das ist der Kern, und daran soll sich nichts ändern! (Beifall bei der SPÖ.)

In aller Kürze noch einige Worte zu der Frage, wie die Neutralitätspolitik aussehen soll, und zu der Behauptung – dieses Thema kommt immer wieder –, Österreich sei ein Trittbrettfahrer.

Österreich war immer solidarisch. Ich erinnere daran, daß Österreich überproportional zur Friedenssicherung der UNO beigetragen hat. Auch jetzt sind in einer ganzen Reihe von Ländern österreichische Soldaten im Dienst der UNO und im Dienst des Friedens im Einsatz – etwa auf den Golan-Höhen, in Zypern und in Bosnien. (Abg. Dr. Schmidt: Das bestreitet ja niemand!) Es wird den Einsatz in der Westsahara geben. Zurzeit sind bei elf verschiedenen Missionen österreichische Soldaten im Einsatz, und es liegt im sicherheitspolitischen Interesse Österreichs, diese Tradition fortzusetzen. Denn das ist das, was wir unter dem sicherheitspolitischen Interesse Österreichs verstehen: die Friedenssicherung, die Krisenbewältigung und auch die Krisenprävention. Das sind die Bereiche, in denen wir einen Beitrag leisten können und auch weiterhin leisten werden. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Schmidt.)

Österreich beteiligt sich an der "Partnerschaft für den Frieden", und Österreich ist im Rahmen der OSZE sehr aktiv tätig. Das bedeutet: Wir sind bereit, zu helfen und mitzuwirken, wo es sinnvoll ist, und wir bringen uns dort in der Weise ein, wie wir das am besten können.

Die Zukunft der Sicherheitspolitik wird in der Prävention liegen. Die gemeinsame Verteidigungspolitik muß daher eine Politik des Krisenmanagements sein.

Ich möchte noch einmal das ausdrücklich betonen, was heute schon gesagt und auch schon wiederholt betont wurde: Auf Drängen unseres Bundeskanzlers und durch Zusammenarbeit mit den anderen Neutralen und Bündnisfreien ist aufgenommen worden, daß wir Neutralen und Bündnisfreien uns in vollem Umfang und gleichberechtigt an den EU-Operationen beteiligen können. – Das ist eine klare Sprache. (Abg. Dr. Maitz: Nur nicht mitmachen!)

Wir sind nach wie vor der Auffassung, Österreich soll neutral sein. Die österreichische Neutralität hat auch innerhalb der Europäischen Union ihren Wert. Der Beitritt zu einem Militärpakt kommt für uns nicht in Frage, weil er im Widerspruch zur Neutralität steht und auch keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn darstellt. Daher halte ich es für sehr wichtig, daß wir versuchen, eine gemeinsame Neutralitätspolitik zu entwickeln, daß wir gemeinsam überlegen, wie wir auf dem Boden der Verfassung und auf dem Boden des Neutralitätsgesetzes wirken können. Das wäre ein wichtiger Beitrag im Interesse von Frieden und Friedenssicherung. (Beifall bei der SPÖ.)

17.07

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Maitz. – Bitte.

17.08

Abgeordneter Dr. Karl Maitz (ÖVP): Herr Präsident! Herr nicht mehr anwesender Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch nach der Rede von Frau Dr. Hlavac bleibt das Faktum bestehen: Die österreichische Neutralität hat sich in den vergangenen Jahren verändert, und zwar national und international. Das wird wohl niemand bestreiten.

Im Streben nach einem europäischen Sicherheitsverbund und im Bestreben Österreichs, an einem solchen teilzunehmen, haben die Bundesregierung und dieses Parlament seit 1994 eine Reihe von Beschlüssen gefaßt, die der Neutralität immer weniger Bedeutung geben und in Richtung mehr Solidarität für und in Europa weisen.

Wir von der Österreichischen Volkspartei haben immer klar und offen gesagt, aus welchen Elementen dieser europäische Sicherheitsverbund entstehen wird, nämlich aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, aus der Westeuropäischen Union und selbstverständlich auch aus der NATO als politischer Wertegemeinschaft mit Durchsetzungskraft. (Abg. Wabl: Die NATO – eine Wertegemeinschaft?)

Eines ist inzwischen wohl klar: Der Weg geht nunmehr über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, und der nächste Schritt wird schon in 18 Monaten zu setzen sein – das wurde in Köln vereinbart. (Abg. Wabl: Das ist Frühstückspolitik, die Sie da machen!)

Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung war der Vertrag von Amsterdam (Abg. Dr. Kostelka: Aber Sie wissen ganz genau, daß ursprünglich die Verschmelzung beantragt war!), der von diesem Parlament mit Zweidrittelmehrheit angenommen wurde, Herr Klubobmann.

Es ist daher unaufrichtig, wenn die SPÖ-Fraktion mitbeschließt, daß Österreich künftig auch an friedensschaffenden Maßnahmen einschließlich Kampfeinsätzen teilnehmen kann, während man gleichzeitig versucht, der Bevölkerung weiszumachen, daß man das ohnedies nie tun wird. Sie versprechen, diese Möglichkeit gibt es zwar, aber wir werden das nie tun. – So etwas nennt man einen geheimen Vorbehalt, und das ist keine redliche Vorgangsweise. (Abg. Dr. Kostelka: Ist ein Verfassungsgesetz ein "geheimer Vorbehalt"?)

Der Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Herr Rudas, sagt immer wieder: Österreich will an keinem Krieg teilnehmen. – Na selbstverständlich nicht! Glauben Sie, daß irgend jemand in Österreich will, daß wir an einem Krieg teilnehmen? – Das ist doch selbstverständlich! (Abg. Dr. Kostelka: Anscheinend nicht!) Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine künftige Sicherheitspolitik war es aber die klare und eindeutige Absicht des Herrn Rudas, unterschwellig Angst zu erzeugen. Er verwechselt Demokratie mit Demagogie, und das permanent in dem von ihm seinerzeit geführten Fernsehen.

Die politische Neutralitätskeule des Herrn Rudas ist danebengegangen. Ebenso halte ich es für unaufrichtig, wenn der Herr Bundeskanzler in Brüssel die Luftangriffe auf die jugoslawische Armee als notwendig und gerechtfertigt bezeichnet, aber zwei Tage später im Überschwang der Ereignisse auf dem Parteitag der SPÖ die sofortige Einstellung der Bombardements verlangt.

Genauso ist es eine Verdrehung der Tatsachen, wenn der Bundesgeschäftsführer der SPÖ und der SPÖ-Klubobmann Kostelka die NATO ständig als kriegslüsternen Militärpakt darstellen, während der Bundeskanzler am selben Tag in Köln den Generalsekretär der NATO zum künftigen Außenminister der Europäischen Union wählt.

Ich erinnere auch an einen wichtigen Beschluß des Schweizer Parlaments, weil immer wieder von der Schweiz und der immerwährenden Neutralität nach Schweizer Muster gesprochen wird. (Abg. Schieder: Wo wird das immer wieder gesagt?) Meine Damen und Herren! Das Parlament der Schweiz hat mit großer Mehrheit beschlossen, daß die neutrale Schweiz als assoziiertes Mitglied in die Parlamentarierversammlung der NATO und der PfP-Staaten eintritt. (Abg. Wabl: Ja warum? Erzähl, warum!)

Warum? – Die Begründung war eindeutig: Damit sie mitreden können (Abg. Wabl: Nein! Das ist falsch!), wenn in diesem wichtigen Gremium über die europäische Sicherheitspolitik gesprochen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schieder: Nein!) Der Delegationsleiter hat uns das sehr klar und deutlich gesagt. (Zwischenruf des Abg. Wabl.) – Das ist die Unterstellung eines kuriosen Herrn Wabl.

Bei uns in Österreich blockieren Herr Präsident Fischer und die sozialistische Fraktion diesen logischen Schritt (Abg. Dr. Kostelka: Und den NATO-Beitritt! Das wollt ihr!) und das Angebot der Parlamentarierversammlung, dort wenigstens mitreden zu können und nicht nur dabeizusitzen und zu beobachten. (Abg. Dr. Kostelka: Sagt, was ihr wollt! Herr Kollege Maitz, Sie haben nicht den Mut zu sagen, was Sie wollen!) Diesen logischen Schritt verhindert die sozialdemokratische Fraktion, und auch Ihr Kollege, Abgeordneter Tychtl, kann dort nur still zuhören und nicht in Debatten eingreifen, die unsere unmittelbare Nachbarschaft, nämlich den Balkan betreffen.

Meine Damen und Herren! Das ist die unehrliche, die doppelzüngige Politik dieser Fraktion. Ich sage es noch einmal: Ein Diskussionsverbot à la Klima bringt uns nicht weiter. (Abg. Dr. Kostelka: Sondern ein rascher, zackiger Beitritt! Sagen Sie: Wollen Sie beitreten oder nicht?) Wir wollen eine sachliche Auseinandersetzung über die Sicherheitspolitik, so wie es Vizekanzler Schüssel in der TV-Sendung "Zur Sache" vorgezeigt hat. So wollen wir in dieser Sache vorgehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wollen kein krankhaftes Festhalten an Althergebrachtem, das längst verändert ist, und keine Hurra-Aktionen, die niemand haben will. (Abg. Dr. Kostelka: Es ist ein geltendes Verfassungsgesetz!) Was ich mir wünsche, ist eine ehrliche Politik (Abg. Dr. Kostelka: Bravo!) und nicht der Zickzackkurs eines kuriosen sozialdemokratischen Wahlkampfmanövers, das alle durchschauen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ofner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

17.14

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Der aufmerksame Beobachter der innenpolitischen Szene der letzten Tage und Wochen, aber auch des heutigen Geschehens hier im Hohen Haus wird in der Erkenntnis bestärkt, daß mit der Sicherheit Österreichs von seiten des Kanzlers und seiner Vertrauten ein gefährliches Spiel gespielt wird.

Natürlich weiß der Kanzler, daß es nur zwei Wege gibt, um Sicherheit für die Republik zu schaffen. Der eine Weg ist jener, sich in das tauglichste Sicherheitssystem einzubinden. Das einzig wirklich taugliche Sicherheitssystem, das es weit und breit gibt, ist eben die NATO.

Die zweite Möglichkeit ist jene, daß man es so macht, wie andere es tun – etwa die Schweiz –, daß man eben den Standpunkt vertritt: Wir verteidigen uns selbst und allein. Wir sind bereit, dafür Opfer zu bringen. Wir schauen nicht auf jeden Schilling, wir geizen nicht mit jedem Groschen, sondern wir trachten danach, eine fähige eigene Landesverteidigung auf die Beine zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Österreich bemüht sich aber, einen dritten Weg zu gehen. Der dritte Weg schaut so aus, daß man vor die Bürger hintritt und sagt: Wir sind und bleiben nach dem Zuschnitt neutral, wie er vor Jahrzehnten eingeleitet worden ist, und im übrigen "gschaftlhubern" wir auf der ganzen Welt herum. Und wenn es darum geht, einige Uniformierte irgendwohin zu schicken, dann sind die Österreicher natürlich überall dabei.

Damit man, wenn es um diese Belange geht, nicht nur die Sozialdemokraten im Blickfeld hat, zitiere ich heute einen sehr unverdächtigen Zeugen. Das ist der Vizekanzler und Außenminister Schüssel, den wir heute vormittag hier reden hören konnten. Es ist nicht nur so, daß er der Außenminister ist, es ist nicht nur so, daß auch der Verteidigungsminister seiner Partei angehört, sondern er hat heute ein Geständnis abgelegt. Er hat erklärt: "mit dem ausgehungerten Bundesheer." – Wörtlich! Ich war ganz erstaunt. Da sagt der Parteifreund des, ich glaube, am längsten im Amt befindlichen Verteidigungsministers der Zweiten Republik, wir verfügen über ein ausgehungertes Bundesheer. – Damit hat er zugegeben, daß es nicht zuletzt seine Fraktion mit hilfreicher Unterstützung des Koalitionspartners gewesen ist, die das Instrument österreichisches Bundesheer zugrunde gerichtet hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber wie dem auch sei: Man "dient" sich bei jeder passenden und – noch mehr – bei jeder unpassenden Gelegenheit mit ein paar Mann, wenn es um Beobachter geht, und mit ein paar Hundert Mann, wenn es um andere Einsätze geht, an. Wir haben unsere Jungfräulichkeit endgültig spätestens mit dem Einsatz in Albanien verloren, denn dort kann von UNO-Mandat keine Rede sein. In Albanien gibt es eindeutig ein NATO-Kommando.

Bezüglich des Albanieneinsatzes kann man noch sagen, da ist wirklich der Offenbarungseid abgelegt worden, denn man kann nicht im weißen Brautkleid vor den Traualtar treten und sagen, man sei unberührt, aber in Wahrheit ist man schon hochschwanger. – So ungefähr gehen wir durch die Gegend. Aber mit dem Kosovoeinsatz wird es jetzt besonders ernst. (Abg. Schieder: Schöne Vergleiche hast du!)

Das ist ein treffender Vergleich, mein Lieber, ein treffender! Er ist vielleicht nicht ganz bequem. Aber vollziehe ihn nach und denke nach! (Abg. Schieder: Er ist geschmacklos!) Wir tun so, als ob wir unberührt wären, dabei sind wir hochschwanger, mein lieber Peter. Hochschwanger sind wir, das ist ein geschmackvoller Vergleich! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sei froh, daß ich keinen anderen mache! (Abg. Schieder: Ein schwangerer Mensch ist nichts Schlechtes! Eine schwangere Frau ist nichts Schlechtes!)

Wir tun nämlich etwas ganz anderes. Begib dich bitte zu den verantwortlichen Leuten des Heeres! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schieder. – Präsident Dr. Neisser gibt das Glockenzeichen.) Diese werden dir sagen, daß es keinen einzigen tauglichen Soldaten mehr gibt, den wir irgendwohin schicken könnten! Diese 450 Soldaten sind nicht aufzutreiben! Wir sind nicht in der Lage dazu, diese Mannschaften zu stellen. Sie sind nicht dafür ausgerüstet, sie sind nicht dafür ausgebildet! Wir sind nicht in der Lage, eine taugliche Truppe zusammenzustellen, aber diese Leute werden in den gefährlichsten Einsatz, den es bisher gegeben hat, geschickt! (Ruf bei den Freiheitlichen: Schwer ausgehungert!)

Peter, du bist ein alter Hase! Vielleicht sagst du, das ist geschmacklos, wenn ich dir das zugute halte, aber du weißt, daß es im Kosovo keine Ruhe geben wird – nicht in 14 Tagen und nicht in ein paar Monaten. Im Kosovo wird geschossen werden – mehr noch, als es bereits jetzt geschieht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil man auf allen Kirtagen tanzen möchte, weil man ein Gschaftlhuber sein möchte, erzählt man zwar allen, wir seien neutral und wollen es bleiben, aber gleichzeitig schickt man 450 österreichische Soldaten, die man noch gar nicht hat und die man nach Ansicht der Militärs auch nicht zusammenbringen wird, in die gefährlichste Auseinandersetzungszone Europas nach dem Zweiten Weltkrieg!

Das ist die gegenwärtige Situation. Es ist ein gefährliches Spiel, das da aus wahltaktischen innenpolitischen Gründen auf dem Rücken der Republik Österreich, ihrer Bürger und vor allem ihrer Söhne gespielt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Mag. Kammerlander. – Bitte.

17.20

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst sei folgendes an das Liberale Forum gerichtet, das ja diese Dringliche Anfrage eingebracht hat: Sie zählen völlig richtig alle Schritte der vergangenen Jahre auf, denen zufolge natürlich eine Reduktion, eine Aushöhlung der Neutralität stattgefunden hat. – Auch wir haben das immer wieder mit der Salamitaktik verglichen: jedesmal wurde ein Stück heruntergeschnitten, und das Ganze ist einfach wieder um ein Stück weniger, kürzer und eben auch weniger bedeutungsvoll geworden.

Aber Sie übersehen meiner Meinung nach vor allem in der Schlußfolgerung folgendes – darin unterscheiden wir uns ganz grundsätzlich –: Die Aushöhlung der Neutralität über Jahre hinweg bedeutet unserer Meinung nach nicht, daß man sie deswegen abschaffen soll oder gänzlich von ihr lassen soll – ganz im Gegenteil! Sie übersehen eben eines dabei: Es gibt die Neutralität noch immer in der Verfassung. Die eine Seite ist die völkerrechtliche und wie uns die anderen sehen und wahrnehmen. Das beschreiben und schildern Sie auch in Ihrer Anfrage. Die andere Seite ist aber sehr wohl jene, daß die Neutralität nach wie vor in der Verfassung verankert ist. (Abg. Dr. Schmidt: So ist es!)

Da gibt es drei ganz wesentliche Bereiche, Säulen oder wie immer man das bezeichnen will: Die eine ist es, keine Beistandsverpflichtungen in einem Militärbündnis zu übernehmen (Abg. Dr. Schmidt: Aber sie tun es!), die andere ist es, keine Truppenstationierungen in Österreich zuzulassen, und die dritte ist es, sich nicht an einem Krieg zu beteiligen. Diese drei Bereiche gilt es meiner Meinung nach nicht nur zu verstärken und zu bestärken, sondern es gilt auch, in diese Richtung hin weiter politisch zu arbeiten. (Abg. Dr. Schmidt: Wir haben aber aufgrund unserer Gesetze eine völkerrechtliche Verpflichtung!  Das ist ja nicht wahr!)

Jetzt auch vor allem in Richtung SPÖ überleitend: Was fehlt, um das, was in der Verfassung steht, auch wirklich wahrnehmen und ausfüllen zu können, ist eigentlich eindeutig die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa. Wissen Sie, alle Beschwörungsformeln, daß Sie ja neutral bleiben wollen, neutral sind und ohnehin immer alles dafür getan haben – meine Kollegin Petrovic hat das hier schon ausgeführt –, sind so unglaubwürdig! Man weiß nicht, wie man dran ist, woran man ist, vor allem dann nicht, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, am Wort sind. Die Interpretationsbreite Ihrer Worte, Ihrer Stellungnahmen und Ihrer Kommentare, die Sie liefern, verunsichert mehr, als sie Sicherheit gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Was fehlt, wo insbesondere von seiten der Sozialdemokratie überhaupt kein Bemühen und überhaupt kein Ehrgeiz zu sehen sind, ist eben die gemeinsame Außenpolitik. Was ist denn die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich? Wo findet sich vor allem die Außenpolitik wieder, die eine ganz wichtige Basis für die Sicherheitspolitik wäre? – Das fehlt! (Abg. Dr. Schmidt: Sie machen nicht einmal eine Außen- und Sicherheitspolitik!) Das fehlt komplett, denn wenn ich mir das Kölner Papier anschaue, dann sehe ich, darin ist ja bezeichnenderweise schon die Rede von der "Sicherheits- und Verteidigungspolitik".

Es ist viel die Rede von dem, was eben Verteidigungspolitik ist, und es ist vor allem in den konkreten Maßnahmen, in der Umsetzung nämlich – dort, wo es sozusagen wirklich um die Hardcore-Version des Ganzen geht –, eigentlich nur noch und fast ausschließlich die Rede von den militärischen Fähigkeiten und Pflichten, die wir übernehmen. So verpflichten wir uns etwa, die Stärke der Streitkräfte weiter auszubauen, und zwar mit allen Konsequenzen und Schlußfolgerungen, die daraus zu ziehen sind. – Das ist die eine Seite: Es fehlt die Außenpolitik, die die Basis für die Sicherheitspolitik ist.

Die andere Frage, die sich daraus ergibt, ist folgende: Was oder welches Recht bildet überhaupt den Rahmen für diese Sicherheitsinstrumentarien, die dann zu entwickeln sind? Was ist da die Basis? – Herr Bundeskanzler, Sie sprechen von "im Einklang mit den Vereinten Nationen". In der Washingtoner Erklärung hieß es dann noch viel bezeichnender "im Geiste der Charta der Vereinten Nationen".

Es wäre meiner Meinung und unserer Meinung nach, wenn Sie das, was Sie bezüglich Ihrer Neutralitätspolitik zu interpretieren versuchen, nur einigermaßen ernst nehmen, dringend anzuraten, wieder auf die Grundlage der Vereinten Nationen zurückzukommen, zum Beispiel Österreichs Rolle als neutrales Land wahrzunehmen und darauf zu drängen, daß es tatsächlich wieder zu einer Mandatserteilung in Fällen von Krisenbewältigung und Krisenintervention durch die Vereinten Nationen kommt; und nicht "im Einklang mit den" und nicht irgendwie "im Geist" der Vereinten Nationen, sondern tatsächlich mit Beschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. (Beifall bei den Grünen.)

Sie haben wirklich – das sei an die SPÖ gerichtet – in der Vergangenheit zweimal einen Sündenfall begangen. Das möchte ich Ihnen hier auch noch einmal sagen, ganz besonders nach den Worten des Kanzlers. Der eine Sündenfall wird in der Dringlichen Anfrage erwähnt: Das war die Ausschußerklärung von Kostelka und Khol, in der noch einmal klargestellt wurde, daß solche Maßnahmen nicht eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen bedürften; hier wird das noch einmal verschärft.

Aber der zweite Sündenfall – auch diesen möchte ich hier noch einmal erwähnen – war die Änderung des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Neutralitätsgefährdung. (Abg. Dr. Schmidt: So ist es!) Das war ein ganz maßgeblicher Sündenfall, nämlich dahin gehend, daß es nicht nur um einen Sicherheitsratsbeschluß, sondern auch um einen EU-Ratsbeschluß gehen kann.

Das sind zwei Sündenfälle, die Sie eindeutig begangen haben und die in krassem Widerspruch zu dem stehen, Herr Bundeskanzler, was Sie hier auszuführen und uns weiszumachen versuchen! Sie versuchen auch, durch – ich kann das nur immer wieder betonen – recht wundersame Interpretationen das Ganze wieder dort hinzubringen, wo es einmal war.

Wenn Ihnen das ernst wäre, dann müßten Sie hier eine Korrektur anbringen, dann müßten Sie hier – es besteht durchaus die Möglichkeit, noch eine Korrektur in der Weise anzubringen, wie ich sie zuerst genannt habe – eine Korrektur in die Richtung anbringen, daß die einzig mögliche Basis, die einzig mögliche Ebene, wo das Recht für solche Sicherheitsinstrumentarien sein soll, nur jene der Vereinten Nationen sein kann – nur und ausschließlich diese! Diese Möglichkeit besteht, wie gesagt, noch.

Aber die Lage, so wie ich sie in diesem Haus zwischen der ÖVP und der SPÖ sehe, ist folgende: Es gibt die ÖVP, die Attacken gegen die Neutralität reitet, die ganz klar und immer wieder gegen das Gesetz auftritt. Das wird auch immer wieder von uns thematisiert. Diese Vorgangsweise ist vor allem dann besonders fragwürdig und bedenklich, wenn es Minister sind, die auf die Verfassung Österreichs vereidigt sind, aber frank und frei bei verschiedensten Anlässen einfach ihren Beliebigkeiten Ausdruck verleihen.

Das ist zum Beispiel vor nicht allzu langer Zeit beim Treffen der WEU geschehen. Sowohl Fasslabend als auch Ferrero-Waldner sprachen dort ganz klare Worte, die nichts, aber auch gar nichts mit ihrer Position als Minister oder Staatssekretärin dieser Republik zu tun haben könnten und sollten. – Das ist die eine Seite.

Dazu kann ich nur folgendes sagen: Machen Sie es klar, damit die Bevölkerung Österreichs weiß, woran sie ist! Machen Sie es noch in diesem Wahlkampf klar, daß Sie eine Änderung der Verfassung wollen.

Auf der anderen Seite steht die SPÖ, die eine eigenartige Akrobatik, geradezu Turnübungen auf diesem Neutralitätsparkett vollführt, aber irgendwie nicht wirklich zu etwas kommt, aus dem erkennbar wäre, was daraus werden soll. – Aber Sie haben noch die Möglichkeit dazu, das sage ich Ihnen. Sie haben noch die Möglichkeit, und Sie hätten noch die Möglichkeit: Machen Sie es klar, auch jetzt im Wahlkampf! Machen Sie es klar, daß Sie auf die Ebene und die Basis der Vereinten Nationen, den Sicherheitsratsbeschluß der Vereinten Nationen zurückkehren wollen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Herr Abgeordneter, Ihre Fraktion hat noch eine Redezeit von 7 Minuten in dieser Debatte. – Bitte.

17.29

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! (Bundeskanzler Mag. Klima spricht mit dem an der Regierungsbank stehenden Abg. Dr. Kostelka.) – Ich begrüße auch den Zuwachs an der Regierungsbank durch den SPÖ-Klubobmann; man sieht, wie stark Exekutive und Legislative in Österreich verschränkt sind, seit über einer ... (Abg. Dr. Kostelka: Wir hatten heute noch ein Gespräch!) – Das weiß ich, und zwar eines hinter verschlossenen Türen und leider nicht vor den Mikrophonen, denn es hätte uns alle interessiert, worüber Sie die letzte halbe Stunde geredet haben. Das ist ein öffentliches Haus. Die Damen und Herren hätte es sicher auch interessiert.

Ich weiß, daß Sie ohnehin die Regierungsbank anstreben, Herr Abgeordneter Kostelka ... (Abg. Schieder: Herr Barmüller spielt ein bißchen Präsident!) – Bitte, Herr Abgeordneter Schieder? (Abg. Schieder: Sie spielen jetzt gerade ein bißchen Parlamentspräsident, so eine Minute lang halt!) – Ich spiele nicht Parlamentspräsident, Herr Abgeordneter Schieder, sondern ich streiche nur heraus, wie die Regierungsparteien (Abg. Schieder: Sie wissen halt alles besser! Entschuldigung!) wirklich in diesem Hause verfahren. Die Damen und Herren machen sich ohnehin selbst ein Bild davon, Herr Abgeordneter Schieder. Machen Sie sich keine Sorgen darüber!

Wir sehen – das beunruhigt uns auch, meine Damen und Herren –, daß die Aufrichtigkeit und die Berechenbarkeit in der Argumentation in der Politik, und zwar auch und gerade von den Regierungsfraktionen, in zunehmendem Maße nachlassen. Das führt dazu, Herr Abgeordneter Schieder, daß wir auf internationalem Parkett natürlich auch an Glaubwürdigkeit verlieren. Nicht zufällig waren es keine Österreicher, die in diesem Konflikt verhandelt haben. Der Grund dafür war, daß wir vor internationalen Gremien in diesen Fragen keine Glaubwürdigkeit oder weniger Glaubwürdigkeit haben.

Wenn die österreichische Bundesregierung nach Einschätzung der Liberalen aufgrund dieses Verhaltens in zunehmendem Maß vertrauensunwürdig wird, dann würden wir uns freuen – und das war uns ein Anliegen mit dieser Dringlichen Anfrage im Hohen Haus –, wenn in Österreich zumindest auch einmal vom ORF aus versucht würde, zu recherchieren, was die Regierung wo sagt. Ich weiß, daß es von seiten der Spitze des ORF auf politischer Ebene nicht zuletzt mit Ihrem Bundesgeschäftsführer eine ebenso intensive Gesprächsbasis gibt wie zwischen Exekutive und Legislative. Wir würden uns also freuen, wenn das passieren würde.

Es wäre die Aufgabe des Österreichischen Rundfunks, daß er in diesem Zusammenhang auch einmal aufzeigt, wo die Widersprüchlichkeiten dieser Regierung sind, und nicht immer nur das berichtet, was uns Herr Geschäftsführer Rudas dann auch über die Medien ausrichten läßt und was etwa bei der Runde der Generalsekretäre oder Bundesgeschäftsführer zu hören war.

In zunehmendem Maße – das sage ich auch in Richtung von Frau Abgeordneter Hlavac – gewinnt man den Eindruck, daß man glaubt, man kann die Leute mit ganz feinen Nuancen hinters Licht führen. Es ist richtig, daß Österreich als neutraler Staat der Europäischen Union beigetreten ist. Das ist gar keine Frage. Aber die Frage ist, wie sich das weiterentwickelt. Wenn all das, was wir hier gemacht haben, ohne weiteres mit der Neutralität vereinbar wäre, dann hätte es keiner Verfassungsänderung, insbesondere keiner Änderung des Artikels 23 f B-VG bedurft.

Frau Abgeordnete Hlavac! Es hätte auch nicht schon 1991 einer Änderung des § 320 Strafgesetzbuch bedurft, der ja ausdrücklich Neutralitätsgefährdung heißt. Wenn das stimmt, was uns auch der Herr Bundeskanzler hier erzählt hat, nämlich daß seit 1955 ohnehin alles klar ist, wenn aufgrund eines UN-Sicherheitsmandates eine Aktion stattfindet, dann frage ich Sie: Warum hat man dann 1991 den strafgesetzlichen Tatbestand der Neutralitätsgefährdung ändern müssen, damit militärische Materialien mit Destination Irak durch Österreich durchgeführt werden können? Wenn seit 1955 ohnehin schon so klar war, daß das keine Neutralitätsgefährdung darstellt, dann hätte man das Strafgesetzbuch nicht ändern müssen. Sie haben es deshalb geändert, weil es sonst schlicht und einfach strafbar gewesen wäre, und die Gerichte wären auch verpflichtet gewesen, das zu exekutieren. Damit das nicht stattfindet, haben Sie 1991 den § 320 Strafgesetzbuch, Neutralitätsgefährdung, geändert, und zwar nach Mitternacht in diesem Haus.

Jetzt hat man gemeint, es sei ohnehin alles klar. Dann frage ich mich: Warum hat es dann im Zuge des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union und insbesondere dann in der Fassung des Amsterdamer Vertrages noch einmal – das hat Frau Abgeordnete Kammerlander richtig angesprochen – eine Änderung des § 320 Strafgesetzbuch, Neutralitätsgefährdung, gegeben, wenn das ohnehin alles kein Widerspruch ist, Frau Abgeordnet Hlavac, wenn das ohnehin in diesem Hause und nach allgemeiner Judikatur niemals einen Konflikt auslösen könnte?

Sie haben deshalb das Strafgesetzbuch auch im Zuge des Amsterdamer Vertrages geändert, weil Sie wissen, daß ansonsten, wenn das so gemacht wird, wenn nämlich solche Maßnahmen gesetzt und von Österreich mitgetragen werden (Abg. Dr. Hlavac spricht mit Abg. Dr. Gusenbauer) – Frau Abgeordnete Hlavac, mir ist wichtig, daß Sie das hören, weil ich einfach aufzeigen möchte, daß Sie nicht mehr in sich schlüssig argumentieren –, in Wahrheit auch die Regierungsmitglieder gefährdet sind, nach § 320 Strafgesetzbuch einen Konflikt auszulösen. Das alles wollten Sie nicht, und deswegen haben Sie das geändert.

Dennoch stellen Sie sich heute hier heraus und sagen allen, die dort oben auf der Galerie sitzen: Macht euch keine Sorgen! Es ist alles in Ordnung! Seit 1955 ist unsere Linie klar. Wir müssen zwar immer wieder den § 320 Strafgesetzbuch, der da heißt Neutralitätsgefährdung, ändern, aber Sie brauchen doch nicht zu glauben, daß das Bedeutung hat, denn in diesem Haus machen wir so vieles ohne Bedeutung, und wir ändern immer wieder gern einmal das Strafgesetzbuch, weil es ja in Wahrheit sonst nichts zu tun gibt.

Das wird Ihnen niemand glauben, sondern die Leute werden verstehen, daß man das deshalb macht, weil es einen sehr realen Hintergrund hat, und der könnte sein, daß die Regierungsmitglieder strafgesetzlich auch einmal belangt werden, wenn sie sich nicht daran halten.

Meine Damen und Herren! Ich möchte insbesondere darauf hinweisen, daß der Herr Bundeskanzler gerade aus diesem Grund, obwohl er gesagt hat, er möchte eine Diskussion über diese Frage führen, unsere Dringliche Anfrage in vielen Bereichen nicht beantwortet hat. Wir haben nämlich ganz bewußt 20 Fragen gestellt, in denen wir gerade auch auf die rechtliche Seite abgestellt haben, weil wir eines, meine Damen und Herren, in diesem Diskurs erreichen wollen: Wir wollen erreichen, daß auch im Zuge des Nationalratswahlkampfes und der Wahlen im Oktober die Sicherheitspolitik diskutiert wird. Aber wir wollen aus liberaler Sicht erreichen, daß wir aufgrund von Fakten diskutieren.

Aber der Herr Bundeskanzler hat es heute nicht für wert befunden, einzelne Fragen zu beantworten, die ganz einfach mit Ja oder Nein zu beantworten sind und bei denen es zum Beispiel insbesondere auch darum geht, daß wir ihn gefragt haben, ob er es denn mit Artikel 23 f B-VG vereinbar sieht, daß Österreich auch bei friedensschaffenden Maßnahmen mitmacht – also bei Kampfeinsätzen in Regionen, wo noch ein Konflikt da ist und wo man den Konflikt beendet –, und nicht nur bei friedenssichernden Maßnahmen, an denen Österreich, wie Sie, Frau Abgeordnete Hlavac, richtig sagen, teilnimmt.

Der Herr Bundeskanzler hat es nicht für wert befunden, diese Frage konkret zu beantworten. Er hat uns auch nicht gesagt, ob das, was in den Erläuternden Bemerkungen zum bereits zitierten Antrag der Abgeordneten Kostelka und Khol betreffend Änderungen der österreichischen Bundesverfassung wegen des Amsterdamer Vertrages steht, auch der Rechtsauffassung der Bundesregierung entspricht, daß Kampfeinsätze auch ohne Beschluß des UN-Sicherheitsrates ausdrücklich ermöglicht werden. Er hat uns nicht gesagt, ob das die Rechtsauffassung der Bundesregierung ist.

Ich halte es für ein Sand-in-die-Augen-der-Menschen-Streuen, daß Sie nicht bereit sind, hier Antworten auf sehr sachliche juristische Fragen, Rechtsfragen zu geben, damit wir auf einem außer Streit gestellten Fundament einmal diskutieren können. Das tun Sie nicht, sondern Sie stellen sich her und sagen: Macht euch keine Sorgen, die Neutralität ist bei der SPÖ in guten Händen! Wir ändern zwar weiterhin die Verfassung und das Strafgesetzbuch, aber wir werden den Menschen weiter erzählen, so sagt die SPÖ, daß die Neutralität nicht geändert wird. – Wer’s glaubt, wird selig. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

17.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zum Wort gelangt Herr Abgeordneter Schieder. Herr Abgeordneter, die Redezeit für Ihren Klub beträgt noch 9 Minuten; ich stelle daher diese Zeit ein. – Bitte.

17.36

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mich wundert es eigentlich, daß in einer solchen Debatte so vieles gesagt wird, was entweder – ich verwende nicht das Wort, das hier schon so oft verwendet wurde – falsch oder zumindest oberflächlich ist. Ich spreche jetzt nicht einmal das an, was vielleicht noch ein Gedankenfehler sein kann, etwa wenn Frau Abgeordnete Petrovic dem Bundeskanzler vorwirft, daß Österreich der Bestellung des "höchstrangigen Militärs der NATO" zum "Mr. GASP" zugestimmt hat. – Höchstrangig ist der Generalsekretär ja, aber Militär ist er wahrlich keiner. Das kann nur ein Gedankenfehler sein.

Ich spreche jetzt aber von der Tatsache, daß hier Dinge so dargestellt werden, wie sie nicht wirklich waren, und daß zum Beispiel hier der Eindruck erweckt wird, daß die Neutralität 1955 groß, klar und mächtig war, aber seit dieser Zeit nach und nach ein Stückchen abgebröckelt ist oder weggenommen wurde. (Abg. Scheibner: Mittel zum Zweck! – Abg. Dkfm. Holger Bauer: Genauso ist es!) – Genauso ist es nicht!

Würden Sie die Debatten, die in diesem Hause in den Jahren 1952, 1953, 1954 und 1955 geführt wurden, kennen, würden Sie sich den Beschluß anschauen, der zu diesem Gesetz geführt hat, würden Sie die diesbezüglichen Berichte, am klarsten dargestellt bei Stourzh "Geschichte des Staatsvertrages", mit den besten Anmerkungen versehen ab der zweiten Auflage, verfolgen, dann würden Sie sehen, daß am Anfang die Neutralität für die Politik Österreichs, die Bundesregierung, das Parlament in Wahrheit ein Synonym für die drei Dinge war, die wir heute als den Kern der Neutralität bezeichnen: die Nichtteilnahme am Krieg, das Nichtangehören zu einem militärischen Pakt und das Nichtzulassen von fremden Truppen auf unserem Territorium.

Erst später wurde eine Haltung eingenommen, die die Neutralität weit größer gemacht hat. Es sind Dinge dazugekommen, die man am Anfang nicht darunter verstanden hat, und es hat auch ein Auf und Ab im Verständnis der Neutralität gegeben. Jetzt sind wir wieder etwa bei jenem Verständnis von Neutralität, bei einem Kern angelangt, der am Anfang auch in den Überlegungen zur Formulierung, sogar bei den Gesprächen zum Staatsvertrag als gleichrangiger Inhalt, als völliger Inhalt der Neutralität in Diskussion stand. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.)

Sie, Herr Kollege Barmüller, stellen es so dar, als hätte es von Anfang an den Tatbestand der Neutralitätsgefährdung im Strafrecht gegeben und als ob man diesen dann auch noch weggenommen hätte. – Nein, diesen Tatbestand hat es am Anfang überhaupt nicht gegeben. Schauen Sie nach, wann er ins Gesetz gekommen ist! Das ganze Gedankengut stammt aus den siebziger Jahren und keineswegs aus den fünfziger Jahren. Da ist die Neutralität ausgeweitet und dann wieder rückgeführt worden.

Oder die Frage Vereinte Nationen – Neutralität. Herr Abgeordneter Scheibner! Da sagen Sie zu Recht, daß der Erstantrag vom 2. Juli 1947 stammt. Aber Sie haben nicht recht, wenn Sie sagen, es ist nicht der Antrag des neutralen Österreich, sondern ein alter Antrag genommen worden. Nein! Der Antrag ist laufend erneuert worden – der erste stammt aus dem Jahre 1947 –, er ist fast jährlich erneuert worden. Der letzte Antrag, den es überhaupt gegeben hat, stammt vom 23. August 1954 und war daher keiner des neutralen Österreich, denn das neutrale Österreich hat es erst im Herbst 1955 gegeben. Also es werden lauter kleine Unschärfen sichtbar.

Oder zur Übernahme der Beistandspflicht: Natürlich gibt es drei Stellen im Kölner Vertrag. Aber was wird immer damit ausgesagt? – Die Beistandspflicht bleibt für die erhalten, die sie in diesen Organisationen haben. Aber sie wird nicht übernommen, sodaß die anderen darunterfallen. Es wird hier also, wenn gewisse Dinge dargestellt werden sollen, sehr unscharf gearbeitet.

Oder die UNO oder UNO – Neutralität. Ich lese Ihnen etwas vor: Die Fragestellung jener, die glauben, das sei nicht vereinbar, krankt. "Für sie scheint der Begriff der Neutralität starr – d.h. apriorisch –, was er in Wirklichkeit nicht ist. Der Begriff der Neutralität geht vielmehr mit den Wandlungen der Völkerrechtsgemeinschaft mit; das beweist die Geschichte des Neutralitätsbegriffes. Die Organisation der Völkerrechtsgemeinschaft ist durch die UNO gekennzeichnet; das bedarf wohl keines weiteren Beweises. Der Inhalt der modernen Neutralität bekommt durch diese staatenumspannende Organisation dann sein besonderes Gepräge, wenn ein sich zur dauernden Neutralität bekennender Staat, ohne seine Neutralität aufzugeben, Mitglied dieser Organisation wird." – Das schrieb kein Roter, sondern der Völkerrechtler und spätere ÖVP-Abgeordnete Ermacora. Das ist auch keine Erklärung aus heutiger Zeit, sondern ein Beitrag, den er 1957 zu dieser Frage geschrieben hat. (Abg. Scheibner: Sie haben gesagt, das gilt alles nicht mehr! – Beifall bei der SPÖ.)

Neutralität und Mitgliedschaft in der UNO waren möglich (Abg. Scheibner: Kollege Schieder! Über welchen Antrag ist jetzt abgestimmt worden?), und es war immer klar, daß ein Neutraler dies befolgen kann und zu befolgen hat. Dazwischen hat es andere Meinungen gegeben. Wir sind aber im wesentlichen zu dieser Haltung zurückgekehrt.

Die UNO hat nicht – wie Sie gesagt haben – über einen Antrag des neutralen Österreich nicht abstimmen wollen, sondern es hat gar kein neutrales Österreich gegeben, alle Anträge sind schon vorher gestellt worden. Das war allen klar. In der Präambel zum Staatsvertrag haben sich die vier Mächte dazu bekannt (Abg. Scheibner: Genau das habe ich gesagt, Herr Kollege Schieder!), und es war auch diesen klar, daß unsere Neutralität mit einer Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen verbunden ist. Auch das zeigen Dokumente, nicht nur bei Zemanek, sondern auch wieder bei Stourzh und sehr vielen anderen. Das können Sie alles nachlesen. Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens der Geschichte Österreichs!

Meine Damen und Herren! Zum letzten. Wenn sich heute der Bundeskanzler bemüht hat, alles sehr klar und sehr ruhig darzustellen, dann ist ihm damit auch gelungen, wirklich ein Bild zu geben (Abg. Scheibner: Das meinen Sie aber nicht ernst!), wie Österreich diese Frage versteht und wie es sich verhält.

Wenn sich dann manche bemüßigt fühlen, hier im Zusammenhang mit der Haltung der Sozialdemokratie von Lüge zu sprechen, dann geht es nicht bloß darum, dieses Wort zurückzuweisen. Denn das ist nicht höflich, und ich glaube, Kollege Spindelegger hat sich keinen guten Dienst damit erwiesen, daß er es auf sich genommen hat, hier dieses Sprüchlein für seine Partei abzuspielen.

Was mich aber noch mehr wundert, ist (Zwischenruf des Abg. Dr. Maitz) – ja, da werden wir uns nicht einigen können – folgendes: Wir führen eine Debatte über den Krieg, und wir führen eine Debatte gegen den Krieg. Und in dieser Debatte gegen den Krieg verwendet man unter Partnern die kriegerischsten Worte, die man findet. Das ist sicherlich nicht sinnvoll. (Beifall bei der SPÖ.)

17.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte, Herr Abgeordneter.

17.45

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Abgeordneter Schieder hat ja eine interessante Vorlesung über die Geschichte der Neutralität gehalten, aber genau das ist Ihr Problem, Herr Abgeordneter Schieder, das ist das Problem Ihrer Politik. Sie ist nämlich nach hinten gewandt, sie ist defensiv und strukturkonservativ. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch zur Rede der Frau Abgeordneten Hlavac etwas sagen, die gemeint hat, wir wollen nicht für fremde Interessen Krieg führen. Ich frage mich: Wer in diesem Haus will für fremde Interessen Krieg führen? – Niemand will das! Aber wenn es darum geht, Massenvertreibungen, Massenvergewaltigungen und Massenerschießungen zu beenden, dann muß ich sagen, das sind keine fremden Interessen, sondern das sind unser aller Interessen im Sinne der Menschenrechte! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben in Ihren Ausführungen davon gesprochen, daß die Neutralität ja nicht Selbstzweck ist, sondern Mittel zum Zweck. In diesem Punkt stimme ich natürlich mit Ihnen überein, denn der Zweck, der hier gemeint ist, ist wohl die Sicherheit Österreichs.

In diesem Punkt hat die SPÖ aber ein Glaubwürdigkeitsproblem und ist offensichtlich auch angeschlagen, nicht nur deshalb, Herr Bundeskanzler, weil Sie den Eindruck erwecken – ich würde es zumindest so formulieren –, im Ausland etwas anderes zu sagen als im Inland, zumindest aber das, was Sie sagen, anders zu akzentuieren. (Abg. Dr. Gusenbauer: Reine ÖVP-Propaganda!) Und Sie haben deshalb ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil wir ganz selbstverständlich auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages die Verfassung geändert haben, weil es notwendig war.

Sie haben selbstverständlich auch deshalb ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil Sie, wenn Sie so brennend für eine aktive Neutralitätspolitik wären, es nicht zulassen dürften, daß die SPÖ über Jahre hindurch versucht, das österreichische Bundesheer finanziell auszuhungern. Das ist der Vorwurf, den ich der SPÖ mache! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sind – und das wissen Sie ganz genau – mit einem Budgetanteil von etwa 22 Milliarden für das österreichische Bundesheer, also 0,85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, absolutes Schlußlicht in Europa. (Abg. Dr. Kostelka: Hat der Fasslabend den Budgets zugestimmt? Sie, Herr Kollege Amon, haben es mit beschlossen!) Wenn Sie glaubwürdige Neutralitätspolitik machen wollen, die auf eine selbständige Landesverteidigung baut, dann dürfen Sie von der SPÖ gerade das nicht zulassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sicherheit im Verbund ist ganz einfach billiger. Sie, Herr Bundes-kanzler, sagen aber, daß Sie durchaus für eine europäische Sicherheitsstruktur eintreten. Sie sagen aber nicht dazu, was Sie im Detail damit meinen. Denn die Europäische Union als solche ist ja wohl keine Sicherheitsstruktur. Sie sagen, wir wollen nicht in die Westeuropäische Union, und Sie sagen, wir wollen nicht in die NATO. Aber ich frage Sie: Was wollen wir dann? (Abg. Dr. Kostelka: Das Neutralitätsgesetz!) Was will die Sozialdemokratie dann, wenn sie auf der anderen Seite auch das österreichische Bundesheer finanziell aushungert und damit auch nicht wirklich für eine aktive Neutralitätspolitik eintritt? (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Was Sie nämlich nicht sagen, ist, daß es in der Europäischen Union selbstverständlich common sense ist, daß es keine Doppelstrukturen geben soll – nicht in militärischer Hinsicht –, daß also kein Aufbau von Doppelstrukturen geplant ist. Deshalb ist ja auch die Idee des Liberalen Forums, eine eigene europäische Armee aufzustellen, eine, die nicht realisiert wird, weil ja auch die Westeuropäische Union bekanntlich alle Mitglieder in der NATO hat und nicht anderswo. (Abg. Wabl: Sagen Sie, woher wir das Geld nehmen für die Panzer und Abfangjäger!)

Wenn Herr Abgeordneter Schieder ein Zitat von Herrn Dr. Ermacora aus den fünfziger Jahren – 1957 – gebracht hat, dann möchte ich Ihnen hier ein etwas aktuelleres Zitat entgegenhalten, nämlich eines von jenem Herrn, den Sie ... (Abg. Schieder: Es gab die Behauptung, niemand hat in den fünfziger Jahren diese Meinung gehabt! Deshalb habe ich ihn aus den fünfziger Jahren zitiert!)

Ja, ja, ich habe nichts anderes gesagt. Ich habe nur gesagt, daß Sie ihn mit einer Aussage aus den fünfziger Jahren zitiert haben, und ich halte Ihnen ein aktuelleres Zitat entgegen, und zwar logischerweise nicht eines von Herrn Dr. Ermacora, aber von einem, den Sie sehr gut kennen, den Sie nämlich gestern zur Überraschung der gesamten österreichischen Öffentlichkeit nun doch zum Delegationsleiter Ihrer Fraktion im Europäischen Parlament gemacht haben.

Ich bringe ein Zitat aus dem vergangenen Herbst, in dem es heißt, Herr Dr. Swoboda "sprach sich daher für die Entwicklung einer starken europäischen Komponente der NATO aus. Konsequent fortgeführt stehe am Ende ein sicherheitspolitisch, das heiße auch militärisch handlungsfähiges Europa. Wenn Österreich sich in diesem Sinne solidarisch beteilige und einbinden wolle, sei ein Beitritt zur NATO kaum vermeidbar." – So sprach der Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen Parlament. (Beifall bei der ÖVP.)

17.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Bauer. Herr Abgeordneter, Sie wollen eine freiwillige Redezeit von 5 Minuten. 10 Minuten stehen Ihrem Klub noch zur Verfügung. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: 5 Minuten!) Ich stelle 5 Minuten ein. – Bitte.

17.51

Abgeordneter Dkfm. Holger Bauer (Freiheitliche): Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Als in den siebziger Jahren die Visavis von Rot und Schwarz Kreisky und Schleinzer hießen, kursierte in Österreich folgender Witz:

Kreisky und Schleinzer werden beim Fischen von Tierschützern überrascht. Schleinzer, aufrecht, wie er war, fischt unbeirrt weiter, nimmt seine gefangenen Fische von der Angel und erschlägt sie. (Abg. Grabner: Den hast du nicht gekannt!) Kreisky hingegen befreit, als er die Tierschützer sieht (Abg. Dr. Karlsson: Der Witz hat einen Bart, der ist sooo lang!), seinen Fisch behutsam von der Angel, nimmt ihn unter den Arm und streichelt ihn. Sein Sekretär raunt ihm zu: Dr. Kreisky, was machen Sie denn da? (Ruf bei der SPÖ: G’schichtlerzähler! – Weitere Zwischenrufe.) Darauf sagt Dr. Kreisky zu seinem Sekretär: Schauen Sie, der Fisch wird so auch "hin", aber den Leuten gefällt es so besser! (Rufe bei der SPÖ: Haha!) Ja, haha! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Dieser Methode haben Sie sich bei der Abschaffung, beim Zu-Tode-Bringen der österreichischen Neutralität verschrieben. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Marizzi: Da war der Meischberger besser!)

Behutsam von der Angel – sprich: aus der Verfassung – nehmen Sie die Neutralität – so geschehen mit den Bundes-Verfassungsgesetz-Novellen der Jahre 1995 und 1998 –, und dann bringen Sie vorsichtig, scheibchenweise dem Publikum bei, daß man die Neutralität zu Tode bringen muß, weil man seit 1995 Mitglied der Europäischen Union ist und als solches einfach mit unterschrieben hat und mit unterschreiben mußte, daß innerhalb dieser Europäischen Union die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ein ganz zentrales gemeinsames Anliegen ist.

Herr Bundeskanzler! Sie können hier noch so viele und noch so oft Pirouetten um diese Frage drehen: Sie werden niemandem, der darüber nachdenkt, wirklich einreden können und glaubhaft machen können, daß es irgendeinen Verein gibt, bei dem ein gleichberechtigtes Mitglied – und wir sind ein gleichberechtigtes Mitglied in der Europäischen Union; gerade Sie von der Bundesregierung betonen das ja bei jeder Gelegenheit, wir sind ein gleichberechtigtes Mitglied –, das die gleichen Rechte hat, à la longue, mittelfristig gesehen, nicht auch die gleichen Pflichten hat. Einen solchen Verein gibt es nicht, und daher gibt es das auch bei der Europäischen Union nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es macht ja auch keinen Sinn, Herr Bundeskanzler, wenn man sagt, bei einer gemeinsamen Verteidigungspolitik verweigern wir das wechselseitige Beistandsrecht. Was haben wir denn davon, wenn wir zwar da und dort so halb, weil wir eben neutral sein wollen, bei Aktionen mitmachen? Wir schicken zwar Soldaten in den Kosovo, aber überfliegen dürfen die NATO-Flugzeuge so quasi "für den Hausgebrauch" Österreich nicht. Was haben wir davon, wenn wir das tun, auf der anderen Seite aber dann, sollten einmal wir – was Gott verhüten möge – auf den gemeinsamen Beistand der anderen Mitglieder angewiesen sein, sagen: Nein, wir brauchen das nicht, wir sind neutral!? Das macht doch keinen Sinn.

Herr Bundeskanzler! Sie wissen das alles ja ganz genau, daher haben Sie ohne Vorbehalt den Vertrag von Amsterdam unterschrieben, und daher haben Sie jetzt auch vollinhaltlich die Beschlüsse von Köln mitgetragen, die darauf hinauslaufen, diese gemeinsame Verteidigungspolitik nunmehr weiter voranzutreiben und weiterzuentwickeln. Letztlich soll das Ganze schon Ende 2000 zu einer Verschmelzung der Europäischen Union mit dem Militärpakt WEU führen.

Das alles wissen Sie ganz genau, nur für den "Hausgebrauch", im Sinne des Witzes von Dr. Kreisky, machen Sie noch ein paar Pirouetten, wenn Sie zu Hause sind, und sagen: Nein, nein, wir werden schon die Neutralität bewahren! – Sie bestreiten damit sogar einen ganzen Wahlkampf, aber glaubhaft ist das trotzdem nicht, und Sie können es doch auch selbst nicht wirklich glauben.

Hohes Haus! Die freiheitliche Fraktion hält die Frage der österreichischen Neutralität für eine viel zu ernste, um sie wahl- und parteitaktischen Spielchen zu überlassen. Ich erlaube mir daher, einen Entschließungsantrag betreffend Durchführung eines Volksentscheides über die zukünftige österreichische Sicherheitspolitik einzubringen.

Der Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Scheibner, Dkfm. Bauer, Dr. Ofner, Dipl.-Ing. Schöggl und Kollegen betreffend Durchführung eines Volksentscheides über die zukünftige österreichische Sicherheitspolitik

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Teilnahme Österreichs an der beim Europäischen Rat in Köln beschlossenen Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur europäischen Verteidigungsunion der Bevölkerung zur Entscheidung (Volksabstimmung, Volksbefragung) vorzulegen."

*****

Ich danke für die kurze Verlängerung, Herr Präsident. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.57

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen miteinbezogen.

Ich erteile jetzt das Wort Herrn Abgeordnetem Wabl, der noch eine Redezeit von 7 Minuten zur Verfügung hat. (Abg. Dr. Graf: Jetzt erfahren wir die Position vom Joschka Fischer, oder?)

17.57

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Die liberale Partei hat natürlich recht mit ihrer Dringlichen Anfrage, denn es ist in den letzten Jahren geradezu unerträglich geworden, wie in der Sicherheitsdiskussion mit politischen Manövern eine unglaublich unehrliche Politik betrieben und zu verschleiern versucht wird. Letztendlich konnte das Ganze nur durch eine Wahl korrigiert werden.

Ich muß sagen, ich bin froh darüber, daß die EU-Wahl zumindest eine Klarheit gebracht hat: Innerhalb der SPÖ hat es viele und meiner Meinung nach zu viele Personen gegeben, unter anderem auch Swoboda, Cap, auch Vranitzky und zum Teil auch Klima, die gemeint haben, daß man das österreichische Volk langsam darauf vorbereiten müßte, daß die Neutralität tatsächlich das ist, was die ÖVP seit langem behauptet, nämlich ein Stück, das abgelegt werden muß. Zum Glück haben sich diese Personen aber innerhalb der Sozialdemokratie aufgrund einer Wahl, aufgrund eines Volksentscheides nicht durchgesetzt, weil aufgrund der historischen Situation die Bevölkerung die Regierung mehr oder weniger direkt und indirekt gezwungen hat, klar Farbe zu bekennen.

Sie können sich ja die letzten Stellungnahmen von Khol, Schüssel und Stenzel kurz vor der EU-Wahl anschauen: Das Wort "NATO" kam nicht mehr vor, das Wort "NATO" wurde vermieden. Umso deutlicher haben die Sozialdemokraten und Exponenten der Sozialdemokratie klargemacht: Sie stehen auf dem Boden der Verfassung, sie werden die Neutralität schützen. Klima hat persönlich seinen Offenbarungseid in dieser Richtung abgelegt, auch wenn der Vorwurf sicherlich stimmt, Frau Kollegin Schmidt, daß diesbezüglich in den letzten Monaten und Jahren unehrlich gespielt worden ist.

Meine Damen und Herren! Ich wünschte, es gäbe öfters Wahlen, denn eine ganz klare Meinung der Bevölkerung in dieser Frage hat dazu geführt, daß die politischen Entscheidungsträger nicht weiter ihre politischen Manöver betreiben konnten. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Natürlich ist es richtig, was Kollege Schieder sagt: daß sich die Neutralität entwickelt, weil sich ja auch die geopolitischen Verhältnisse verändern, weil sich ja auch die machtpolitischen Verhältnisse ändern, weil die militärischen, die politischen Veränderungen unabsehbar sind und ein kleines, neutrales Land natürlich darauf reagieren muß. Herr Kollege Schieder, da gebe ich Ihnen recht.

Aber was sollte denn eine Sozialdemokratie in dieser Situation klar und deutlich vorgeben? Ist es das, was Ihre Parteimitglieder in diesem Zusammenhang zum Teil tun, was Swoboda gemacht hat, was zum Teil Vranitzky gemacht hat? Oder entspricht es nicht der guten Tradition der Sozialdemokratie, festzuhalten, daß Recht nur durch klare Festlegungen gesichert werden kann, wie sie in der UNO-Charta getroffen sind, daß ein Gewaltmonopol niemals von einem Militärbündnis ausgeübt werden kann? (Beifall bei den Grünen.)

Ist es nicht die gute Tradition einer sozialdemokratischen Bewegung, europaweit und weltweit zu sagen: Es kann niemals so sein, daß sich Präsidenten, Machthaber, ganz gleich, in welchem Land, anmaßen, zu wissen, wie Frieden zu erhalten ist!? Das muß ein gemeinschaftlicher Prozeß der Rechtsfindung, der Wahrheitsfindung sein, genau so, wie es in den internationalen Organisationen festgeschrieben ist. Das muß der Weg auch Österreichs sein und muß der Weg der österreichischen Regierung sein.

Herr Bundeskanzler! Ich bin froh darüber, daß Sie klargelegt haben, es wird im nächsten Jahrtausend keinen Beitritt Österreichs zur NATO geben. Herr Bundeskanzler! Ich freue mich da ein wenig über einen zumindest Teilerfolg der Partei der Grünen, die mit dazu beigetragen hat, daß diese Frage so thematisiert worden ist und daß auch die Sozialdemokratie dazu gebracht worden ist, ein klares Bekenntnis abzulegen. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich die gegenwärtige Situation im Kosovo anschauen, wo die UÇK, die von der sogenannten Friedensarmee und Wertegemeinschaft NATO nicht entwaffnet worden ist und jetzt den russischen Soldaten den Krieg erklärt – Sie können das in den morgigen Zeitungen nachlesen –, dann wissen Sie ... (Abg. Zweytick: Man darf nicht alles glauben!) – Man darf nicht alles glauben. Herr Kollege Zweytick! Ich glaube wirklich nicht alles, vor allem nicht das, was in der "Kronen Zeitung" steht, und auch nicht, was in anderen Zeitungen steht. Aber es ist ja offensichtlich, daß, wenn die Bevölkerung im Kosovo die NATO als Sieger empfängt und die russische Armee dort von der UÇK beschossen wird, das nichts mehr mit einer friedensschaffenden Mission zu tun hat. Diese Situation ist entstanden, weil sich Politiker in Europa und in Amerika offensichtlich eingebildet haben, sie könnten entscheiden, was für die Welt und für die Menschen gut ist.

Herr Kollege Zweytick! Wir werden noch öfters vor die grausame Realität gestellt werden, daß wir in manchen Situationen nicht genau wissen, was zu tun ist. Aber eines war sicher, und eines ist heute sicher, und eines wird morgen sicher sein: Das Bombardement auf Länder kann nicht auf die Unterstützung von Neutralen hoffen und kann nicht zum Frieden führen. (Beifall bei den Grünen.)

18.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt jetzt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Dipl.-Ing. Schöggl vor. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Leopold Schöggl (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Als letzter Redner in einer Debatte über eine Dringliche Anfrage hat man immer das große Vergnügen, wenigstens vor einem vollen Haus sprechen zu können.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich darf ein bißchen resümieren: Was ist von dieser Debatte übriggeblieben? – Einerseits der Versuch der ÖVP, nach dreidreiviertel Jahren Kuschelkurs eine Absetzbewegung von der SPÖ vorzunehmen, um eine eigenständige Position für den nächsten Wahlkampf zu erarbeiten, andererseits der Versuch von der SPÖ: der Kanzler, der wortreich versucht, die Neutralität herbeizureden.

Je wortreicher er das versucht hat, desto klarer ist für mich und für die ganze Fraktion, aber auch für die Bevölkerung geworden, wie weit wir uns geistig von dieser Neutralität bereits entfernt haben (Beifall bei den Freiheitlichen) und daß die Schienen dafür, dieses Österreich an der Bevölkerung vorbei in die WEU hineinzuschmuggeln, bereits gelegt sind. Deshalb ersuche ich Sie, den freiheitlichen Entschließungsantrag zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Vertrag von Amsterdam – aber viele Experten sagen auch, bereits seit dem EU-Beitritt – hat sich Österreich von der Neutralität ohnehin verabschiedet. Das hat allerdings die sozialistische Fraktion nicht daran gehindert, den Mythos der Neutralität weiterhin gegen besseres Wissen aufrechtzuerhalten und zu hätscheln. Warum tun Sie das? – Weil Sie wissen, daß Sie dieses Thema jederzeit aus dem Hut ziehen können, daß Sie es emotionalisieren können und daß Sie besonders bei den Frauen, vor allem bei den Frauen der älteren Generation, mit diesem Thema punkten können.

Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kollegen! Sie können mit diesem Thema vielleicht ein Wahler-gebnis beeinflussen, aber seriöse Politik ist das nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie verkaufen die Neutralität ... (Zwischenrufe. – Bundeskanzler Mag. Klima und Bundesminister Dr. Einem sprechen miteinander auf der Regierungsbank.) – Ich weiß, daß der Herr Verkehrsminister mit dem Herrn Bundeskanzler spricht, bitte aber als letzter Redner noch um Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Bundeskanzler! Sie verkaufen der Bevölkerung die Neutralität wie einen Schirm, den man nur aufzuspannen braucht und der uns vor aller Unbill beschützt. Aber es ist ein Gratisschirm, ein Werbeschirm, weil Ihnen diese Neutralität auch kein Geld wert ist.

Ich erinnere mich an meine eigene Zeit beim Bundesheer, wo uns damals, 1970, knapp nach der Tschechen-Krise erzählt wurde, daß im Bedrohungsfall im deutschen Kaiserslautern bereits Phantomjäger vorbereitet werden, auf denen nur mehr das österreichische Hoheitszeichen fehlt. Im nachhinein hat sich das auch als Mythos – und Sie pflegen ja diese Mythen – herausgestellt.

Wie halten Sie es wirklich mit der Neutralität? – Ich zitiere nochmals das Neutralitätsgesetz: Österreich wird diese Neutralität mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen. – Aber wie schauen diese zu Gebote stehenden Mittel aus? Das neue "profil" titelt: "Das jämmerliche Bundesheer". Da heißt es, die Geräte sind veraltet und kaputt, die Ausrüstung ist unzureichend, an der Ausbildung muß viel gearbeitet werden, die Personalstruktur ... (Abg. Koppler: Das hat der Ofner schon gesagt!) Das kann man gar nicht oft genug sagen, denn ihr begreift das ja nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im "profil" heißt es weiter, die Personalstruktur ist unzureichend, das Bundesheer ist überaltert. Es wäre unverantwortlich – wie Kollege Ofner gesagt hat –, eine Truppe Österreicher in diese Krisenregion zu schicken. Es wäre unverantwortlich, schlecht ausgerüstete Grundwehrdiener oder, wie sie heute heißen, Rekruten in diese Richtung in Marsch zu setzen. Da kann sich auch die ÖVP nicht aus der Verantwortung stehlen, denn immerhin stellen Sie von der ÖVP seit Jahrzehnten den zuständigen Ressortminister (Beifall bei den Freiheitlichen) und haben daher diese Verteidigungsbudgets zu verantworten.

Alles in allem ist diese Debatte ein Scheingefecht. Das koalitionäre Bett im Extrazimmer wird bereits wieder frisch bezogen für die Zeit nach den Wahlen am 3. Oktober. – Glück auf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Scheibner und Genossen betreffend Durchführung eines Volksentscheids über die zukünftige österreichische Sicherheitspolitik.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zur Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag des Abgeordneten Dr. Salzl, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über das Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes (171 der Beilagen) eine Frist bis 12. Juli 1999 zu setzen.

Die Abstimmung über diesen Antrag wird nach Schluß der Debatte erfolgen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich rufe die Redeordnung in Erinnerung. Jeder Redner hat eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung. Dem Erstredner steht zur Begründung des Antrages eine Redezeit von 10 Minuten zur Verfügung. Die Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre sollen sich nach Möglichkeit auch an einer maximalen Redezeit von 10 Minuten orientieren.

Ich erteile jetzt dem Antragsteller, Herrn Abgeordnetem Dr. Salzl, das Wort. Sie haben eine Redezeit von 10 Minuten, Herr Abgeordneter.

18.10

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genauso wie bei der vorher debattierten Dringlichen Anfrage wird auch bei diesem Fristsetzungsantrag die Zwiespältigkeit dieser Bundesregierung bezüglich ihrer Worte und Taten deutlich. Insbesondere vor Wahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird den einzelnen Interessengruppen viel versprochen, was dann nachher nicht gehalten wird oder nicht gehalten werden kann. So auch beim Tierschutz, bei dem es – besonders bei der SPÖ – eine sehr große Diskrepanz zwischen den Sonntagsreden und dem Handeln gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während die ÖVP ganz klar gegen ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz auftritt – man kann dazu stehen, wie man will; ich will mich auch gar nicht näher dazu äußern –, führt die SPÖ ähnlich wie bei der Neutralitätsdebatte einen Eiertanz auf. Sie agiert nach dem Motto: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß."

Man signalisiert den Tierschützern, daß man für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz wäre, schiebt aber die Schuld auf den Koalitionspartner und sagt, daß es ohne Zustimmung der ÖVP kein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz geben werde. Man werde den Tierschutz zu keiner Koalitionsfrage machen, erklärt etwa Herr Kostelka, aber unter seinem Vorsitz wird seit Jahren das Tierschutz-Volksbegehren in einem Unterausschuß des Verfassungsausschusses verschleppt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch interessanter ist in diesem Zusammenhang das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie etwa Herr Klima – damals war er noch Verkehrsminister – im Rahmen eines österreichischen Tierschutzkongresses – wie so oft vor Wahlen, es standen Wahlen vor der Tür – den Tierschützern und den Tierschutzorganisationen erklärt hat, daß es ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz geben wird. Er hat ihnen damals ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz versprochen. Jetzt ist genau dieser Herr Klima Bundeskanzler, und er ist in Verlegenheit: Er ist in der Verlegenheit, daß einerseits wieder Wahlen kommen und daß andererseits die Einhaltung seiner Verspre-chen gefordert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die derzeitige Situation im Bereich des Tierschutzes und der Tiertransporte, über die wir heute noch diskutieren werden, ist äußerst unbefriedigend. Viele Österreicherinnen und Österreicher haben das bereits 1993 erkannt und haben damals mit Hilfe einer großen Tageszeitung über 350 000 Unterschriften gesammelt – Unterschriften für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. Da dem Wunsch dieser vielen Unterzeichner nicht Rechnung getragen wurde, haben sich die Tierschutzorganisationen dann schlußendlich entschieden, ein Tierschutz-Volksbegehren durchzuführen.

Bereits im März 1996 unterzeichneten zirka 460 000 Österreicherinnen und Österreicher ein Tierschutz-Volksbegehren mit dem Titel "Ein Recht für Tiere". Sie forderten damals ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, die Verankerung des Tier- und Umweltschutzes in der Verfassung, die Einrichtung einer unabhängigen Tieranwaltschaft, die Anerkennung des Tierschutzes als öffentliches Interesse und die Förderung der Tierschutzarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind dies aus freiheitlicher Sicht berechtigte For-derungen, denn wer die Rechtszersplitterung der österreichischen Tierschutzgesetzgebung kennt, kann mit der derzeitigen Situation in Sachen Tierschutz nicht zufrieden sein. Es gibt bei neun Bundesländern derzeit elf Landestierschutzgesetze, wenn ich es so bezeichnen darf. Es gibt nämlich zusätzlich zum Landestierschutzgesetz in Salzburg auch noch ein Salzburger Nutztierschutzgesetz, und es gibt in Vorarlberg noch ein Gesetz über Maßnahmen gegen Lärmstörungen, verursacht von Tieren oder beim Halten von Tieren. Weiters darf ich ausführen, daß es noch ein ähnliches Gesetz im Burgenland gibt, sodaß es bei neun Bundesländern eigentlich sogar zwölf Landesgesetze gibt.

Zusätzlich gibt es österreichweit eine Vielzahl von Verordnungen. Es gibt landes- beziehungsweise bundesweit über 35 Verordnungen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Artikel 15a-Vereinbarungen, die hier so propagiert wurden, sind nicht geeignet, eine wirklich strukturelle Bereinigung der Rechtszersplitterung dieses Tierschutzrechtes herbeizuführen. Im Gegenteil: Sie führen nach Aussagen von Experten sogar zu einer weiteren Rechtszersplitte-rung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dadurch werden der Tierquälerei weiterhin Tür und Tor geöffnet. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Zweytick: Geh bitte! – Abg. Schwarzenberger: Nur die Tierärzte quälen die Tiere!)

Herr Schwarzenberger! Sie verstehen davon nichts. Das habe ich schon sehr oft im Rahmen der Debatten im Unterausschuß bemerkt. Leider muß ich wieder einmal Ihre Ignoranz dem Tierschutz gegenüber zur Kenntnis nehmen. Es tut mir wirklich weh, Ihnen zuhören zu müssen, was Sie in Sachen Tierschutz verzapfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie müßten eigentlich wissen, daß aufgrund dieser Rechtszersplitterung im Tierschutz die Tiere in den Ländern einen unterschiedlichen Stellenwert haben, daß ein Tier unterschiedlich behandelt wird, je nachdem, ob es in Salzburg, im Burgenland oder in Tirol lebt. Sie müßten wissen, daß die Tiere aufgrund dieses unterschiedlichen Stellenwerts und dieser unterschiedlichen Tierschutzstandards ungleich gehalten werden. (Abg. Schwarzenberger: Das haben wir bei der Bauordnung auch!) So hat zum Beispiel ein Hund oder eine Katze je nach Bundesland einen unterschiedlichen Stellenwert. Ironisch betrachtet müßte man sagen: Ein Hund oder eine Katze soll sich vor dieser ÖVP hüten, ein Tier soll sich davor hüten, einen Herrn in einem Bundesland zu bekommen, das einen schlechteren Tierschutz hat als ein anderes Bundesland. (Abg. Schwarzenberger: Hunde und Katzen müssen sich nur vor den Tierärzten hüten, denn von denen werden sie gequält!)

Das ist tatsächlich durch nichts zu begründen und auch in keiner Weise zu verstehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Die Tierschützer werden Ihnen die Antwort darauf geben. Spätestens bei den nächsten Wahlen werden sie Ihnen die Antwort geben. Glauben Sie mir das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch bezeichnend, daß ein großes Land wie Deutschland ein Bundestierschutzgesetz hat und mit lediglich acht Verordnungen auskommt, in denen die unterschiedlichen Bereiche geregelt werden. Es ist also die starre Haltung innerhalb der ÖVP durch nichts zu begründen. Sogar die föderalistische Schweiz hat nur ein Bundestierschutzgesetz und eine Verordnung, in der die verschiedenen Haltungsformen genau geregelt werden. (Abg. Zweytick: Warum nicht?) Das heißt, dort gibt es in den unterschiedlichen Kantonen gleiche Standards – gleiche Standards für alle Tiere, was auch richtig ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus diesem Grund glauben wir Freiheitlichen, daß ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz ein Gebot der Stunde ist. Wir wollen und werden nicht weiterhin zusehen, wie zirka 460 000 Unterzeichner und zirka 300 000 Unterzeichner im nachhinein, also über 760 000 Leute, die für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz eingetreten sind, weiterhin an der Nase herumgeführt werden!

Aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir Freiheitlichen diesen Fristsetzungsantrag eingebracht, in dem wir den Nationalrat auffordern, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über die Vorlage 171 der Beilagen, Volksbegehren zur Schaffung eines Bundestierschutzgesetzes, eine Frist bis zum 12. Juli 1999 zu setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus der Sicht von uns Freiheitlichen ist es höchste Zeit, die hinter diesem Volksbegehren stehende Intention noch vor Ablauf dieser Gesetzgebungsperiode mit einer Erledigung im Plenum zu würdigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Antrag ist nichts hinzuzufügen. Es ist jetzt Zeit, noch in dieser Gesetzgebungsperiode Farbe zu bekennen. Es wird sehr interessant sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu sehen, wer sich wirklich für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz einsetzt und wer lediglich versucht, die Tierschützer zu vertrösten und weiterhin an der Nase herumzuführen. (Abg. Zweytick: Mit der Sache, mit dem Thema hat das überhaupt nichts zu tun! Das ist nur Polemik! Pure Polemik!) Wir werden uns diese Abstimmung sehr genau anschauen, Herr Zweytick! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Parfuss. Frau Abgeordnete, Sie haben eine Redezeit von 5 Minuten. – Bitte.

18.21

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Dr. Salzl, Sie haben in vielem recht, aber die Schelte in unsere Richtung möchte ich vehement zurückweisen. Sie kennen unser Engagement für ein Bundestierschutzgesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber zuallererst die Gelegenheit dazu nützen, mich bei all jenen zu bedanken, die das Tierschutz-Volksbegehren initiiert und unterstützt haben und auch an dem Entwurf für ein Bundestierschutzgesetz mitgearbeitet haben. (Zwischenruf des Abg. Mag. Barmüller.) Die zahlreichen tierschutzbewegten Menschen, die Tierschutzorganisationen, die Mitarbeiter des Parlaments und des Klubs, aber auch die Abgeordneten, die sich für Tierschutz einsetzen, und die Experten haben dazu beigetragen, daß uns jetzt eine Fülle von Informationen und Unterlagen zum Thema Tierschutz zur Verfügung steht, die natürlich vor dem Volksbegehren nicht vorhanden waren. All diese Unterlagen und Informationen lassen den Schluß zu, daß nur ein Bundestierschutzgesetz eine adäquate Grundlage für einen modernen, einheitlichen Tierschutz in Österreich darstellen würde.

Darüber hinaus zeigt sich auch die bundesweite Vereinheitlichung von Standards als eine sinnvolle Maßnahme, um auch in der Europäischen Gemeinschaft höhere Standards mit einer Stimme einfordern zu können. Wir müssen uns doch wenigstens innerhalb unserer Staatsgrenzen einig sein, um dann auch auf EU-Ebene glaubwürdig die Interessen des Tierschutzes vertreten zu können. Denken wir an das Tiertransportgesetz, welches wir vehement verteidigen werden, oder auch an die aktuelle Diskussion über die Hühnerkäfighaltung in der EU. Wenn wir nicht imstande sind, im Land einheitliche Regelungen zustande zu bringen, dann können wir sie auch in der EU nicht einfordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Überzeugung, die von Hunderttausenden Menschen und zahlreichen Tierschutzexperten geteilt wird, nämlich daß wir dringend ein Bundestierschutzgesetz brauchen, wird durch zahlreiche Argumente untermauert. Herr Dr. Salzl hat viele Fakten aufgezählt. Ich möchte sie nicht alle noch einmal erwähnen, sondern stellvertretend nur ein paar aufzählen, um Redezeit zu sparen.

Ein einheitlicher Tierschutz kann mit Artikel 15a-Verträgen nicht erreicht werden. Das haben eine von Experten erarbeitete Analyse und die Praxis bereits gezeigt. Artikel 15a-Verträge sind nur eine Willensbekundung. Die Länder legen diese aber immer noch so aus, wie es ihnen gefällt. Die Folge davon ist natürlich, daß die Tiere in Österreich immer noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich behandelt und gehalten werden. (Zwischenruf des Abg. Zweytick.)

Lieber Kollege Zweytick! Auch zahlreiche Bestimmungen in den Artikel 15a-Verträgen selbst sind nicht auf dem neuesten Stand. Gerade in der Nutztierhaltung zielen sie sehr auf die Wirtschaftlichkeit ab, aber nicht auf den Tierschutz. Das wirst du wahrscheinlich bestätigen können. (Abg. Zweytick: Natürlich!)

Weiteres Faktum ist: Bei der Umsetzung von EU-Richtlinien ist der Landesgesetzgebungsapparat mehr als behäbig, wenn nicht überhaupt ... (Abg. Zweytick: Die Vereinbarungen in der Steiermark sind sehr restriktiv und werden auch eingehalten!) – Sie werden nicht eingehalten. Lieber Herr Kollege! Sie werden nicht eingehalten. Dazu könnte ich einige Beispiele nennen.

Es gibt noch zahlreiche Argumente für ein Bundestierschutzgesetz, aber eines der wichtigsten ist für mich vor allem die Unterstützung des Tierschutz-Volksbegehrens durch 460 000 Österreicherinnen und Österreicher, denen Tierschutz ein ganz großes Anliegen ist und die ein Bundestierschutzgesetz fordern. Wir haben einen Auftrag von der Bevölkerung bekommen, und wir müssen uns um dieses Anliegen ernsthaft kümmern. Vier Parteien in diesem Haus sehen das genauso! (Beifall bei der SPÖ.)

18.25

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Rauch-Kallat. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

18.25

Abgeordnete Maria Rauch-Kallat (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Die FPÖ sollte heute doch zugeben, daß es ihr nicht um das Bundestierschutzgesetz, sondern um Populismus vor Ende dieser Legislaturperiode geht, weil doch allen klar sein wird, daß mit dieser Initiative ein Bundestierschutzgesetz im Juli wohl kaum verabschiedbar ist. (Abg. Scheibner: Dann dürften Sie überhaupt keine Gesetze einbringen, wenn alles Populismus ist! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß Österreich gerade im Tierschutz und auch durch das Tierschutz-Volksbegehren eine Reihe von Initiativen gesetzt hat, die in ganz Europa, ja sogar weltweit vorbildhaft sind. Schon vor dem Tierschutz-Volksbegehren im Jahre 1996 ist es gelungen, im Rahmen eines Artikel 15a-Vertrages über die landwirtschaftliche Nutztierhaltung eine bundeseinheitliche Regelung zu entwickeln, die für Europa vorbildhaft ist, die für ganz Europa Standards setzt, bei denen wir froh wären, wenn die Deutschen oder die Schweizer sie auch nur annähernd einhalten würden. Gleichzeitig werden damit der österreichischen Landwirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit und den bäuerlichen Betrieben und den bäuerlichen Familien in Österreich die Existenzgrundlage gesichert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben im Zuge der Beratungen zum Tierschutz-Volksbegehren unendlich viele Diskussionen und Expertengespräche geführt, die durchaus positiv waren. Als Ergebnis derselben haben jetzt auch neun Bundesländer, hat die Landeshauptleutekonferenz einen Artikel 15a-Vertrag betreffend den außerlandwirtschaftlichen Tierschutz unterschrieben, dessen Umsetzung gerade sehr erfolgreich im Gange ist.

Dieser Vertrag ist ebenfalls weltweit vorbildlich und schafft nicht nur für die Heimtiere, für die Haustiere Regelungen, sondern verbietet zum Beispiel auch das Kupieren von Ohren und Schwänzen, die Qualzüchtung und vieles andere mehr. Gleichzeitig werden damit auch Regelungen sowohl für Tiergärten, für Tiergehege, Wildgehege, aber auch für Zirkusse und Zoos vorgegeben. Das ist eine weltweit vorbildhafte und bundeseinheitliche Regelung.

Wir sind aber gegen ein Bundestierschutzgesetz. Wir sagen das auch ganz offen. Wir sind des-wegen dagegen, weil die Kompetenzverteilung allein noch lange nichts am Gesetz verbessert. Wir haben ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, und zwar das Bundestiertransportgesetz. Es ist dies eine bundesgesetzliche Regelung, für die Bundesminister Einem zuständig ist. Aber alle Verfehlungen, die immer wieder medienwirksam angeprangert werden, sei es im Fernsehen oder in den Zeitungen, spielen sich primär im Tiertransport ab. Da sind ungenügende Regelungen vorhanden, es ist also höchster Regelungsbedarf gegeben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zuständig ist Bundesminister Einem. Bereits im Jahr 1997 hat die Landeshauptleutekonferenz den Herrn Bundesminister um Gespräche ersucht, um den Vollzug zu verbessern, zum Beispiel betreffend das Strafausmaß im Zusammenhang mit den Tierrastplätzen bei Nutztiertransporten. Bis heute hat dieses Gespräch nicht stattgefunden.

Meine Damen und Herren! In diesem Haus ... (Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) – Ja, selbstverständlich. Es ist dies ein einstimmiger Beschluß der Landeshauptleutekonferenz aus dem Jahr 1997. Bis heute hat es der Herr Bundesminister Einem nicht für notwendig gefunden, dieses Gespräch zu führen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gradwohl.) Die Bundeskompetenz alleine, meine Damen und Herren, löst noch gar nichts. Das ist schlicht und einfach schein-heilig. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es gibt ja auch entsprechende Beispiele dafür. 57 Hundewelpen wurden beschlagnahmt. Das ist in Ihrem Bundestiertransportgesetz nicht geregelt.

Aber lassen Sie mich ein Letztes sagen – meine Redezeit ist begrenzt –: Ich bin etwas verwundert über die FPÖ, die sich hier immer wieder für den Schutz der Landwirtschaft einsetzt, weil sie bei diesem Thema doch versucht, den Grünen und der SPÖ in die Hand zu spielen. Sie wissen ganz genau, wie der Vorschlag der Grünen und der SPÖ für ein Bundestierschutzgesetz aussieht. Beide Parteien sind ja nicht damit zufrieden, den außerlandwirtschaftlichen Tierschutz zu regeln, sondern es geht vor allem um die Nutztierhaltung.

Der Vorschlag der Grünen beinhaltet beispielsweise Regelungen, die die österreichischen Bauern Investitionen in der Höhe von 11,5 Milliarden Schilling kosten würden. Diese Investitionen kann die österreichische Landwirtschaft nicht verkraften! Wenn wir sie aber vom Staat subventionieren lassen sollen, dann müssen Sie uns sagen, welchem Bereich wir diese Mittel weg-nehmen sollen: den Familien oder wem sonst?

Meine Damen und Herren! Das bedeutet den Verlust bäuerlicher Betriebe, das bedeutet den Verlust der Existenzgrundlage für Österreichs Bauern. Daß da die FPÖ mitspielt, müssen wir den Bauern sagen. Wir werden dabei sicher nicht mittun. Sicher nicht mit der FPÖ! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Warum sagen Sie das nicht Bauern, solange es noch Bauern gibt?)

18.30

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Redezeit: 5 Minuten – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.30

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin für die Rede der Frau Kollegin Rauch-Kallat sehr dankbar, weil sie wieder einmal offengelegt hat, worum es der Österreichischen Volkspartei eigentlich geht. Es geht ihr nicht um Tierschutz, es geht ihr auch nicht um die Landwirtschaft, sondern es geht ihr ausschließlich darum, ihren Lobbyismus für die industrielle Landwirtschaft weiterzubetreiben und die kleinen Bauern in Österreich, den bäuerlichen Betrieb, die bäuerliche Landwirtschaft und schlußendlich damit den Feinkostladen Österreich scheibchenweise und schön langsam umzubringen! Dieser kann nämlich nur dann existieren, wenn der Konsument auch Vertrauen dazu hat, daß die Produkte tierschutzgerecht produziert und auf den Markt gebracht werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Rauch-Kallat! Ihr Debattenbeitrag ist in bezug auf die Landwirtschaft aus meiner Sicht klar und voll danebengegangen. Die Nutznießer Ihrer Artikel 15a-Vereinbarungen mit den Ländern im Nutztierbereich sind ausschließlich und alleine die großen landwirtschaftlichen Industrien und mit Sicherheit nicht die bäuerlichen Betriebe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Zweytick! Du kannst ruhig "anheben", für dich als Weinbauer ist der Tierschutz vermutlich nicht lebenswichtig. Für jene aber, die vollbiologische Produktionsschienen haben, ist es lebenswichtig, daß der Konsument, der interessierte Konsument in ihre Produkte und in die Erzeugung ihrer Produkte volles Vertrauen hat, daß die Tiergesundheitsindizes voll umgesetzt werden und daß eine bundeseinheitliche Regelung kommt, ähnlich wie Sie es bei den Gütemarken für Ihren Bereich österreichweit festsetzen wollen.

Wenn ich mir die Diskussion der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern in diesem Bereich ansehe, die nunmehr österreichische Produkte und Landesprodukte mit Landesgütesiegeln auszeichnen will, um den Produzenten und den Konsumenten endlich zu versichern, daß das, was auf dem Markt ist, auf der einen Seite tiergerecht und tierschutzgerecht und auf der anderen Seite vollbiologisch und konsumentengerecht produziert worden ist, so glaube ich, daß Sie heute in Ihrer parlamentarischen Fraktion mit Ihrer Ablehnung eines bundeseinheitlichen Tierschutzgesetzes hinter den Überlegungen Ihrer eigenen Standesvertretung herhinken. (Abg. Zweytick: Deshalb, weil ihr da so verunsichert, weil ihr die Konsumenten verunsichert!)

Sie werden vermutlich in der nächsten Legislaturperiode erkennen müssen, daß Ihre Fraktion, die Nationalratsfraktion der Österreichischen Volkspartei weit hinter dem nachhinkt, was Ihre Betriebe, Ihre bäuerlichen Vertreter draußen in der Öffentlichkeit schon lange erkannt haben, nämlich was die Grundlage ihrer Existenz ist und was die einzige faire Basis des Überlebenskampfes der Landwirte in Österreich gegen die Großindustrie ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun aber zur Rolle des Verfassungsausschusses und des Herrn Kostelka: Wenn man bedenkt, daß die in Beratung stehende Gesetzesmaterie bereits am 30. Mai 1996 im Parlament eingelangt ist, daß wir seit 12. Jänner 1999 auf die Vorbesprechungen zwischen den vier Parteien, die hinter einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz stehen, warten und daß die letzte von Herrn Klubobmann Kostelka vor 24 Stunden einberufene Besprechungsrunde, um die beiden Anträge, die jetzt im Verfassungsunterausschuß liegen, nämlich den Antrag der Frau Binder und den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, endlich zu vereinheitlichen und beschlußreif zu machen, wieder aufgeschoben worden ist, so muß ich sagen, es ist für mich ein beredtes Zeichen, wenn wir Freiheitlichen heute hier diesen Fristsetzungsantrag stellen. Wir sind nämlich daran interessiert, noch in dieser Legislaturperiode das Begehren von mehr als 600 000 Österreicherinnen und Österreichern einer endgültigen Regelung zuzuführen.

Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Zweytick: Sie können mit Ihren Artikel 15a-Vereinbarungen durchaus am Rande stehen; am 3. Oktober wird schlußendlich darüber abgestimmt werden. (Abg. Zweytick: Das habe ich gesagt: Wahlen stehen bevor! Das ist der wahre Hintergrund!) Aber eines sollte Ihnen, Herr Kollege Zweytick, auch endlich ins Bewußtsein kommen, nämlich daß es hinsichtlich der Praxis, die sich europaweit auf Kosten der Tiere breitmacht – angefangen von der Futtermittelindustrie bis hin zur Produktion von Lebensmitteln –, noch nie so deutlich und klar zutage getreten ist, daß sie zu Lasten von drei Gruppeninteressen ausgetragen wird: auf Kosten der Gesundheit der Konsumenten, auf Kosten der Einkommenssituation der Bauern und zur Gewinnmaximierung und zur Privatisierung des Risikofaktors für die Großindustrie und die Pharmaindustrie.

Denken Sie darüber einmal nach! Sie wissen, vom Dioxin-Skandal in Belgien bis zu den Spuren von Dioxin in österreichischen Futtermitteln ist es nur ein kurzer Weg. Vergegenwärtigen Sie sich, daß 4 000 Pikogramm Dioxin im Futtermittel der Firma Agra Tagger in der Steiermark nachgewiesenermaßen kein "Lercherl" sind, sondern eine Gesundheitsgefährdung für breite österreichische Bevölkerungskreise und in der Nahrungsmittelkette für Tausende Tiere, seien es Hühner oder Schweine, darstellen!

Sie können das heute vielleicht noch negieren. Sie können das vielleicht auch morgen noch negieren, aber Sie können eines nicht negieren, nämlich die unbestreitbare Tatsache, die die Wissenschaft seit 1990 klar auf den Tisch legt: daß all die Folgen dieser tierquälerischen Vorgangs-weise zum Schaden des Konsumenten sind und eine gesundheitliche Gefährdung des Konsumenten darstellen!

Die Tiere können Ihnen vielleicht noch egal sein, aber die Frage ist, ob Ihnen Ihre Wähler, die Konsumenten, auch verzeihen werden, Herr Kollege Zweytick! – Ich bin mir sicher: nein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

18.36

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rauch-Kallat, es geht in meinem Verständnis heute nicht um Populismus, sondern es geht darum, Volksbegehren ernst zu nehmen und sie nicht unerledigt sterben zu lassen. Dieser Fristsetzungsantrag des Abgeordneten Dr. Salzl gibt uns noch einmal Gelegenheit, auf eine skurrile Situation aufmerksam zu machen.

Selten einmal hat eine Materie so viele Diskussionen in der parlamentarischen Behandlung erfahren wie das Tierschutz-Volksbegehren, ohne daß wir auch nur einen Schritt weitergekommen wären. Wenn heute der Fristsetzung wieder nicht Rechnung getragen wird, so ist davon auszugehen, daß es dieses Hohe Haus mit dem Demokratieverständnis nicht ernst meint. Denn das Volksbegehren muß bis zur nächsten Nationalratswahl behandelt werden, ansonsten verfällt der Antrag. (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren der Sozialdemokraten! Sie wissen, daß es für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz hier im Hohen Hause eine Mehrheit gibt. Sie tragen daher die Mitverantwortung, wenn dieser Antrag verfällt. Der Dank an die Unterzeichner, den Frau Parfuss angesprochen hat, kommt dann meines Erachtens zu spät und ist auch nicht angebracht! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Wir haben die inhaltlichen Beratungen zum Tierschutz-Volksbegehren schon am 20. November 1996 mit einem Hearing begonnen. Alle namhaften Experten, mit Ausnahme der ÖVP-Experten, haben sich für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, wie es auch den 460 000 Unterschriften entspricht, ausgesprochen. Weiters gibt es eine Reihe von Anträgen in diese Richtung, die materiell beraten hätten werden sollen, damit wir in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluß kommen.

Wir wissen allerdings auch, warum wir bisher keine zielführenden Voraussetzungen haben: Die Länder wehren sich vehement gegen bundeseinheitliche Richtlinien und treten weiterhin für die Artikel 15a-Vereinbarungen ein – Vereinbarungen, die auf Freiwilligkeit beruhen, von denen sich jedes Bundesland daher jederzeit verabschieden kann.

Herr Kollege Salzl! Es ist leider auch ein Faktum, daß sich die Vertreter der FPÖ in den Länderparlamenten bisher nicht für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz stark gemacht haben. Denn wie kann man die Aussage des Klubobmanns der freiheitlichen Fraktion im Vorarlberger Landtag, die am 9. Februar in einer Presseaussendung zu lesen war, anders deuten? Ich zitiere:

Ansonsten empfindet die FPÖ die Artikel 15a-Vereinbarung, mit welcher Tierschutz von den Bundesländern selbst geregelt werden kann, als rechte Ausgangslage für die Novellierung des bestehenden Landestierschutzgesetzes. – Ende des Zitates.

Vorarlberg ist also bereit, ein neues Landestierschutzgesetz zu schaffen, und die Freiheitlichen gehen mit. Ich möchte Ihnen das nur sagen, ohne polemisch zu werden.

Herr Dr. Salzl! Das ist sicher keine gute Voraussetzung, wenn Ihre Vertreter in den Bundesländern so agieren. Wir Liberalen sind weiterhin bereit, uns für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz einzusetzen, und stimmen deshalb auch diesem Fristsetzungsantrag zu. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.40

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic. – Bitte.

18.40

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! So (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe) sehen die Listen aus, die dann zu dem Phänomen führen, das dann achselzuckend und ratlos Politik- oder Demokratieverdrossenheit genannt wird.

Sie wundern sich, wieso so viele Leute überhaupt kein gutes Haar mehr an – unter Anführungszeichen – "der Politik" lassen? – Ich fürchte, die Leute haben recht! Das ist eine Verhöhnung. Das ist die Liste einer Verhöhnung. Egal, von welcher Seite es auch versucht wurde, Teilbereiche, etwa die Fallenstellerei oder die Zirkusse, auszukoppeln – die ÖVP sagt nein. Die Tierschützer – wir haben gesagt, dann machen nicht die Grünen, nicht die Freiheitlichen, nicht die Liberalen einen Text, sondern die Tierschützer – machen einen Text, die Bürgerinnen und Bürger unter Anleitung von fachkundigen Juristinnen und Juristen – aber die ÖVP sagt nein. (Abg. Rauch-Kallat: Ist ja erledigt!)

Frau Rauch-Kallat! Was soll denn erledigt sein? Lesen Sie keine Zeitung? – Jeden Tag kommt ein neuer Skandal ans Licht, der Tiere betrifft. Sie können – damit hat Kollege Haupt völlig recht (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger–, Herr Schwarzenberger, entweder Tiere als Lebewesen, als fühlende und empfindende Mitgeschöpfe behandeln und dem auch im Gesetz Rechnung tragen oder sie als leblose Kreaturen behandeln, mit denen man irgendwie umspringen kann.

Frau Rauch-Kallat! Was glauben denn Sie, was am Ende der Lebensmittelkette herauskommt, wenn Sie vorher immer nur Dreck in die Tiere hineinstopfen – buchstäblich einen Dreck?! (Beifall bei den Grünen.) – Ausrangiertes Frittieröl, Tierkörper! Das ist eine Frage der Gesinnung, der Haltung, denn Tierschutz ist ein unteilbares Prinzip! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rauch-Kallat: Das ist eine Verhöhnung der österreichischen Landwirtschaft! Das ist eine Verhöhnung der österreichischen Landwirtschaft!)

Entweder Sie agieren mit Achtung und Ehrfurcht vor den Tieren, dann muß das aber auch in den Gesetzen, und zwar in einem einheitlichen und höheren Standard zum Ausdruck kommen. Wie wollen Sie denn das erklären? – Die Beispiele sind ja erwähnt worden, daß man Tiere willkürlich verstümmeln darf, ihnen Gliedmaßen abschneiden darf. Es gibt ja nach wie vor so viele Ausnahmeklauseln! (Abg. Rauch-Kallat: Darf man nicht mehr! Darf man nicht mehr!) – Das darf man, das ist nach wie vor gestattet, wenn es – unter Anführungszeichen – "zum Wohl des Tieres" gereicht. Diese Bestätigung bekommen Sie leicht, wenn jemand Geld daran verdienen kann. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Letztlich sind die Tiere in Ihren Augen eine Ware, weil eben damit im großen Stil Geschäfte gemacht werden. Da gibt es internationale Agrarlobbies, und das sind nicht die kleinen Bauern, denn diese haben gar nichts davon. Im Gegenteil: Die kleinen Bauern sind genauso die Leidtragenden wie die Konsumenten und die Tiere. Das ist eine Gesinnung, die hier zum Ausdruck kommt, und diese Gesinnung ist schlecht.

Ich verstehe aber auch die Sozialdemokratie nicht ganz, denn zum einen haben Sie von der SPÖ in manchen Materien gezeigt, daß Sie, wenn Sie wollen – Sie, die stärkste Fraktion in diesem Hause; jetzt auch durch die letzte Wahl wieder gestärkt als Nummer eins hervorgehoben –, sehr wohl handlungsfähig sind.

Wo ist denn aber Ihre Rolle als Nummer eins in Österreich, wenn es beispielsweise um den Tierschutz geht? – Es ist nicht damit getan, zu sagen: Im Prinzip wären wir dafür, vier Parteien sind dafür, aber der Koalitionspartner will nicht, er läßt uns nicht. Er hat die Raiffeisenorganisation im Rücken, er kann nicht, er darf nicht.

Ich frage Sie wirklich: Wo ist Ihre Macht, wo sind Ihre Mandate? – Vor allem jetzt, in der vorletzten Sitzungsperiode – ein Fristsetzungsantrag! Wovor haben Sie jetzt Angst, was soll denn jetzt passieren? Soll die Koalition aufgelöst werden, der Nationalrat aufgelöst werden? – Das passiert so und so! Und daß ansonsten in manchen Bereichen der Haussegen auch nicht ganz gerade hängt, haben wir heute bei der Neutralitätsdebatte ja auch gehört. Also was fürchten Sie denn jetzt? Wieso ist es jetzt denn nicht möglich zuzustimmen?

Wie gesagt: Das ist kein Entwurf der Grünen, kein freiheitlicher Entwurf, sondern ein Entwurf der Tierschützer, geprüft von Verfassungsjuristen, hieb und stichfest, aber er findet nicht Ihre Zustimmung. Warum denn nicht? (Abg. Schieder: O ja! Aber vertragsbrüchig würden wir werden!) – Vertragsbrüchig würden Sie werden? Und da nehmen Sie es eher in Kauf, daß Sie 600 000 Bürgerinnen und Bürgern sagen, Sie können Ihnen den Rücken herunterrutschen? (Ironische Heiterkeit des Abg. Mag. Schweitzer.)

Ist das eine Vertragstreue der Bevölkerung gegenüber – gerade von jener Partei, die den deutlichsten Vertrauensvorschuß bekommen hat?! – Sie haben es ja gezeigt: Wenn es um andere Bereiche der Machtpolitik geht, etwa um Zahnkronen oder um die Bank-Austria-Anteile, dann kann die österreichische Sozialdemokratie kämpfen. Aber für ein paar Tiere, für ein paar "Viecher" und ein paar Menschen, die sich dafür interessieren, haben Sie Ihr Gewicht der Macht noch nicht in die Waagschale geworfen, und das ist traurig und bedauerlich. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

18.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir kommen jetzt zur Abstimmung über den eingebrachten Fristsetzungsantrag.

Abstimmungsgegenstand ist der Antrag des Abgeordneten Dr. Salzl, dem Verfassungsausschuß zur Berichterstattung über das Volksbegehren zur Schaffung eines Bundes-Tierschutzgesetzes, 171 der Beilagen, eine Frist bis 12. Juli 1999 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich nehme nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 7 der Tagesordnung – sie betreffen den österreichischen Bundesverkehrswegeplan und den Masterplan – wieder auf.

Als nächster zu Wort gemeldet in dieser Debatte hat sich Herr Abgeordneter Edler. Redezeit: 5 Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

18.46

Abgeordneter Josef Edler (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Prämisse der österreichischen Verkehrspolitik ist erstens getragen von der Vermeidung von unnötigem Verkehr, zweitens der Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger und drittens der Einbindung der Menschen und der Regionen.

Wir haben sicherlich einen großen Nachholbedarf, was den Schienenausbau betrifft. Ich glaube, daß mit dem Masterplan richtig angesetzt worden ist. Wenn die Diskussion darüber läuft, daß die Schiene derzeit nicht in der Lage ist, mehr Güter zu befördern, also die Verlagerung quasi auch aufzunehmen, so muß ich sagen, diese Diskussionen sind sicherlich manchmal inhaltlich richtig. Aber wir müssen zuerst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Bahn in der Lage ist, den zunehmenden Verkehr und besonders den Schwerverkehr aufzunehmen. Meine Damen und Herren! Darum geht es eigentlich.

Besonders die Verlagerung der gefährlichen Güter auf die Schiene, die auch Bundesminister Einem vorhat, ist voll zu unterstützen. Es gibt Prognosen, wonach in den kommenden 10 bis 15 Jahren vor allem der Güterverkehr, der Schwerverkehr um 30 bis 40 Prozent zunehmen wird und daß wir, besonders was die Reformländer betrifft, diesbezüglich doppelt belastet wären.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Masterplan zeigt die notwendigen Ausbaustufen besonders im Schienennetz auf. Das Binnennetz Österreichs ist grundsätzlich zu unterstützen. Ich möchte auch besonders die verstärkten Ausbauphasen in Richtung der Reformländer ansprechen. Sie sind unbedingt notwendig, weil sich der Verkehr gerade dort nicht nur verdoppeln, sondern sogar verachtfachen wird. Betreffend die Ausbauphasen in diesen Reformländern, die auch von Brüssel gefördert werden, ist es leider nicht so, daß dort die Schiene forciert wird, sondern eher die Straße. Ich meine daher, wir haben auch in Brüssel darauf einzuwirken, daß in diesen Reformländern die Schiene ausgebaut wird.

Meine Damen und Herren! Es war bedauerlich, daß der Verkehrssprecher der ÖVP, Kollege Kukacka, die Kostenwahrheit im Verkehr überhaupt nicht angesprochen hat. Sie ist für den Koalitionspartner anscheinend überhaupt nicht interessant und kein Problem. Sie nehmen zur Kenntnis, daß die PKW-Fahrer den LKW quersubventionieren. Wir Sozialdemokraten nehmen das nicht zur Kenntnis, meine Damen und Herren!

Wir müssen auch von der Abnützung der Straße sprechen und den LKW als Unfallverursacher sehen, ohne den LKW generell zu verdammen – er hat in der Fläche sicherlich seine Bedeutung. Aber ich glaube, Transitverkehr und Schwerverkehr sind zu verlagern. Es fehlen uns aber, liebe Damen und Herren, über 12 Milliarden Schilling, die wir, wenn wir zeitgerecht das LKW-Road-Pricing eingeführt hätten, für mehr Verkehrssicherheit, aber auch für den Bau von Entlastungsstraßen, von Umfahrungsstraßen zur Verfügung hätten. (Zwischenruf des Abg. Gaugg.)

Meine Damen und Herren! Ich bin auch als Eisenbahner für eine vernetzte Verkehrspolitik. Ich bin dafür, den Ausbau des Schienennetzes zu forcieren, aber dort, wo es notwendig ist, sind auch Entlastungsstraßen beziehungsweise Umfahrungsstraßen zu bauen.

Um mich morgen nicht noch einmal zu Wort melden zu müssen, möchte ich betreffend die Petition "Errichtung der Wiener Nordostumfahrung" gleich sagen: Es wurde auch die Realisierung des Wiener Autobahn- und Schnellstraßenringes in den Entschließungsantrag aufgenommen und gestern im Ministerrat beschlossen. Ich nehme das als Donaustädter Abgeordneter mit Freude zur Kenntnis.

Meine Damen und Herren! Wir haben gestern einen Aktionstag durchgeführt, weil wir in den Bezirken links der Donau, nämlich in der Donaustadt und in Floridsdorf, täglich einen Verkehrs-Superstau haben. Aber das betrifft auch die Anrainerbezirke. Die Autofahrer können nicht mehr zufahren und nicht mehr wegfahren. Selbstverständlich müssen wir zuerst den öffentlichen Verkehr ausbauen. Das geschieht auch, aber diese Umfahrungsstraßen sind unbedingt notwendig.

Meine Damen und Herren! Wir haben das durchrechnen lassen. Wir haben auf der Südosttangente jährlich einen volkswirtschaftlichen Verlust von rund 1 Milliarde Schilling. Diesen Betrag machen die Unfallkosten beziehungsweise die Kosten, die durch Staus und durch die Umweltbelastung entstehen, aus.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich sagen: Ich trete für eine intelligente, vernetzte Verkehrspolitik ein! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gaugg mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.51

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das, was wir heute während der Debatte zur Frage der Neutralität Österreichs erlebt haben, war ein Sittenbild, wie es zwischen zwei Regierungsparteien nicht jämmerlicher ablaufen kann. Anscheinend soll es von nun an so sein, daß bei jedem Redebeitrag von Abgeordneten der beiden Regierungsparteien der bisherige Partner für vier Jahre angeschüttet wird. Vier Jahre Kuschelkurs, vier Jahre lang sitzt man gemeinsam im Boot, vier Jahre lang macht man das alte Proporzsystem, teilt auf und ähnliches mehr – und dann, vor Wahlen, wird diese Kuscheltier-Mentalität schlagartig abgelegt.

Bedauerlicherweise ist es nicht möglich, schlagartig die Auflösung dieses Parlamentes zu verlangen. Seien Sie froh darüber, daß die Öffentlichkeit das, was Sie hier herinnen treiben, noch nicht weiß, denn diese Scheingefechte, die Sie hier führen, sind frei von jeder Seriosität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt da zum Beispiel einen Entschließungsantrag, der schon viereinhalb Jahre alt ist. Aber ich gestehe dem Herrn Bundesminister zu, daß er ihn nicht gelesen hat, denn damals war er Innenminister, und da hat er sich in bezug auf den öffentlichen Verkehr auch nur mit der Frage beschäftigt, wie er als Innenminister rasch weiterkommt.

Herr Minister! Nun haben Sie einen Masterplan und Ihr Kollege Farnleitner eine Studie über das Straßennetz vorgelegt, und nach Monaten kam man drauf, man könnte das eigentlich gemeinsam diskutieren und abhandeln. Nun tun Sie so, als ob das das Gelbe vom Ei wäre! Das kann es wohl nicht sein. Und wenn dann im Ausschuß unisono behauptet wird, es hätte nicht den Auftrag gegeben, auch für die finanzielle Bedeckung beziehungsweise für die Übernahme der Kosten zu sorgen, dann ist das schlicht und ergreifend falsch.

Letztlich stellen die geplanten Maßnahmen, wenn sie realisiert werden, etwas Positives für die Bevölkerung, für den Verkehr und letztlich auch für die Wirtschaft dar – aber es fehlt das Geld dafür. Das heißt, diese beiden Studien sind ein "Brief an das Christkind", und wann die Erfüllung dieser Wünsche kommen wird, weiß in Wahrheit niemand.

Daß das Vertrauen der Abgeordneten von SPÖ und ÖVP nicht sehr ausgeprägt ist, beweist allerdings der Umstand, daß in der letzten Verkehrsausschußsitzung ein Entschließungsantrag eingebracht wurde. Das heißt, das Vertrauen in die bestehende Bundesregierung kann nicht groß sein, wenn gleichzeitig die Abgeordneten der beiden Regierungsparteien dazu übergehen, einen Entschließungsantrag einzubringen, in welchem die Regierung aufgefordert wird, diese Maßnahmen auch tatsächlich zu setzen.

Es ist auch im Entschließungsantrag keine finanzielle Bedeckung dafür vorgesehen, so nach dem Motto: "Das wird schon irgend jemand bezahlen!" – Man hat zwar das Pickerl eingeführt, wir haben in Österreich die höchsten Steuern auf die Benzinpreise, aber all das ist noch immer nicht genug. Jetzt sprechen wir über das Road-Pricing, das wird aber von der Wirtschaftskam-mer abgelehnt. Ich bin schon gespannt, wie Herr Kollege Stummvoll sich bei der Abstimmung verhalten wird! (Abg. Haigermoser: Ich auch! Da bin ich gespannt!)

Das ist immer abenteuerlich, und das findet in der Öffentlichkeit und in den Medien auch immer Zustimmung. Klar, die werden ja mit der Presseförderung gekauft! Das alles darf stattfinden.

Da gibt es einen Ministerratsbeschluß, daß das Road-Pricing eingeführt wird, die ÖVP ist also dafür, und der Herr Stummvoll wird dann auch schön brav seine Hand heben, um sein Überleben in diesem Parlament zu sichern.

Die Kritik, die an der Verkehrspolitik geübt wird, wird übrigens auch von Fachleuten geteilt, egal, ob das Knoflacher oder andere sind. Knoflacher sagte – ich zitiere wörtlich –, das sei zwar ein nettes Papier, aber letztlich sei es unvollständig.

Es scheint zum Beispiel so zu sein, daß sich die Wirtschaft ausschließlich in und um Wien abspielt, denn wenn ich etwa das Bundesland Kärnten als Beispiel nehme, so muß ich darauf hinweisen, ich vermisse ich in diesem Plan die Verbesserungen auf der Südbahnstrecke: Sie sind mit keinem Wort erwähnt und mit keinem Schilling vorgesehen!

Auch für den Ausbau des Packabschnittes gibt es weder eine zeitliche Angabe noch eine finanzielle Bedeckung, es gibt nichts dergleichen. Das mag die Kärntner Abgeordneten von ÖVP und SPÖ wenig berühren, aber ich bin diesbezüglich in großer Sorge. (Zwischenruf der Abg. Gatterer.)

Gnädige Frau! Sind Sie nicht interessiert an einem Ausbau des Packabschnittes? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das hätte ich mir eigentlich von Ihnen erwartet. Wollen Sie weiterhin auf dieser Rumpelpiste nach Klagenfurt oder nach Villach fahren? Das frage ich Sie.

Ich bin auch deshalb in Sorge, weil in dieser Bundesregierung anscheinend nur mehr nach Katastrophen oder aus Anlaßfällen Politik stattfindet. Hätte es keinen Unfall im Tauerntunnel gegeben, dann wäre der Bau der zweiten Tunnelröhre nicht einmal ein Thema. Ich frage mich, wie diese Regierung, die heute so agiert, handeln würde, wenn – Gott behüte! – morgen beim Felbertauerntunnel das gleiche passieren würde. Würde man sich dann auch im Ministerrat treffen und sagen: Jawohl, jetzt machen wir auch das!?

Ich warne die Bevölkerung vor euren Versprechen! Gerade jüngst: Galtür. Was wurde da nicht alles von roten und schwarzen Ministern bis hin zum Bundeskanzler versprochen! Es hieß: Sie werden helfen, sie werden unterstützen, und sie werden alle Maßnahmen treffen, damit rasch geholfen wird.

Das Unglück ist mehrere Monate her, aber nicht einmal Brosamen haben jene bekommen, die Schaden erlitten haben. Genauso wird es beim Tauerntunnel sein. Ich glaube Ihnen erst dann, daß Sie verkehrspolitische Maßnahmen umsetzen, wenn Sie auch für die finanzielle Bedeckung Vorsorge treffen. Solange das nicht der Fall ist und solange die Schubraupe nicht fährt, so lange glaube ich Ihnen nichts mehr, und auch die Bevölkerung tut das nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter! Entschuldigen Sie, Sie haben einen Entschließungsantrag überreicht, den ich wegen seiner Länge verteilen würde. Wird noch jemand darauf eingehen? Sie müssen nach der Geschäftsordnung zumindest die Kernpunkte vortragen. (Abg. Gaugg: Das erledigt Kollege Firlinger!)

Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor; ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen.

Jetzt hat sich Herr Bundesminister Dr. Einem zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.

18.58

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich in aller Kürze ein paar Worte zum Masterplan sagen, zumal Herr Abgeordneter Gaugg immer wieder enttäuscht ist und sagt, was alles er nicht in Händen hat.

Herr Abgeordneter! Es ist ja nicht wahr, Sie haben doch viel mehr in Händen! Sie sagen zum Beispiel, daß kein Wort über den Ausbau der Südbahnstrecke drinnen ist. (Abg. Gaugg: Ein Wort!) – Darf ich Ihnen kurz vorlesen, welche Projekte drinnen stehen? – Der Ausbau Wiener Neustadt – Gloggnitz, der Semmering-Basistunnel Gloggnitz – Mürzzuschlag, der Ausbau Mürzzuschlag – Bruck an der Mur, der Ausbau Bruck an der Mur – Graz; das interessiert Sie weniger, die neue Koralmbahn Graz – Klagenfurt, die Neubaustrecke Klagenfurt – Villach, der zweigleisige Ausbau Villach – Tarvis und die Elektrifizierung und Kapazitätsanhebung der Aspangbahn. (Abg. Gaugg: Wann?)

Herr Abgeordneter! Das sind Maßnahmen im Masterplan, die für die nächsten 15 Jahre geplant werden. Es steht auch drinnen: Das ist ein Entwicklungsplan für die österreichische Verkehrsinfrastruktur, und zwar unter ganz klaren Zielsetzungen. (Abg. Gaugg: Wir werden sehen!)

Vielleicht darf ich in dieser Hinsicht auch dem Herrn Abgeordneten Kukacka noch einmal – "zumindest ein bißchen" – antworten. Er hat mir vorgeschlagen, ein Ausgewogenheitskonzept zu verfolgen, das darin besteht, daß ich von allem "ein bißchen" etwas tun sollte, ein bißchen Straße, ein bißchen Schiene und ein bißchen Wasser, dann hätte er gar nichts dagegen. Er hat nur das Gefühl, daß ich viel zu viel Schiene und natürlich viel zu wenig Straße baue. (Abg. Mag. Kukacka: Überall das Richtige!)

Herr Abgeordneter! Es ist ganz einfach: Wir haben Grundsätze der Verkehrspolitik zu verfolgen, und der Grundsatz der Verkehrspolitik, dem ich mich verpflichtet fühle, ist eine Verkehrsorganisation, die den Interessen der Bewohner und den Naturinteressen in Österreich Rechnung trägt und dabei versucht, das Notwendige an Kapazitäten bereitzustellen.

Das ist der Grund, warum wir hauptsächlich auf die Schiene setzen und nicht auf die Straße – weil wir bei der Straße an natürliche Grenzen stoßen, die nicht mehr beliebig erweiterbar sind –, und zwar auf eine Weise, die die Menschen, die in diesem Land leben und arbeiten, akzeptieren. Das ist der einfache Grund. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht überhaupt nicht darum – ich darf das noch einmal kurz anmerken –, daß wir sagen: Straße ist "böse" und Schiene ist "gut". Das wäre eine wirklich sehr blauäugige Form von Politik.

Das, worum es geht, ist, eine nachhaltige Verkehrsorganisation zu bewerkstelligen. Das heißt, daß wir umweltfreundliche Transportmittel beziehungsweise umweltfreundliche Transportwege bevorzugen müssen. Wir müssen zugleich dafür sorgen, daß Transporte, die nicht notwendig sind und die heute deshalb stattfinden, weil die Straße bei weitem zu billig ist, unterbleiben. Das ist das Ziel, das wir verfolgen müssen, weil wir sonst nur eines generieren, nämlich immer mehr Verkehr und immer mehr Abgase und letztlich auch immer mehr Tote und Verletzte auf Österreichs Straßen.

Der Grund dafür, warum der Masterplan vorwiegend auf die Schiene setzt, ist der, daß sie das umweltfreundlichste Landverkehrsmittel ist. Natürlich finden sich auch im Masterplan Angaben dazu, wie das finanziert werden soll.

Hohes Haus! Sie alle wissen, daß das Grundkonzept der Bundesregierung zur Finanzierung der Landverkehrswege im wesentlichen auf dem Prinzip basiert, daß wir jene, die die Kosten verursachen, auch für das Tragen der Kosten heranziehen wollen. Dieses Prinzip haben wir im Bereich der Eisenbahn mit dem System des Schienenbenützungsentgelts eingeführt, und aus diesem Schienenbenützungsentgelt werden nicht nur die Zinsen für die aufgenommenen Kredite der Schieneninfrastruktur-Finanzierungsgesellschaft bedient, sondern auch das Kapital. Die Eisenbahn bezahlt die Investitionen in ihre neuen Infrastrukturen.

Das gleiche war auch für die Straße vorgesehen. Dort war vorgesehen, daß es zu einer fahrleistungsabhängigen Maut kommt, und zwar bereits 1998. Sie ist nicht gekommen, aber sie bleibt notwendig, und sie wird kommen, sie wird kommen müssen. Sie ist die Voraussetzung dafür, daß die Straßenprojekte, die Kollege Farnleitner nunmehr vorgelegt hat, finanziert werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Prinzip ist daher, daß wir verursachergerechte Kosten einheben, auf dieser Basis die notwendigen Maßnahmen setzen und zugleich dafür sorgen, daß uns der Verkehr nicht über den Kopf wächst. Das ist der Grundsatz, den wir verfolgen, und damit ist auch diese Politik finanzierbar. (Abg. Gaugg: Prioritäten setzen!)

Herr Abgeordneter Gaugg! Daß ich nicht sozusagen in den Hosensack greife und das zahle, hat einen sehr guten Grund: Es gibt nämlich bessere Methoden der Finanzierung, als das alles aus Steuermitteln zu finanzieren. (Abg. Gaugg: Eine ist schon gescheitert! Mit dem Semmering-Basistunnel ist schon eine gescheitert!) Es soll eine Abgabe geben, die von denjenigen bezahlt wird, die den Verkehr verursachen, die die Kosten verursachen, und das halten wir für ein sehr gutes Prinzip der Nachhaltigkeit, das in diesem Plan enthalten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Bundesminister.

Meine Damen und Herren! Ich möchte folgende Feststellung treffen: Ich habe vorhin hinsichtlich des Entschließungsantrags des Herrn Abgeordneten Mag. Firlinger die Auffassung vertreten, daß er nicht in den Kernpunkten vorgetragen wurde. – Ich habe mich in der Zwischenzeit vergewissert, daß schon in einem früheren Stadium der Debatte Herr Abgeordneter Mag. Firlinger das getan hat. Der Antrag ist daher geschäftsordnungsgemäß überreicht worden, und ich veranlasse jetzt seine Verteilung; er wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger und Kollegen betreffend Hebung der Sicherheit in Tunnels

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird im Hinblick auf die Tatsache, daß mit Verkehrsfragen in unterschied-lichen Kombinationen die Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, wirtschaftliche Angelegenheiten, Innere Angelegenheiten und Finanzen befaßt sind, ersucht, klare Kompetenzaufteilungen zu schaffen, dem Nationalrat insbesondere eine Regierungsvorlage für die Verankerung eines alle einschlägigen Agenden umfassenden Verkehrsministeriums vorzulegen und bis dahin gemeinsam kurzfristig alle nötigen Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit in Tunnels zu ergreifen beziehungsweise als Eigentümervertreter von ausgelagerten Gesellschaften dafür zu sorgen, daß diese Maßnahmen ergriffen werden, insbesondere:

Eine routinemäßige Überprüfung der Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers (Tachoscheibe) bei der Mautstelle, im Fall eines Verstoßes gegen die Lenkzeitregelungen keine Einfahrt in den Tunnel.

Die Errichtung von automatischen Waagen bei den Mautstellen, die es ermöglichen, überladene Fahrzeuge grundsätzlich zurückzuweisen, weil die Bremsleistung beeinträchtigt ist.

Die Intensivierung der derzeit nur stichprobenartigen technischen Kontrollen an LKW und Bussen auf gefährlichen Straßenabschnitten, also insbesondere auch vor Tunnels.

Die Einrichtung eines Videoüberwachungssystems, das einzelne Fahrzeuge identifizieren kann und so die Kontrolle ermöglicht, welche Fahrzeuge in den Tunnel ein- und ausgefahren sind bzw. sich noch darin befinden.

Die Hebung des Sicherheitsstandards von nicht auf sicherere Verkehrsmittel verlagerbaren Gefahrguttransporten durch Wiedereinführung von Routinekontrollen und Begleitfahrzeugen sowie die Schaffung der personellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür.

Eine Kompetenzbereinigung im Bereich der Zivilschutzeinrichtungen zum Zweck der Schaffung von speziell für Tunnels zuständigen Feuerwehrkräften.

Die Schaffung von Sicherheitszellen als Fluchträume in regelmäßigen, kurzen Abständen, soweit ein direkter Ausstieg oder eine Verbindung in den Paralleltunnel technisch nicht möglich ist.

Die Evaluierung der bestehenden einröhrigen Tunnels hinsichtlich des Baues der 2. Röhre unter dem Gesichtspunkt von Sicherheit sowie Menge und Art des Verkehrsaufkommens und Prioritätenreihung des Ausbaues.

Die maßgebliche (Mit-)Finanzierung der Ausbaumaßnahmen auf Transitrouten durch EU-Mittel.

Eine verkehrspolitische Weisung an die ÖBB, gezielt Gefahrguttransporte zu aquirieren und – es gibt unausgenützte Fördermittel – kostengünstig anzubieten.

Die Benützung langer Eisenbahntunnels nur mit Waggons mit Notbremsüberbrückung zulassen, um brennende Waggons aus dem Tunnel herausziehen zu können.

Die Überprüfung aller Sicherheitskonzepte von bestehenden wie in Planung oder Bau befindlichen Bahn- und Straßentunnels und rasche Anpassung an den optimalen Standard.

Die Schaffung von Notbeleuchtungen, Löschleitungen, Fluchtwegkennzeichnungen und so weiter, soweit nicht vorhanden (vor allem in älteren Bahntunnels).

Die Überprüfung neuer Tunnelprojekte auf tatsächliche Notwendigkeit, insbesondere die Notwendigkeit der mitunter extremen Länge beziehungsweise auf die Möglichkeit einer zweiröhrigen Ausführung aus Sicherheitsgründen.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich erteile als nächstem Redner Herrn Abgeordnetem Kurzbauer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.03

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Oktober 1998 wurde seitens des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr der Bericht über den Ausbau der hochrangigen Verkehrsinfrastruktur vorgelegt. Dieser sogenannte Masterplan enthält den Ausbau des hochrangigen Verkehrsnetzes im Bereich der Schiene und der Straße bis zum Jahre 2015. Darüber haben wir heute schon einiges gehört. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister! Sie meinen laut diesem Masterplan, daß der Ausbau der Schiene besonders notwendig ist. Aber viele Fachleute und auch ich sind der Meinung, daß der vorliegende Masterplan schienenlastig ist, und ich möchte darauf hinweisen, daß es gerade im Regionalverkehr in der Praxis Schwierigkeiten gibt. Die Flexibilität der Bahn ist nicht gegeben, und daher brauchen wir gerade für den Regionalverkehr ein gut ausgebautes Straßennetz.

In Niederösterreich wurden viele dringend notwendige Vorhaben im Bereich des Ausbaus des hochrangigen Straßennetzes nicht berücksichtigt. Ich denke da beispielsweise an den Ausbau der West Autobahn westlich von St. Pölten oder an den Ausbau der B 3, die jetzt von Korneuburg bis Tulln fertiggestellt wird, aber im weiteren Bereich von Tulln nach Krems in Verbindung mit dem Bau einer Donaubrücke bei Traismauer nach wie vor nicht ausgebaut ist. Weiters denke ich an die Nord-Ost-Umfahrung in Wien oder an den Ausbau der B 7. Das sind aber nur einige Beispiele.

Dieser Masterplan wurde auch von den im Kontaktkomitee vertretenen Behörden und Ämtern kritisiert, und zwar vor allem deswegen, weil vor seiner Veröffentlichung keine formelle Abstimmung erfolgte. Im Jänner dieses Jahres wurde schließlich vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten eine Studie über die Gestaltung des Straßennetzes im donaueuropäischen Raum unter Beachtung des Wirtschaftsstandortes Österreich vorgelegt. Diese GSD-Studie geht im Ansatz von Wirtschaftsräumen beziehungsweise von Korridoruntersuchungen aus, und ihre Hauptaufgabe ist die Anpassung des österreichischen Straßennetzes an eine gesamteuropäische Lösung.

In der zweiten Stufe sieht dieser Plan eine weitere Vertiefung in Form von verkehrsträgerübergreifenden Netz- beziehungsweise Korridoruntersuchungen vor, in denen multimodale Aspekte und vor allem auch die Umweltbelange in gebührender Form Berücksichtigung finden werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese zwei Studien machten es notwendig, daß ein Unterausschuß aus Mitgliedern des Bauten- und Verkehrsausschusses gebildet wurde. Am 12. Mai und am 9. Juni tagte dieser Unterausschuß, und letztlich wurde dann am 9. Juni vom Verkehrsausschuß der Bericht dieses Unterausschusses entgegengenommen und der Beschluß gefaßt, dem Nationalrat den Entwurf einer Entschließung betreffend die Zusammenführung des Projektes Masterplan mit der GSD-Studie vorzulegen.

In dieser Entschließung werden beide Ministerien beauftragt, auf Basis der Ergebnisse des Masterplans und der GSD-Studie die weiterführenden Arbeiten gemeinsam durchzuführen und im Bundesverkehrswegeplan zusammenzuführen. Dabei ist sowohl auf verkehrs- und umweltpolitische als auch auf raumordnerische und wirtschaftspolitische Belange sowie auf Aspekte der Sicherheit besonders Bedacht zu nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte dies für eine solide Grundlage. Mit diesem Antrag sind wir dem künftigen Bundesverkehrswegeplan wieder ein Stück nähergekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ing. Langthaler. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.09

Abgeordnete Ing. Monika Langthaler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, obwohl in der Debatte schon einige Zahlen genannt wurden, doch noch einmal in Erinnerung rufen, wie derzeit das Verhältnis zwischen öffentlichem Verkehr und vor allem dem Ansteigen des Individualverkehrs, sowohl was LKW als auch was PKW betrifft, aussieht.

Heute hat in London eine internationale Konferenz zum Thema Umwelt und Gesundheit begonnen, an welcher Sie, Herr Minister, nehme ich an, nicht teilnehmen konnten, weil Sie hier im Plenum vertreten sein müssen, aber Umweltminister Bartenstein ist meines Wissens dort. Dort wurden von österreichischer Seite auch offiziell folgende Zahlen vorgelegt: daß sich der PKW- und LKW-Verkehr von 1970 bis 1995 in der EU mehr als verdoppelt hat und daß die Anteile des Radverkehrs und des öffentlichen Verkehrs um 38 beziehungsweise um 40 Prozent gesunken sind. Ich möchte Sie nur alle daran erinnern, daß wir nicht erst seit heute oder seit dem letzten Jahr, sondern seit mindestens zehn Jahren darüber reden, daß man den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegen soll. Also geredet wurde genug, die Realität sieht aber völlig anders aus. Die Zahlen über den öffentlichen Verkehr sind mehr als triste.

Der Güterverkehr mit der Bahn ist EU-weit um 22 Prozent zurückgegangen, und wenn man sich die Prognosen ansieht, dann sind diese so unglaublich, daß sie tatsächlich an ganz reale, nämlich physische und geographische Grenzen stoßen. Die Prognosen auch der EU gehen dahin, daß der Ost-West-Verkehr im PKW-Bereich sich verdreifachen und im LKW-Bereich bis zum Jahr 2030 um 356 Prozent ansteigen wird.

Eine andere interessante Statistik, die ebenfalls heute von Österreich vorgelegt wurde, betrifft ein Gemeinschaftsprojekt von Österreich, Frankreich und der Schweiz über die Schäden des Verkehrs, die Schäden durch den LKW- und PKW-Verkehr. Denn wenn wir hier über Umweltbelastungen diskutieren, dann ist das ja zum Teil für die meisten hier im Hause eine sehr relative Sache, weil es sie persönlich sehr wenig betrifft. Aber das Zusammenführen von konkreten Schäden, und zwar nicht nur Umwelt-, sondern vor allem auch persönlichen Schäden, Gesundheitsschäden, macht vielleicht für manche das Thema doch etwas ansprechender und auch greifbarer.

Laut Umweltministerium – Minister Bartenstein hat das heute, so nehme ich an, bei der Konferenz auch präsentiert – sind in Österreich rund 2 400 Todesfälle auf Umweltbelastungen aus dem Verkehr zurückzuführen. Die Experten haben in dieser Studie festgestellt, daß rund 1 500 Spitalseinweisungen wegen Atemwegserkrankungen, rund 2 900 Einweisungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und rund 20 000 Bronchitiserkrankungen bei Kindern auf den Individualverkehr von PKW und LKW in Österreich zurückzuführen sind. Asthmafälle und alles mögliche andere sind in dieser Studie konkret angeführt.

Und weil immer von den Kosten geredet wird – auch vom Kollegen Gaugg von der FPÖ; das kommt ja immer wieder so in der Art: mein Gott, die Autofahrer sind ja die Armen, die so viel zahlen müssen, das sind die Melkkühe der Nation et cetera et cetera –: Die immateriellen Kosten für Schmerzen, Leid, Verlust an Lebensqualität, Kosten für Produktionsausfall und medizinische Behandlungskosten betragen in Österreich 39,8 Milliarden Schilling, das sind 5 000 S pro Kopf der Bevölkerung.

Das ist eine offizielle Studie des Umweltministeriums. Das sind keine Zahlen, die die Grünen heute präsentieren, sondern ganz offizielle Zahlen, die bei einer solchen Debatte natürlich zu denken geben müssen. Es ist mir daher völlig unverständlich, weshalb von einer Partei immer wieder der Vorwurf kommt, der Verkehr, und zwar jetzt LKW- und PKW-Verkehr, sei angeblich zu teuer, es sei der Benzinpreis zu hoch, es seien die Kosten insgesamt zu hoch. – Das ist ein völliger Unsinn! Wir verlagern nach wie vor die Kosten absolut auf die Allgemeinheit, wir externalisieren die Kosten. Sie sind längst nicht integriert, weder im Benzinpreis noch in anderen verursachergerechten Kosten.

Solange es nicht gelingt, diese einzelnen Bereiche wirklich zusammenzuführen, brauchen wir überhaupt nicht von nachhaltiger Verkehrspolitik zu sprechen, Herr Verkehrsminister. Ich sehe schon, daß Sie sich dafür einsetzen, daß die Schiene größeres Gewicht in Österreich bekommt. Und ich bedauere zutiefst, daß Sie in Ihrer eigenen Fraktion sowohl hier im Haus, aber offenbar auch in vielen Bundesländern keineswegs die Unterstützung für Ihren Masterplan bekommen, die Sie im Grunde mit Ihren Vorschlägen, auch was die Kosten für die Infrastrukturausbauten anlangt, verdienen würden.

Der Entschließungsantrag, der hier heute abgestimmt werden soll, ist aus meiner Sicht ein eindeutiger Rückschritt, und zwar aus ökologischer, aus gesundheitspolitischer und auch aus verkehrspolitischer Sicht. Die Zusammenführung der Ideen des Wirtschaftsressorts, die wirklich extrem eindimensional nach wie vor auf die Straße setzen, und damit die Abschwächung des Masterplans in dem Sinne, daß, weil man natürlich den Schilling nicht zweimal zum Ausgeben haben wird, die Mittel für die Schieneninfrastruktur vermindert werden, wodurch wieder ein Gleichgewicht zwischen Straße und Schiene hergestellt werden soll, das halte ich für einen Rückschritt, das ist umweltpolitisch absolut abzulehnen. Wir werden dem Antrag mit Sicherheit nicht zustimmen.

Herr Bundesminister! Solange es nicht gelingt, die Verkehrspolitik endlich so zu gestalten, daß die Minister nicht nur miteinander sprechen, sondern auch rechtzeitig von Beginn an miteinander Pläne machen, werden alle Beteiligten nur scheitern: Sie als Verkehrsminister genauso wie der Umweltminister mit seinen entsprechenden Ankündigungen bei den verschiedenen Konferenzen, zu denen er fährt.

Ich möchte Sie nur daran erinnern: Wir haben in Kyoto ein Reduktionsziel versprochen. Dieses Reduktionsziel wird in einigen Jahren bindend werden. Das sind 13 Prozent Reduktion von Treibhausgasen in der Periode 2008 bis 2012 auf Basis der Zahlen von 1990. Wir in Österreich liegen weit darüber. Die letzten Zahlen zeigen uns, daß die Treibhausgase, CO2 auch in Österreich nach wie vor ansteigen. Alles, was wir an Daten kennen, zeigt, daß das vor allem und vorwiegend vom Verkehr kommt. Die Prognosen zeigen, daß das in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Das heißt, daß man unmittelbar im Verkehrsbereich massiv etwas tun muß, weil man sonst mit dem Problem nicht annähernd fertig wird.

Von diesen Plänen spricht der Umweltminister auf Konferenzen, dann macht der Verkehrsminister einen Masterplan, offensichtlich ohne sich rechtzeitig und von Beginn an mit anderen Ressorts, sowohl Wirtschaft als auch Finanz, entsprechend zu koordinieren, und heraus kommt etwas, was mit Sicherheit für niemanden befriedigend ist und was mit Sicherheit nicht der Sache dient – statt daß man in erster Linie in die Infrastruktur, in den öffentlichen Verkehr, in die Schiene investiert und die Ziele, die man sich setzt, endlich ernst nimmt.

Herr Minister! Noch einmal: Ich habe in den Diskussionen in den letzten Monaten gemerkt, daß auf Ihrer Seite durchaus Verständnis dafür vorhanden ist, daß man prioritär in einen Bereich investieren muß. Ich wundere mich über die Kollegen der SPÖ, die Sie in dieser Sache aus meiner Sicht viel zuwenig unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

19.16

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dietachmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.16

Abgeordneter Helmut Dietachmayr (SPÖ): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Vorrednerin ist soeben darauf eingegangen, daß die Prognosen nicht so günstig stehen, aber ich glaube, gerade wir von der Politik sollten Maßnahmen setzen, damit Prognosen nicht eintreten! Der Verkehr soll ja den Menschen dienen und nicht umgekehrt, und daher treten wir Sozialdemokraten auch für eine Verkehrspolitik ein, die sich am Wohl der Menschen einerseits, an den Bedürfnissen der Wirtschaft und an den Besonderheiten der geographischen Lage Österreichs andererseits orientiert.

Daher muß mit einem integrierten Verkehrskonzept die Verkehrsinfrastruktur von Schiene und Straße – ich möchte das besonders betonen – aufeinander abgestimmt werden, damit sie einander in ihren Auswirkungen in optimaler Weise verstärken. Hierbei ist es ganz wichtig, daß wir beide Aspekte sehen.

Mit einem effizienten Verkehrssystem wollen wir mit innovativen, umweltverträglichen, aber auch sozial gerechten Lösungsansätzen dazu beitragen, das österreichische Verkehrsnetz konkurrenzfähiger und umweltverträglicher zu machen. Der Masterplan ist ein Kernstück des österreichischen Bundesverkehrswegeplanes. Daher sollten wir nicht Masterplan und GSD-Studie gegeneinander abwägen oder ausspielen, denn beide Pläne sind wichtig für die Bewältigung des Verkehrs.

Grundlagen gibt es ja genug, und die Prognosen, auf die meine Vorrednerin auch hingewiesen hat, sprechen für sich. Alle Experten sind sich einig: Der Verkehr wird weiter anwachsen. Mit der Wohlstands- und Siedlungsentwicklung der Bevölkerung hat der Personenverkehr stark zugenommen. Der KFZ-Bestand in Österreich ist in den letzten zehn Jahren um 31 Prozent auf über 5,1 Millionen Kraftfahrzeuge gestiegen. Die Anzahl der Fahrgäste der ÖBB stieg jedoch nur um 18 Prozent.

Auch beim Luftverkehr gibt es hohe Zuwachsraten, und jeder weiß, daß man in diesem Bereich schön langsam an Kapazitätsgrenzen stößt. Beim Güterverkehr und beim Transit sind die Verkehrstrends, wie wir alle wissen, besonders besorgniserregend, da mittlerweile 80 Prozent des Frachtverkehrs auf der Straße abgewickelt werden. Der Außenhandel wird – auch das wissen wir – bis zum Jahre 2010 jährlich um rund 6 Prozent zunehmen.

Im Güterverkehr hat die Bahn in den letzten Jahren ständig Marktanteile an den Straßenverkehr verloren, daher sind da entsprechende Maßnahmen zu setzen. Ich frage aber auch: Was ist jetzt die Aufgabe der Politik? – Die Politik darf sich nicht im Lückenschluß von hochrangigen Straßennetzen erschöpfen, der natürlich auch wichtig ist, sondern sie muß den Ausbau der Schieneninfrastruktur in einem wesentlichen Ausmaß fördern.

Meine Damen und Herren! Es müssen aber auch Maßnahmen gesetzt werden, die diese Prognosen und Horrorszenarien gar nicht erst eintreten lassen. Dazu gehört auch die Vermeidung von unnötigem Verkehr und vor allem auch die tatsächliche Kostenwahrheit. Letztere ist ein ganz wesentlicher Aspekt bei diesem Problem.

Bei der Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene hat die Bahn einen immensen Aufholbedarf. Eine verkehrspolitische Zielsetzung muß es daher sein, den Verkehr gleich an der Quelle auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu verlagern. Aber auch die Akzeptanz der Bevölkerung ist natürlich notwendig. Am Beispiel Semmering sieht man, wie schwierig es ist, Projekte umzusetzen. Daher soll dieses Problem auf keinen Fall zum Spielball politischer Kleinkrämer werden.

So wie in der Schweiz werden die Straßenverkehre zukünftig dem ökonomischen Prinzip des kürzesten Weges folgen. Ich meine, diesbezüglich kann man sich von der Schweiz schon einiges abschauen. Die Lösung sieht so aus, daß 500 000 Fahrzeugkilometer pro Tag weniger an Umwegverkehren gefahren werden. Das bedeutet eine wesentliche Entlastung von Mensch und Umwelt.

Die Verknüpfung mehrerer öffentlicher Verkehrsträger sowie die Optimierung der Fahrpläne ist mindestens so wichtig wie der Bau von zusätzlichen Geleisen.

Meine Damen und Herren! Mein Vorredner Kurzbauer hat vorhin kurz angeschnitten, daß nicht nur der überregionale Verkehr, sondern auch der Regionalverkehr wichtig ist. Ich kann ihm am Beispiel Oberösterreich sagen, daß das Land Oberösterreich unter Verhandlung unseres Landesrates Dipl.-Ing. Erich Haider einstimmig einen Verkehrsdienstevertrag beschlossen hat, eine Maßnahme, durch die auch der Regionalzugverkehr für die nächsten 20 Jahre gesichert sein wird. Ziel ist es, nicht nur Kunden bei der Bundesbahn zu halten, sondern auch neue Kunden zu gewinnen.

Grundsätzlich hat die Verkehrspolitik – das habe ich eingangs schon erwähnt – für die Menschen dazusein und sich an den Zielen des Umweltschutzes und des Schutzes von Leben und Gesundheit zu orientieren. Der Masterplan ist ein wichtiger Beitrag dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.22

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! In aller Kürze: Es ist wohl unbestritten, daß wir, wenn wir die Erkenntnis ernst nehmen, daß Verkehr, speziell Güterverkehr, von der Straße auf die Schiene gebracht werden soll, zunächst einmal ein konkurrenzfähiges Angebot auf der Schiene benötigen. Dazu muß im Ausbau unseres Schienenverkehrs natürlich noch sehr viel getan werden, und deshalb sind prinzipiell dieser Masterplan und die Ausbaupläne durchaus zu begrüßen.

Herr Bundesminister, in diesem Zusammenhang zwei konkrete Fragen. Erstens: Wie ist es mit diesem hehren Ziel in Einklang zu bringen, daß beispielsweise auf der Strecke Graz – Regensburg, wie mir gesagt wird, gerade jetzt die Rollende Landstraße eingestellt wurde? – Ich hoffe, das hängt nicht damit zusammen, daß die ÖBB, selbst ein großer Straßenfrächter, das jetzt womöglich auf dem Straßenwege erledigen.

Zweite Frage dazu: Es gibt einen sehr pulsierenden Wirtschaftsraum am und rund um den Bodensee mit Verbindung von Vorarlberg in die Schweiz und nach Süddeutschland. Im Masterplan fehlt der Ausbau in Richtung Süddeutschland, der nur mit einem zweigleisigen Tunnel durch den Pfänder bewerkstelligt werden könnte. Das gleiche gilt für einen zweigleisigen Ausbau Richtung Sankt Margarethen in der Schweiz, am sinnvollsten wahrscheinlich parallel zur S 18. Ist daran gedacht, diesen Plan entsprechend zu ergänzen? Oder anders gefragt: Warum fehlen so wichtige Bahnstücke in diesem Plan?

Herr Bundesminister! Aus Aktualitätsgründen ganz kurz noch ein anderes Thema, das aber nicht minder brisant ist. Sie haben nach dem Unglück im Tauerntunnel eine Verordnung herausgegeben, die die Gefahrguttransporte in Tunnels mit Gegenverkehr regelt. Ich nehme an, es ist Ihnen schon die Kritik von Insidern und Betroffenen zu Ohren gekommen, daß diese Verordnung in dieser Form gar nicht durchführbar ist beziehungsweise auf der anderen Seite wieder zu Sicherheitsproblemen führt.

Wenn jeder Gefahrguttransport – und es wird leider auch in der Gefahrenklasse nicht differenziert; das betrifft also auch jeden an sich unbedenklichen, aber unter "Gefahrengut" laufenden Transport – jetzt eine Genehmigung der Tunnelwarte und ein Begleitfahrzeug haben muß, dann wird das in der Praxis dazu führen, daß diese Autos wegen nicht vorhandener Ausweichplätze womöglich auf dem Pannenstreifen vor dem Tunnel warten, bis sie eben durchbegleitet werden, womit sie – der Fahrer steigt dort aus und steigt dort ein – eine zusätzliche Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellen. Also das kann nicht der Weisheit letzter Schluß bei dem Versuch, mehr Sicherheit in unseren Tunnels zu schaffen, sein.

Zweiter Punkt noch in diesem Zusammenhang: Sie haben im Ministerrat eine weitere Verordnung angekündigt, die das Ziel hat, das Wochenendfahrverbot auf Gefahrguttransporte auszudehnen, und zwar auch wieder ohne Differenzierung nach Gefahrenklassen. Wie soll dann bitte die Nahversorgung noch funktionieren, wenn wir ab Freitag um 8 Uhr früh kein Benzin mehr zustellen können, kein Heizöl mehr zustellen können?

Bitte verweisen Sie jetzt nicht auf den Sommer, weil das nur für die Sommermonate gilt, denn Heizöl wird auch zu anderen Zwecken verwendet. Wie soll denn das bitte funktionieren, wenn wir die Versorgung ab diesem Freitag überfallsartig einstellen sollen? – Das kann doch nicht funktionieren!

Auch in diesem zu fordernden Versuch ist zwischen Gefahrenminimierung auf der einen Seite und Ausgewogenheit und Angemessenheit der Maßnahmen auf der anderen Seite abzuwägen, ehe man so eine drastische Maßnahme – wie gesagt, ohne Differenzierung der Gefahrenklassen – überfallsartig durchführt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir gelangen nun zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt vorgenommen wird.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, den vorliegenden Bericht III-154 der Beilagen und Zu III-154 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht 1927 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

So Sie dafür eintreten, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit, daher angenommen. (E 186.)

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einleitung erforderlicher Maßnahmen zur Entwicklung der verkehrstechnischen Anbindung der Obersteiermark.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend Bundesverkehrswegeplan, Netzergänzung und Netzverbesserungen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Firlinger und Genossen betreffend Hebung der Sicherheit in Tunnels.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies ist die Minderheit, daher gleichfalls abgelehnt.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1928 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist zur Kenntnis genommen.

Schließlich kommen wir noch zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1929 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt durch die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Bericht ist zur Kenntnis genommen.

8. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1048/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Helmut Kukacka und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz – FlUG) und mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (1930 der Beilagen)

9. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1834 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (1931 der Beilagen)

10. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1833 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 145/1998, geändert wird (GGBG-Novelle 1999) (1932 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 8 bis 10 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erstredner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Mag. Firlinger zu Wort gemeldet. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.30

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Werter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Debattenbeitrag kurz auf das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz eingehen. Die weiteren Problemfelder werden dann meine Fraktionskollegen behandeln.

Meine Damen und Herren! An sich scheint das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz ein unproblematisches Gesetz zu sein. Mich hat nur gewundert, daß es im Ausschuß eine Unterbrechung von fast zwei Monaten gegeben hat, weil man sich anscheinend innerhalb der Koalition nicht ganz einig darüber war, wie man diese zur Diskussion stehende EU-Richtlinie in ein nationales Gesetz umlegt.

Positiv zu erwähnen ist, daß in Zukunft auch eine Untersuchung schwerer Störfälle stattfinden kann, das heißt von Umständen, die darauf hindeuten, daß sich ein schwerer Unfall unter bestimmten Prämissen beinahe ereignet hätte, daß also die Gesetzeslage den Ereignissen nicht nur nachhinkt – etwa wenn es einen schweren Unfall gegeben hat –, sondern auch eine vorausschauende Komponente hat.

Positiv – und allgemein akkordiert – ist meiner Meinung nach weiters, daß der Entfall des allgemeinen Zulassungsscheines für Flugzeuge nunmehr normiert ist. Wenn Flugzeuge lufttüchtig sind beziehungsweise die Lärmzulässigkeitsgrenzen nicht überschreiten und wenn sie versichert sind, dann wird eine Genehmigung erteilt.

Es war allerdings so, daß im Ausschuß am Tag der Ausschußbesprechung ein umfangreicher Abänderungsantrag vorgelegt wurde, den wir nicht mehr rechtzeitig studieren konnten und dem wir aus diesem verständlichen Grund im Ausschuß die Zustimmung verwehrt haben. Jetzt werden wir aber zustimmen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte aber die Gelegenheit dazu benutzen, um auch auf eine andere Gefahrenquelle hinzuweisen, die vielleicht zu sehr unterschätzt wird. Man hört, daß in beiden österreichischen Luftfahrtunternehmen bei den Piloten und dem anderen fliegenden Personal große Unzufriedenheit herrscht, weil die Arbeitszeiten des fliegenden Personals im Grunde genommen nicht geregelt sind, das heißt, nicht ausreichend gesetzlich geregelt sind. Die einzigen Regelungen, die freiwillig angewendet werden, sind das sogenannte Flight Operation Manual, ein internationales Regulativ, das, wie gesagt, auf freiwilliger Basis beruht.

Es gibt aber völlig unzureichende Regelungen betreffend die Überstunden, betreffend die generelle Arbeitszeit und so weiter. Daher hat es eine Reihe von Klagen gegeben, und die Kündigung beziehungsweise Personalstandsreduzierung um 24 Piloten sollte eigentlich zu denken geben. Das ist eine potentielle Gefahrenquelle, und darauf muß man aufmerksam machen, denn dadurch kann relativ viel passieren – und das geht dann sehr schnell!

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Povysil, Mag. Firlinger und Kollegen betreffend geregelte Arbeitszeiten für fliegendes Personal

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert:

1. einen Bericht über die detaillierte Erhebung von Arbeitszeiten des gesamten fliegenden Personals inklusive Rufbereitschaften, Vor- und Nachbereitungszeiten dem Nationalrat vorzulegen,

2. unverzüglich einen Gesetzentwurf, welcher entsprechende verbindliche Regelungen der Arbeitszeiten für das fliegende Personal vorsieht, dem Nationalrat zuzuleiten."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben vorgetragene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Parnigoni. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.34

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat schon erwähnt, daß es sich bei dieser Vorlage, dem Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz, um eine Anpassung an die EU-Richtlinie handelt. Es geht einfach darum, daß es durch eine eigenständige, unabhängige Untersuchungsstelle zu einem effizienteren Untersuchungsverfahren kommt. Gleichzeitig bedeutet dieses Gesetz auch eine Verfahrens- und Verwaltungsvereinfachung, und zwar in der Form, daß das behörden- und kostenintensive Zulassungsverfahren in Österreich entfällt.

Mir ist wichtig zu erwähnen, daß es auch erhebliche Verbesserungen für den österreichischen Flugsport geben wird. In Hinkunft wird es nämlich möglich sein, daß man in Flugsportmaschinen bis zu drei Personen mitbefördern kann, es können also insgesamt vier Personen fliegen und dafür sogenannte Selbstkostenanteile verlangt werden. Eine ähnliche Selbstkostenregelung gibt es auch für Heißluftballonfahrten und auch für Paragleiter. Von seiten des Österreichischen Aero-Clubs wurde diese Veränderung des Gesetzes vehement verlangt und unterstützt. Dieser Klub vertritt immerhin 17 000 Mitglieder und etwa 20 000 gültige Luftfahrtlizenzinhaber. Ich bin sehr glücklich darüber, daß wir diese Regelung nach mehreren Diskussionen auch im Zivilluftfahrtsbeirat zustande gebracht haben.

Ich möchte noch betonen, daß der Flugsport auch für den österreichischen Tourismus Bedeutung hat. Erwähnt seien für heuer etwa die Segelflug-WM in der Steiermark mit Teilnehmern aus 12 Nationen, die Heißluftballon-WM in Bad Waltersdorf in der Steiermark, bei der zirka 100 000 Personen erwartet werden, sowie die Jet Modellflug WM in Zeltweg, bei der etwa 30 Nationen am Start sein werden. Ich meine daher, daß wir mit dieser Vorlage eine nicht uninteressante Gesetzesbestimmung beschließen.

Zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz und zum Gefahrgutbeförderungsgesetz werden meine Nachredner noch Stellung beziehen.

Ich darf aber noch folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka, Hagenhofer und Genossen betreffend Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (1834 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird (1931 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz, mit dem das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 geändert wird, in der Fassung des Ausschußberichtes (1931 der Beilagen), wird wie folgt geändert:

Es wird nachstehende Z 1 eingefügt, die bisherige Z 1 bis 4 werden zu Z 2 bis 5.

In § 11 werden folgende Absätze 3 und 4 eingefügt:

"(3) Nachweise über die Erteilung der Bewilligung nach Abs. 1 sind bei jeder Personenbeförderung über die Grenze mitzuführen und den Organen der Straßenaufsicht (§ 97 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der jeweiligen geltenden Fassung) und – soweit ihnen die Grenzkontrolle übertragen wurde – den Organen der Zollwache (15. Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994, in der jeweils geltenden Fassung) auf Verlangen vorzuweisen.

(4) Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr kann im Einvernehmen mit dem jeweils zuständigen Bundesminister nachgeordnete Behörden, insbesondere auch Bundespolizeibehörden oder Zollstellen, gegebenenfalls unter Beschränkung hinsichtlich Zahl oder Umfang der zu erteilenden Bewilligungen, ermächtigen, in seinem Namen und Auftrag die Bewilligung nach Abs. 1 auszugeben. Die Ermächtigung kann die Einhebung einer Gebühr zur Abdeckung des zusätzlichen Verwaltungsaufwandes umfassen."

*****

Die Sozialdemokraten werden allen drei Vorlagen die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Abänderungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht, ist auch entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.38

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich kurz zum Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz äußern, und zwar deshalb, weil es hier um eine EU-Rechtsanpassung geht, wie Herr Abgeordneter Parnigoni und auch Herr Abgeordneter Firlinger schon ausgeführt haben. Sie hätte allerdings schon damals, zur Zeit der ersten Sitzung des Verkehrsausschusses, in der sie auf der Tagesordnung stand, nämlich am 14. April 1999, nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden können, denn schon damals war Österreich in Verzug, aber die Vertreter der Koalitionsparteien haben gesagt: Nein, wir müssen noch länger darüber reden, denn es gibt, wie Herr Abgeordneter Parnigoni ausgeführt hat, diesbezüglich noch einiges mit dem Aero-Club zu besprechen. – Und deshalb ist die Sache vertagt worden.

Als sie in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses behandelt wurde, hat man gesagt, daß man sich geeinigt habe, und alles sei in Butter. – Nun mußte ich aber eine E-Mail vorfinden, aus der hervorgeht, daß die Freigabe der Selbstkostenflüge mit Luftfahrzeugen bis zu 4 Sitzplätzen insbesondere den im Bereich der Hänge- und Paragleiter angesiedelten rund 60 Kleinunternehmungen, die es in Österreich gibt, in Wahrheit den Todesstoß versetzt und damit 200 saisonale Arbeitsplätze vernichtet werden.

Herr Abgeordneter Parnigoni! Es kann daher nach meinem Dafürhalten gut so sein, daß die Information der Koalitionsparteien im Ausschuß nicht richtig war, wonach man eine adäquate Lösung gefunden hatte.

Wir werden heute zwar dem Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz zustimmen, weil wir mit der EU-Rechtsanpassung in diesem Bereich ohnehin schon in Verzug sind, wir werden jedoch nicht aufhören, bis zum nächsten Plenum darauf zu insistieren, ob man nicht noch einmal darüber nachdenken kann, denn es hat weder Sinn noch Zweck, einer verschobenen Regelung im Ausschuß heute die Zustimmung zu geben, ohne daß sie wirklich das leistet, was die Koalition versprochen hat.

Der zweite Punkt, das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, ist offensichtlich nur eine kleine Novelle, und Herr Abgeordneter Parnigoni hat heute noch einen weiteren Abänderungsantrag nachgetragen. Mehr ist von dieser Koalition nicht geschafft worden, denn das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz müßte in Wahrheit in seinen Grundzügen novelliert werden.

Im Ausschuß haben wir erfahren, daß eine große Novelle ohnehin in Ausarbeitung ist. Daher möchte ich hier nur anmerken, daß man es insbesondere nach Einführung unserer 0,5 Promille-Regelung – ich bin nach wie vor stolz darauf, daß diese hier im Hohen Hause verabschiedet wurde – den Gastwirten leichter machen sollte, ihren Gästen etwa Leistungen im Bereich des Transportes anzubieten. Dies ist derzeit durch das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz nur sehr schwer möglich, daher hoffe ich, daß eine große Novelle dann auch weitere Liberalisierungen bringen wird.

Meine Damen und Herren! Der letzte Punkt ist das Gefahrgutbeförderungsgesetz, dem wir Liberalen nicht zustimmen werden, und zwar deshalb nicht, weil wir der Meinung sind, daß es falsch ist, eine Änderung zu machen, die von ihrem Inhalt her gar nicht ausreichend bestimmt ist und wo etwa der letzte Satz des § 2 Ziffer 1 lit. a lautet, und zwar unter Bezugnahme auf eine Richtlinie der Europäischen Union, daß diese nachzulesen sei im "Amtsblatt Nr. L XXXX vom xx.xxxxx 1999, Seite XX". Und in der Fußnote heißt es: "Die Fundstelle im Amtsblatt der EG wird erst bei Kundmachung im Bundesgesetzblatt bekannt sein."

Meine Damen und Herren! Wenn das schon Zeit gehabt hat, bis jetzt zu warten, dann meine ich, es wäre angemessen, auch zu warten, bis die Fundstelle klar geworden ist – und nicht ein Gesetz zu beschließen, bei dem in Wahrheit der Inhalt letztlich nicht klar ist. Daher werden wir dieser Änderung nicht unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

19.41

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Lukesch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.41

Abgeordneter Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Barmüller, jetzt sehen Sie mich wirklich baß verwundert! Das Liberale Forum, das permanent Kritik an der Gewerbeordnung übt, das die Gewerbeordnung abschaffen möchte (Abg. Dr. Gredler: Ja!), das immer wieder die Freiheit der Berufstätigkeiten fordert (Abg. Dr. Gredler: Ja!), bezweifelt bitte jetzt, ob man die Flugsportler im Rahmen dieser Selbstkostenbeteiligungsflüge – nach deutschem und US-amerikanischem Vorbild – deregulieren dürfe!

Herr Kollege Barmüller! Sie haben diese Sachen entweder nicht studiert oder nicht verstanden – das wäre die zweite Möglichkeit –, oder Sie widersprechen heute einer Grundthese des Liberalen Forums! – Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Barmüller: Ihre Kritik nehme ich immer gerne zur Kenntnis! Sie ist besonders nett, aber leider sehr flach, sie entspricht damit Ihrem Wesen!)

Herr Abgeordneter Lukesch – und mit ihm die ÖVP – freut sich darüber, daß es endlich gelungen ist, eine Klarstellung zu schaffen, die Tausenden von Flugsportlern hilft, ihr Hobby beizubehalten und dieses auch auszuüben! (Beifall bei der ÖVP.)

Es muß Ihnen doch klar sein, Herr Barmüller, daß aufgrund der österreichischen Bestimmungen die Erhaltung eines Pilotenscheines sehr, sehr hohe Kosten verursacht. Es sind gerade die Jungen, es sind gerade finanziell schwächer gestellte Flugsportler, die höchstes Interesse an dieser Form des Mitzahlens eines Gastes haben. Und das soll jetzt geregelt werden.

Es war nämlich nicht so, wie verschiedene Vertreter, die Sie zitiert haben, jetzt sagen, daß das nämlich früher verboten gewesen sei. – Ich habe mir die gesetzlichen Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes genau angeschaut, und dabei bin ich draufgekommen, daß es bislang eine Fußnote gab, mit der – ohne gesetzliche Grundlage des Gewerberechtes – die Definition einer gewerblichen Tätigkeit völlig verändert wurde.

Wir haben aber im Gegensatz dafür gesorgt, daß eben kein Pfusch auf diesem Gebiet möglich ist! Es wird eine Quittungspflicht, eine Belegaufbewahrungspflicht für zwei Jahre eingeführt, sodaß man sehr wohl die unbefugte gewerbliche Tätigkeit von der Sportausübung unterscheiden wird können.

Ich wiederhole: Tausende Flugsportler, insbesondere die jungen unter ihnen, werden uns dankbar für diese Regelung sein. Und auch die Gewerblichen sollten bitte bedenken, daß ein Gast, der privat mitgenommen wird, einmal von der Begeisterung des Traumes vom Fliegen auch angesteckt werden kann und sich unmittelbar danach vielleicht den gewerblichen Flugschulen als Schüler präsentiert, weil er diesen Sport ebenfalls gerne ausüben möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz ist ja bereits einiges hier gesagt worden. Insbesondere begrüße ich es deshalb, weil ich selbst Betroffener einer Flugkatastrophe war. Ich erinnere an jenen Absturz einer Boeing über Bangkok im Jahre 1993, wo etwa ein Viertel unserer sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck das Leben gelassen hat, darunter mein bester Assistent. – Wir sollten also alles tun, um die Sicherheit im Luftverkehr auch präventiv zu verbessern, obwohl der Luftverkehr der sicherste Transportweg der Welt – das ist ja bekannt – überhaupt ist.

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Antrag ein (Abg. Mag. Barmüller: Was denn? Schon wieder? Ich habe geglaubt, das war im Ausschuß alles schon so klar!):

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Parnigoni, Dr. Lukesch und Genossen zu TOP 8, Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Das Bundesgesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flug-Unfall-Untersuchungs-Gesetz – FlUG) in der Fassung des Ausschußberichtes (1930 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Artikel 1 lautet § 15 samt Überschrift:

Kosten

1. Die Kosten für die Bergung des Luftfahrzeuges oder für die Beseitigung der Trümmer sind vom Halter des Luftfahrzeuges zu tragen. Der Halter hat, wenn das Verschulden des Piloten am Unfall rechtskräftig festgestellt wurde, die Kosten einer allfälligen Untersuchung zu tragen.

2. Der Halter des Luftfahrzeuges hat eine Haftpflichtversicherung für allfällige Untersuchungskosten abzuschließen. Die Höhe der Versicherung hat sich nach der Größe des Luftfahrzeuges zu richten. Sie hat jedoch mindestens 50 000 S zu betragen.

*****

Das ist eine Klarstellung im Hinblick darauf, wieweit auf den Halter eines Luftfahrzeuges zurückgegriffen werden kann, wenn ein öffentliches Interesse an Untersuchungen besteht. Es soll also hier nicht sozusagen ein Untersuchungsaktionismus zu Lasten privater Flugzeughalter eröffnet werden, sondern es soll das gemacht werden, was notwendig ist.

In diesem Sinne kündige ich die Zustimmung unseres Klubs zu diesen Gesetzesvorlagen an. (Beifall bei der ÖVP.)

19.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bevor ich Frau Abgeordneter Gabriela Moser als nächster Rednerin das Wort erteile: Wir haben das jetzt nachgezählt. Beim zuvor eingebrachten Abänderungsantrag scheint es sich um nur drei Unterschriften anstatt um fünf zu handeln – oder es sind dies lauter Paraphen. Ich nehme an, daß das jetzt sofort korrigiert werden wird. (Abg. Dr. Lukesch: Wir werden das gleich korrigieren!)

Bitte, Frau Abgeordnete Moser.

19.47

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist unglaublich, wie wortreich man eine Zustimmung zu einem so wesentlichen Gesetz wie dem Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz formulieren kann. Ich schaffe das mit drei Worten: Wir sind dafür!

Zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz: Da schließe ich mich der Kritik meines Vorredners aus den Reihen der Liberalen durchaus an. Das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz müßte ausgebaut werden; und auch die EU-Anpassung erfolgt reichlich spät.

Zum Gefahrgutbeförderungsgesetz, meinem Hauptpunkt. Da ist sehr wohl Kritik angebracht, nicht nur Kritik daran, daß die Formulierungen teilweise nur mit "XXXX" getroffen wurden und sehr viel Ermessensspielraum beziehungsweise Verweise beinhalten, sondern vor allem Kritik daran, daß die Gefahrguttransportkontrolle in Österreich insgesamt noch sehr, sehr im argen liegt.

Herr Minister Einem hat infolge der Unfälle im Tauerntunnel das Fahrverbot an den Wochenenden ausgeweitet, eben gerade was Gefahrgutbeförderungen anlangt. Nun, was ist aber jetzt die Schwierigkeit? – Man kann sehr wohl verordnen, daß man ab Samstag in der Früh nicht mehr fahren darf, wird aber immer Schwierigkeiten hinsichtlich einer Kontrolle haben.

Das Grundproblem bei der Gefahrgutbeförderung ist die konkrete Kontrolle durch die Exekutive vor Ort, durch die Gendarmerie, teilweise auch durch die Zollbeamten. In diesem Zusammenhang darf ich darauf verweisen, daß ja die Exekutive immer wieder auf dieses Problem hingewiesen hat, daß erst jüngst wieder gesagt wurde – ich zitiere –: Es fehlt an Personal und an Kontrollplätzen.

Auch infrastrukturmäßig gibt es zuwenig Anhaltespuren, zuwenig Parkspuren für die Gefahrgutkontrolle, die bitter notwendig ist. Da müßte in erster Linie angesetzt werden, eben auch in einem Gefahrguttransportgesetz.

Deshalb wiederhole ich, daß unsere Ansicht zu dieser momentanen Novellierung folgende ist: Es ist zu wenig, es ist zu ungenau, es ist zu wenig umfassend und geht vor allem an den Hauptkritikpunkten vorbei. Es bedürfte dringend größerer personeller Ausstattung, einer personellen Aufstockung, und es müßte auch eine infrastrukturmäßige Verbesserung geben, sodaß Kontrollen in jenem Umfang, in dem sie notwendig sind, auch tatsächlich vorgenommen werden können.

Ich möchte jetzt nur noch darauf hinweisen, daß der Herr Innenminister immer darauf bedacht ist, daß die Kontrolle allein in Händen der Gendarmerie bleibt. – Ich meine, die Kontrolle ist so notwendig, daß dafür sehr wohl auch die Zollwache mit eingesetzt werden soll, vor allem angesichts dessen, daß ihre ursprünglichen Zuständigkeiten und Tätigkeiten im Rahmen des Schengen-Abkommens reduziert wurden.

Aus den angeführten Gründen werden wir dem Gefahrgutbeförderungsgesetz unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Grünen.)

19.51

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der zuvor von Herrn Abgeordnetem Dr. Lukesch eingebrachte Antrag ist entsprechend unterstützt, auch geschäftsordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Seidinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.51

Abgeordneter Winfried Seidinger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Das Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz, die Umsetzung der Richtlinie des EG-Rates vom November 1994, wurde von meinen Vorrednern schon besprochen. Ich darf mir dazu einige wenige Bemerkungen erlauben.

Im Unterschied zur geltenden Gesetzeslage wird die Untersuchung von Unfällen auch auf schwere Störungen ausgedehnt. Das ist in der Vorlage genauer definiert. Verantwortlich für die Untersuchung wird eine eigene Flugunfalluntersuchungsstelle sein. Um der in der Richtlinie verlangten Unabhängigkeit genügen zu können, werden die Mitarbeiter der Untersuchungsstelle in ihrer Tätigkeit weisungsfrei gestellt sein. Ich glaube, das ist sicherlich ein wichtiger Umstand.

Untersuchungsgegenstand ist die Feststellung der Ursachen zum Zweck der Verhinderung zukünftiger Unfälle und Störungen. Eine Aussage über das Verschulden und die Haftung kommt dabei nicht in Betracht. Trotz der Geltung des Territorialitätsprinzips wird die internationale Zusammenarbeit im Dienst einer optimalen Nutzung der Ressourcen gefördert.

Bezüglich des in der Änderung des Luftfahrtgesetzes vorgesehenen Entfalls des Zulassungsscheins verweise ich auf die Forderung des Verkehrsausschusses, 788 der Beilagen, wonach nach Bestätigung der Austria Control GesmbH über die österreichische Staatszugehörigkeit, über die Lufttüchtigkeit, der Entsprechung der Lärmerfordernisse und die ausreichende Versicherung das Luftfahrzeug im Flug verwendet werden darf. Die formelle Zulassung entfällt.

Wie schon von meinen Vorrednern besprochen, wird die Möglichkeit eröffnet, bewilligungsfreie Flüge auf Selbstkostenbasis durchzuführen. Selbstkosten sind in diesem Zusammenhang nur jene Kosten, die beim jeweiligen konkreten Flug anfallen und anteilig verrechnet werden. Ein Gewinn – und das ist hervorzuheben – darf nicht erzielt werden.

Außerdem passen wir das Gefahrgutgesetz in einer eigenen Novelle erneut an die internationalen ADR-Bestimmungen an. Generell ist zu sagen: Gefahrgüter gehören auf die Schiene. Daher trete ich für EU-weite Regelungen ein, die den Transport von Gefahrgütern auf längeren Strecken überhaupt nur noch auf der Schiene oder dem Schiff erlauben. Die gesamte Transportkette gehört lückenlos überprüft, wobei Exekutive und Feuerwehr rasch über das Gefahrenpotential informiert werden müssen. Die Durchfahrt mit Gefahrgütern durch Straßentunnels soll nur zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein.

Letztlich geht es auch um den Arbeitsplatz Straße, und der schwere Unfall im Tauerntunnel wurde letztlich durch einen LKW-Lenker verursacht, der nach eigenen Angaben bereits 16 Stunden lang unterwegs war. Das ist zwar gesetzwidrig, die fehlenden Kontrollen und die wiederholten Manipulationen sowie das Abhängigkeitsverhältnis der Lenker von ihren Unternehmen verunmöglichen aber die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten.

Bessere Bedingungen für die Lkw-Lenker sind nicht nur ein soziales Anliegen, sondern sind auch zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen dringend erforderlich. Daher werden wir strengere Kontrollen, strengere Strafen für die Unternehmer und eine bessere Ausbildung der LKW-Lenker einfordern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.55

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lafer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

19.55

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte Bezug nehmen auf das Gefahrgutbeförderungsgesetz, zu dem es an und für sich nicht viel zu sagen gäbe, da es sich um eine Angleichung handelt, die alle zwei Jahre stattfindet. Bei genauerer Durchsicht der Unterlagen ist mir allerdings einiges Beträchtliches aufgefallen, und das möchte ich auch hier im Parlament kundtun.

Zum ersten gab es einen Erlaß vom 26. Mai 1999, der auf zwei Richtlinien, und zwar auf die Richtlinie 99/47/EG und auf die Richtlinie 94/55/EG, sowie auf das Gesetz, das heute hier beschlossen wird, Bezug nahm. Das heißt, es wurde hier der Stufenbau der Rechtsordnung mißachtet beziehungsweise gebrochen. Man hat schon, bevor man überhaupt das Gesetz hatte, einen Erlaß herausgegeben. Hiebei handelt es sich wieder einmal um einen typischen Bruch der Rechtsordnung, wie er nicht allzu selten vorkommt.

Daraufhin habe ich das Ganze noch näher hinterfragt und untersucht und bin draufgekommen, daß auch in dem von den Kollegen Parnigoni und Kukacka eingebrachten Abänderungsantrag zwei Richtlinien angeführt wurden, und zwar die Richtlinie 99/47/EG und 99/48/EG der Kommission vom 21. Mai 1999, die es gar nicht gibt. – Sie haben richtig gehört: Diese Richtlinien gibt es gar nicht!

Faktum ist, daß es ein Deckblatt vom Rat der Europäischen Kommission vom 21. Mai gibt, welchem zwei Richtlinien angeschlossen sind und auf dem ausdrücklich steht: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates.

Herr Kollege Parnigoni! Bei einer Nachfrage im Verkehrsministerium und auch in Brüssel beka-men wir die Antwort: Das Datum haben wir einfach eingesetzt. Das heißt – und ich möchte das noch einmal bewußt wiederholen –, daß es die Grundlagen für den Inhalt dieses Gesetzes, nämlich die in dem dazugehörigen Abänderungsantrag angeführten Richtlinien der Kommission, gar nicht gibt! Wir beschließen heute ein Gesetz, das eine Richtlinie zum Inhalt hat, die es nicht gibt. – Das ist eine sehr komische Vorgangsweise, und ich möchte wirklich bezweifeln, ob dies dem Rechtsstaat Österreich überhaupt noch entspricht. Das Ganze trägt noch dazu die Unterschrift: Sektionschef Dr. Kafka.

Was bewirkt das jetzt? – In Österreich gibt es ungefähr 450 Exekutivbeamte, die speziell für den Bereich des Gefahrgutbeförderungsgesetzes ausgebildet wurden, aber aufgrund dieses Erlasses bis zur Kundmachung des Gesetzes arbeitslos sind. – Das weiß niemand! Jede Anzeige, die bei der Kontrolle nach dem Gefahrgutbeförderungsgesetz gemacht wird, kann nicht vollzogen werden, weil das entsprechende Gesetz noch nicht beschlossen beziehungsweise kundgemacht worden ist. Das heißt, dem Staat entgehen dadurch Millionenbeträge.

Aber es gibt nicht nur diesen einen Fall, sondern es gibt noch mehrere dieser Art.

So gibt es etwa auch einen Erlaß des Verkehrsministeriums bezüglich des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, gemäß welchem Bitumen, Walzasphalt, Gußasphalt und andere Heißprodukte nicht kontrolliert werden dürfen, weil im Erlaß steht, daß "Verstöße bis zur Inkraftsetzung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes und Herausgabe eines neuerlichen Erlasses nicht zu ahnden" sind.

Das hat mich brennend interessiert, daher habe ich mir die Verträge angeschaut. In allen 34 Mitgliedstaaten des ADR gibt es diese Verordnung in Verbindung mit dem Gefahrgutbeförderungsgesetz, aber nur in Österreich wird diese eine Transportklasse seit mehr als zwei Jahren nicht kontrolliert, weil dies mit Erlaß entgegen dem Gesetz verboten wurde. Auch dieser Erlaß trägt die Unterschrift: Sektionschef Dr. Kafka.

Das sind Dinge, die aufgeklärt werden müssen. Schade, daß ich nicht mehr genug Zeit habe, um näher darauf einzugehen. Wir werden natürlich weitere Schritte unternehmen, denn es kann und darf nicht sein, daß in einem Ministerium Erlässe entgegen den gesetzlichen Bestimmungen gemacht werden. Das werden wir uns noch genauer anschauen!

Zum Abschluß möchte ich noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Firlinger, Dr. Preisinger und Kollegen betreffend verbesserte Ausbildung der Taxilenker

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, dafür zu sorgen, daß die Anforderungen an die Sprach- und Ortskenntnisse der Taxilenker wesentlich verbessert werden und deren Qualifikation auch wirksam überprüft wird."

*****

Die Erläuterungen dazu wird meine Kollegin Dr. Preisinger vornehmen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wallner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.00

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls mit dem Gefahrgutbeförderungsgesetz befassen, das im wesentlichen auf die entsprechenden Fundstellen der internationalen Abkommen hinweist. Nachdem es diesen traurigen Anlaßfall in Österreich und zuvor schon in Frankreich gegeben hat, ist es meiner Meinung nach offensichtlich, daß Gefahrguttransporte mit dem LKW immer ein großes Risiko darstellen und daß Unfälle auch mit den schärfsten gesetzlichen Maßnahmen nicht gänzlich auszuschließen sind.

Ich denke, daß die Politik vor allem bewirken muß, daß einerseits Gefahrguttransporte auf der Straße möglichst eingedämmt werden und andererseits alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen im Bereich der Prävention solcher Unfälle, aber auch Maßnahmen für den Fall eines Unfalles getroffen werden.

Ich meine, die sinnvollste Maßnahme ist, einen möglichst großen Anteil des LKW-Verkehrs von der Straße auf die Schiene zu zwingen. Man braucht sich nur den Trend des LKW-Verkehrs in Europa anzusehen, dann merkt man sofort, daß man in diesem Bereich dringend wird umdenken müssen. Meine Damen und Herren! Das Volumen des Güterverkehrs beträgt derzeit in Europa rund 1,6 Milliarden Tonnenkilometer, von denen drei Viertel – ich betone: drei Viertel! – auf die Straße entfallen. Der die Alpen überquerende Transit ist seit 1980 allein um 150 Prozent gestiegen, und alle Prognosen besagen, daß in den nächsten zehn Jahren mit einer Verdoppelung des Ost-West-Transits zu rechnen ist.

All diese Zahlen lassen darauf schließen, daß es, wenn dieser Transitverkehr in der von mir dargestellten Art und Weise zunimmt, auf unseren Straßen zu noch mehr Unfällen und selbstverständlich bedauerlicherweise auch zu noch mehr Unfällen im Bereich des Gefahrgutes kommen wird. Deshalb ist es notwendig – und das haben schon einige meiner Vorredner gesagt, und das ist auch eine Linie, die die Sozialdemokraten in diesem Haus schon seit langem verfolgen –, daß der Transport auf der Schiene noch attraktiver wird, und es muß endlich auch dazu kommen, daß legistische Maßnahmen gesetzt werden, mit denen der Güterverkehr per LKW entscheidend verteuert wird. Daher darf ich mich noch einmal für die Einführung des LKW-Road-Pricings aussprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eine der Konsequenzen des Tauerntunnel-Unglücks ist sicherlich der Bau von zweiten Tunnelröhren, in diesem Fall im Tauerntunnel. Es ist aber auch eine erfreuliche Mitteilung, daß auf Initiative des Verkehrslandesrates Ressel vom ressortzuständigen Minister nun grünes Licht für den Plabutschtunnel gegeben wird, der quasi die Landeshauptstadt Graz unterfährt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß es auch viele andere Projekte gibt. Als Obersteirer möchte ich sagen: Man sollte den Gleinalmtunnel als wichtige Nord-Süd-Verbindung nicht vergessen! In diesem hat es bereits im Vorjahr bedauerlicherweise den Brand eines Busses gegeben, der dank des Einsatzes der örtlichen Feuerwehren aber Gott sei Dank mehr oder minder glimpflich verlaufen ist und bewältigt werden konnte.

Noch einmal: Der LKW-Verkehr ist auf die Schiene zu zwingen, noch dazu, wenn es parallel zur Straße unter Umständen auch eine attraktive Bahnlinie gibt. Die Gefahrgutverordnung von Minister Einem mit allen Maßnahmen, die ja bekannt sind, ist zu begrüßen. Ausnahmen gibt es. Ich hoffe, daß die Maßnahmen, die in dieser Verordnung angeführt sind, nicht wieder von Vertretern der ÖVP und vor allem der FPÖ in den Ländern blockiert werden. Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die Äußerung von Herrn Ing. Reichhold: Er meinte, daß die Begleitung von Gefahrguttransporten nicht notwendig sei.

Am 20. Mai dieses Jahres gab es wiederum ein positives Signal von Verkehrslandesrat Ressel aus der Steiermark, welches vielleicht auch eine Antwort auf die von der Rednerin der Grünen geäußerte Sorge darstellt: In der Steiermark wird vorgesehen sein, daß Taxis die Gefahrguttransporte durch die Tunnels begleiten. Damit werden lange Wartezeiten vermieden, und das ist auch ein positives Signal an die Wirtschaft.

Ich meine abschließend, daß wir bei der Verbesserung der Sicherheit schon ein schönes Stück weitergekommen sind, daß es aber noch vieles zu tun gibt, damit schreckliche Unfälle, wie wir sie alle miterleben mußten, sich nicht mehr wiederholen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Preisinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.05

Abgeordnete Dr. Susanne Preisinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, der momentan nicht da ist! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gewerbsmäßige Beförderung von Personen in Taxis gehört zum Gelegenheitsverkehrs-Gesetz, um die es im eingebrachten Entschließungsantrag geht. Durch die hemmungslose Liberalisierung erwerben immer mehr Personen die Taxikonzession. Es kommt dadurch quasi zu einer Schwemme von Konzessionen. Früher gab es allerdings eine Selbstbeschränkung.

In Wien sind derzeit mehr als 7 000 Taxikonzessionen vergeben; davon üben derzeit zirka 4 400 Inhaber einer Konzession das Gewerbe aus. Gerade in Wien wird immer wieder der Umstand kritisiert, daß die Qualität teilweise auf der Strecke bleibt. Bei vielen Taxilenkern mangelt es wirklich an Sprach- und Ortskenntnissen. Oftmals erkennt man leider Gottes, daß die Taxilenker wirklich nur ein dünnes Wissen über den Stadtplan haben. Daher müßte in der Ausbildung dringend mehr Wert auf die Praxisausbildung gelegt werden.

Das Taxigewerbe kann mit anderen Gewerben nicht verglichen werden. Es besteht nämlich unter anderem eine Beförderungs- und Bereithaltepflicht. Dadurch sind die Mechanismen der freien Wirtschaft nicht gegeben. Durch eine Vielzahl von erteilten Taxilizenzen, also durch das Ansteigen der Zahl von Taxilenkern, wird die Verdienstmöglichkeit für die einzelnen Taxilenker immer mehr beschnitten. Und weniger Verdienst bedeutet auch, daß der hohe Qualitätsmaßstab bei den Taxis nicht gehalten werden kann. In Wien dürften bereits 10 bis 15 Prozent der Taxis gravierende Sicherheitsmängel aufweisen. Dies könnte ein erhöhtes Unfallrisiko für die einzelnen Fahrgäste bedeuten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu möchte ich quasi einen kleinen Abstecher in die Schweiz machen: In der Schweiz schaut es ungefähr so ähnlich aus, allerdings hat es wesentliche Verbesserungen gegeben. In Zürich ist klar geworden, daß es dringend notwendig ist, die Zahl der Taxikonzessionen, die durch die Liberalisierung immer mehr zugenommen hat, zu beschränken. Dort hat man das also schon gemacht. Bei uns schaut es hingegen nicht so gut aus.

In der Schweiz will man den hohen Standard, auf den man dort großen Wert legt, was ja bekannt ist, aufrechterhalten. Ich meine, wir brauchen auch in Österreich mehr Qualität und eine Güteklasse. Ich finde, wir brauchen weniger Quantität, sondern mehr Qualität, denn nur das führt zu einer Wirtschaftssteigerung und zu einer erhöhten Akzeptanz in Österreich. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.08

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Seitens des Herrn Berichterstatters wird kein Schlußwort gewünscht.

Ich bitte, die Plätze einzunehmen, denn wir gelangen nun zur Abstimmung, und zwar stimmen wir über jeden Ausschußantrag getrennt ab.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1930 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Parnigoni, Dr. Lukesch und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I § 15 bezieht.

Da nur dieser eine Abänderungsantrag eingebracht wurde, werde ich sogleich über den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält Verfassungsbestimmungen. Ich stelle daher fest, daß das von der Verfassung gebotene Präsenzquorum vorliegt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes unter Berücksichtigung des Abänderungsantrages der Abgeordneten Parnigoni, Dr. Lukesch und Genossen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Die Zustimmung erfolgt stimmeneinhellig.

Es erübrigt sich daher die Feststellung, daß die von der Verfassung vorgesehene Zweidrittelmehrheit vorliegt.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dieses Zeichen erfolgt einhellig. Ich stelle fest: Der Entwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend geregelte Arbeitszeiten für fliegendes Personal.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1834 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Parnigoni, Mag. Kukacka und Genossen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf die Einfügung einer neuen Z 1 § 11 Abs. 3 und 4 sowie eine dadurch notwendige Änderung der Ziffernbezeichnungen bezieht.

Da nur dieser eine Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag vorliegt, stimmen wir sogleich über Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage in 1834 der Beilagen unter Berücksichtigung des Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrages ab.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das Zeichen wird einhellig gegeben, der Gesetzentwurf ist daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Dies erfolgt abermals einhellig. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr noch zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Reinhard Firlinger und Genossen betreffend verbesserte Ausbildung der Taxilenker.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1932 der Beilagen.

Für den Fall Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies findet die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

11. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 1092/A der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Georg Schwarzenberger und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden (1933 der Beilagen)

12. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 677/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Verbot des Transportes von Kälbern bis zu einem Alter von 21 Tagen (1934 der Beilagen)

13. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Petition (PET-19) betreffend "Das Österreichische Tiertransportgesetz muß bleiben!", überreicht von der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic (1935 der Beilagen)

14. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Bürgerinitiative (BI-14) betreffend "Verbesserung des Vollzugs der Tiertransportgesetze" (1936 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Nunmehr rufe ich die Punkte 11 bis 14 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet, sodaß wir sogleich in die Debatte eingehen.

Als Erstredner ist Herr Abgeordneter Dr. Stefan Salzl zu Wort gemeldet, den ich hiemit zum Rednerpult bitte. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten. – Bitte.

20.13

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin heute in der Früh auf dem Weg ins Parlament an einem riesigen Plakatständer vorbeigefahren, von welchem bis vor wenigen Tagen Frau Stenzel heruntergelächelt hat. Jetzt ist dort ein riesiges neues weißes Plakat angebracht, auf dem folgendes steht: "Lug hin, Lug her – Hauptsach’, g’wonnen hamma! Ihre SPÖ."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, daß der gleiche Spruch auch auf die ÖVP passen würde, ist er geradezu symptomatisch für den Umgang und die Scheingefechte dieser beiden Fraktionen untereinander. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Er ist aber genauso symptomatisch für den Umgang dieser Regierung mit den Österreicherinnen und Österreichern!

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter. – Ich möchte darauf hinweisen, daß der Gebrauch von Handys im Sitzungssaal nicht gestattet ist. Ich bitte Sie, das zu beachten! – Danke.

Bitte fortzusetzen, Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Dr. Stefan Salzl (fortsetzend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Jahren, insbesondere seit dem EU-Beitritt, versucht man, die Bevölkerung hinters Licht zu führen, so geschehen auch beim Tierschutz und bei den Tiertransporten. Ich möchte das kurz in Erinnerung rufen, weil die ÖVP es anscheinend nicht mehr weiß.

Wir Freiheitlichen haben vor dem EU-Beitritt auch in diesem Bereich die Hausaufgaben eingefordert. Wir haben bereits damals auf die Notwendigkeit von umfangreichen Regelungen, und zwar für alle Tiertransporte, hingewiesen. Wir haben darauf hingewiesen, daß nicht nur die Tiertransporte auf der Straße, sondern auch jene auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft geregelt werden müssen.

Vor allem haben wir aber damals darauf hingewiesen, daß diese Regelungen in weiterer Folge in die Verhandlungen mit der EU einbezogen werden müssen, weil sie nur dann Bestand haben würden. Das wurde damals von der Regierung dementiert. Die Regierung hat gesagt: Unser Tiertransportgesetz wird selbstverständlich halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur wir Freiheitlichen, sondern auch viele Experten haben diese Meinung vertreten, so etwa Präsident Apel vom Deutschen Tierschutzbund, der damals zum Tiertransportgesetz-Straße ebenfalls gesagt hat, das wäre eine Mogelpackung und die Bundesregierung würde die Leute beschwindeln, wenn sie ihnen verspräche, daß dieses Tiertransportgesetz auch nach dem EU-Beitritt beibehalten werden könne.

Er hat davor gewarnt, daß in der EU lediglich wirtschaftliche Interessen und der freie Warenverkehr zählen und daß daher die EU die österreichischen Einschränkungen nicht akzeptieren und das Tiertransportgesetz-Straße aushebeln würde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie aber hat der damals Verantwortliche, nämlich der damalige Verkehrsminister Klima, reagiert? Er hat – ich habe das heute schon erwähnt – bei einem Tierschutzkongreß, natürlich kurz vor Nationalratswahlen, mit Strahlerlächeln persönlich erklärt, daß die freiheitlichen Behauptungen falsch seien, daß es sich hiebei um Unkenrufe handle und daß im übrigen er, Klima, dafür sorgen werde, daß das österreichische Tiertransportgesetz-Straße bleibe und nicht ausgehöhlt werde.

Mittlerweile ist aus dem Verkehrsminister Klima der Bundeskanzler Klima geworden, und wer erwartet hat, daß er sich an sein Versprechen erinnert und es auch einhalten wird, der wurde enttäuscht. Der EU-Ratsvorsitz wurde von Klima und Co zwar zum ausgiebigen Feiern genutzt, nicht aber dazu, die Situation des Tierschutzes und der Tiertransporte innerhalb der EU zu verbessern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Folge davon ist, daß leider Gottes unsere Befürchtungen Realität geworden sind und daß durch die Nicht-EU-Konformität unseres Tiertransportgesetzes dieses vom Europäischen Gerichtshof ausgehebelt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist jetzt mit Klimas großen Versprechungen? An diesem Beispiel wird wieder einmal deutlich, was von den Versprechungen dieser Bundesregierung, vor allem vor Wahlen, zu halten ist!

Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Salzl, Mag. Firlinger und Kollegen betreffend Verbesserung der Tiertransportbedingungen

Der Verkehrsausschuß wolle beschließen:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, geeignete Initiativen zu ergreifen, um die EU-Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport derart zu verändern, daß zumindest die alten Standards (6 Stunden/130 Kilometer) des österreichischen Tiertransportgesetzes-Straße wieder – für alle Transporte – in Kraft gesetzt werden können.

Die Bundesregierung wird weiters aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß die österreichischen Tiertransportgesetze mit aller Konsequenz vollzogen werden.

******

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Tierschutzgründen werden wir Freiheitlichen dieser Notreparatur des Tiertransportgesetzes heute zustimmen, um zu verhindern, daß "schwarze Schafe" unter den Transporteuren mit Tierleid weiterhin große Geschäfte machen können.

Gleichzeitig verlangen wir Freiheitlichen aber eine generelle Neuregelung der Tiertransporte, und zwar unter den Gesichtspunkten eines umfassenden Tierschutzes. Wir Freiheitlichen sind der Meinung: Tierschutz darf nicht der Geschäftemacherei geopfert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.20

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Parfuss. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.20

Abgeordnete Ludmilla Parfuss (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Herr Dr. Salzl, Sie wiederholen sich beim Schimpfen. Aber wir sind inhaltlich nicht weit auseinander, wir treffen uns manchmal, es gibt sehr wohl Übereinstimmungen.

Ich möchte kurz einige Erklärungen zum Problem vorausschicken. – Unser Tiertransportgesetz für Schlachttiere ist das strengste in Europa und, weit darüber hinaus, vielleicht überhaupt in der ganzen Welt; ich kann das nicht so genau beurteilen. Der Zeitraum des Transportes ist auf sechs Stunden beziehungsweise 130 Kilometer auf der Autobahn beschränkt, und es muß der nächstgelegene inländische Schlachthof angefahren werden, um Tierleid zu vermeiden.

Die EU-Richtlinie beinhaltet zwar bezüglich der Fahrtstreckendauer eine höhere Transportzeit, nämlich im Normalfall acht Stunden und bei Spezialfahrzeugen mit entsprechender Ausstattung für bestimmte Tierarten bis zu 24 Stunden. Diese Regelung – das muß man dazusagen – betrifft aber nicht nur Schlachttiertransporte, sondern auch Lebendtiertransporte, zum Beispiel von Rindern, Schafen, Schweinen, Ziegen und Einhufern. Das heißt, die Regelung ist beinahe strenger als in Österreich. Das muß man auch sehen.

Das Problem war, daß ein deutscher Fahrer bestraft wurde, weil er länger als sechs Stunden lang mit seinem Schlachttiertransport unterwegs war. Konkret war er schon 23 Stunden lang in Österreich unterwegs. Er hat in Kärnten berufen und weiters Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof beantragte beim EuGH eine Vorabentscheidung, und diese Vorabentscheidung besagt verkürzt, daß der Schutz der Gesundheit der Tiere auch durch weniger einschneidende Maßnahmen als durch die Verkürzung der Transportzeit erreicht werden kann, daß unser nationales Gesetz den freien Warenverkehr beschränkt und deshalb die Aufhebung nötig ist. – So weit, so schlecht.

Da ein Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht richtlinienkonform auszulegen ist, hatte Österreich Handlungsbedarf, nämlich die Pflicht zur Rechtsbereinigung. Somit bewegen wir uns bei Gemeinschaftstransportübertretungen im rechtsfreien Raum.

In unserem nationalen Transportgesetz gibt es keine Strafbestimmung wegen Übertretung der Richtlinie, weil es ja auf die nationale Situation abgestimmt ist. Mit diesem Gesetzesantrag, bei welchem ich den Eindruck hatte, daß alle fünf Parteien dafür waren, wird dieses Manko behoben. Das ist der erste formale Schritt, aber die nächsten werden folgen. Wir haben nie gesagt, daß das jetzige schon das absolut tolle und endgültige Gesetz sein wird.

Zum einen wird ein Entwurf für ein adaptiertes, EU-konformes Tiertransportgesetz folgen, welches einem hohen Tierschutzstandard entspricht. – Herr Dr. Salzl, ich bitte Sie, mir ein bißchen Ihre Aufmerksamkeit zu schenken! – Wir wollen ein solches Gesetz, und Herr Minister Einem hat im Ausschuß auch angekündigt, daß auf Ministerebene und im EU-Bereich Verhandlungen darüber aufgenommen wurden. Herr Minister Einem und auch Herr Minister Molterer haben sich diesbezüglich schon stark gemacht. (Abg. Dr. Salzl: Seit 1997 läuft ein Verstoßverfahren!)

Weiters glaube ich, daß wir – da gehe ich mit Ihnen konform, Herr Dr. Salzl – bestehende Vorschriften auch auf ihre Vollzugstauglichkeit prüfen müssen, denn es bestehen offensichtlich und eindeutig Rechtsunsicherheiten. Wir werden Gespräche mit Exekutivbeamten führen und werden dem auf den Grund gehen. Verbesserungen werden bestimmt möglich sein, und Sie werden wahrscheinlich auch damit einverstanden sein! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Salzl.)

Herr Dr. Salzl! Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, daß ein Bundestierschutzgesetz auch diesbezüglich hilfreich wäre, denn die Tierquälerei wird in den Ländern noch unterschiedlich geregelt. Daß Tiertransporte vom tierschützerischen Standpunkt aus abzulehnen sind, wird niemand bestreiten, in diesem Punkt gehen wir konform. Aber solange die Förderung für Lebendtiertransporte aufrecht bleibt und solange der Transport auf der Straße so wenig kostet, wird es quer durch Europa Tierverschiebungen geben. Daher müssen wir das Übel an der Wurzel anpacken, nämlich bei den Förderungen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.24

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige erzwungene Änderung des Tiertransportgesetzes, durch welche die Höchsttransportzeit von sechs Stunden aufgelassen wird, zeigt, daß sowohl auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene schwere Versäumnisse zu verzeichnen sind.

Österreich hat schon 1995, als die EU-Richtlinien diskutiert wurden, trotz einer Unterstützung durch den EU-Hauptausschuß viel zu wenig Druck in der Hinsicht gemacht, daß die österreichischen Gesetzesbestimmungen über die Dauer des Transportes auch auf europäischer Ebene übernommen werden konnten. Ich bin überzeugt, daß mit mehr Engagement die Erreichung von Ausnahmebestimmungen für Österreich betreffend die Beibehaltung seiner Regelungen durchaus möglich gewesen wäre, zumal im Vertrag von Amsterdam inzwischen ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen wurde, daß höhere Umweltstandards – und um solche handelt es sich hiebei – beibehalten werden können.

Hinweisen möchte ich auch darauf, daß ein noch größeres Problem als die Transportdauer die mangelhafte Ausstattung der Transport-LKW vor allem aus den Oststaaten darstellt. (Beifall beim Liberalen Forum.) Diese sind nicht mit ausreichenden Belüftungs-, Tränk- und Füttervorrichtungen ausgestattet. Diesbezüglich ist Handlungsbedarf gegeben, und darauf sollten die Herren Minister Einem und Molterer hinarbeiten, wenn sie sich für Änderungen der Richtlinien einsetzen.

Das europäische Urteil, welches uns zwingt, unser Tiertransportgesetz zu ändern, zeigt aber vor allem auch auf, daß die einzige Chance zur Beendigung der tierquälerischen Lebendtransporte in der Abschaffung der Subventionen für Lebendtransporte und in der verstärkten Förderung von Kühlfleischtransporten besteht. Darauf muß hingearbeitet werden. Diesbezüglich gehe ich mit Frau Kollegin Parfuss konform, die leider schon wieder nicht da ist, genausowenig wie beim vorigen Gesetz. Das tut mir leid, denn ich würde ihr gern auch einmal etwas Gutes sagen, so wie ich sie vorhin sehr gerne kritisiert hätte.

Leider ist all das kein Thema für EU-Kommissar Fischler. Er geht einen schlechten Weg, indem er die sogenannten Exporterstattungen von Lebendtransporten im vergangenen Herbst wieder um 8 Prozent erhöht hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Subvention von 10 000 S pro Lebendrind ist für die Exporteure ein lukratives Geschäft!

Ich schließe aus all dem, daß die EU noch keine funktionierende politische, sondern nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist. So richtig und sinnvoll die Förderung des freien Warenverkehrs ist, so befremdlich ist es, daß dieses Prinzip gerade auf die Lebendtiertransporte angewendet wird. Denn erstens sind fühlende Lebewesen davon betroffen, die keine Waren sind, und zweitens müssen diese Tiertransportrichtlinien und -gesetze ja nur deshalb erlassen werden, weil die Zahl der Tiertransporte aufgrund der Subventionen so zugenommen hat.

Meine Damen und Herren! Wenn heute die für uns geltenden EU-Richtlinien beschlossen werden müssen – ich sage bewußt: müssen –, dann hoffe ich zumindest, daß diese auch strenger kontrolliert werden. Denn in der Vergangenheit war auch das österreichische Gesetz mit der Sechsstundenregelung weitgehend ein sogenanntes Papiergesetz. Ich persönlich glaube den Tierschützern und den Institutionen, die uns das immer wieder vor Augen gehalten haben. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

20.28

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schwarzenberger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.28

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der heute in Behandlung stehende Initiativantrag zum Tiertransportgesetz-Straße betrifft die Strafbestimmungen, die an die EU-Richtlinien angepaßt werden.

Ich möchte vorausschicken, daß das österreichische Tiertransportgesetz-Straße zum Beispiel nicht betreffend die Sechs-Stunden-Beschränkung für innerösterreichische Transporte geändert wird. Dieser Punkt wird nach wie vor Gültigkeit haben, ebenso die Beschränkung auf 130 Kilometer auf Landes- oder Bundesstraßen beziehungsweise auf 260 Kilometer auf Autobahnen beziehungsweise auch die Bestimmung betreffend den nächstgelegenen Schlachthof.

Wir können in Österreich mit diesen Regelungen das Auslangen finden, weil der Wiener Schlachthof St. Marx, der in der Umgebung kein Einzugsgebiet hatte, aufgelassen worden ist und jeweils dort, wo sich Rinder- und Schweinehaltungsbetriebe befinden, in der näheren Umgebung genügend Schlachtbetriebe vorhanden sind.

Was dieses Gesetz aber neu regelt, ist die Anpassung der Strafbestimmungen an die EU-Richtlinien, und zwar hinsichtlich des Transits von ausländischen Frächtern, die durch Österreich fahren. Diesbezüglich gelten die EU-Richtlinien, und unsere Strafbestimmungen werden nun an diese EU-Richtlinien angepaßt.

Wir haben schon in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen – und der Europäische Gerichtshof hat uns in diesem Punkt recht gegeben –, daß unser Tiertransportgesetz bei diesen Bestimmungen nicht EU-richtliniengemäß ist und aus diesem Grund auch nicht vollzogen werden kann. Bundesminister Einem hat unseren Vorbringungen aber immer eine Absage erteilt, indem er erklärt hat, daß es sehr wohl durchführbar und EU-richtliniengemäß sei. Jetzt kann das saniert werden.

In diesem Tiertransportgesetz-Straße gibt es aber auch einen Artikel II, und ich bin besonders froh, daß wir diesen Bereich heute regeln können. Denn es bewirkt einen wesentlich schonenderen Tiertransport, wenn die Tiere etwa zu Versteigerungen, Pferdeveranstaltungen oder Ausstellungen mit PKW-Anhängern geliefert werden dürfen.

Das Problem bisher war, daß in der Regel das höchstzulässige Gesamtgewicht von 3 500 Kilogramm für PKW und Anhänger überschritten wurde und aus diesem Grund der Transport mit dem B- beziehungsweise F-Führerschein nicht möglich war. Trotzdem haben sehr viele Bauern ihre Tiere mit solchen Fahrzeugen transportiert. Leider ist es in der letzten Zeit zunehmend vorgekommen, daß bei Versteigerungen Gendarmeriebeamte die Bauern dann der Reihe nach abstraften.

Ich habe Informationen erhalten, daß zum Beispiel in Maishofen Strafen im Umfang von in Summe 50 000 bis 100 000 S eingehoben wurden. Dabei haben die Bauern nur versucht, die Tiere so schonend wie möglich zu transportieren, und dafür wurden sie bestraft. Es handelt sich hiebei vor allem um ältere Bauern, die zwar den B- und den F-Führerschein und somit die Prüfung über die gesamten Anhängerbestimmungen abgelegt haben, die aber trotzdem mit diesen PKW-Anhängern nicht fahren dürfen.

Ich bin froh, daß wir dieses Problem jetzt lösen, indem jeder, der mindestens drei Jahre lang einen B- und F-Führerschein und die entsprechende Praxis besitzt, zu diesem Zweck eine einfache praktische Prüfung ablegen kann. Man braucht nicht mehr die Computerprüfung für die Technik und das ganze Gesetz zu wiederholen, sondern nur eine einfache praktische Prüfung abzulegen, um den F-Führerschein ausgefolgt zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin froh darüber, daß diese Regelung ermöglicht wurde, weil wir damit wieder einen wichtigen Beitrag zu einer wesentlich schonenderen Durchführung des Tiertransports leisten können. Denn wenn ein Tier einzeln in einem PKW-Anhänger steht, dann ist das in der Regel kaum mit Tierquälerei verbunden, und auch an das Ein- und Ausladen haben sich die Tiere schon gewöhnt.

In diesem Block wird auch über den Antrag der Abgeordneten Petrovic abgestimmt, daß Kälber bis zu einem Alter von 21 Tagen nicht auf der Straße transportiert werden dürfen, und zwar mit der Begründung, daß österreichische Kälber in der Vergangenheit nach Frankreich geliefert worden wären. Diese Behauptung ist zwar nicht erwiesen, sie wurde aber immer wieder aufgestellt.

Ich möchte darauf hinweisen: Dieser Antrag ist in der Zwischenzeit längst überholt. In der Agenda 2000 ist die sogenannte Herodes-Prämie nicht mehr enthalten, sondern eine allgemeine Kälbermast-Prämie, für welche das Kalb mindestens einen Monat alt sein muß, höchstens sieben Monate alt sein darf und höchstens 160 Kilogramm Schlachtgewicht haben darf. Daher fallen diese Transporte ohnehin weg.

Wenn dargestellt wurde, daß Frankreich diese Aktion weiterführen will, allerdings mit nationalen Mitteln, dann möchte ich sagen: Die französische Regierung wird wirklich nicht so dumm sein, angesichts des derzeitigen Rinderkennzeichnungssystems – gemäß welchem innerhalb von sieben Tagen jedes Kalb gekennzeichnet werden und das auch bei der zentralen Stelle, der AMA, gemeldet werden muß – solche Kälber noch nach Frankreich zu transportieren und dies mit rein nationalen Mitteln zu finanzieren! EU-Mittel gibt es dafür nicht mehr, weil diese Aktion von der EU eingestellt wurde. Die Praxis, daß Franzosen ausländische Kälber auf diese Art und Weise entwerten, wird sicherlich der Vergangenheit angehören – falls solche Praktiken sich in Frankreich überhaupt jemals abgespielt haben sollten.

Ich möchte auf einen weiteren Bereich hinweisen: Es gibt sehr viele Bauern, deren Almen 20, 30 oder 40 Kilometer vom Hof entfernt liegen. Wenn dort im Herbst eine Kuh kalbt und das Kalb drei Wochen lang nicht nach Hause geliefert werden dürfte, dann wäre das eine Schikane! Oder wenn das Kalb dann zu Fuß nach Hause getrieben würde, wäre das eine Tierquälerei, und aus diesen Gründen ist dieser Antrag abzulehnen. Im Ausschuß wurde er schon abgelehnt, und deshalb ist auch im Plenum eine Ablehnung zu erwarten. (Beifall bei der ÖVP.)

20.35

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Moser. 10 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung werden angezeigt. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.35

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Problem betreffend Viehtransporte hat eine lange Geschichte und leider wahrscheinlich auch eine schmähliche Zukunft.

Es geht um EU-Subventionen für Tiertransporte, Subventionen, die nach wie vor gewährt werden, und das bietet natürlich einen Anreiz dafür, Lebendvieh zu transportieren. Es gab zwar bereits im Oktober 1997 im Europaparlament eine diesbezügliche Entschließung mit großer Mehrheit, um das Ende dieser Subventionen zu erreichen. Diese hatte jedoch letztlich keinen Erfolg. Es gibt nach wie vor diese Verarbeitungsprämie, die sogenannte Herodes-Prämie.

Wir fordern das endgültige Aus für diese Herodes-Prämie und stellen infolgedessen eine Reihe von Anträgen, zunächst einen Entschließungsantrag, der darauf abzielt, daß der Strafrahmen erhöht wird, sodaß es für die einzelnen Transporteure völlig unattraktiv wird, Lebendvieh in größerem Umfang zu transportieren.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend Schaffung eines Europäischen Abkommens über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen wegen Übertretung der Tiertransport-Bestimmungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die österreichische Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen der Europäischen Union einzutreten für die Schaffung eines Europäischen Abkommens über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen, die wegen Übertretung der Tiertransportbestimmungen (Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinie 90/425/EWG und 91/496/EWG, Ableitungsnummer L 340 vom 11. Dezember 1991, Seite 17, in der Fassung der Richtlinie 95/29/EG zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, Ableitungsnummer L 148 vom 30. Juni 1995, Seite 52, oder von Bestimmungen, mit denen die zitierte Richtlinie in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union umgesetzt wird, oder von Bestimmungen von Nicht-EU-Mitgliedern, die Regelungsgegenstände haben, welche denen der zitierten Richtlinie und ihrer Implementierungsnormen entsprechen) verhängt worden sind."

*****

Das ist unser Entschließungsantrag, der hiermit auch zur Abstimmung steht.

Weiters wollen wir, daß der vorgesehene Strafrahmen erweitert wird. Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend den Initiativantrag der Abgeordneten Parnigoni, Schwarzenberger, Parfuss Nummer 1092/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der im Titel genannte Initiativantrag (in der Fassung des Ausschußberichtes 1933 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Der bisherige Inhalt des Art. I erhält die Ziffernbezeichnung 2. Zuvor wird folgende Ziffer 1 eingefügt:

1. in § 16 Abs. 1 lautet der Strafrahmen:

,ist mit einer Geldstrafe von 10 000 S bis 20 000 S zu bestrafen.‘

In § 16 Abs. 2 lautet der Strafrahmen:

,ist mit einer Geldstrafe von 15 000 S bis 50 000 S zu bestrafen.‘

In § 16 Abs. 3 lautet der Strafrahmen:

,ist mit einer Geldstrafe von 50 000 S bis 250 000 S zu bestrafen.‘"

*****

Weiters wollen wir im selben Sinne einen Abänderungsantrag zum genannten Initiativantrag der Abgeordneten Parnigoni, Schwarzenberger und Parfuss einbringen, der lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend den Initiativantrag der Abgeordneten Parnigoni, Schwarzenberger, Parfuss Nummer 1092/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der im Titel genannte Initiativantrag (in der Fassung des Ausschußberichtes 1933 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Der bisherige Inhalt des Art. I enthält die Ziffernbezeichnung 3. Zuvor werden folgende Ziffern 1 und 2 eingefügt.

1. Der § 16 ist zu ergänzen um Abs. 7 (neu):

,(7) Bei Verdacht auf Vorliegen einer Verwaltungsübertretung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder auf Vorliegen einer strafbaren Handlung im Sinne des § 222 Strafgesetzbuch 1974 (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, sind die Organe der zuständigen Behörden und die im § 15 genannten Organe zur behördlichen beziehungsweise gerichtlichen Anzeige verpflichtet.‘

2. Der § 16 ist zu ergänzen um Abs. 8 (neu):

,(8) Liegt eine Zuwiderhandlung gegen § 5 Abs. 1 oder 2, § 6 Abs. 1, 2 oder 5, § 7 Abs. 1 oder 6 oder gegen § 8 vor, so sind die beförderten Tiere und das verwendete Tiertransportmittel zu beschlagnahmen. Zugleich ist zu verfügen, was mit den beförderten Tieren zu geschehen hat. Eine artgerechte Unterbringung hat auf Kosten des Verfügungsberechtigten zu erfolgen. Werden die Tiere im nächstgelegenen Schlachthof geschlachtet, so gelten sie als verfallen. Sämtliche dem Verfügungsberechtigten aus diesem Transportgeschäft erwachsenen Forderungen gehen auf das Land über, in dem die Verwaltungsübertretung begangen wurde; die daraus resultierenden Einnahmen sind für die in § 16 Abs. 2 genannten Zwecke zu verwenden.‘ "

*****

(Abg. Öllinger – demonstrativen Beifall spendend –: Das verdient einen Zwischenapplaus!)

Danke. – Weiters haben wir noch eine Abänderung zum genannten Initiativantrag einzubringen, die da lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend den Initiativantrag der Abgeordneten Parnigoni, Schwarzenberger, Parfuss Nummer 1092/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Initiativantrag (in der Fassung des Ausschußberichtes 1933 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Der bisherige Inhalt des Art. I enthält die Ziffernbezeichnung 1. Im Anschluß wird folgende Ziffer 2 eingefügt.

2. In § 17 ist Abs. 1 einzufügen:

"(1) Die Behörde ist verpflichtet, dem zuständigen Bundesminister zum Stichtag 31. März jedes zweiten Jahres beginnend mit 31. März 2000 einen Bericht über die in den beiden vergangenen Kalenderjahren auf der Grundlage dieses Gesetzes gesetzten Vollzugsmaßnahmen vorzulegen. Dieser Bericht hat insbesondere die Zahl der tatsächlich eingegangenen Anzeigen, Anzahl und Höhe der verhängten Strafen, jeweils nach Tatbeständen gegliedert, Anzahl und Erledigung von Rechtsmitteln und Verwendung der Strafgelder zu enthalten."

Die bisherigen Abs. 1 und 2 erhalten die Bezeichnung Abs. 2 und 3.

*****

Das ist notwendig, damit das Tiertransportgesetz-Straße im Hinblick auf die Wirksamkeit auch evaluiert wird. Es ist dann nämlich eine behördliche Berichtspflicht notwendig.

Zum Schluß bringe ich noch einen Abänderungsantrag zum vorgesehenen Initiativantrag ein, der darauf abzielt, die drohende Gefahr genauer zu definieren. Denn es besteht drohende Gefahr, wenn man die Transportdauer insgesamt überschreitet, und das ist im gegenwärtigen Gesetz zuwenig genau geregelt.

Der Antrag lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Petrovic, Freundinnen und Freunde betreffend den Initiativantrag der Abgeordneten Parnigoni, Schwarzenberger, Parfuss Nummer 1092/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Transport von Tieren auf der Straße (Tiertransportgesetz-Straße – TGSt), das Führerscheingesetz und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Initiativantrag (in der Fassung des Ausschußberichtes 1933 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Der bisherige Inhalt des Art. I erhält die Ziffernbezeichnung 3. Zuvor werden folgende Ziffern 1 und 2 eingefügt:

1. In § 13 Abs. 2 ist nach dem 1. Satz einzufügen:

"Die Überschreitung der in § 5 Abs. 2 vorgesehenen Transportdauer oder Transportstrecke gilt jedenfalls als drohende Gefahr."

2. In § 13 Abs. 2 2. Satz der geltenden Fassung ist die Wortfolge "falls erforderlich" ersatzlos zu streichen.

*****

Mit diesem Entschließungsantrag und diesen Abänderungsanträgen verfolgen wir ein Ziel: Wir wollen, daß die Tiere nicht länger leiden, vor allem nicht während des Transportes! (Beifall bei den Grünen.)

20.45

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die eben verlesenen fünf Anträge sind alle ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sigl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.45

Abgeordneter Robert Sigl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Antrag 1092/A beinhaltet neue Vorschriften, zu denen ich einige Gedanken anführen möchte.

So ist zum Beispiel zu Artikel II des Antrages anzumerken, daß dieser wesentliche Erleichterungen für Tiertransporte im landwirtschaftlichen Bereich bringen wird. Da Herr Abgeordneter Schwarzenberger schon ausführlichst über diese Lenkerberechtigungsänderung referiert hat, erspare ich mir aus Zeitgründen eine Wiederholung. Durch diese Neuregelung werden in Hinkunft Tiertransporte im landwirtschaftlichen Bereich rascher durchgeführt werden können, und damit wird der Streß der zu transportierenden Tiere verringert.

Aber nicht nur darin liegen die Vorteile der neuen Regelung. Meiner Ansicht nach haben die Änderungen auch entscheidenden Einfluß auf die Flüssigkeit des Straßenverkehrs. Das wird dazu beitragen, daß sich das Unfallrisiko, hervorgerufen durch riskante Überholmanöver mancher Verkehrsteilnehmer, reduzieren wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum zweiten: Vor fast zwei Jahren beschlossen wir hier im Hohen Haus nach langen und hart geführten Debatten die 0,5-Promille-Grenze im Straßenverkehr. Durch die große Teilnahme der Bevölkerung an dieser Diskussion und durch den unermüdlichen Einsatz einiger Initiativgruppen gelang es uns, die Senkung der Promillegrenze durchzusetzen. Obwohl manche Interessengruppen die gesetzliche Änderung betreffend Alkohol am Steuer als zu restriktiv ansahen, konnte ich mich damals wie auch heute dieser Auffassung aus Vernunftgründen nicht anschließen. Für mich gilt nach wie vor der Grundsatz: Der, der fährt, soll nicht trinken, und der, der getrunken hat, soll nicht fahren!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einstellung bezüglich Alkohol am Steuer ist aber nicht nur mit Vernunft begründbar, sondern auch mit Zahlen und Fakten. So gab es an den vergangenen Pfingstfeiertagen, an denen es traditionell zu erhöhten Zahlen von Straßenverkehrsteilnehmern kommt, weniger Verkehrsunfälle und zirka 6 Prozent weniger Anzeigen wegen Alkoholisierung als im Vorjahr, obwohl die Exekutive wesentlich mehr Alkotests durchführte als in den Jahren zuvor.

Das Sicherheitspaket, bestehend aus vermehrter Verkehrsüberwachung, Aufklärung und gesetzlichen Regelungen, greift – ganz im Gegensatz zu dem, was von vielen Lobbyisten prophezeit wurde. Aus diesem Grund befürworte ich auch den Art. III dieses Antrages meines sozialdemokratischen Kollegen Parnigoni, der eine erweiterte und restriktivere Bestimmung für alkoholisierte Fahrzeuglenker beinhaltet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch anmerken, daß die im Antrag 1092/A beinhalteten Bestimmungen uns ein Mehr an Sicherheit im Straßenverkehr bringen werden, es aber trotzdem in Zukunft weiterhin unsere Aufgabe sein muß, die Risikofaktoren im Straßenverkehr zu analysieren und zu minimieren. Forderungen wie "Schiene statt Verkehrslawine" oder betreffend den unverzüglichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind nicht nur Worthülsen, sondern entsprechen den Erfordernissen unserer schnellebigen Zeit. Aus diesem Grund gebe ich gerne meine Zustimmung zu diesem Antrag, und ich ersuche Sie, sich ihm ebenfalls anzuschließen! (Beifall bei der SPÖ.)

20.48

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wenitsch. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

20.48

Abgeordneter Robert Wenitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schwarzenberger! Sie versuchen wieder einmal, eine schmutzige Sache schönzureden, aber ich glaube, daß Sie damit keinen Erfolg haben werden!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahr ist, daß Hunderttausende Tiere unter unsäglichen Qualen und unvorstellbarem Leid täglich kreuz und quer durch Europa und die restliche Welt hin- und hertransportiert werden, damit Förderungen und Gewinne lukriert werden können. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bis zu 10 Prozent aller transportierten Tiere verenden während des Transportes aufgrund von Streß, Hunger und Durst, oder sie werden von ihren Artgenossen sogar zu Tode getrampelt, wenn sie bereits ermattet auf dem Boden liegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Haus eine Gourmetkommission eingesetzt, die sich um das leibliche Wohl der Abgeordneten Sorgen macht. Wenn es aber um Tierleid geht, dann vermisse ich dieses Engagement bei Ihnen allen! Das verstehe ich nicht ganz: Für uns brauchen wir eine Gourmetkommission, aber um diese Tiere, die täglich Qualen erleiden müssen, kümmert sich offenbar niemand hier in diesem Hohen Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage Sie wirklich, meine Kollegen: Wie tief muß ein Mensch überhaupt sinken, um bei solchem Elend weiterhin zuzusehen?! Kollege Sigl! Sie haben den Debattenbeitrag des Kollegen Schwarzenberger auch noch unterstützt. Ich muß Sie fragen: Tut Ihnen dabei nicht alles weh? Kennen Sie dieses Elend nicht? Haben Sie nicht schon in vielen Fernsehdokumentationen und Bilddokumentationen gesehen, was sich diesbezüglich in Europa und der restlichen Welt abspielt? Meinen Sie nicht, daß man dagegen einmal wirklich engagiert vorgehen sollte?! (Zwischenruf des Abg. Schwarzenberger. Alles andere ist uninteressant, Kollege Schwarzenberger. Dieses Tierleid gehört abgeschafft!

Meine Damen und Herren! Herr Minister oder Frau Minister! Sie, Frau Minister, können ja in diesem Fall nichts dafür, denn es betrifft ja Ihren Kollegen, der leider nicht da ist. Ich frage mich aber schon auch, wo Kollege Einem während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes war.

Warum haben Sie nicht dafür Sorge getragen, meine Damen und Herren von der Regierung, daß das österreichische Tiertransportgesetz europaweit umgesetzt wird, anstatt umgekehrt? Das frage ich mich schon. Wo war hier das Engagement der österreichischen Bundesregierung? Warum haben Sie da nicht die mediale Wirksamkeit ins Spiel gebracht, die Sie ja während des Ratsvorsitzes unbestritten hatten, aber anscheinend nur für sich persönlich genützt haben, meine Damen und Herren von der Regierung, um sich ins Bild zu rücken? (Abg. Tichy-Schreder: Wie der Schelm denkt, so ist er!) Warum haben Sie diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, um gegen das Tierleid oder für Maßnahmen gegen dieses Tierleid einmal europaweit und weltweit Aufmerksamkeit zu erzeugen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung hat aus ihrem Versagen bei den Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union nichts gelernt und auch während des Ratsvorsitzes weiterhin diesem unvorstellbaren Tierleid zugesehen, Tierleid, angesichts dessen vor allem einer Ihrer Vorgänger, nämlich der Vorgänger von Minister Einem – ich rede nicht von Ihnen, Frau Minister –, als ehemaliger Verkehrsminister, also unser jetziger Bundeskanzler Klima, der ja die Beitrittsverhandlungen für diesen Transitvertrag und so weiter geführt hat, schon damals hätte "schalten" müssen. Er hat schon damals versagt! Dieses Versagen, das damals leider Gottes stattgefunden hat, müssen wir jetzt gemeinsam in diesem Hohen Haus – und da fordere ich wirklich alle Kolleginnen und Kollegen, egal von welcher Fraktion, auf – wieder einmal reparieren, zum Schutz unserer Tiere!

Ich sage Ihnen noch einmal, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wenn wir noch etwas Ehrgefühl und etwas Mitleid mit diesen geschändeten Kreaturen haben, dann haben wir als österreichischer Nationalrat die Verpflichtung, alles daranzusetzen, daß dieser weltweite Tiertransport endlich einmal gestoppt wird (Beifall bei den Freiheitlichen), und zu sagen: Wir wollen für unsere Tiere etwas verändern!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird wenig nützen, wenn sich vielleicht der Herr Bundeskanzler mit seinem Haus- oder Hofhund medienwirksam den Zeitungen präsentiert und damit den Leuten quasi verkündet: Schaut her, welch ein Tierfreund ich bin!

Meine Damen und Herren! Da geht es um unsägliches Leid, und das haben wir zu bekämpfen. Es nützt – ich sage es noch einmal – nichts, sich mit einem Hofhund, so gern man ihn haben mag – ich habe Haustiere auch sehr gern; ich habe auch einen Hund –, mit einem Haushund (Abg. Steibl: Haus- und Hofhund!) zu präsentieren und vor der Öffentlichkeit den großen Tierschützer zu spielen. Das ist einfach zuwenig!

Meine Damen und Herren! Wir haben die Verpflichtung, mit all unseren Kräften bei der EU darauf hinzuwirken, daß dieses Tierleid gestoppt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.53

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Binder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

20.53

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wie schon erwähnt wurde, sind aufgrund eines EuGH-Urteiles inhaltliche Veränderungen des Bundesgesetzes über den Transport von Tieren auf der Straße notwendig.

Ziel dieser Veränderungen ist es, zumindest Überschreitungen festgelegter Transportzeiten auf nationaler Ebene bestrafen zu können, und deshalb sind entsprechende Strafbestimmungen im Tiertransportgesetz notwendig. Würde diese Veränderung nicht erfolgen, dann könnten Tiertransporte durch Österreich weiterhin unter Mißachtung jeglicher Bestimmungen über erlaubte Transportzeiten erfolgen, ohne daß man die Fahrer oder die Unternehmer dafür belangen könnte.

Weiters enthält dieser Antrag auch den Artikel II – ich würde meinen, das ist ein Zugeständnis an die Bauern – mit einer Ausnahmeregelung, bei der es ausschließlich um den Transport im Nahbereich und vor allem um einen rascheren und schonenderen Transport von Tieren geht, der nicht nur mit Zugmaschinen, sondern auch mit Anhängern durchgeführt werden kann.

Meine Damen und Herren! Festzuhalten ist, daß das österreichische Tiertransportgesetz hohe und strenge Standards enthält. Ich gebe meinem Vorredner darin recht, daß alle Bemühungen des Ministers darauf hinzielen, daß diese Standards im Gemeinschaftsrecht der EU Aufnahme finden und sich durchsetzen. Nur: Demokratie besteht nun eben einmal aus verschiedenen Meinungen und verschiedenen Zustimmungen, und es gilt daher, daran zu arbeiten.

Für uns Sozialdemokraten steht der Tierschutz im Vordergrund, und an Verbesserungen wird weiterhin gearbeitet. Ich denke auch, daß es beim Tiertransport nicht nur auf den zeitlichen Rahmen ankommen kann, sondern vor allem auch auf die Beschaffenheit der Transportmittel und auf noch viele andere Kriterien.

Deshalb begrüßen wir auch den in Aussicht gestellten weiteren Ausbau des Tiertransportgesetzes. Ich denke, daß die Vorschläge von Frau Kollegin Moser darin einfließen werden, im Interesse des Schutzes der Tiere. Denn Lebewesen können nicht auf die gleiche Weise behandelt werden wie irgendeine andere Ware. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.56

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Mag. Haupt. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

20.56

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zu den Ausführungen, die Kollege Schwarzenberger vorhin hier vom Rednerpult aus getroffen hat, einige Anmerkungen machen.

Herr Kollege Schwarzenberger! Wir sind selbstverständlich auch für die Neuregelungen im Führerscheinbereich, aber eines möchte ich Ihnen schon deutlich ins Stammbuch schreiben: Nicht jeder Transport mit einem Autoanhänger ist unbedingt tierfreundlicher, wenn nicht auch der Autoanhänger dazu geeignet ist. Ich bitte Sie, in der Zukunft bei neuen Änderungen der Tiertransportgesetze auch auf das Rücksicht zu nehmen, was die EU ohnehin schon vorhat und was auf EU-Ebene ohnehin schon geplant ist, nämlich auch für eine entsprechende tiergerechte Ausstattung des Transportmittels zu sorgen und nicht nur die Möglichkeit des Autofahrers als solche zu berücksichtigen.

Herr Kollege Schwarzenberger! Ich glaube darüber hinaus, daß niemand hier im Hohen Hause es bedauern wird, daß die Herodes-Prämie abgeschafft ist. Zwei Dinge sollte man aber, was den Transport von Kälbern gerade in den ersten drei Lebenswochen betrifft, hinzufügen.

Sie haben einerseits das Problem mit der Almhaltung und den Tiertransporten nach Hause gerade auch zum Beispiel bei Schlechtwettereinbrüchen und ähnlichen Dingen ins Treffen geführt. Man sollte aber auf der anderen Seite auch nicht vergessen, daß einige dieser Tiertransporte, die im jugendlichen Alter durchgeführt werden, auch durchaus kritisch betrachtet werden sollten, weil damit nachweislich Tierseuchen von einem Betrieb in den anderen transportiert werden und daher von manchen "schwarzen Schafen" in der Branche gerade diese Frist für den Transport von Kälbern genutzt wird, um gerade bei obskuren neuen Rassen, die besonders anfällig sind, etwa Paratuberkulose und andere Erkrankungen über ganz Österreich zu verbreiten.

Dies ist zwar ein Punkt, der nicht unmittelbar zum Thema Tiertransport gehört, der aber gerade im Zusammenhang mit der 21-Tage-Frist und mit dem Antrag von Frau Kollegin Petrovic bei einer umfassenden Debatte durchaus auch releviert werden sollte.

Es kann nicht abgestritten werden, daß der vorliegende Entwurf und die österreichischen Regelungen, soweit sie den Inlandsverkehr betreffen, in der vorliegenden Form auch die Zustimmung von uns Freiheitlichen erhalten. Aber wir Freiheitlichen haben nie übersehen, daß das Tiertransportgesetz-Straße alleine für uns nicht umfassend genug ist und daß auch die Tiertransporte per Flug oder Schiff europaweit dringend einer entsprechenden Regelung bedürfen. Wir meinen, daß auch in diesen Bereichen die Mißstände endlich abgestellt werden sollen.

Wenn Sie meinen, daß mit den 240 Kilometern und den 130 Kilometern in Österreich, die nach wie vor gelten, das Auslangen zu finden ist, so glaube ich auch, Herr Kollege Schwarzenberger, daß durchaus Überlegungen dahin gehend angestellt werden sollten, das zu schaffen, was ehemals im Wiener Schlachthof bestanden hat, nämlich entsprechende Schlachtungseinrichtungen in Österreich auch für die Religionsgemeinschaften des Islam und jene des mosaischen Glaubens. Dadurch würde dann, so ähnlich wie in Schweden, der Tiertransport von Schlachtrindern und Schlachttieren für beide Religionsgemeinschaften unnötig, und auch der katastrophale Schifftransport wäre nicht mehr notwendig. Dies wäre eigentlich ein Gebot der Stunde.

Bemühungen in diese Richtung wurden aber von seiten der Österreicher immer negiert. Ich glaube aber, daß hiezu noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, sondern daß gerade die Schaffung von Schlachteinrichtungen in Österreich für diese beiden Glaubensgemeinschaften ein entsprechendes Zeichen wäre, das Tierleid und den Tiertransport deutlich einzuschränken. Die Libyen-Transporte etwa und gerade die Verlademethoden in Genua, im EU-Land Italien, sind ja ein beredtes Beispiel und ein Kritikpunkt.

Ich meine daher, daß wir dieses Thema heute nicht abgeschlossen haben, daß wir einen Etappenschritt gemacht haben, daß aber eine umfassende Regelung noch ins Haus steht. Ich hoffe, daß man – und dies gilt vor allem für die zuständigen österreichischen Minister – auf europäischer Ebene endlich tätig wird, denn der Zeitraum, den man zur Regelung dieser Problematik braucht, ist für mich und für viele Tierschützer schon zu lange. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.00

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt kein Schlußwort seitens des Berichterstatters.

Wir kommen nun zum Abstimmungsverfahren, und ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt wird.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1933 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen Zusatzanträge eingebracht.

Wir werden daher zunächst über die erwähnten Zusatzanträge und schließlich über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschußberichtes abstimmen.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Ziffer 1 in Art. I betreffend die Strafrahmen in § 16 sowie die notwendige Ziffernbezeichnung vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 1 und 2 in Art. I betreffend § 16 Abs. 7 und 8 sowie die notwendige Ziffernbezeichnung vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben einen weiteren Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung neuer Ziffern 1 und 2 in Art. I betreffend § 13 Abs. 2 sowie die notwendige Ziffernbezeichnung vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Die Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht, der die Einfügung einer Ziffer 2 in Art. I betreffend § 17 sowie die notwendige Ziffernbezeichnung vorsieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang, nun in der Fassung des Ausschußberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies geschieht stimmeneinhellig, daher angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung die Zustimmung geben wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies erfolgt einhellig. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Stefan Salzl und Genossen betreffend Verbesserung der Tiertransportbedingungen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Petrovic und Genossen betreffend Schaffung eines europäischen Abkommens über die Vollstreckung von Verwaltungsstrafen wegen Übertretung der Tiertransport-Bestimmungen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit, daher abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1934 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1935 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie den Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Der Bericht ist damit zur Kenntnis genommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1936 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

So Sie auch diesen Bericht zur Kenntnis nehmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Damit ist dieser Bericht zur Kenntnis genommen.

15. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 857/A der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG 1997), BGBl. I Nr. 120/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 2/1998, geändert wird (1937 der Beilagen)

16. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 858/A (E) der Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und Genossen betreffend Einführung eines Gutpunkteführerscheins (1938 der Beilagen)

17. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 933/A (E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Genossen betreffend rasche Einführung des Punkteführerscheins (1939 der Beilagen)

18. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Entschließungsantrag 888/A (E) der Abgeordneten Ing. Wolfgang Nußbaumer und Genossen betreffend die Änderung des Übereinkommens von Wien über den Straßenverkehr zwecks Schaffung international verbindlicher strenger Abgasvorschriften (1940 der Beilagen)

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich rufe nun die Punkte 15 bis 18 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Firlinger. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.05

Abgeordneter Mag. Reinhard Firlinger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Angesichts der vorgeschrittenen Stunde werde ich mich auf ein grundsätzliches Statement zum Punkteführerschein (Abg. Dr. Karlsson: 9 Uhr am Abend ist eine "vorgeschrittene Stunde"?) – na ja, es ist schon relativ viel debattiert worden, aber lassen wir das, ich habe nicht so viel Zeit, Frau Kollegin, jetzt darüber mit Ihnen zu diskutieren – beschränken: Für die Freiheitlichen kommt die Einführung eines Punkteführerscheins nicht in Frage (Beifall bei den Freiheitlichen), egal ob dieses Modell "Punkteführerschein" oder "Gutpunkteführerschein" oder "Minuspunkteführerschein" oder wie auch immer heißt, denn es hat in der bisherigen Diskussion über dieses Thema die Sachlichkeit gefehlt, die Debatte wurde viel zu emotional geführt, und es sind auch die Motive dafür ganz klar erkennbar.

Auf der linken Reichshälfte – namentlich bei den Grünen, bei den Liberalen und bei Teilen der SPÖ – ist die Motivation klar: Man will einen Schritt nach dem anderen setzen, um dem Autofahrer das Autofahren madig zu machen und zu verleiden. Daher ist man hier sehr kreativ im Erfinden ... (Abg. Parnigoni: ... was die SPÖ macht!) Ich habe gesagt: In Teilen der SPÖ ist man sehr erfinderisch, wenn es darum geht, einen Schritt nach dem anderen zu setzen, um nur ja die Autofahrer am Gängelband zu halten. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es gibt ausgesprochen negative Erfahrungen mit dem Flensburger Modell. Ich möchte nur eine davon nennen: Die Frage des "gläsernen" Menschen ist bisher in die Diskussion überhaupt nicht eingebracht worden. Es gibt viele Bedenken deutscher Verfassungsrechtler, die sagen, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß es bei jemandem, der einmal aufgrund eines verkehrsstrafrechtlichen Deliktes ein Verfahren hatte und in der Kartei in Flensburg registriert wurde, zu Benachteiligungen in laufenden Auseinandersetzungen vor der Justiz komme. Da gibt es viele warnende Stimmen. Solche Stimmen gehen mir in Österreich ab.

Zweiter Punkt: Ich glaube, daß man die bestehenden Gesetze nur gut und ordentlich vollziehen muß, dann erübrigt sich jede Diskussion um die Notwendigkeit eines Punkteführerscheins. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Binder. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.08

Abgeordnete Gabriele Binder (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Zum Thema Punkteführerschein einige Bemerkungen: Tatsache ist, daß dieser Punkteführerschein keine österreichische Erfindung ist, sondern daß er in verschiedenen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Frankreich, Deutschland, Großbritannien oder Kanada, schon Realität ist und daß in diesen Ländern schon Effizienzstudien vorliegen, die über die Auswirkungen und Erfahrungswerte Aufschluß geben.

Meine Damen und Herren! In Österreich wurde im Verkehrsministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, und diese hatte den Auftrag, ein Modell zu erarbeiten. Tatsache ist, daß laut einer im Jahre 1998 durchgeführten IMAS-Umfrage 61 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher für die Einführung des Punkteführerscheins sind. Tatsache ist aber auch, daß es die unterschiedlichsten Stellungnahmen und Meinungen zu den erarbeiteten Vorschlägen gab und gibt. Ich bin aber der Meinung, meine Damen und Herren, daß ein Punkteführerschein nur bei einer hohen Akzeptanz seitens aller Interessensgruppen und aller Autofahrer umsetzbar sein wird. Deshalb ist es notwendig, daß ein breiter Konsens gefunden wird, und das ist vor allen Dingen auch das Ziel des Verkehrsministers.

Unterstützend möchte ich in diesem Zusammenhang auf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Parnigoni und Mag. Kukacka betreffend die Einführung des Punkteführerscheins hinweisen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Da steht ja nichts drinnen!)

Meine Damen und Herren! Tagtäglich passieren verheerende Unfälle, die tragische Schicksale und viel Leid zur Folge haben – wir werden damit ja konfrontiert –, und diese Unfälle werden vor allem durch den Straßenverkehr verursacht. Jede Maßnahme, die Unfälle reduziert, verhindert, vermeidet, ist deshalb zu begrüßen. (Beifall bei der SPÖ.) Für jene Gruppe, die sich nicht an Verkehrsregeln hält und für die im Straßenverkehr das Recht des Stärkeren gilt, müssen unbedingt Konsequenzen gezogen werden. Ich möchte darauf hinweisen, daß in Fachkreisen die Einführung des Punkteführerscheins als Beitrag zur Hebung der Sicherheit im Straßenverkehr gesehen wird, durch welchen die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten um bis zu 8 Prozent verringert werden kann. Internationale Erfahrungen zeigen im wesentlichen, daß die generalpräventive Wirkung weitaus größer ist als Strafmaßnahmen allein und daß die Wirkung einer Punkteeintragung zwei Drittel der davon betroffenen Lenker dazu anhält, nach einer erstmaligen Punkteeintragung ihr Fehlverhalten zu ändern.

Genau darin besteht auch das Ziel. Es geht um eine Lösung, die ein sogenanntes Bewährungssystem darstellt, ein brauchbares Instrumentarium im Sinne von mehr Verkehrssicherheit zur Verfügung stellt und vor allem mehr Schutz für alle VerkehrsteilnehmerInnen gewährleistet.

Ich bin überzeugt davon, meine Damen und Herren, daß das mit einem brauchbaren Modell des Punkteführerscheins erreicht wird und daß dies auch in unser aller Interesse sein muß. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.11

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Barmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.12

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst auf den Antrag 857/A eingehen, der den Umstand betrifft, daß man ein von einem Arzt erstelltes Gutachten vorzulegen hat, der im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde in die Ärzteliste eingetragen ist, wenn man bestimmte Führerscheine erwerben will. Es ist unserer Meinung nach nicht einzusehen, warum das ein Arzt aus dem örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, bei der man diesen Schein vorlegen muß, sein muß, sondern wir meinen, daß es ausreichen würde, wenn man dieses Gutachten von einem Arzt bekäme, der in die Ärzteliste eingetragen ist, unabhängig davon, in welchem örtlichen Wirkungsbereich einer Behörde dieser Arzt angesiedelt ist. Schließlich geht es ja um den Inhalt dieser ärztlichen Bescheinigung und weniger darum, daß der Arzt quasi Tür an Tür mit der Behörde wohnt.

Dieser Initiativantrag zum Führerscheingesetz hat aber leider nicht die Zustimmung der Regierungsfraktionen gefunden, auch nicht die Zustimmung der Freiheitlichen, was wir sehr bedauern, weil es dabei um eine Maßnahme geht, die eine Liberalisierung im Wirtschaftsbereich bedeutet, und es nicht einzusehen ist, warum aus unsachlichen Gründen solche Erschwernisse geschaffen werden.

Wir haben aber darüber hinaus, meine Damen und Herren, auch einen § 27-Antrag im Ausschuß vorliegen gehabt, bei welchem es darum ging, daß es eine Liberalisierung im Bereich der Fahrschulen geben muß. Auch Herr Abgeordneter Kukacka weiß natürlich, daß er gemeinsam mit Herrn Abgeordnetem Firlinger dann, wenn es im Bereich der Verkehrssicherheit um wirkliche Maßnahmen gegangen ist (Unruhe bei der ÖVP sowie bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen), bisher immer zu den Bremsern gehört hat, daß er hingegen dann, wenn es darum ging, die Raser einzubremsen, eher auf dem Gaspedal gestanden ist.

Daher meinen wir, daß in diesem Bereich noch einiges zu tun ist. Die steigenden Unfallzahlen beweisen ja, daß die Verkehrssicherheit in Österreich wieder nachläßt. Wir sind aber der Auffassung, daß gerade Schritte im Bereich der Liberalisierung der Fahrschulen dazu führen könnten, daß die Ausbildung für Fahrschülerinnen und Fahrschüler billiger wird und daher auch besser werden kann, weil die Fahrschüler dann etwa mehr Stunden nehmen können.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Thomas Barmüller und weiterer Abgeordneter betreffend Schritte der Liberalisierung im Bereich der Fahrschulen

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird ersucht, eine Regierungsvorlage betreffend Novellierung der Bestimmungen über die Voraussetzungen für den Betrieb einer Fahrschule und für die Berechtigung, als FahrschullehrerIn zu unterrichten, zu erarbeiten und dem Nationalrat bis 30. Juni 1999 zu übermitteln.

Diese Regierungsvorlage hat insbesondere folgende Bestimmungen zu enthalten:

(1) Fahrschulen können, sofern nachweislich die sachlichen Voraussetzungen gegeben sind, von jeder natürlichen und juristischen Person und an jedem österreichischen Standort betrieben werden.

(2) BewerberInnen um eine Lenkberechtigung und BesitzerInnen einer Lenkberechtigung dürfen im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule nur durch geprüfte FahrschullehrerInnen und FahrlehrerInnen aus- und weitergebildet werden.

(3) FahrschullehrerInnen und FahrlehrerInnen wird als Nachweis des Vorliegens der entsprechenden persönlichen Voraussetzungen und für das erfolgreiche Ablegen einer entsprechenden Lehrbefähigungsprüfung ein FahrschullehrerIn- bzw. FahrlehrerInausweis ausgestellt.

(4) Der Besitz eines gültigen Ausweises und eines gültigen Führerscheins sind die hinreichenden Voraussetzungen für die Berechtigung, als FahrschullehrerIn oder FahrlehrerIn Unterricht für die entsprechenden Fahrzeugklassen oder Unterklassen zu erteilen."

*****

Wir haben deshalb vom 30. Juni gesprochen, meine Damen und Herren, weil das etwas ist, was etwa Herr Bundeskanzler Klima schon vor über zwei Jahren, nämlich bei seinem Amtsantritt als Bundeskanzler, versprochen hat, was aber die große Koalition bis heute schuldig geblieben ist.

Weil wir in diesem Bereich natürlich die beharrenden Interessen kennen, legen wir auch weitere Punkte vor, die zum Entschließungsantrag gehören. Diese Regierungsvorlage, von der wir wollen, daß sie noch bis 30. Juni in diesem Haus vorgelegt wird, sollte insbesondere beinhalten, daß jede natürliche und jede juristische Person an jedem österreichischen Standort eine Fahrschule betreiben kann, daß im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule FahrschullehrerInnen und FahrlehrerInnen aus- und weitergebildet werden können und daß diesen solcherart weitergebildeten FahrschullehrerInnen und FahrlehrerInnen ein Ausweis ausgestellt wird – derzeit muß das nämlich die Behörde machen, es darf nicht von der Schule selbst gemacht werden – und daß dann dieser Ausweis und die gültige Lenkerberechtigung bereits ausreichen, um als FahrschullehrerIn oder als FahrlehrerIn tätig sein zu können. Das ist derzeit überbordend bürokratisiert – der Ausweis muß von der Behörde ausgestellt werden, die Ausstellung muß von der Fahrschule beantragt werden – und dient in Wahrheit dazu, sicherzustellen, daß FahrlehrerInnen und FahrschullehrerInnen auf dem Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen können, sondern immer von den Fahrschulen abhängig sind. Sie sind so quasi an die Scholle gebunden wie früher die Bauern, und das wollen wir Liberalen abstellen, weil wir das für ein völlig inadäquates Mittel halten.

Der Entschließungsantrag, der von den Regierungsparteien zum Punkteführerschein eingebracht worden ist und der da lautet, daß die Arbeiten für den Punkteführerschein im Rahmen der Expertengruppe fortzuführen seien und ein unter allen eingebundenen Gruppen akkordierter Gesetzentwurf ehebaldigst dem Nationalrat zuzuleiten ist, ist in Wirklichkeit ein Hinhalteantrag, denn es hat von den Regierungsparteien bisher keine Fortschritte in Sachen Punkteführerschein gegeben.

Die Liberalen haben ein Gutpunkteführerschein-Modell vorgeschlagen und einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht, der insbesondere gewährleisten würde, daß die Eigeninitiative der Menschen gefördert wird, daß man noch etwas für seine Verkehrssicherheit und die Steigerung der Verkehrssicherheit tun kann, bevor etwas passiert. Der Regierungsantrag, der ein Schlechtpunkteführerschein ist, greift ja eben erst dann, wenn etwas passiert ist. Hier wählen wir einen anderen Weg.

Ich teile nicht die Auffassung von Herrn Abgeordnetem Firlinger, der da meint, jedes Punkteführerscheinmodell sei so quasi "für die Fische". Tatsache ist vielmehr, daß gerade mit dem Punkteführerschein-Modell den überhöhten Geschwindigkeiten und dem mangelnden Abstandverhalten, die ja zurzeit die primären Unfallursachen in Österreich sind, Einhalt geboten werden kann. Das würde eine Steigerung der Verkehrssicherheit bedeuten.

Deshalb, meine Damen und Herren, drängen wir darauf, daß wir einen Punkteführerschein bekommen, denn dann haben wir die Möglichkeit, pro Jahr 150 Menschenleben auf Österreichs Straßen zu retten. Daß Herr Abgeordneter Firlinger und Herr Abgeordneter Kukacka uns darin nicht unterstützen wollen, werden wir wohl zur Kenntnis nehmen müssen. Vielleicht gibt es aber nach dem 3. Oktober in diesem Haus eine Mehrheit vernünftiger Menschen, die 150 Menschenleben nicht einfach mit einer Handbewegung vom Tisch wischen. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

21.17

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Entschließungsantrag ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Kukacka. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.18

Abgeordneter Mag. Helmut Kukacka (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich halte nichts davon, den Punkteführerschein grundsätzlich und von vornherein abzulehnen, ohne bereit zu sein, auch über konkrete Inhalte und über die Gestaltung eines solchen Punkteführerscheines zu diskutieren. Davon halte ich nichts. Das ist eine unseriöse Politik, die vor allem nicht anerkennt, daß es hier auch darum geht (Abg. Mag. Firlinger: Wer hat denn vor zwei Jahren ...?), Verletzte, Tote und Unfälle in Zukunft zu vermeiden. Wir werden uns jedenfalls dieser Diskussion grundsätzlich nicht verschließen.

In diesem Sinne sind wir auch bereit, über den Antrag des Liberalen Forums zu diskutieren. Er soll auch ein Thema der Expertendiskussion sein, alle guten Ideen sollen aufgegriffen und diskutiert werden. Der Ball liegt jetzt, wie gesagt, beim Verkehrsministerium und bei der von ihm eingesetzten Expertenrunde.

Im übrigen halte ich es aber in dieser Frage mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, das gesagt hat, sie spreche sich beim Punkteführerschein gegen eine Husch-Pfusch-Lösung aus. (Abg. Dr. Schmidt: Es spricht sich dagegen aus!) Es war deshalb auch dagegen, daß dieser Punkteführerschein noch vor dem Sommer, also in dieser Legislaturperiode, beschlossen werden soll. Das ist eine vernünftige Position, denn wir wissen, daß wir gerade bei den Verkehrsgesetzen in dieser Legislaturperiode – ich denke etwa an das Führerscheingesetz – auch gewisse Fehler – um das sehr vorsichtig auszudrücken – begangen haben. Es hat an diesem Gesetz massive Kritik gegeben, weil zu rasch vorgegangen wurde, weil zu wenig darauf geachtet wurde, ob dieses Gesetz von den Experten draußen in den Bezirkshauptmannschaften auch entsprechend umgesetzt und vollzogen werden kann, und wir haben dann diese öffentliche Kritik auch zu ertragen gehabt.

Das soll uns in dieser wesentlichen Frage auf keinen Fall mehr passieren, und deshalb ist es wichtig, dieses Problem umfassend, sachlich und unter Beiziehung von Experten zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte fest, daß wir grundsätzlich gesprächsbereit sind, aber selbstverständlich Voraussetzungen an die Einführung eines Punkteführerscheins knüpfen. Das heißt: Wir wollen, daß der Punkteführerschein nur schwere Verkehrsdelikte und keine Bagatelldelikte umfassen darf. Er muß auf die Eliminierung von notorischen Wiederholungstätern abzielen, darf aber den durchschnittlichen Autofahrer nicht kriminalisieren. Das ist ein wesentlicher Grundsatz! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Barmüller.)

Er darf auch keinen unverhältnismäßigen Bürokratieaufwand verursachen und den Ländern, Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeidirektionen, die ja für die Administration und Umsetzung zuständig sein werden, keine unzumutbaren Kosten aufbürden.

Schließlich muß vor einer Punktevergabe auch die Gefährlichkeit der Übertretung im Verwaltungsstrafverfahren konkret geprüft werden. Das heißt: Diese Punkte dürfen nicht einfach schematisch vergeben werden, sondern es muß auch individuell geprüft werden, ob ein solches Delikt unter gefährlichen Verhältnissen passiert, etwa derart, daß auf einer unübersichtlichen Strecke überholt wird. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man zum Beispiel ein formales Delikt begeht. Uns geht es also darum, daß mit einer Punktevergabe immer auch eine ganz konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein muß.

Das bisherige System der Führerscheinentziehung enthält auch keine Anreize für betroffene Lenker, durch den freiwilligen Besuch von Verhaltenskursen und Einstellungstrainings ihr offensichtlich gestörtes Verhältnis zum Verkehr zu verbessern. Daher müssen Entziehungszeiten zum Beispiel durch entsprechende Einstellungstrainings, Nachschulungskurse, Trainingskurse et cetera verkürzt werden können.

Meine Damen und Herren! Niemand soll aber glauben, daß der Punkteführerschein ein Patentrezept gegen Verkehrsunfälle ist und daß damit automatisch und schlagartig die Zahl der Unfälle und die Zahl der Verkehrstoten sinken werden. Es ist schon einmal versucht worden, uns das weiszumachen, und zwar in der 0,5-Promille-Debatte. Die heutige Unfallbilanz spricht eine andere Sprache: Im vorigen Jahr ist die Zahl der Unfälle und die Zahl – vor allem durch Alkoholunfälle verursachten – Verkehrstoten noch deutlich zurückgegangen; im heurigen Jahr stellen wir bereits wieder ein klares Ansteigen dieser Zahlen fest.

Damit ist genau das eingetreten, was ich bereits vor eineinhalb Jahren hier von diesem Rednerpult aus gesagt habe und was auch durch internationale Studien sowohl in Schweden als auch in Holland bestätigt worden ist, nämlich daß die Einführung der 0,5-Promille-Grenze kurzfristig einen Rückgang bei den Alkoholfahrten bewirkt hat, bis eben die Autofahrer festgestellt haben, daß die Exekutive nicht in der Lage ist, dieses Gesetz entsprechend durchzusetzen, da weder ausreichend Personal noch entsprechende Ausrüstung vorhanden ist. Ein Anstieg auf das alte Niveau war die Folge, und das ist auch bei uns jetzt bereits eingetreten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Parnigoni – in Richtung der Abg. Tichy-Schreder –: Haben Sie auch geklatscht? Das wird eine Hetz für die Wirtschaft werden ...!)

Es gibt – damit komme ich zum Schluß meiner Ausführungen – vor allem drei Risikogruppen. Die Promille-Trinker über 0,8 Promille sind diejenigen, die heute die Alkoholunfälle verursachen. Noch immer liegt der Mittelwert bei den Alkoholunfällen bei 1,2 Promille, aber nicht irgendwo im Bereich von 0,5 Promille und 0,8 Promille.

Aber ein anderes Gefährdungspotential sind die Drogenkonsumenten, und darauf möchte ich noch zu sprechen kommen. Ein Wort zum Thema Drogen im Straßenverkehr: Wir stellen fest, daß – sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland – 10 Prozent aller Unfälle von Lenkern verursacht werden, die unter Drogen stehen. In der Bundesrepublik ... (Abg. Ing. Langthaler: 0,5 Promille Alkohol!) Die sind da nicht inkludiert. Gegen diese haben wir ja auch schon entsprechende Maßnahmen getroffen. (Abg. Ing. Langthaler: Gegen Widerstand von Ihnen!) Aber ich weiß: Immer wenn es um Drogen geht, wollen Sie davon nichts wissen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Langthaler: O ja! – Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Sie haben sich in dieser Frage wieder ganz klar deklariert. Wir jedenfalls wollen dagegen etwas unternehmen. Es wurde ein diesbezüglicher Initiativantrag von der Volkspartei hier in diesem Hause eingebracht. Leider ist die SPÖ bis jetzt nicht bereit gewesen, bei unserem Initiativantrag mitzugehen, und deshalb ist in dieser Legislaturperiode diesbezüglich auch nichts geschehen. (Abg. Dr. Pumberger: Warum habt ihr das abgelehnt?)

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir vor rund einem Jahr – am Ende der lange währenden Beratungen des Ausschusses für Verkehrssicherheit, der zu diesem Thema tagte – beschlossen haben, daß der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr sowie der Bundesminister für Justiz ersucht werden, ein praxistaugliches Prüfverfahren für die Kontrolle von Drogen und Medikamenten im Straßenverkehr zu entwickeln und darauf aufbauend eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen. Ich bedauere sehr, meine Damen und Herren, daß dies aufgrund des Widerstandes auch in diesem Haus bisher nicht zustande gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pumberger: Widerstand auch der ÖVP!)

21.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.26

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh darüber, daß die Frau Sozialministerin jetzt anwesend ist, denn Verkehrsunfälle und der Punkteführerschein sind Belange, die sehr wohl soziale Komponenten haben, die sich speziell auf die soziale Gruppe von jungen Autofahrern männlicher Natur konzentrieren, die aufgrund ihrer Psyche anscheinend nicht in der Lage sind, sich entsprechend den Regeln der Verkehrssicherheit zu verhalten. Das ist ein soziales Phänomen.

Ich möchte nicht sagen, daß der Punkteführerschein den Autofahrern das Autofahren generell sozusagen madig macht. Im Gegenteil: 98 Prozent der Autofahrer halten sich an die Verkehrsregeln, fahren korrekt und müssen infolgedessen geschützt werden vor jenen 2 Prozent, die sich nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen halten, die sich nicht an Alkohollimits halten und die sich nicht an allgemeine Straßenverkehrsregeln halten. Wir müssen hier im Plenum die Mehrheit der Autofahrer unterstützen und stärken! (Beifall bei den Grünen.)

Insofern muß diese Mehrheit der Autofahrer auch mittels eines Punkteführerscheins geschützt werden. Keine Frage! Es gilt, Verkehrssicherheitspolitik für die Mehrheit der Autofahrer zu machen. Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Kollege Kukacka, wenn Sie meinen, daß wir mehr Kontrolle brauchen und daß wir sowohl beim Personal als auch beim Gerät eine bessere Ausstattung brauchen. Wir haben wiederholt einen Antrag eingebracht, in welchem gefordert wurde, daß bis zu 50 Prozent der Strafgelder dazu benützt werden, das Personal besser auszustatten und insgesamt mehr Gendarmerieposten einzurichten beziehungsweise mehr Gendarmen einzustellen, um die Durchführung der Kontrollmaßnahmen voranzutreiben.

Wenn Sie sich bei den Fachleuten und Sachverständigen erkundigen, dann können Sie erfahren, daß in der Liste der im Verkehr unfallträchtigen Verhaltensweisen die Geschwindigkeitsüberschreitung weit vorne rangiert. Die Drogensüchtigkeit ist eher im unteren Bereich angesiedelt. Bei der Geschwindigkeitsüberschreitung müssen wir in erster Linie den Hebel ansetzen – was nicht heißt, daß wir bei der Drogenpolitik kneifen. Wir kneifen nicht bei der Kontrolle in bezug auf Drogen! (Beifall bei den Grünen.)

Nur müssen wir im Einsatz und in der Gewichtung in erster Linie die Geschwindigkeitskontrolle vor Augen haben. (Unruhe im Saal. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Sicherlich ist weiters die Frage der Drogen, vor allem auch die Frage des Alkoholkonsums sehr wichtig, aber vorrangig ist die Geschwindigkeitskontrolle. Dafür müssen wir mehr Mittel investieren, und dazu wäre auch der Punkteführerschein eine sehr sinnvolle Maßnahme (Abg. Haigermoser: Das stimmt nicht! Das ist eine Märchenstunde!), die sich in Deutschland, in Frankreich, in England zum Schutz der 98 Prozent redlicher, korrekter Autofahrerinnen und Autofahrer bewährt hat.

Ich verstehe nicht, daß Sie sich mit dem Argument ausreden: Meine Güte, jetzt gilt es, umfassende Sachverständigengutachten einzuholen, jetzt gilt es, jedes kleine Detail zu beachten! (Abg. Haigermoser: Das ist noch schlimmer als das, was der Knoflacher verzapft!) – Es hat bereits vor zwei Jahren einen Vorschlag zum Punkteführerschein gegeben.

Dieser Vorschlag war vor zwei Jahren bereits bis ins Detail ausverhandelt. Er könnte schon wirksam sein. Wir könnten die 150 Toten, die darauf zurückzuführen sind, daß es keinen Punkteführerschein gibt – wie mein Kollege Barmüller angeführt hat –, schon verhindert haben. Das ist es doch bitte wert! Sie werden sicherlich dafür sein, daß man Menschenleben rettet, genauso wie Sie, Kollege Firlinger!

Warum sind Sie nicht dafür, daß das ausgereifte Modell in Kraft tritt? – Auf diese Art und Weise sind Sie wirklich daran schuld – ich betone: Sie sind auch schuld daran –, daß unter Auslassung, unter Nichtgültigkeit des Punkteführerscheins jährlich 150 Tote mehr in der Unfallbilanz und in der Todesbilanz aufgezählt werden.

Es tut mir leid, aber ich muß Ihnen die Unfallstatistik für das Jahr 1998 noch einmal zeigen. (Die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe.) Lesen Sie bitte auf Seite 44, daß Österreich im inter-nationalen Vergleich im Spitzenfeld liegt. Das Unfallrisiko der Bevölkerung ist in Österreich mit zirka 4 900 Unfällen je 1 Million Einwohner deutlich höher als in fast allen anderen europäischen Staaten.

Angesichts dieser Tatsache muß mir doch jedes Mittel recht sein – sowohl die Drogenkontrolle als auch der Punkteführerschein –, um Menschenleben zu retten! Das halte ich für den zentralen Punkt, und das ist jener Punkt, der zum Punkteführerschein führt. Das haben Sie leider auf die lange Bank geschoben. Sie sind schuld daran, daß heuer bereits 60 Fußgänger zusätzlich zu Opfern von Verkehrsunfällen wurden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kukacka: Das ist ein Schwachsinn! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

21.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wallner. Bitte, mehr als zehn sollten ihm nicht gleichzeitig dreinreden. (Abg. Dr. Schmidt: Neun geht noch?) – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.31

Abgeordneter Kurt Wallner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die hier zur Diskussion stehen, geben Gelegenheit, einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen.

Erstens: Es ist von meiner Warte aus die Überlegung, einen Punkteführerschein aufgrund der positiven internationalen Erfahrungen, aber auch aufgrund der Statistiken, die es über Verkehrstote und -verletzte im Straßenverkehr gibt, einzuführen, eine Notwendigkeit. Ich hoffe, daß die eingesetzte Expertengruppe so rasch wie möglich zu einer entsprechenden sachlichen Einigung kommen wird und daß wir über die Einführung des Punkteführerscheins werden abstimmen können.

Ich appelliere aber auch an den Koalitionspartner und namentlich an dessen Verkehrssprecher Kukacka, hier – wie er es schon selbst gesagt hat – eine konstruktive, sachliche Rolle einzunehmen und nicht, wie in der Frage der Einführung der 0,5-Promille-Grenze, als Bremser aufzutreten. Ich habe fast den Eindruck gehabt, Herr Kukacka, daß Sie Ihre Zustimmung, die Sie hier unter dem Druck der Öffentlichkeit und trauriger Ereignisse gegeben haben, bedauern.

Ich möchte Ihnen aber noch etwas sagen, weil Sie der SPÖ vorgehalten haben, wir wären im Hinblick auf die Kontrolle betreffend den Drogenkonsum beim Autofahren zu nachlässig. Sie haben ja schon vor einem Jahr eine Initiative gestartet, und Herr Justizminister Michalek hat Ihnen bereits im Mai 1998 eine Antwort gegeben. Im übrigen möchte ich Ihnen sagen, daß die Straßenverkehrsordnung schon jetzt vorsieht, daß man, wenn man durch Suchtgift beeinträchtigt ist, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen darf.

Es gibt, wie Sie wissen, werter Herr Kollege Kukacka – ich sage das, auch wenn Sie sich hier desinteressiert zeigen (die Abgeordneten Mag. Kukacka und Dr. Pumberger sprechen miteinander) –, noch keine geeigneten Geräte, mit denen man bei Tests auf der Straße ohne Blutabnahme beurteilen kann, ob jemand Suchtgift konsumiert hat oder nicht. Es gibt Initiativen und Entwicklungen auch auf internationaler Ebene, aber Geräte, die ähnlich wie ein Alkomat funktionieren, stehen uns dafür noch nicht zur Verfügung.

Ich möchte Ihnen auch in Erinnerung rufen, daß alle seriösen Wissenschafter von der Annahme ausgehen, daß es noch keine absoluten Grenzwerte in diesem Bereich geben kann. Ihr Vorschlag, eine Harnprobe infolge des subjektiven Empfindens eines Exekutivorgans vorzunehmen, ist schlichtweg abzulehnen. Ich meine: Wenn ein Polizei- oder ein Gendarmeriebeamter einen Autofahrer aufgrund eines Verdacht aus dem Auto holt, nur deshalb, weil er große Pupillen hat, und diesen von Ihnen angestrebten Harntest vornehmen läßt, so ist das etwas, was menschenverachtend ist. Das sollte eigentlich auch in diesem Bereich keine Berechtigung haben. Ich bin ja auch für eine sachliche Diskussion und nicht für ein Husch-Pfusch-Verfahren.

In Summe möchte ich sagen, daß ich positiv zur Einführung des Punkteführerscheingesetzes stehe. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir da zu einer Einigung kämen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.35

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Lafer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.35

Abgeordneter Franz Lafer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Die unendliche Geschichte des Punkteführerscheines: Ich kann mich noch daran erinnern, als Verkehrsminister Streicher sagte: Jetzt führen wir den Punkteführerschein ein! – Bis heute ist er nicht eingeführt worden. Man sieht, das wird wahrscheinlich noch länger so weitergehen.

Mein Kollege Firlinger hat schon Stellung bezogen, und dazu bekenne ich mich vollinhaltlich. Ich möchte nur noch einige Argumente anführen, welche gegen die Einführung des Punkteführerscheines sprechen.

Zum einen wird die Einrichtung und der Betrieb einer Zentralkartei mit wesentlichen Kosten verbunden sein, zum zweiten wird in Angelegenheiten des Datenschutzes eine Aushöhlung stattfinden, und zum dritten kann man sagen, daß es bei Einführung des Punkteführerscheines zu einer Entmündigung der zuständigen Behörde kommen wird.

Aber das Wesentliche ist, daß es weniger auf den Punkteführerschein ankommt, sondern daß mehr Wert auf die Verkehrssicherheit gelegt werden müßte. Wenn hier Kollegin Moser von 150 Verkehrstoten im Zusammenhang mit dem Punkteführerschein spricht, dann muß ich sagen: Wenn hier "Spezialisten" reden, dann sieht man, was dabei herauskommt. Den Punkteführerschein mit 150 Verkehrstoten in Verbindung zu bringen, ist wirklich etwas Schreckliches.

Wir müßten dazu kommen, mehr Anhaltspunkte, mehr Maßnahmen im Bereich der Verkehrssicherheit zu setzen. Wir müßten dahin gehend aktiv werden, daß wir die Überwachung vollends auf die Straße ausdehnen und auch das nötige Personal in der Exekutive zur Verfügung stellen, damit die Einhaltung der bestehenden Gesetze entsprechend überprüft werden kann.

Der Gesetzgeber und damit Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sind dazu aufgerufen, Maßnahmen und Gesetze zu beschließen, damit diese Aufgaben von der Exekutive auch entsprechend bewältigt werden können. Daß dazu mehr Personal in der Exekutive notwendig ist, versteht sich von selbst. Wir werden auch morgen die Gelegenheit haben, hier im Zuge der Debatte über die Vorlagen des Finanzausschusses darüber noch zu diskutieren.

Aber noch eines dazu, geschätzte Damen und Herren: Die Verkehrsüberwachung findet auf der Straße und nicht im Büro, im Punkteführerscheinregister oder hinter einem Schreibtisch an einem Computer statt. Wir können uns die Aufgabe, daß Beamte Pünktchen malen, ersparen und müßten nur statt dessen die Mittel, die für den Punkteführerschein zur Verfügung gestellt werden, wirklich in die Straße und in die Exekutive investieren. Dann können wir gewährleisten, daß auf den Straßen Sicherheit herrscht.

Uns Freiheitlichen ist die Sicherheit auf der Straße mehr wert als ein Punkteführerschein, der nichts bringt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Nußbaumer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.38

Abgeordneter Ing. Wolfgang Nußbaumer (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich möchte mich in aller Kürze mit meinem nach zweijährigem Parken von der Koalition im Ausschuß abgelehnten Antrag betreffend Änderung des Wiener Abkommens zwecks Schaffung international verbindlicher, strenger Abgas- und Sicherheitsvorschriften befassen. Kollegin Binder hat in ihrem Beitrag vorhin jede Maßnahme, die der Sicherheit im Straßenverkehr dient, begrüßt. Ich frage daher: Warum die Ablehnung meines Antrages im Ausschuß?

Ich werde Sie dazu gleich noch ansprechen, Herr Abgeordneter Parnigoni. Die Ablehnung meines Antrages ist eigentlich nicht sachlich begründet, aber weil er von der Opposition kommt, muß er eben abgelehnt werden. Sie fordern nämlich im Umweltprogramm strenge Abgasvorschriften, Herr Parnigoni, aber gleichzeitig lehnen Sie die Aufforderung ab, dies durch den Vorschlag zur Änderung des Übereinkommens von Wien, das ja aus den sechziger Jahren stammt, zu dokumentieren.

Sie fordern in Ihren Programmen höhere Sicherheitsstandards. Sie fordern dies mediengerecht vor allem dann, wenn es zu größeren Unfällen kommt, so wie beim tragischen Busunglück des ungarischen Autobusses in der Steiermark. Gleichzeitig aber lehnen Sie einen Antrag ab, der nichts anderes vorhat und vor allem die aus dem Osten kommenden Kraftfahrzeuge zwingt, die in Österreich gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandards einzuhalten. Sie fordern unablässig Kontrollen auf allen möglichen Gebieten, aber gleichzeitig lehnen Sie Anträge ab, die darauf abzielen, daß Bund und Länder gemeinsam eine möglichst lückenlose sicherheitstechnische Überprüfung aller die EU-Außengrenze passierenden beziehungsweise sonstwie auffälligen Fahrzeuge ermöglichen oder durchführen.

Oder Sie fordern – wie heute öfters gehört, Herr Parnigoni –, die LKWs auf die Schiene zu bringen, und begründen dies mit den Sicherheitsproblemen wegen der Spurrillen. Gleichzeitig genehmigt Ihre EU-Fraktion in Straßburg die Erweiterung der LKW-Maße in der Weise, daß es von 40-Tonnen-LKW zu 44-Tonnern kommen wird. Oder Sie fordern die Verlegung auf die Schiene, aber etwa für die Arlbergstraße, die – Sie können das selbst ausrechnen – im heurigen Jahr sehr viele – ich weiß nicht genau, wie viele – Tage gesperrt war, ist im Masterplan keinerlei Ausbau- oder Sicherheitsmaßnahme vorgegeben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie geringere Emissionen und höhere Sicherheit auf Österreichs Straßen wollen, dann müssen Sie diesem unserem Antrag zustimmen, da die einzig zielführende Lösung zur Durchsetzung österreichischer Standards eine Neuverhandlung dieses Wiener Abkommens und die nachträgliche Durchsetzung eines Vorbehaltes, wie ihn etwa Deutschland auch bei den Spikereifen durchgesetzt hat, darstellt.

Aber Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben eine Meisterschaft darin entwickelt, die Bevölkerung immer wieder durch Ankündigung einerseits und gegenteilige Entscheidungen andererseits zu täuschen. Vielleicht akzeptiert dies die Bevölkerung noch einige Zeit, aber sicher nicht auf Dauer. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.42

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Somit ist die Debatte geschlossen.

Seitens der Berichterstattung wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar werden wir über die einzelnen Ausschußanträge getrennt abstimmen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1937 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die der diesbezüglichen Kenntnisnahme ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so beschlossen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bar-müller und Genossen betreffend Schritte der Liberalisierung im Bereiche der Fahrschulen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entschließungsantrag Barmüller zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Antrag bleibt in der Minderheit und ist daher abgelehnt.

Als nächstes stimmen wir ab über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1938 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Die Kenntnisnahme erfolgt mit Mehrheit.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über die dem Ausschußbericht in 1939 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dieser Entschließung Ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist mit Mehrheit so beschlossen. (E 187.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 1940 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag folgen, um ein entsprechendes Zeichen. – Dieser Antrag ist mit Mehrheit beschlossen.

Damit haben wir diesen Teil der Tagesordnung erledigt.

19. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 32 bis 37, Nr. 39 bis 47, Nr. 49 und 51 bis 55 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14, 15 und 21 (1901 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen zum 19. Tagesordnungspunkt.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen, daher beginnen wir gleich mit den Wortmeldungen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Fischl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.44

Abgeordneter Harald Fischl (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den Sammelbericht der Petitionen und Bürgerinitiativen zur Kenntnis zu nehmen – oder auch nicht. Ich möchte die Spannung gleich vorweg nehmen: Wir Freiheit-liche werden diesen Sammelbericht selbstverständlich in keinem Fall zur Kenntnis nehmen.

Für uns ist dieser Sammelbericht in Wirklichkeit eine Leistungsbilanz, eine Leistungsbilanz darüber, daß einem Ausschuß ein hochsensibles Instrument in die Hand gegeben wird, und zwar ein Instrument, mit dem der Bürger seine Anliegen, seine Wünsche und seine Bedürfnisse formulieren kann, damit sie möglicherweise in die Gesetzgebung Einlaß finden. Wenn wir diese Leistungsbilanz vornehmen, dann müssen wir sagen, daß diese Leistungsbilanz am Schluß sozusagen eine Bezeichnung erfahren sollte, und diese heißt "Konkurs". Es ist, verehrte Damen und Herren, ein Konkurs im Hinblick auf die Effizienz der Bearbeitung, der Betrachtung, der Zulassung und der Verarbeitung dieser Petitionen und Bürgerinitiativen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Von etwa 77 Anliegen, die von Abgeordneten oder auch von Menschen, die zu Hunderten ihre Unterschrift für diese Anliegen gegeben haben, eingebracht wurden, sind etwa ein Drittel sozusagen im parlamentarischen Nirwana verschwunden. Von 14 hat man Abstand genommen, wobei da wiederum interessant ist, daß davon hauptsächlich solche Bürgerinitiativen und Petitionen betroffen waren, die von der FPÖ eingebracht wurden. Von 9 Bürgerinitiativen und Petitionen kann man sagen, daß sie verfallen sind, und 4 geistern irgendwo in den Ausschüssen herum. Daher kann man heute sagen, daß etwa gut ein Drittel dieser wichtigen Anliegen der Bürger, aber auch der Parlamentarierkollegen – vor allem wenn es darum geht, daß Freiheitliche sie eingebracht haben –, ganz einfach nicht behandelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt möchte ich mich – ich sehe, daß Sie, Frau Kollegin Fuchs, als Ausschußvorsitzende hier sehr aufmerksam herunterschauen – auch ein bißchen mit der Ursache dieser Konkurserklärung beschäftigen. Frau Kollegin Fuchs, ich habe das noch nicht erlebt! Ich bin jetzt das siebente Jahr Mitglied in diesem Hohen Haus und war in zahlreichen Ausschüssen tätig. In diesen Ausschuß bin ich als Ersatz für einen Kollegen hineingekommen. Ich habe dort meinen Augen und Ohren nicht getraut: Jedesmal, wenn Ausschußsitzungen stattfanden, hatte man das Gefühl, daß man sich in einem Kaffeekränzchen befindet, in dem von vornherein Wertungen nach ideologischen Gesichtspunkten vorgenommen werden, Frau Kollegin Fuchs, und man hatte gegenüber der Ausschußvorsitzführung das Gefühl, daß man es mit der Obertante eines Kaffeekränzchens zu tun hat. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Das ist für mich eine traurige Erkenntnis, Frau Kollegin Fuchs! Ich kann Ihnen sagen: Holen Sie sich einmal eine Anleitung bei Ihren Kollegen in anderen Fraktionen, wie man eine Vorsitz-führung gestaltet! (Zwischenruf der Abg. Fuchs.) Mag sein, daß das in Ihren Ohren so klingt, Frau Kollegin Fuchs. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Dinge, die Sie mir vorwerfen, kratzen mich nicht, Frau Kollegin Fuchs! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Ich halte es auch für wichtig, ein Beispiel zu zitieren, aus dem hervorgeht, warum ich sage, daß die Initiativen der Freiheitlichen möglicherweise der Einheitspartei SPÖ-ÖVP lästig und bei ihr nicht beliebt sind, während andere wiederum – es gibt hier beispielsweise eine Petition des Herrn Kollegen Khol und aller anderen ÖVP-Abgeordneten – eigentlich völlig unnötig sind.

Wenn Herr Kollege Khol eine Petition einbringt, in der er sich gegen die Verbürokratisierung des Vereinslebens ausspricht, dann muß ich sagen: Er hätte besser daran getan, den Minister anzurufen. Schließlich ist Herr Kollege Khol Klubobmann der ÖVP, die gemeinsam mit der SPÖ in der Regierung sitzt. Er braucht deswegen nicht den Petitionsausschuß zu strapazieren, weil er Herrn Minister Michalek angreifen möchte, weil dieser wiederum eine Novelle oder eine Vorbereitung zur Änderung des Vereinsrechts vornehmen möchte. Eine reine Briefkastenfirma sollte der Petitionsausschuß sicherlich nicht sein, derart, daß darüber stille Post zum Minister gespielt wird. Wir Freiheitliche lassen das auf keinen Fall zu, verehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Genauso wichtig scheint mir die Feststellung zu sein, daß beispielsweise Kollegen in diesem Ausschuß anläßlich der letzten Sitzung festgestellt haben – ich würde sagen: in der großen Kaffeekränzchensitzung –, daß es überhaupt keinen Sinn macht, Petitionen und Bürgerinitiati-ven Ausschüssen zuzuweisen, da ja, pauschal gesagt, ohnedies keine mehr tagen. Man hat dann ein paar – drei oder vier – ausgesucht, und den Rest läßt man verfallen. (Abg. Fuchs: Sie haben es noch immer nicht erfaßt ...!)

Ich glaube, das spricht Bände über den moralischen Verfall. Ich sage es ganz offen: Ich möchte hier diese Person nicht namentlich nennen, weil ich sie wirklich nicht beleidigen möchte und sie an und für sich sehr schätze. Ich meine aber, daß es nicht richtig ist, einen Redebeitrag zu liefern und zu sagen: Wir Parlamentarier brauchen das nicht mehr zu behandeln, denn wer wird schon vor Ende der Gesetzgebungsperiode, kurz vor Neuwahlen, unpopuläre Gesetze beschließen wollen? – und das unter der Obhut der Frau Vorsitzenden Fuchs!

Verehrte Damen und Herren! Abschließend – meine Redezeit geht zu Ende – möchte ich Ihnen sagen: Wir Freiheitliche werden die nächste Gesetzgebungsperiode wieder dazu benützen, Bürgerinitiativen anzukurbeln und Petitionen einzubringen. Ich kann Ihnen weiters sagen: Wir Freiheitlichen werden dazu beitragen, daß künftighin mit diesem für den Bürger geschaffenen Instrument wesentlich sensibler umgegangen wird. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edeltraud Gatterer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

21.50

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin – sie ist nicht da –, Hohes Haus! Der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen feiert heuer sein zehnjähriges Jubiläum. Ich muß trotz aller Kritik, auf die ich nachher noch eingehen werde – und ich glaube, Kritik in jenem Maße zu üben, in welchem Kollege Fischl, der erst zweimal bei diesen Ausschußverhandlungen dabei war, dies getan hat, das weisen wir, und zwar alle Ausschußmitglieder, zurück (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Er hat eben leider nicht öfter getagt!); das werden wahrscheinlich auch die anderen Kollegen noch sagen (Abg. Dr. Graf: Wie oft hat er denn getagt?) –, feststellen, daß gerade den Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen die Tatsache ausgezeichnet hat, daß man sehr gut miteinander sprechen konnte. Das war etwas, was ich in diesem Ausschuß immer als besonders wohltuend empfunden habe: daß wir auch mit der Opposition – ich denke da an Kollegin Haidlmayr, Kollegin Motter, Kollegin Schaffenrath oder auch an Kollegen Hofmann – ein sehr gutes Gesprächsklima hatten.

Der Ausschuß ist ein Instrument der Bürgernähe und hat eine hohe Akzeptanz. Ich glaube aber, daß man im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit noch mehr tun könnte, weil viele Bürger von dieser Möglichkeit wahrscheinlich gar nicht wissen und daher auch nicht davon Gebrauch machen, durch diesen Ausschuß Bürgeranliegen ins Parlament zu bringen.

Ich möchte nun die positiven Seiten dieses Instruments herausstreichen: Durch viele Petitionen wurden Gesetze geändert, oder die in ihnen vorgebrachten Anliegen flossen in die Gesetzwerdung ein. Ich denke da zum Beispiel an die Petition Nummer 43, "Novelle zum Berggesetz", ich denke aber auch an die Bürgerinitiative "Schaut nicht weg" gegen den Mißbrauch von Kindern, die mit 78 000 Unterschriften unterstützt wurde und von deren Anliegen zum Beispiel die gleich hohen Strafen bei Beischlaf und Unzucht, die Ablehnung einer Herabsetzung des Schutzalters, ein verbesserter Opferschutz oder auch die Änderung der Verjährungsfrist schon längst in Gesetze eingeflossen sind.

Auch die Petition Nummer 46 betreffend Jugendvolksbegehren von Kollegen Amon ist an dieser Stelle zu nennen. 50 000 junge Menschen haben hier zum Ausdruck gebracht: Politik ist uns wichtig; uns interessiert, wie der Generationenvertrag in Zukunft aussehen soll! – Es gibt zum Beispiel auch als Ergebnis eines Unterausschusses eine Entschließung an die Bundes-regierung, in der diese ersucht wird, in Hinkunft alle Gesetzesvorhaben auch auf die Generationsverträglichkeit zu prüfen. Ich glaube, daß das etwas sehr Wichtiges ist, und es soll zu diesem Thema auch eine Parlamentarische Enquete geben.

Es gab aber auch andere Petitionen, die genau das Gegenteil erreicht haben, insofern als man nämlich wußte, daß ein Gesetz in Vorbereitung ist, man aber nicht in die eingeschlagene Rich-tung gehen wollte.

Hier wäre zum Beispiel die zitierte Petition von Kollegen Khol zu nennen. Sie wurde nicht nur von den Abgeordneten der ÖVP unterstützt – mein Kollege Kurzbauer wird noch genauer darauf eingehen –, sondern es hat in vielen Bundesländern Zehntausende Unterschriften dafür gegeben, daß es zu keiner Verbürokratisierung der Vereine kommen soll. Die ÖVP-Abgeordneten haben das unterstützt, weil sie gesagt haben: Auch uns ist das sehr wichtig, und deswegen setzen wir auch unsere Unterschrift darunter, denn wir wissen, daß die Arbeit der Vereine sowohl im freiwilligen Sozialbereich als auch bei den Rettungsdiensten unverzichtbar ist und daß das Vereinsrecht ein Grundrecht auf bürgerliche Freiheit ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch auf die Petition Nummer 55 eingehen. Sie alle wissen, daß vor der Steuerreform immer wieder auch die Erhöhung der Einheitswerte als Schreckgespenst im Raum gestan-den ist und von einigen auch andiskutiert wurde. Es war die Petition Nummer 55, die vor der Steuerreform eingebracht wurde und zum Ausdruck brachte: Das können wir als Bürger nicht akzeptieren! Diese Belastung ist vor allem für Landwirte unerträglich, und das darf nicht sein!

Ich glaube, daß da einiges an Positivem erreicht worden ist und daß wir das ausbauen können.

Nun möchte ich auch sagen, daß wir uns alle Gedanken darüber machen, wie wir die Ausschußarbeit verbessern können, wie wir sie effizienter gestalten könnten. Ich meine, daß wir in diesem Punkt auch die Geschäftsordnung überdenken sollten. Ich glaube, daß es nicht positiv ist, daß, so wie dies bei allen anderen Entschließungsanträgen, Initiativen und so weiter der Fall ist, auch die Petitionen und Bürgerinitiativen mit Ende der Gesetzgebungsperiode verfallen. Ich werde versuchen, in unserem Klub auch dahin gehend initiativ zu werden, daß wir das wirklich überdenken und diesbezüglich in der Geschäftsordnung eine andere Regelung finden. Die gegenwärtige Situation ist, glaube ich, für uns alle unbefriedigend, und das müssen wir auch zum Ausdruck bringen. Das ist eine Erfahrung aus dem Ausschuß, und da muß es eine Änderung geben.

Wir müssen uns auch fragen: Wie sieht es mit dem Zeitrahmen aus? Innerhalb welcher Frist müßten Petitionen, positiv oder negativ, beantwortet oder behandelt werden? Wir müssen uns natürlich auch fragen, wie das mit dem Einbringen aussehen soll. Ich möchte da konkret eine Petition ansprechen, die von einer FPÖ-Abgeordneten eingebracht worden ist. Das, glaube ich, ist auch nicht das, was man sich im Petitionsausschuß vorstellt. (Abg. Fischl: Frau Kollegin, das ist doch gesetzlich geklärt!) Es gibt allerdings auch Einbringer, die immer wieder Petitionen einbringen, auch von außen. Auch da könnten wir nachdenken, wie das geregelt sein soll. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Ich glaube, daß es sicher nicht so sein kann, daß wir im Petitionsausschuß werten können, wer Petitionen und wer Bürgerinitiativen einbringen kann. (Abg. Scheibner: Das glaube ich auch! – Abg. Fischl: Das steht ja auch in der Geschäftsordnung!) Auch das ist ein Punkt, den ich hier unterstreichen möchte.

Ich glaube, daß der Ausschuß generell eine gute Einrichtung ist, durch die Bürger ihre Vorstellungen, ihre Initiativen, ihre Ideen bezüglich Änderungen an uns, an das Parlament herantragen können. Wir müssen uns aber für die nächste Gesetzgebungsperiode vornehmen, über die Geschäftsordnung einen noch besseren Weg zu finden, um den Bürgerinnen und Bürgern Gehör zu verschaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.56

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Franz Koller. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.57

Abgeordneter Franz Koller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Hohes Haus! Wir Freiheitlichen treten für eine bürgernahe Politik ein. Volksbegehren, Petitionen und Bürgerinitiativen sind die demokratischen Wurzeln einer bürgernahen Politik. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die Forderungen nach mehr Bürgernähe und nach erhöhter Transparenz müssen endlich ernstgenommen werden!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger bemühen sich und bringen inhaltlich gut begründete Petitionen und Bürgerinitiativen ein. Aber an der Umsetzung und an der Enderledigung mangelt es. Viele der eingebrachten Petitionen und Bürgerinitiativen werden schubladisiert und auf die lange Bank geschoben. Jetzt, am Ende der Legislaturperiode, be-steht Zeitdruck. Deshalb haben wir Freiheitlichen im Ausschuß beantragt, alle eingebrachten Petitionen und Bürgerinitiativen Ausschüssen zuzuweisen. (Zwischenruf der Abg. Fuchs.) Sie von den Regierungsparteien lehnten dies ab. Dadurch verfallen alle nicht zugewiesenen Petitionen und Bürgerinitiativen! Sie müssen in der nächsten Gesetzgebungsperiode wieder eingebracht werden. (Zwischenruf des Abg. Scheibner.) Das ist ein Beschneiden der Bürgerrechte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Inhaltlich möchte ich auf die Petition Nummer 47 eingehen, die lautete: "Petition zur Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Infrastruktur Obdachs, die Umfahrungsvariante vom 15. Dezember 1983 zu errichten". – Nach jahrelangen Planungsgesprächen wurde die Variante von 1983 von den Beteiligten grundsätzlich als positiv bewertet, da einerseits die am Nordrand Obdachs gelegene OMV-Tankstelle in diese Planung eingebunden war und andererseits sowohl die Wirtschaftlichkeit des Projektes gegeben war als auch die Trassenführung bei der Bevölkerung akzeptiert wurde.

Diese Petition Nummer 47 wurde schubladisiert und lange Zeit nicht behandelt. Als sie am 19. März dieses Jahres behandelt wurde, war die neue Variante bereits im Bau. Die neue Va-riante ist länger, die OMV-Tankstelle ist nur über Umwege erreichbar und deshalb wirtschaftlich benachteiligt. Außerdem mußten auch drei Wohnhäuser abgelöst und geschliffen werden. Die nun errichtete Variante verursacht wesentliche Mehrkosten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Damit sich dieser Fall nicht wiederholt, ersuche ich Sie, alle eingebrachten Petitionen und Bürgerinitiativen Ausschüssen zuzuweisen, damit sie noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden können. Jede Petition und Bürgerinitiative hat das Recht, hier im Parlament diskutiert und behandelt zu werden. Wir Freiheitlichen werden auch weiterhin für die Rechte der Bürger eintreten! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Kröll.)

22.00

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Karlsson. – Ruf bei den Freiheitlichen: Hier regiert Brunhilde Fuchs! Das wird eine staatstragende Rede! – Heiterkeit der Abg. Fuchs.)

22.00

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Es wird keine staatstragende Rede, aber es wird eine etwas positivere Rede als die, die Sie soeben vorgetragen haben. Ich meine, wenn man zweimal an diesem Ausschuß teilgenommen hat, Herr Kollege Fischl (Abg. Scheibner: Warum tagt er denn nicht öfter?), und sich dann das anmaßt, was Sie heute von sich gegeben haben, dann spricht das Bände. (Beifall bei der SPÖ, bei den Grünen und beim Liberalen Forum.) Das zeugt von soviel Arroganz und ist so unangenehm, daß ich mich dazu gar nicht äußern möchte.

Ich möchte aber nun über jene Dinge berichten, die wir auch im Sammelbericht festgehalten haben und die bis zum Zeitpunkt vor den letzten zwei Sitzungen stattgefunden haben. (Abg. Scheibner: Wie viele Ausschüsse haben denn stattgefunden? – Abg. Mag. Schweitzer: Wie viele Ausschüsse?) Mehr Ausschüsse als in den Jahren davor und mehr als je zuvor. Das möchte ich auch klarstellen. (Abg. Mag. Schweitzer: Bei der Ederer haben wir immer viel gehabt!) Ja, aber Sie vergessen dabei, daß das schon ein bißchen "Steinzeit" ist, oder? Das ist schon ein bißchen lange her. (Abg. Mag. Schweitzer: Die Steinzeit-Ederer!) Das ist schon eine gewisse Zeit vorbei. Sie leben ein bißchen zu sehr in der Vergangenheit und zuwenig in der Gegenwart, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haigermoser: Warum sind Sie so uncharmant gegenüber der Frau Stadträtin?)

Ich schätze Frau Stadträtin Ederer sehr, und ich meine, daß sie sich auch hier im Hohen Haus große Verdienste erworben hat. Es steht Ihnen nicht zu, über sie so zu reden oder in irgendeiner Weise ihre Tätigkeit zu werten. (Abg. Haigermoser: Wir haben sie ja nicht beleidigt! Sie haben ja von der Steinzeit geredet!) Wir schätzen sie sehr. Sie hat in Wien eine hohe Position, die höchste Position inne, nämlich die einer Finanzstadträtin. (Abg. Scheibner: Sie reden ja von der Steinzeit!) Ich denke, daß das allein schon zeigt, welche Leistungen sie erbringen kann. (Abg. Mag. Schweitzer: Übrigens, bei Kilometer 35 hat sie auch eine hervorragende Figur gemacht! – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.) Ja! Ich habe mich ja nicht dazu geäußert, wo Sie bei Kilometer 35 schon die Zunge gehabt haben, als ich dort noch recht frisch gestanden bin; aber ich bin nicht gelaufen, das muß ich auch dazu sagen. (Abg. Scheibner: Bei Kilometer 42 war es dann umgekehrt!) – Aber das war jetzt ein Nebeneinwurf und hat mit dem Petitionsausschuß und dem Sammelbericht eigentlich nichts zu tun. (Abg. Scheibner: Wir warten schon die ganze Zeit!)

Ich halte fest, daß der Petitionsausschuß des Nationalrates der Republik Österreich jenes Gremium ist (Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung SPÖ –: Wie alt ist denn die Ederer?), durch das Bürgerinnen und Bürger direkt auf die Gesetzgebung und auf das staatliche Handeln Einfluß nehmen können. Er ist der einzige Ausschuß, in dem Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, von ihrer Seite aus Anliegen einzubringen. Veränderungen und Verbesserungen unseres Gemeinwesens werden durch direkte Impulse der BürgerInnen ausgelöst, und es ergibt sich dadurch eine aktive Teilnahme am Prozeß der politischen Willensbildung.

Der Ausschuß für Petitionen und Bürgerinitiativen möchte dabei zwischen den Bürgerinnen und Bürgern dieses Staates (Abg. Fischl: Wer hat ihr denn das aufgeschrieben?) und dem Parlament eine Mittlerfunktion übernehmen. Ich glaube, daß uns das auch sehr gut gelungen ist. (Abg. Mag. Schweitzer – in Richtung SPÖ –: Wie alt ist die Ederer?) Frau Abgeordnete Gatterer hat dazu einige Beispiele gebracht, und auch ich möchte mehr das Positive an dieser Sache sehen und weniger die destruktiven Beispiele, die wir vorhin gehört haben.

Wir bemühen uns in diesem Ausschuß aber nicht nur darum, im Einzelfall zu helfen, sondern erarbeiten Vorschläge beziehungsweise regen solche an, die einerseits im Rahmen des Gesetzesvollzugs und andererseits in der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden.

Was ich eigentlich besonders vorhatte, war, über das gute Arbeitsklima, das bis vor den letzten zwei Sitzungen im Ausschuß geherrscht hat, zu berichten. Es wurden die meisten Eingaben einvernehmlich und parteiübergreifend entschieden. Wir haben uns wirklich bemüht, gemeinsame Lösungen, bestmögliche Lösungen für jeden Einzelfall zu finden. Die Bearbeitung der Eingaben ist wirklich auf sachorientierte Problemlösung ausgerichtet gewesen und wird – davon bin ich überzeugt – auch weiterhin in diesem Sinne erfolgen. Das, meine ich, ist ganz wichtig: daß der Petitionsausschuß das Vertrauen in demokratische Verfahren, in demokratische Institutionen und in die Lösungskompetenz des Parlaments bestätigt und festigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen nicht nur eine Mittlerfunktion erfüllen, sondern auch parlamentarische Vorgangsweisen transparenter machen. Zum Thema Aufwertung kann ich jetzt nicht mehr Stellung nehmen, denn meine Zeit ist abgelaufen. (Heiterkeit des Abg. Mag. Schweitzer. – Rufe bei den Freiheitlichen: Ihre Zeit ist abgelaufen?!)

Meine Redezeit – damit ich das korrekt ausdrücke – ist abgelaufen. Ich möchte mich jetzt nur noch bei den Mitgliedern des Petitionsausschusses und bei den zuständigen Klubmitarbeitern und -mitarbeiterinnen für die äußerst gute und auch erfolgreiche Zusammenarbeit in dieser Gesetzgebungsperiode recht herzlich bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Rufe bei den Freiheitlichen: Ihre Zeit ist abgelaufen! – Abg. Fuchs – auf dem Weg zurück zu Ihrem Sitzplatz, zu den Freiheitlichen gewandt –: An Ihre Adresse ist das ohnehin nicht gerichtet gewesen! – Abg. Scheibner: Können Sie das noch einmal wiederholen? – Abg. Mag. Schweitzer: Was ist jetzt die Ederer für ein Jahrgang? – Weitere Zwischenrufe.)

22.05

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Blünegger.

Die Zwischenrufe des Kollegen Wabl kann ich so schlecht verstehen, weil sie alle in die verkehrte Richtung gehen.

Bitte, Herr Abgeordneter Blünegger.

22.06

Abgeordneter Anton Blünegger (Freiheitliche): Hohes Haus! Geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir Freiheitlichen werden diesem Sammelbericht des Petitionsausschusses, wie Kollege Fischler schon gesagt hat, nicht zustimmen. (Abg. Schwarzenberger: Jetzt haben die Freiheitlichen auch schon einen Fischler!) – Fischl!

Frau Abgeordnete Gatterer! Wenn Sie sagen, man dürfe keine Kritik üben, dann verstehe ich Ihre Wortmeldung nicht. Ich glaube, daß Kritik positiv sein soll, und in diesem Ausschuß Kritik zu üben, damit dieser Ausschuß positiv arbeitet, ist angebracht. Genau das machen wir Freiheitlichen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann mir vorstellen, daß Frau Abgeordnete Fuchs als Vorsitzende sehr aufgeregt gewesen ist in Anbetracht der Kritik, die Kollege Fischl hier heute vorgebracht hat. Er wollte mit seinem Debattenbeitrag natürlich genau das gleiche erreichen: daß dieser Ausschuß konstruktiv arbeitet, daß die Petitionen und die Bürgerinitiativen, die eingebracht werden, nicht liegenbleiben beziehungsweise nicht verfallen. Solche Anregungen haben wir Freiheitlichen unter anderem gemacht. Wir waren die ersten, die vorgeschlagen haben, daß es zu einer Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrates kommen soll, damit diese Bürgerinitiativen und diese Petitionen am Ende einer Legislaturperiode nicht verfallen. Das wollen wir alle, und ich hoffe, daß in diesem Sinne auch eine dahin gehende Änderung der Geschäftsordnung über die Bühne wird gehen können.

Von den 23 Petitionen und Bürgerinitiativen aber sind bis jetzt viele nicht erledigt und werden in dieser Gesetzgebungsperiode auch nicht mehr erledigt werden. Auch das ist eine Kritik, die wir anbringen, und wir hoffen, daß das in der nächsten Gesetzgebungsperiode nicht mehr ge-schehen wird, denn so gesehen waren diese Bürgerinitiativen umsonst. Das aber ist aus unserer Sicht, aus der Sicht der Freiheitlichen, ein unhaltbarer Zustand – das ist ganz klar –, da man ja bedenken muß, daß sehr viele Bürger und Bürgerinnen Unterschriften leisten und sich die Bevölkerung eigentlich erwartet, daß diese Petitionen im Nationalrat behandelt und dort auch zu einem Abschluß gebracht werden. Wir Freiheitlichen sagen eben: Uns stehen die Anlie-gen der Bürger näher, sie stehen für uns im Mittelpunkt, und wir wollen nicht unmittelbar die Parteipolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als Beweis dafür, daß die Bürgeranliegen nicht wirklich im Mittelpunkt stehen, ist es angebracht, auch darauf hinzuweisen, daß sich trotz vieler Stellungnahmen bis jetzt nichts geändert hat. Oder hat je ein Bürgeranliegen oder eine Bürgerinitiative zu einer Regierungsvorlage geführt? – Bis jetzt kenne ich aus diesem Ausschuß noch keinen solchen Fall.

Eine Nagelprobe wird diese Bundesregierung sicherlich dann bestehen müssen, wenn sie die Anliegen der Bürger, die nach meinem Dafürhalten der Souverän sind und die laut Verfassung eigentlich die Macht haben, ernst nehmen muß, wenn sie über Petitionen und Bürgerinitiativen an die Regierung herantreten. Aber sie hat es bisher nicht gemacht. Hingegen ist sie sehr erfolgreich im Erfinden von neuen Belastungen, sie ist sehr erfolgreich darin, Budgetlöcher mit Mitteln, die eigentlich zweckgebunden sein sollten, zu stopfen, und sie ist sehr erfolgreich im Erfinden von neuen Steuern. Trotz guter Argumente, wie etwa dem, daß es eigentlich zu einer engagierteren Beschäftigungspolitik kommen sollte, wird hier nur mit falschen Zahlen operiert.

Ich glaube, daß wir Freiheitlichen in diesem Sinne richtig liegen, und wir werden daher diesem Bericht keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.10

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Rufe bei der SPÖ: Lauter reden! Da hört man nichts!) Frau Vorsitzende des Petitionsausschusses! Ihre Zeit ist noch lange nicht abgelaufen, denn Ihre Vorsitzführung ist erfrischend und sehr angenehm, und es sollte noch lange so bleiben. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte zum Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen zum Anlaß nehmen, in aller Kürze über die Bedeutung ... (Abg. Scheibner: Aber man versteht nichts! – Abg. Dr. Schmidt: Das Mikrophon tiefer stellen! Man hört nichts!) Entschuldigung! Soll ich es wiederholen? – Ich möchte (Abg. Mag. Schweitzer: Man hört noch immer nichts!) den Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen zum Anlaß nehmen, in aller Kürze über die Bedeutung des Petitionsausschusses zu referieren.

Wenn man bedenkt, daß wieder einmal die Hälfte aller Petitionen in diesem Sammelbericht von Abgeordneten der Regierungsparteien eingebracht wurden, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob ein Instrument, das im Jahre 1867 – und Sie hören gut, meine Damen und Herren – eingeführt wurde, noch zeitgemäß ist. 1867, das war in der Zeit der Monarchie, und damit ist dieses Instrument Ausdruck eines Obrigkeitsstaates. Das heißt, das Instrument der Petition stammt aus einer Zeit, in der es dem Bürger unmöglich war, direkt und demokratisch mit der Gesetzgebung in Kontakt zu treten.

Mit dem Instrument der Bürgerinitiative allerdings wurde in unserer Demokratie für BürgerInnen die Möglichkeit geschaffen, sich direkt an das Parlament zu wenden und Anliegen vorzubringen. Auch für uns Abgeordnete gibt es zahlreiche Möglichkeiten, aktiv zu werden. Entschließungsanträge, Initiativanträge, schriftliche und mündliche Anfragen, Dringliche Anfragen, Anfragebesprechungen, Aktuelle Stunden, Enqueten und Enquetekommissionen, Prüfungsaufträge an den Rechnungshof und Untersuchungsausschüsse sind demokratische Instrumente, die auch genützt werden.

Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Schmidt: Untersuchungsausschüsse leider nicht!) Frau Chefin, Sie haben allerdings recht.(Ironische Heiterkeit des Abg. Scheibner.) Es gab aber eine Zeit, in der wir einen hatten. Ich hoffe, daß es wieder so sein wird.

Meine Damen und Herren! Es ist daher für mich völlig unverständlich, daß Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern von Vertretern der Zweidrittelmehrheit in diesem Hohen Haus als Petitionen überbracht werden. Wenn Anliegen beziehungsweise Forderungen von BürgerInnen ernst genommen werden, dann sollten sie nicht in Form von Petitionen, die, wie wir alle wissen, meistens schubladisiert werden, eingebracht werden, sondern sie sollten in Form von Anträgen (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Fischl: Danke für meine Bestätigung!) – danke! – oder aber von den jeweils zuständigen Regierungsmitgliedern als Regierungsvorlage im Parlament eingebracht werden.

De facto sollte es auch uns Abgeordneten ein Anliegen sein, daß der Petitionsausschuß nicht zu einer zahnlosen Institution verkommt. (Ruf bei den Freiheitlichen: Der war immer zahnlos!) Ich habe heute schon gehört, daß das ja der Wunsch mehrerer Fraktionen ist, und man wird sich sicher in der nächsten Legislaturperiode darüber noch Gedanken machen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß Bürgerinitiativen ein wichtiges und ernstzunehmendes Instrument der direkten Demokratie sind. (Abg. Fischl: Sie sind wirklich meiner Meinung, Frau Kollegin! Ich bin richtig stolz darauf!) Wir sollten sie auch als solches behandeln und ernst nehmen.

Mein Vorschlag – vielleicht wird er berücksichtigt – ist daher, den Petitionsausschuß durch ein Antragsrecht aufzuwerten und dadurch politisch wirksamer zu machen. Das wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Fachausschüsse und würde eine neue Qualität des Demokratieverständnisses mit sich bringen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

22.14

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.15

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich mit zwei Petitionen aus dem vorliegenden Bericht beschäftigen, und zwar zunächst mit der Petition Nummer 35 und dann mit der Petition Nummer 51.

Was die Petition Nummer 35 betrifft, so bin ich, wie auch die freiheitliche Fraktion, eigentlich enttäuscht darüber, daß die Wünsche des Österreichischen Seniorenringes schlicht und einfach nicht zur Kenntnis genommen worden sind, sondern daß man geglaubt hat, mit der entsprechenden Stimmenmehrheit am 19. März von diesen Forderungen Abstand nehmen zu können.

Ich glaube, daß die Sorgen unserer älteren Mitbürger um eine verfassungsmäßige Absicherung ihrer Pensionen hier ernster zu nehmen gewesen wären, als es im Petitionsausschuß nach dem vorliegenden Bericht der Fall gewesen ist. Ich denke auch, daß einiges von dem, was die Bundesregierung gegen die berechtigten Anliegen und Wünsche der Senioren im Hinblick auf die Absicherung ihrer Pensionen vorgebracht hat, doch hinterfragt werden sollte. Ich glaube auch, daß beim Punkt 2 die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Begründung eines Pensionsanspruches von Frauen in Österreich heute nach wie vor ungenügend geregelt ist, denn wenn Sie sich den Text des Gesetzes, das derzeit in Kraft ist, ansehen, dann stellen Sie fest, daß eine Frau nahezu acht Kinder hintereinander in entsprechenden Abständen gebären muß, damit bei der derzeitigen Gesetzeslage ein Pensionsanspruch begründet wird. Ich glaube, daß das in der heutigen Gesellschaft und in der heutigen leider kinderarm gewordenen Zeit kein praktikabler Vorschlag ist und daß das, was die Bundesregierung derzeit zu Wege gebracht hat, ungenügend ist, um die Interessen der Frauen, in diesem Fall der kindererziehenden Frauen, in entsprechender Form zu berücksichtigen.

Ich hoffe daher, daß das, was für diese Legislaturperiode gültiges Wort des Petitionsausschusses zu dieser Problematik ist, nicht die endgültige Haltung in der Frage der Familienpolitik und der Politik im Hinblick auf die Absicherung der Frauen mit Kindern darstellt. Das wäre meiner Meinung nach ein Armutszeugnis für den österreichischen Sozialstaat.

Nun zum zweiten Punkt, zur Petition Nummer 51, die von den HCV-Betroffenen, von der Hepatitis-Liga Österreichs eingebracht wurde. Von den vorliegenden Punkten 1 bis 20, die von der Hepatitis-Liga angeführt worden sind, sind leider in der ablaufenden Legislaturperiode nur einige wenige umgesetzt worden. Für mich als Betroffenen und als Angehörigen der Hepatitis-Liga ist es besonders traurig, daß nur ein marginaler Bereich dieser Forderungen umgesetzt werden konnte, und zwar nicht hier im Petitionsausschuß, weil diese Angelegenheit ja zugewiesen worden ist, aber in den anderen Ausschüssen. Es ist als positiv zu erwähnen, daß wenigstens das Ministerium nunmehr nach jahrelangem Drängen und offensichtlich auch aufgrund der im Rahmen des ersten Hepatitis-Tages Österreichs im September 1998 erfolgten wissenschaftlichen Untermauerung endlich eine Verordnung zur Sterilisation von medizinischen Instrumenten, namentlich von Endoskopen, erlassen hat. Es ist auch als durchaus positiv zu vermerken, daß sich im Bereich der Blutsicherheit einiges zum Besseren gewendet hat. Es ist aber die Situation etwa im Bereich der Forschung unzureichend, und es ist im Bereich der Einrichtung von Hepatitisambulanzen noch immer nicht alles erreicht worden. Es muß traurigerweise festgestellt werden, daß die psychologische Betreuung von Angehörigen von HCV-Patienten und die Öffnung der ohnehin flächendeckend vorhandenen HIV-Ambulanzen dafür nicht erreicht werden konnten, sondern daß im Gegenteil abschlägige Anfragebeantwortungen von seiten des Ministeriums zu dieser Problematik vorliegen. Traurig ist schließlich auch, daß – mit einem einzigen Ausnahmefall, in dem die Generalklausel angewendet worden ist – auch die Regelungen bezüglich Berufskrankheit in diesem Bereich ungenügend sind und daß die Anerkennung als Berufskrankheit auch noch nicht in zufriedenstellender Form geregelt ist.

Ich glaube daher, daß das Thema HCV weder mit dem vorliegenden Bericht des Petitionsausschusses noch durch die Weiterleitung an die entsprechenden Gesundheitsausschüsse enderledigt worden ist, sondern daß diese Problematik das Hohe Haus auch in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen wird.

Allzu vieles ist offengeblieben, und ich bitte Sie, wenigstens die offengebliebenen Anliegen der Hepatitis-Liga ernster zu nehmen, als es bis dato geschehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.19

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

22.20

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen zeigt ganz deutlich, daß der Inhalt der Bürgerinitiativen und Petitionen, die wir im Laufe der Jahre hereinbekommen haben, nichts anderes ist als ein Spiegelbild der Gesellschaft, durch das aufgezeigt wird, welche Belange umgesetzt werden sollen beziehungsweise welche Wünsche und Forderungen es von seiten der Bevölkerung gibt.

Der Petitionsausschuß hat – obwohl er immer so bewertet wird, als ob er keinen Stellenwert hätte – sehr wohl einen Stellenwert, auch wenn dieser Stellenwert nach wie vor ein niedriger ist. Dieser Ausschuß gehört unbedingt aufgewertet!

Es ist meiner Ansicht nach zuwenig, daß der Petitionsausschuß nur das Recht hat, Stellungnahmen einzuholen. Es gibt nicht einmal eine gesetzliche Frist dafür, bis wann die Stellungnahmen vorhanden sein müssen. Eigentlich wären das sechs Wochen. Treffen die Stellungnahmen aber innerhalb dieses Zeitraums nicht ein, dann sind sie eben nach sechs Wochen noch immer nicht da. Deshalb werden die Wünsche der Bevölkerung zum Großteil sehr lange herumgeschickt, bevor es zu einer Beantwortung oder zur Umsetzung kommt. Daß es so ist, finde ich schade.

Ich finde es auch schade, daß im Petitionsausschuß das Geplänkel zwischen SPÖ und ÖVP gerade im letzten halben Jahr sehr deutlich hervorgetreten ist, indem man Bürgerinitiativen und Petitionen einfach vertagt hat – vertagt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, wobei jedem klar war, daß er in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen wird.

Ich glaube, man sollte die Bevölkerung mit solchen Vertagungen nicht zum Narren halten. Die Bevölkerung weiß, warum sie eine Petition einbringt, daher müßte es unsere Verantwortung sein, diese Bürgerinitiativen zu behandeln oder zurückzuweisen. Ich denke, daß überdacht werden sollte, ob die Vertagungsmöglichkeit in einem Petitionsausschuß wirklich einen Sinn hat. Meiner Ansicht nach hat sie keinen Sinn, denn sie verzögert die Erfüllung der Wünsche der Bevölkerung. Das aber dürfte nicht der Fall sein. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß es den Grünen gelungen ist, aufgrund einer Petition – nämlich der Petition Nummer 45 – ein Thema auch mit Unterstützung der behinderten Menschen in Österreich ins Parlament zu bringen, nämlich "Nein zur Biomedizin-Konvention". Ich bin froh darüber und stolz darauf, daß es aufgrund meiner parlamentarischen Enquete im Jahre 1997 möglich wurde, daß über 100 000 Menschen diese Petition unterschrieben haben und daß es mehr als 130 Vereine gibt, die nein zur Biomedizin-Konvention sagen.

Daß diese Petition jetzt noch immer im Verfassungsausschuß liegt, ist eine Schande. Ich wünsche mir und hoffe sehr stark, daß sie sehr wohl noch in dieser Legislaturperiode behandelt und dieses Anliegen zu einem Abschluß gebracht wird. Ich fürchte aber, daß damit leider Gottes nicht mehr gerechnet werden kann. Aber es ist wenigstens gelungen, daß das Thema publik geworden ist, und es wird nicht gelingen – so wie es sich manche gewünscht haben –, daß die Biomedizin-Konvention von Österreich still und heimlich zu Lasten von behinderten Menschen und als Gefahrenquelle für alle einwilligungsunfähigen Personen ratifiziert wird. Das wird nicht gelingen, und darüber bin ich sehr froh!

Ich wünsche mir weiters, daß der Petitionsausschuß nicht nur ein Zuweisungsrecht hat, sondern auch klar zum Ausdruck bringen kann, was mit einer Petition oder einer Bürgerinitiative zu geschehen hat und in welcher Form es einer Gesetzesänderung oder einer Gesetzeswerdung bedarf. Ich glaube, daß sich dieses Recht der Bürgerinitiativenausschuß erkämpfen muß.

Ich wünsche mir, daß dieser Ausschuß in der nächsten Legislaturperiode entsprechend aufgewertet wird und einen hohen Stellenwert in der parlamentarischen Arbeit bekommt, daß die Anliegen und Interessen der Bevölkerung vom Petitionsausschuß nicht nur weitergeleitet, sondern im Ausschuß selbst ernsthaft diskutiert werden und daß auch Lösungsvorschläge für diese Bürgerinitiativen und Petitionen vom Petitionsausschuß an die einzelnen Ausschüsse gelangen, damit die Chance gegeben ist, daß Wünsche und Interessen der Bevölkerung ernstgenommen und auch umgesetzt werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

22.25

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Kurzbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.25

Abgeordneter Johann Kurzbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe mit meinen Ausführungen auf die Petition Nummer 37 ein, welche von unserem Klubobmann Dr. Andreas Khol eingebracht und, wie wir heute schon gehört haben, von uns, den Abgeordneten des ÖVP-Klubs, unterfertigt wurde.

Diese Petition wurde zu einem Zeitpunkt eingebracht, als in der Öffentlichkeit der Entwurf für ein neues Vereinsgesetz diskutiert wurde. Dieser Entwurf wies besondere Verschlechterungen auf und hätte eine Verbürokratisierung sowie vor allem eine existentielle Gefährdung der Arbeit vieler Vereine zur Folge gehabt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In unserem Bundesgebiet gibt es zirka 100 000 Vereine. Denken wir an die rund 1 Million tätigen Vereinsmitglieder und Funktionäre, und tragen wir alle gemeinsam dazu bei, daß diese Damen und Herren in ihren Funktionen nicht weiter verunsichert werden!

Als Bürgermeister weiß ich die Arbeit unserer über 80 aktiven Vereine sehr wohl zu schätzen. Denken Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, an Ihre Heimatgemeinden, in denen zahlreiche Festivitäten stattfinden! Ich denke auch zum Beispiel an so manche Eröffnung eines neuen Vereinshauses, daran, daß die Funktionäre bei der offiziellen Eröffnung ganz stolz darüber berichten, daß oft Tausende freiwillige Arbeitsstunden für ein Projekt geleistet wurden. Ich denke weiters an die Aktivitäten und Leistungen unserer Freiwilligen Feuerwehren und der Hilfsorganisation, oder ich denke an die Aktivitäten der Dorf- und Stadterneuerung, die gerade in unserem Bundesland, in Niederösterreich, auf Initiative unseres Landeshauptmanns Dr. Erwin Pröll zur größten Bürgerbewegung geworden ist.

All diese Leistungen könnten von der öffentlichen Hand nicht finanziert werden. Unsere Vereine haben gerade im ländlichen Raum eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie erbringen unverzichtbare Leistungen für unser Land. Dabei stellt die meist freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeit der Bürger einen unentbehrlichen Kern für das Gesellschaftsleben, für sinnvolle Freizeitgestaltung und für den Bereich des kulturellen, sozialen sowie öffentlichen Lebens dar.

Ich begrüße daher die Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres, wonach es ohne breiten Konsens der politischen Parteien und der zahlreichen Vereine zu keiner Reform des Vereinsrechts kommen wird. Da es diesen Konsens derzeit nicht gibt, gibt es auch keine Novelle zum bestehenden Vereinsrecht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch das entschlossene Handeln des gesamten ÖVP-Parlamentsklubs konnte die Umsetzung des Vorhabens einer Novellierung des Vereinsgesetzes verhindert werden. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

22.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Tegischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.29

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte ganz kurz auf die im Sammelbericht enthaltene Petition Nummer 44 betreffend Jugendschutz und Jugendförderungsgesetze auf Initiative von Jugendlichen eingehen, weil sie ein gutes Beispiel dafür ist, daß auch der Petitionsausschuß etwas bewegen kann. Im Detail möchte ich jetzt auf den Inhalt nicht eingehen, weil ich dazu in der Plenardebatte am Freitag genug Gelegenheit haben werde, da es zu dieser Materie betreffend Jugend einen eigenen Tagesordnungspunkt geben wird.

Damit bin ich schon beim Kernpunkt angelangt. Im Petitionsausschuß haben wir Stellungnahmen eingeholt, und es wurde dann – zu meiner Freude – zum Bericht zur Lage der Jugend ein eigener Unterausschuß eingerichtet. Dort ist es uns gelungen, einen Entschließungsantrag zu dieser Petition zu formulieren, und dieser wurde letztendlich einstimmig angenommen. Dies ist ein großer Erfolg im Namen der Jugend und ein ausgezeichnetes Beispiel für die kontinuierliche und enge Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen und Abgeordneten mit Hilfe einer Petition. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Horngacher.)

Die nächste Bürgerinitiative, die ich als Beispiel nennen möchte, ist die Petition Nummer 56 bezüglich die Einrichtung einer Rollenden Landstraße im Drau- und Pustertal. Ich möchte das deshalb erwähnen, weil dieses Anliegen eigentlich als Bürgerinitiative eingebracht wurde, aufgrund eines Formfehlers liegenblieb und nach zehn Monaten unbehandelt wieder an den Erstunterzeichner zurückverwiesen wurde. Das ist schade, weil es für die Initiatoren ein sehr wichtiges Thema ist. Ich habe dieses Anliegen deshalb als Petition eingebracht und wünsche mir natürlich, daß diese Petition nach Einholung der Stellungnahmen einem Ausschuß zugewiesen würde.

Damit sind wir bei dem Problem angelangt – das wurde hier schon mehrmals angesprochen –, daß zwar Petitionen relativ leicht von Abgeordneten wieder eingebracht werden können, nicht aber Bürgerinitiativen. Deshalb wünschen wir uns – und ich weiß, daß es parteiübergreifend so ist –, daß Bürgerinitiativen mit Ende der Gesetzgebungsperiode nicht verfallen. Wir haben parteiübergreifend eine Initiative gestartet und mehrere Vorschläge für den Petitions- und Bürgerinitiativenausschuß ausgearbeitet, und wir wären sehr glücklich, wenn wir noch die Gelegenheit hätten, diese Vorschläge dem Hohen Haus in Form eines Antrages zur Kenntnis zu bringen.

Zuallerletzt habe ich einen unkonventionellen Vorschlag, der ebenfalls Mitstreiter aus allen Parteien hat. Es geht darum, wer Bürgerinitiativen unterzeichnen darf. Sie wissen, daß man jetzt erst ab dem 19. Lebensjahr dafür die Unterschrift leisten darf. Wir machen den unkonventionellen Vorschlag, schon Jugendliche ab 14 Jahren Bürgerinitiativen unterzeichnen zu lassen; ab 14 Jahren deswegen, weil Jugendliche sowohl zivil- als auch strafrechtlich in höherem Maße für ihr eigenes Tun zur Verantwortung gezogen werden, also mündig sind. Und warum – diese Frage stelle ich – sollten mündige Jugendliche nicht genauso wie Erwachsene das Recht haben, Anliegen, die sie unmittelbar betreffen, zu unterstützen?

Dies wäre unser Bekenntnis als Politiker, der Meinungsäußerung junger Menschen mehr Gewicht zu verleihen und ihnen damit unsere Wertschätzung zu zeigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.33

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rada. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.33

Abgeordneter Dr. Robert Rada (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es wurde heute in der Debatte schon sehr ausgiebig und ausführlich über die Wichtigkeit des Petitionsauschusses debattiert, ebenso über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Petitionen und Bürgerinitiativen allgemein. Ich möchte noch hinzufügen: Es gibt sehr viele wirklich wichtige und sinnvolle Petitionen, aber vielleicht auch die eine oder andere kuriose. Eine solche, die von freiheitlichen Abgeordneten eingebracht wurde, möchte ich herausnehmen, nämlich die Petition zum sofortigen Stopp der Rechtschreibreform.

Ich gebe gerne zu, daß die derzeitige Rechtschreibreform nicht das ist, was wir alle uns als Befürworter einer Reform erhofft haben. Sie ist ein Reförmchen geworden. Die alte Rechtschreibung war eine gewaltige Hürde für Menschen, die sich ihrer bedienen mußten, aber auch für Schüler, und es gab und gibt nicht wenige Repetenten, die dies eigentlich nur der Rechtschreibung zuschreiben mußten, weil es zu viele Ausnahmen gab, wie man nun das eine oder andere Wort zu schreiben hatte.

Aber genau das Erhoffte ist mit der Reform nicht eingetreten. Wir haben zwar in den meisten Fällen kein scharfes ß mehr, aber die wirkliche Hürde, die grammatikalische Unterscheidung von "das" und "dass", bleibt bestehen. Nicht ganz einsichtig ist auch folgendes: In der persönlichen Anrede und auf Glückwunschkarten haben viele Menschen das Problem, "deine" klein zu schreiben, wie es geschrieben gehört. Andererseits ist "Euretwegen" groß zu schreiben. "Pleite werden" schreibt man mit großem, "pleite sein" mit kleinem Anfangsbuchstaben.

Mit diesen drei Beispielen möchte ich die Kuriositäten der Reform anschneiden. Trotzdem glaube ich, daß die eingeleitete Reform auf dem richtigen Weg ist. Es zeigen uns die Rückmeldungen von Lehrern, daß unsere Schüler die neue Rechtschreibung bereits besser als die alte lernen. Ein Stopp für diese Rechtschreibreform wäre der größte Unfug! Immerhin werden unsere Schulanfänger seit dem Jahre 1997 mit der neuen Rechtschreibung beschult und lernen die neue Rechtschreibung. Diese Schüler jetzt – nur weil einige Abgeordnete meinen, diese Reform sei zu stoppen – wieder mit der alten zu quälen, wäre wirklich nicht Sinn einer Rechtschreibreform! (Beifall bei der SPÖ.)

22.36

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Löschnak. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Ofner: Franzi, was für Überraschungen! – Abg. Dr. Löschnak – auf dem Weg zum Rednerpult –: Man muß ab und zu etwas tun! – Abg. Dr. Ofner: Solltest öfter reden!)

22.36

Abgeordneter Dr. Franz Löschnak (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Ich möchte zur Petition Nummer 49 einige kurze Anmerkungen aus der Sicht des Sports machen.

Es handelt sich hiebei um jene Petition, in der nach einer langen Vorgeschichte um die Freigabe der Forststraßen für die Mountainbiker gebeten wird. Wenn ich das richtig verstanden habe, wird sie einem Unterausschuß des Verfassungsausschusses zugewiesen. Also ist wohl in dieser Legislaturperiode mit keinem Ergebnis mehr zu rechnen. Aber trotzdem glaube ich, daß die Fakten ganz einfach dafür sprechen, daß man sich wirklich einmal ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt.

Es geht immerhin darum, daß wir Forststraßen in der Länge von insgesamt 130 000 Kilometern haben und daß davon derzeit lediglich 10 000 Kilometer für die Mountainbiker freigegeben sind. Es geht weiters darum, daß in Österreich rund 1 Million Bürgerinnen und Bürger ein Mountainbike haben. Umfragen haben ergeben, daß rund die Hälfte gerne auch mehr Forststraßen benützen würde. Es geht letztendlich auch darum, daß in den Nachbarländern die Benützung der Forststraßen für Mountainbiker grundsätzlich freigegeben ist. Das ist in Bayern so, das ist in der Schweiz so, das ist in Italien so.

Daher glaube ich, daß man sich schon im Interesse von Zigtausenden Urlaubern, die in Österreich auch mehr Möglichkeiten mit Mountainbikes haben möchten, und im Interesse von rund einer halben Million Sporttreibenden einmal ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen sollte, die vielleicht ein bißchen ideologisch motivierten Widerstände hintanhalten sollte und dann zu einem guten Ergebnis kommen sollte. Das ist mein Appell in Zusammenhang mit der Petition Nummer 49. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Leiner.)

22.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1901 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Kenntnisnahme ihre Zustimmung ausdrücken, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Damit haben wir diesen Gegenstand der Tagesordnung erledigt.

20. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1758 der Beilagen): Bundesgesetz über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychologengesetz) (1979 der Beilagen)

21. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1759 der Beilagen): Bundesgesetz über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von Psychotherapeuten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Psychotherapiegesetz) (1980 der Beilagen)

22.Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1774 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Verkehr mit Speisesalz geändert wird (1981 der Beilagen)

23. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1777 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (1982 der Beilagen)

24. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1778 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das AIDS-Gesetz 1993 geändert wird (1983 der Beilagen)

25. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1824 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (1984 der Beilagen)

26. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1084/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz geändert wird (1985 der Beilagen)

27. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1097/A der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Blutsicherheitsgesetz 1999 geändert wird (1986 der Beilagen)

28. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1000/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung eines gesetzlichen Entschädigungsfonds für die in Zusammenhang mit Blut- oder Blutprodukten geschädigten Personen (1987 der Beilagen)

29. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1001/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Abschluß einer Versicherung für den Schutz von Blut- und Plasmaspendern (1988 der Beilagen)

30. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 841/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Verbesserung und Ausweitung der HIV Meldepflicht (1991 der Beilagen)

31. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 875/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Umstrukturierung von Krankenhaus- und Akutbetten (Stationen) zu Palliativ-Stationen (1992 der Beilagen)

32. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 938/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend Gesundheitssicherheit durch Ausnahmenbeseitigung im Bazillenausscheidergesetz (1993 der Beilagen)

33. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 950/A (E) der Abgeordneten Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend leistungsorientierte Krankenhaus-Finanzierung (LKF) – entsprechende Änderung der Kostenrechnungsverordnung (1994 der Beilagen)

34. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 827/A (E) der Abgeordneten Theresia Haidlmayr und Genossen betreffend Schaffung einer einheitlichen bundesgesetzlichen Regelung für den Bezug von Arzthonoraren der Bundesärzte (1995 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir kommen zu den Punkten 20 bis 34, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wünsche nach mündlicher Berichterstattung liegen nicht vor. Daher können wir sogleich in die Debatte eingehen.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Pumberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.41

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu später Abendstunde kommt wie üblich das Gesundheitspotpourri von 15 Anträgen (Abg. Dr. Leiner: 17!), 15 plus 2 in einem eigenen Punkt.

Dabei handelt es sich in erster Linie um Regierungsvorlagen, die allesamt zu einer EU- oder EWR-Anpassung führen. Alle diese EU- und EWR-Anpassungen haben aber eines gemeinsam: eine Nivellierung nach unten. Es kommt zu einer Verschlechterung der Situation gegenüber der derzeit bestehenden Lage in Österreich (Abg. Dr. Rasinger: Auf dein Niveau?), und daher sind wir Freiheitliche schlicht und einfach dagegen. Das können wir nicht mittragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon bei dem Psychologen- und Psychotherapeutengesetz fängt es an. Gehen wir davon aus, daß Kollege Rasinger einen Psychotherapeuten braucht. (Abg. Dr. Rasinger: Nein!) Er muß zur Behandlung, er geht hin, weil er sich dort Hilfe erwartet (Abg. Dr. Rasinger: Du brauchst ja selbst Therapie!), trägt dem Therapeuten lange und ausführlich sein Anliegen vor, und nach einer ausführlichen Vorstellung seiner Beschwerden und seines Gemütszustandes antwortet ihm der Therapeut.

Dann kommt er drauf: Der gute Mann hat mich nicht verstanden, und ich verstehe ihn nicht, weil er der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Er muß nicht einmal der deutschen Sprache mächtig sein, wenn er in Österreich gemäß dem Recht auf Berufsausübung als Psychologe oder Psychotherapeut zugelassen wird! Das kritisiert auch die Ärztekammer. Im Ärztegesetz und sogar von den Tierärzten werden deutsche Sprachkenntnisse verlangt.

Daher bringen wir hierzu einen Entschließungsantrag ein, wonach zusätzlich zu den Deutschkenntnissen auch eine Strafregisterbescheinigung – und zwar nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem Heimat- und Herkunftsland – vorgewiesen werden muß, die nicht älter als drei Monate ist. Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Mag. Haupt, Dr. Kurzmann, Dr. Salzl betreffend Berufstätige im Gesundheitswesen – Vertrauenswürdigkeit und Deutschkenntnisse

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Im Interesse einer optimalen Patientenbetreuung wird die Bundesregierung aufgefordert, das Anforderungsprofil für alle nichtösterreichischen Bewerber(innen) um die Ausübung eines Gesundheitsberufes in Österreich, einschließlich Psychologen und Psychotherapeuten, in folgenden Punkten zu vereinheitlichen:

1. Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache,

2. Nachweis der Vertrauenswürdigkeit durch Vorlage einer Strafregisterauskunft und eines Leumundszeugnisses sowohl aus Österreich als auch aus dem Heimat- und Herkunftsstaat, die bei Vorlage nicht älter als drei Monate sein dürfen."

*****

Ähnlich verhält es sich bei der Patientencharta. Das ist einmal ausnahmsweise etwas Positives. Man versucht auf Bundesebene, endlich zu Vereinbarungen mit den Bundesländern zu kommen, daß die Patientenrechte gegenseitig gesichert sind. In dieser Hinsicht kommt es zu einem Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Ländern. Einzig ein Bundesland hat bis jetzt diese Charta unterzeichnet, und zwar das Bundesland – man höre und staune!, die Unterschrift heißt Dr. Jörg Haider – Kärnten, ein Muster-Bundesland, das sich dafür einsetzt, daß die Patientenrechte gesichert sind! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Gatterer: Da war Haider noch gar nicht Landeshauptmann! – Weitere Zwischenrufe.)

Daher bringen wir weiters folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pumberger, Dr. Povysil, Mag. Haupt und Kollegen betreffend Abschluß von Vereinbarungen gemäß Artikel 15a B-VG mit allen Bundesländern

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales wird ersucht, mit allen Bundesländern neuerlich Kontakt aufzunehmen und bis zum Ende der XX. Legislaturperiode Vereinbarungen gemäß Artikel 15a B-VG zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) analog der Vereinbarung mit Kärnten abzuschließen."

*****

Frau Bundesministerin! Ich bitte Sie, diese Verhandlungen sofort wiederaufzunehmen, damit die Patientenrechte ehebaldigst auch in den übrigen acht Bundesländern und nicht nur im Muster-Bundesland Kärnten gesichert sind.

Auch beim Hebammengesetz kommt es zu einer Verschlechterung, und zwar kommt es zu einer Verschlechterung der Ausbildung, bevor man sich freiberuflich niederläßt.

Insgesamt lehnen wir nahezu all diese Regierungsvorlagen ab. Welchen wir zustimmen, werden Sie gleich sehen – zum Beispiel der Patientencharta. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

22.46

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auf die heutigen Regierungsvorlagen und Anträge kann ich aus Zeitgründen nur vereinzelt eingehen. Ich werde daher zu dem Psychologengesetz nicht Stellung nehmen wie im Ausschuß, sondern überlasse die Antwort Kollegin Buder.

Als Ärztin liegt mir die Patientencharta am Herzen, daher werde ich über diese reden. Ich möchte nur feststellen, daß es unwahrscheinlich ist, daß man in so kurzer Zeit eine Patientencharta vollenden kann. Also dürfte sie auf die Vorarbeiten von Ausserwinkler zurückzuführen sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Rasinger.)

Die meisten in der Patientencharta erhobenen Forderungen sind längst gesichert und bindend für in der Medizin Tätige. Es ist selbstverständlich, Therapien nach höchstem Stand der Wissenschaft einzusetzen.

Extra auf die Schmerztherapie hinzuweisen, ist nicht unbedingt nötig, denn die bestmögliche ist Standard. Die Angst vor Alkaloideinsatz ist gefallen. Man nimmt den Schmerz – außer aus diagnostischen Gründen – nicht zwingend hin. Nicht unter Schmerzen, sondern in Unlust oder Trauer sollst du deine Kinder gebären, steht in der Bibel, sodaß Schmerzbekämpfung bei Geburten, soweit medizinisch zulässig, durchgeführt wird.

Selbstverständlich werden Patienten transferiert, wenn die eigene Abteilung nicht entsprechend ausgerüstet ist. Die ärztliche Betreuung muß laut Artikel 7 auf fachärztlichem Niveau erfolgen.

Die Rufbereitschaft fand eine parlamentarische Mehrheit und ist außerhalb Wiens üblich.

Ich bezweifle, daß immer Intim- und Privatsphäre sichergestellt, Behandlungs- und Pflegeabläufe dem üblichen Lebensrhythmus angepaßt werden können.

Es ist unabdingbar, gesundheitsbezogene Daten geheimzuhalten. Ich sehe aber eine Kollision mit Versicherungsverträgen und manchen Statistiken.

Das Spitalspersonal ist mit dem derzeitigen Personalstand überfordert, wenn es darum geht, unerwünschte Besuche zu verhindern. Dazu benötigt man Personalaufstockungen.

Das Recht auf Selbstbestimmung, Information und Aufklärung besteht längst und wird auch aus forensischen Gründen wahrgenommen.

Problematisch ist das Recht, Verfügungen für Ernstfälle zu treffen, da keiner seine Entscheidung zu jenem Zeitpunkt weiß. Die Folgen können gravierend sein.

Die Gewährung der Einsicht in die Krankengeschichte ist verpflichtend. Bei Aufklärung verlangen Patienten soviel Information, wie sie ertragen können.

Um Patienten ihre Rechte klarzulegen, ist diese Patientencharta zielführend. Einige Artikel sind problematisch.

Kurz noch zum Antrag 1000/A: Die in der Herstellung sehr teuren Blutprodukte werden von schwerstkranken Patienten benötigt. Bei biologischen Produkten sind nie alle Gefahrenquellen auszuschließen.

Alle Schäden abzudecken ohne Berücksichtigung der Frage, ob die Patienten ohne Gabe dieses Präparates verstorben wären, führt zur exorbitanten Verteuerung der Medizin. Ohne schuldhaftes Verhalten wie bei jenen infektiösen Bluterpräparaten, die gegeben wurden, als virussichere Präparate bekannt waren, ist eine Entschädigung schwer vorstellbar.

Unter den Hepatitis-C-Infizierten finden wir einen hohen Akademikeranteil vor, weil vor allem Studenten als Plasmaspender ihr Taschengeld aufbesserten. Daher wird diese Erkrankung so breit diskutiert.

Vergessen wir nicht, daß Empfänger früher oft mit Hepatitis B angesteckt wurden. Da sie häufig an dieser Erkrankung starben, haben sie keine Schadenersatzforderungen gestellt. Es ist fürchterlich, durch die Gabe eines Heilmittels zu erkranken, jedoch hätte ohne dieses keine Überlebenschance bestanden. Zu klagen sind nicht indizierte Blutkonserven, wie sie zum Beispiel nach Geburten verabreicht wurden.

Wir Sozialdemokraten stehen für eine effiziente Gesundheitspolitik. In diesem Sinne werden wir auch politisch weiter gestalten. (Beifall bei der SPÖ.)

22.50

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.50

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Unter den heutigen parlamentarischen ... (Zwischenruf des Abg. Böhacker.) Hast du das schon gelesen? Ja, Gott sei Dank! Dann kürze ich es jetzt nämlich ganz wesentlich. (Abg. Böhacker: Wirklich? – Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ich möchte nur einige Dinge predigen, und damit seid ihr sicher auch einverstanden. Diese Dinge predige ich jetzt schon jahrelang, und jetzt stehen wir wiederum vor einem Vertrag, zu dem es im Jahre 2000 kommen soll, und in diesem Zusammenhang möchte ich vor allem Sie, Frau Ministerin, bitten – bitten und betteln, wie man es bei uns so schön sagt –, auf die Frage der Finanzierung des LKF-Systems aufmerksam zu machen und vor allem auch mit Nachdruck darauf einzuwirken.

Wie soll das durchgeführt werden? – Da wäre auf die Möglichkeit zu verweisen, möglichst viel in den extramuralen Bereich herauszuverlagern. Es müßte dieser extramurale Bereich der niedergelassenen Systeme – seien dies nun Arztpraxen, seien es Tageskliniken oder die Hauskrankenpflege und so weiter – ausgebaut werden, sodaß es wirklich möglich ist, hinsichtlich der Ambulanzen Barrieren aufzubauen und möglichst viele Patienten aus dem Krankenhaus herauszubringen beziehungsweise sie in die Lage zu versetzen, erst gar nicht in ein Krankenhaus gehen zu müssen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, den auch all diese Anträge beinhalten, ist die Vorsorgemedizin. Ich glaube, daß in diesem Bereich einige Dinge insofern nicht ganz richtig laufen (Abg. Dr. Pumberger: Die Lebensstiländerung!), als man nicht korrekt darüber nachdenkt, warum man nicht den gewünschten Erfolg hat. Man müßte sich wirklich einmal überlegen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Lebensstiländerungen und der Gesundheit? Welche Kosten verursacht ein gesundheitsgefährdender Lebensstil? Welche Ursachen liegen einem gesundheitsgefährdenden Lebensstil zugrunde? Welche Möglichkeiten bestehen – und wo sind die Grenzen dieser Möglichkeiten –, um ein gesundheitsadäquates Verhalten des einzelnen Menschen zu erzielen? (Abg. Dr. Pumberger: Lebensstil!)

Ich will jetzt nicht darüber reden, wie viele Schwierigkeiten da auftauchen, aber ich möchte auch noch auf gewisse Ursachen hinweisen, und diese müßten noch besser erforscht werden, damit man dann auch entsprechende Maßnahmen ergreifen und dadurch dem Bürger eine Hilfestellung geben kann.

Unter den Ursachen ist zum Beispiel die kürzere Arbeitszeit und das Mehr an Freizeit. Sie werden sich fragen: Warum? – Professor Marin hat festgestellt, daß die Menschen heute um 700 Stunden im Jahr weniger arbeiten als vor 30 Jahren (Abg. Dr. Ofner: In welcher Zeiteinheit?) – 700 Stunden weniger im Jahr –, und er hat sich dann gefragt: Was tun die Menschen mit dieser Freizeit? – Er hat festgestellt, daß jeder Österreicher 1 100 Stunden vor dem Fernseher verbringt. (Abg. Haigermoser: Wie lange?) 1 100 Stunden, wie Professor Marin festge-stellt hat. (Abg. Dr. Rasinger: ORF? – Ruf bei den Freiheitlichen: Im Durchschnitt?) Im Durchschnitt. (Abg. Böhacker: Aber schon mit einem Kabelanschluß!) Das ist möglich. – Und was macht man da dabei? Man nascht, man trinkt (Abg. Haigermoser: Soletti, Chips!), und Bewegung macht man auch nicht gerade dabei. Das ist natürlich ungesund. (Abg. Haigermoser: Stimmt das? 1 100 Stunden vor dem Fernseher?)

Eine weitere Ursache ist die Sozialisation. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Punkt, denn die Gesellschaft beziehungsweise die Gemeinschaft übernimmt eigentlich mit der Sozialversicherung jedes ungesunde Leben, und diese Sozialisation nimmt dem einzelnen auch die Eigenverantwortung. (Abg. Mag. Trattner: Das kann nicht stimmen! Das nimmst du zurück!) Ja, aber bitte, wenn jemand ... (Abg. Dr. Pumberger: Die Lebensstiländerung macht nur 37 Prozent aus!) Gut.

Der Gegensatz zwischen Gesundheit und Lebensqualität ist ebenfalls ein Punkt, der die Men-schen zum ungesunden Leben hinführt. Der Raucher sagt einfach, das Rauchen sei wichtig für seine Lebensqualität. Daß er damit aber auch der gesamten Gesellschaft schadet, darüber denkt er nicht nach. Es gibt noch wesentlich mehr Punkte, die erforscht werden sollten. Man sollte auch abstecken, wo die Grenzen jenes Bereiches liegen, in dem man wirklich helfen kann. Eine Positivkampagne über die Medien wäre unbedingt angezeigt. Ich glaube, daß da auch von seiten der öffentlichen Hand noch in weiten Bereichen entsprechende Arbeit zu leisten wäre und daß dadurch menschliches Leid verhindert werden könnte beziehungsweise daß auch richtige Einsparungseffekte erzielt würden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

22.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Klara Motter. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Ruf bei den Freiheitlichen: Die redet ja ununterbrochen! – Heiterkeit der Abg. Motter.)

22.56

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! (Abg. Haigermoser: Klärchen, mach schnell, bitte!) Ich mache es ganz schnell!

Mit einer sehr umfangreichen Tagesordnung befaßte sich letzte Woche der Gesundheitsausschuß. Wie immer am Ende einer Legislaturperiode häufen sich die Anträge, und lange Liegengebliebenes muß endlich aufgearbeitet werden.

Es ist mir heute auch aus Zeitgründen gar nicht möglich, auf alle 15 Punkte einzugehen, die auf der Tagesordnung stehen.

Meine Damen und Herren! Kurz zu den aus unserer Sicht wichtigsten Gesetzesvorlagen: Zum EWR-Psychologen- und zum EWR-Psychotherapiegesetz möchte ich festhalten, daß es sich weitgehend um EU-Anpassungen handelt. Da nicht generell von einer Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Qualifikation ausgegangen werden kann, muß vor einer Berufszulassung in Österreich notwendigerweise die Gleichwertigkeit der Qualifikation zur Berufsausübung individuell überprüft werden. Bestehen Mängel oder entspricht die bisherige Ausbildung nicht den gegebenen Voraussetzungen, so können sich Psychologen oder Psychotherapeuten aus den EU-Ländern in Zukunft Ausgleichsmaßnahmen, einem Anpassungslehrgang oder einer Eignungsprüfung unterziehen.

Was ich allerdings feststellen muß, ist, daß es schwierig sein wird, Modelle zur Anpassung zu finden, da die Ausbildung in Europa unterschiedlich ist. Allein in Österreich haben wir zirka 18 verschiedene Psychotherapieschulen. Auch ist Österreich eines der wenigen Länder im europäischen Raum, das ein Psychotherapeutengesetz hat.

Meine Damen und Herren! Bezüglich der Eignungsprüfung stellt sich daher die Frage: Wer ist zuständig, welche Schule nimmt die Prüfung ab, und welche Kriterien haben Gültigkeit? Frau Ministerin, ich glaube, da ist noch einiges zu klären, und ich hoffe, daß Sie das auch zur vollen Zufriedenheit machen werden.

Wir stimmen diesen beiden Gesetzen aber trotzdem zu, weil wir glauben, daß es auch für unsere jungen Menschen im Ausland wichtig ist, dort mit ihrer Ausbildung Anstellungen zu bekommen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Im Zuge der Diskussion der beiden Gesetze brachte die freiheitliche Fraktion vier Abänderungsanträge ein, in denen der Nachweis von ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache sowie der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit durch eine Strafregisterbescheinigung sowohl aus Österreich als auch aus dem Heimat- und Herkunftsstaat eingefordert wird. Dem können wir von den Liberalen, meine Damen und Herren, ganz sicher nicht zustimmen. Denn wieso sollen nicht auch türkisch oder kroatisch sprechende PsychotherapeutInnen und PsychologInnen diesen Beruf ausüben können? Es zwingt uns ja niemand, zu diesen Ausländern, wie Sie dies immer ausdrücken, zu gehen, denn wir haben ja freie Wahl, sowohl was die Therapie als auch was den Therapeuten betrifft. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Zur Regierungsvorlage, mit der das Bundesgesetz (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Also, wenn ich meinen Psychotherapeuten nicht verstehe, dann hab ich ein Problem!) – ich muß ja nicht hingehen, aber es gibt sehr viele, die sie als ihre Landsleute wohl verstehen und dadurch mehr Vertrauen zu ihnen haben (Beifall beim Liberalen Forum) – über den Verkehr mit Speisesalz geändert wird, stellt sich für uns Liberale, da dies ebenfalls eine EU-Anpassung ist und da wir auch in Zukunft noch viele solche Anpassungen in dieser Art vollziehen müssen, die Frage, ob nicht, auch um einer durch EU-Anpassungen zu erwartenden Gesetzesflut entgegenzuwirken, der Weg über Verordnungen der wesentlich unbürokratischere wäre. – Auch zu dieser Gesetzesvorlage erfolgt von seiten des Liberalen Forums die Zustimmung.

In Zusammenhang mit dem Hebammengesetz, bei dem das vorrangige Ziel ebenfalls in der EU-Harmonisierung besteht und das Regelungen für die freiberufliche Berufsausbildung vorsieht, möchte ich nochmals auf den gemeinsamen Antrag der Abgeordneten Haidlmayr und Motter hinweisen. Wir wollen die Streichung des § 52 Abs. 4 des Hebammengesetzes, der die Einhebung des Gremialbeitrages vorsieht.

Die Arbeit des Österreichischen Hebammengremiums würde dadurch eine große Erleichterung erfahren, denn die Ausgaben des Österreichischen Hebammengremiums sind innerhalb der ersten sechs Kalendermonate eines jeden Jahres höher als in den folgenden Monaten. Es ist daher wesentlich unkomplizierter und übersichtlicher, den Hebammen den Gremialbeitrag von 1 500 S pro Jahr einmal jährlich am Jahresanfang vorzuschreiben.

Frau Kollegin Dr. Pittermann und Herr Kollege Dr. Leiner! Ihr Entschließungsantrag ist eine Augenauswischerei. Sein Inhalt besteht darin, die Einhebung des Gremialbeitrages zu prüfen und allenfalls in der Folge dem Nationalrat einen entsprechenden Gesetzesantrag zuzuleiten. Was wollen Sie eigentlich prüfen? Schenken Sie dem Österreichischen Hebammengremium keinen Glauben? Oder ist Ihnen nur daran gelegen, noch mehr Gesetze ins Hohe Haus zu bringen?

Abschließend möchte ich festhalten, daß wir den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Povysil betreffend Verbesserungen und Ausweitungen der HIV-Meldepflicht ablehnen werden, denn Maßnahmen in Abstimmung mit Ressortkollegen und -kolleginnen und der EU in bezug auf Gesundheitskontrollen bei Einreise in unser Land zu treffen, ist schlichtweg undurchführbar und von uns auch nicht gewollt. Das im Antrag angesprochene Meldesystem bedeutet eine Diskriminierung von HIV-Patienten, und das wollen wir sicher nicht! (Abg. Dr. Pumberger: Darf man Tuberkulosetests machen?)

Meine Damen und Herren! Auf die Charta der Patientenrechte wird meine Kollegin Dr. Gredler noch eingehen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

23.02

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

23.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sammelsurium an Gesetzen, das wir heute zu beschließen haben, ist irgendwie grotesk, denn es ist wieder einmal passiert, daß alles, was in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt werden soll – EU-Anpassungen et cetera –, in letzter Stunde oder ganz zum Schluß gemacht werden muß. Ich hätte mir gewünscht, daß wir über die einzelnen Punkte mehr und ausführlicher hätten diskutieren können und nicht in einem Ausschuß mehr als 30 Tagesordnungspunkte in so kurzer Zeit hätten behandeln müssen. (Abg. Steibl: Es reicht jetzt schon! 23 Uhr haben wir! Ich glaube, wir haben andere Sorgen!) Es ist nun eben einmal so, und wir müssen damit leben. Ich hoffe aber, daß wir in dieser Legislaturperiode noch eine Sitzung des Gesundheitsausschusses haben werden, in dem wir über die Vorhaben, die noch umgesetzt werden sollen, ausführlicher und intensiver diskutieren können, und daß es nicht wieder so ein großer Block ist, der im Grunde genommen nur mehr durchgedrückt werden kann, aber nicht mehr diskutierbar ist.

Zum Psychologen- und Psychotherapiegesetz ist zu sagen, daß es sich hier hauptsächlich um eine EU-Anpassung handelt, daß wir das als sinnvollen Schritt bezeichnen, daß jedoch einige Fragen offenbleiben, zum Beispiel die Frage der gesundheitlichen Eignung. Denn für uns ist es inakzeptabel, daß etwa körperbehinderte Menschen keine PsychologInnen oder keine PsychotherapeutInnen mehr werden dürfen, weil jetzt eben in § 6 der sogenannte Nachweis der gesundheitlichen Eignung vorgesehen ist, und da werden speziell behinderte Menschen durchfallen und nicht genommen werden. Als Beispiel wurde uns in diesem Zusammenhang jenes von Dr. Ringel gebracht: Der war doch auch mehr oder weniger bis kurz vor seinem Tod aktiv. Das stimmt! Ich glaube aber, wenn Dr. Ringel von Beginn an behindert gewesen wäre, dann hätte er nach diesem neuen Gesetz keine Möglichkeit gehabt, jemals seinen Beruf auszuüben.

Was das Bundesgesetz über den Verkehr mit Speisesalz betrifft, Frau Ministerin, möchten wir Sie darum ersuchen, daß in Zukunft Untersuchungen durchgeführt werden, die die Unbedenklichkeit von Jodat unter Berücksichtigung von modernen Forschungsmethoden belegen, und daß diese Untersuchungen auf europäischer Ebene durchgeführt werden, um Gesundheitsschäden generell so weit wie möglich oder gänzlich auszuschließen.

Auch beim Hebammengesetz geht es nur um eine Reparatur, damit es eben zu einer EU-Anpassung kommt. (Abg. Dr. Pumberger: Eine Schlechterstellung!) Es sind in diesem Fall Schlechterstellungen, die damit wirksam werden, weil nämlich die Praxis, die sich Hebammen und Krankenschwestern bisher erwerben mußten, bevor sie freiberuflich tätig sein konnten, jetzt fehlt. Ich glaube, man sollte sich überlegen, ob es nicht denkbar wäre, es dieser Berufsgruppe zu gestatten, sich eine Praxis im Rahmen einer Anstellung von Hebammen bei Hebammen zu erwerben. Ich glaube, daß der Erwerb einer solchen Praxis ganz wichtig ist.

Frau Ministerin! Ich habe zum Hebammengesetz auch einen Abänderungsantrag. Es wäre kein Problem, diesen Abänderungsantrag heute positiv abzustimmen. Es geht ausschließlich um den § 52 Abs. 4: Wir ersuchen Sie, diesen Paragraphen ersatzlos zu streichen. Hier geht es eigentlich um nichts anderes als um die Einhebung des Greminalbeitrages, und da müßte es wirklich im Interesse der Hebammen eine Änderung geben, damit man den Verfahrensweg verkürzt und die Bürokratie nicht so nach oben treibt, wie es derzeit der Fall ist. Die Streichung im § 52 würde nichts verändern, würde keinen Schilling kosten, sondern ausschließlich eine Vereinfachung bringen.

Auch bei der Änderung des Medizinproduktegesetzes und des AIDS-Gesetzes handelt es sich eigentlich nur um die Umsetzung einer EU-Richtlinie. Auch dem werden wir zustimmen.

Die Patientencharta des Landes Kärnten sollte – wobei ich anmerken möchte, daß der Text dieser Patientencharta noch vom ehemaligen Gesundheitsminister Ausserwinkler stammt – österreichweit umgesetzt werden, und über diese Charta sollte mit allen Bundesländern ein Vertrag gemacht werden. Der Kritikpunkt, der in bezug auf die Patientencharta jedoch nach wie vor aufrecht ist, besteht darin, daß es nicht selbstverständlich ist, daß Kinder im Krankenhaus das Recht haben, ihre Eltern oder eine andere Bezugsperson bei sich zu haben, obwohl das in der Charta der UNESCO verankert ist. In der Praxis wird das aber derzeit nicht umgesetzt, und in Zukunft wird dies auch nicht der Fall sein.

Ich habe im Ausschuß zwei Anträge eingebracht, einen zur Schaffung eines gesetzlichen Entschädigungsfonds für Personen, die im Zusammenhang mit Blut und Blutprodukten geschädigt worden sind, und einen, der den Abschluß einer Versicherung für den Schutz von Blut- und Plasmaspendern vorsieht. Leider ist dieser Antrag im Ausschuß abgelehnt worden. Das bedauere ich sehr, weil ich glaube, daß jener Personenkreis sehr wohl das Recht haben sollte, auch entsprechend versichert zu sein.

Was den Antrag von Frau Povysil betrifft, so werden wir dem negativen Ausschußbericht zustimmen, denn ihre Forderung bedeutet nichts anderes als die Gefahr der sozialen Diskriminierung von HIV- und AIDS-Patienten. Wir glauben, daß sich die Präventionsarbeit der AIDS-Hilfe in den letzten Jahren sehr gut bewährt hat und dieser Antrag daher nicht notwendig ist.

Zu den Arzthonoraren möchte ich noch folgendes sagen: Mein Antrag wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr behandelt werden, aber ich verspreche Ihnen, daß wir diese Thematik in der nächsten Legislaturperiode wieder auf den Tisch bringen werden. Es gibt gravierende Unterschiede, und diese müssen beseitigt werden, aber in dieser Legislaturperiode ist das leider nicht mehr zu machen.

Bezüglich der Umstrukturierung im Bereich der Akutbetten im Krankenhaus stimmen wir dem negativen Ausschußbericht zu, weil wir glauben, daß es sehr wohl eine Änderung geben soll.

Ansonsten, Frau Ministerin, hat der Ausschuß, wie gesagt, wenig Zeit dafür gelassen, die einzelnen Punkte gut zu diskutieren. Ich wünsche mir, daß wir in Zukunft beziehungsweise bei der letzten Ausschußsitzung in dieser Legislaturperiode mehr Qualität in unsere Ausschußarbeit bringen können, indem weniger Punkte auf die Tagesordnung gesetzt werden und mehr Möglichkeit für Diskussion vorgesehen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

23.10

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

23.10

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Gegen Ende der heutigen Sitzung wollen wir noch, wie wir bereits mehrfach gehört haben, Gesetze aus dem Gesundheitsbereich beschließen, mit denen ein weiterer Schritt im großen Projekt der Anpassung des österreichischen Rechts an die Rechtslage der Europäischen Union getan wird.

Ich meine das Bundesgesetz über die Niederlassung und die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs von klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen beziehungsweise von Psychotherapeuten aus dem europäischen Wirtschaftsraum. Da nicht generell von einer Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Qualifikation der im Bereich des Gesundheitswesens tätigen Psychologen beziehungsweise Psychotherapeuten ausgegangen werden kann und insbesondere vergleichbare gesetzliche Regelungen in anderen Mitgliedstaaten des EWR nicht vorhanden sind, muß vor einer Berufszulassung in Österreich natürlich die Gleichwertigkeit der Qualifikation im Rahmen einer individuellen Überprüfung der Einzelansuchen festgestellt werden.

Bestehen gravierende Mängel im Vergleich zu den in unserem Land geforderten Voraussetzungen für die Zulassung zur Berufsausübung der vorher genannten Berufsgruppen, dann sind, um der diesbezüglichen EWR-Richtlinie aus dem Jahr 1998 über die Anerkennung der Hochschuldiplome zu entsprechen, Ausgleichsmaßnahmen wie ein Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung anzubieten und durchzuführen. Festzuhalten ist dabei, daß dem Antragsteller eine Wahlmöglichkeit zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung als Ausgleichsmaßnahme einzuräumen ist. Die nähere Ausgestaltung der Ausgleichsmaßnahmen wird durch eine Verordnung festgehalten, um flexibler auf allfällige Änderungsnotwendigkeiten reagieren zu können.

Ganz wesentlich geht es darum, daß die österreichischen Ausbildungsstandards hier bei uns nicht aufgeweicht werden, denn im EWR gibt es derzeit nur wenige Staaten, in denen eine staatlich anerkannte vergleichbare Ausbildung beziehungsweise reglementierte Berufsausübung besteht wie in Österreich. Aufgrund der bisher stattgefundenen Migration von Staatsangehörigen des EWR seit dem Jahre 1991 – vier Psychologen, 20 Psychotherapeuten – und insbesondere aufgrund des Berichtes gemäß der EU-Richtlinie für die Jahre 1995 und 1996, wonach vier Psychologen und acht Psychotherapeuten migrierten, läßt sich für die Berufsgruppen der klinischen Psychologen, der Gesundheitspsychologen und der Psychotherapeuten nunmehr realistisch abschätzen, daß insgesamt zehn Personen pro Jahr Anträge auf Berufszulassung stellen werden. Das heißt, die Verwaltungstätigkeit im Zusammenhang mit den Berufszulassungen ist mit den vorhandenen Ressourcen und ohne Mehrkosten abzudecken. Aufgrund dieser zu erwartenden geringen Zahl von Antragstellern, die nach Österreich kommen wollen, besteht auch in keiner Weise die Gefahr einer Überschwemmung oder einer Verdrängung einheimischer Psychologen. Erwähnt sei noch, daß natürlich auch den österreichischen Fachkräften das EU-Ausland offensteht.

Wir werden der Vorlage unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.14

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Ich möchte noch nachträglich festhalten, daß Frau Abgeordnete Haidlmayr einen Abänderungsantrag vorgelesen hat, der ausreichend unterstützt ist und in die Verhandlungen mit einbezogen wird.

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Haidlmayr, Motter, Freunde und Freundinnen betreffend die Regierungsvorlage für ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (1777 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert werden (1777 der Beilagen) in der Fassung des Ausschußberichtes (1982 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

Im Artikel I (Änderung des Hebammengesetzes) wird nach Punkt 6 folgender Punkt 7 eingefügt:

"7. Im § 52 wird der Abs. 4 ersatzlos gestrichen."

Die weitere Numerierung wird dieser Änderung angepaßt.

*****

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

23.14

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Im letzten Gesundheitsausschuß sind mir zwei Tatsachen wieder ziemlich klar geworden: Die eine ist, daß bei den EU-Anpassungsgesetzen wie immer in vorauseilendem Gehorsam Brüssel gegenüber unsere österreichischen Standards nivelliert werden.

Die zweite Tatsache ist, daß sinnvolle politische Maßnahmen ganz einfach aus rein parteipolitischen Spielchen heraus abgewürgt werden. Dazu Beispiele: Sie wissen, daß wir über das Hebammengesetz gesprochen haben. Hebammen müssen bei uns derzeit drei Jahre lang eine Ausbildung im Krankenhaus machen. Wenn sie freiberuflich tätig werden wollen, müssen sie vier Jahre, also ein weiteres Jahr, im Krankenhaus tätig sein. Das ist deshalb sinnvoll, weil sie außerhalb des Krankenhauses ohne Netz arbeiten und daher zur Sicherheit ihrer Patienten eine qualitativ hochwertige Ausbildung brauchen.

Die EU nivelliert nun diese Ausbildungszeit der Hebammen auf drei Jahre. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag eingebracht und gesagt: Okay, wenn es jetzt nur drei Jahre sind, dann soll man in diesen drei Jahren zumindest das vierte Jahr ohne Qualitätsverlust in seinen Inhalten mit einarbeiten.

Sie haben diesen Antrag wieder abgelehnt. Ich muß wirklich sagen, daß ich diese verantwortungslose Haltung unseren Bürgern und auch den Hebammen gegenüber einfach nicht verstehen kann, und wir werden natürlich die Verbände von dieser Abstimmung auch informieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wo liegen aber nun die wirklichen, die aktuellen Fragen unseres Gesundheitswesens? – Diese liegen in der Finanzierung. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag zur LKF, zur Vereinheitlichung der LKF, zu einer Erneuerung der Kostenrechnung eingebracht. Sie liegen in der demographischen Entwicklung und in der zunehmenden Alterung unserer Bevölkerung. Wir haben dazu einen Antrag zur Umwidmung von Akutbetten in Palliativbetten eingebracht. Und – und das ist ein ganz wichtiger Punkt – sie liegen im Auftreten neuer Infektionen und unbekannter Infektionskrankheiten und in der Zunahme dieser Infektionen. Eine der lebensbedrohlichsten Infektionskrankheiten unseres Jahrhunderts ist nun einmal AIDS. Nun haben wir den Vorteil, daß in Österreich seit 1995 die AIDS-Erkrankungsrate und die AIDS-Sterberate zurückgehen, wissen aber nicht genau, ob dies auf die gute Prävention oder auf die gute Therapie zurückzuführen ist. Dazu gibt es keine Daten, und dazu gibt es auch nicht die hiefür notwendigen Studien. Andererseits steigt die Zahl der HIV-Infektionen auf der ganzen Welt massiv an.

Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, fordern wir nun ein wesentlich verbessertes HIV-Meldesystem. Zu dem immer wieder gebrachten Argument der Diskriminierung ist folgendes zu sagen: Mein gesellschaftspolitischer Ansatz, eine Diskriminierung zu vermeiden, besteht nicht darin, die Krankheit zu verheimlichen und dadurch keine Informationen darüber bekommen zu können und sie dann auch nicht behandeln zu können, sondern mein beziehungsweise unser gesellschaftspolitischer Ansatz besteht darin, daß man den Menschen mit seiner Krankheit – die er zugeben kann – akzeptiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ganz ähnlich wie bei der HIV-Erkrankung ist es auch bei der Tuberkulose-Erkrankung. Die Tuberkulose-Erkrankungen von Zuwanderern in Oberösterreich beziehungsweise von Ausländern in ganz Österreich sind um das Dreifache angestiegen. Das heißt, wir brauchen verpflichtende TBC-Untersuchungen bei Zuwanderern in Österreich, meine Damen und Herren (Beifall bei den Freiheitlichen), und nicht nur bei Zuwanderern, sondern auch bei Prostituierten, bei Obdachlosen und bei Strafgefangenen. Die müssen sich verpflichtenden TBC-Untersuchungen unterziehen. Das hat überhaupt nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, sondern da geht es nur um den Schutz der österreichischen Bevölkerung.

Nun sagen Sie mir, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, Herr Abgeordneter Kostelka: Wer, glauben Sie, hat diese Forderung aufgestellt? (Abg. Dr. Kostelka: Wer denn?) Ein freiheitlicher Mandatar? Welcher, glauben Sie? – Es war der sozialdemokratische Landesrat Ackerl, der zum ersten Mal unsere freiheitlichen Forderungen nach verpflichtenden Untersuchungen von Ausländern, von Obdachlosen, von Prostituierten in einer Verordnung in Oberösterreich festgelegt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Rasinger – zu Abg. Dr. Kostelka gewandt –: Jetzt bekommst du eine Rüge! – Abg. Dr. Kostelka: Diese oberösterreichischen Solidaritäten ...!) Es freut mich ganz einfach, daß Sie von der Sozialdemokratie endlich unsere Forderungen übernehmen (Abg. Dr. Kostelka: Es freut mich, daß Sie an einem Sozialdemokraten endlich etwas Positives finden! Das kommt nicht so oft vor!), und vor allem, daß die Ausländerfeindlichkeit, die uns immer vorgeworfen wird, nun endlich ein eindeutig sozialdemokratisches Thema ist! Auch da ist diese Übereinstimmung, die uns besonders gut gefällt, ersichtlich.

Frau Minister! Es ist zuviel Parteipolitik in dieser Gesundheitspolitik. Ich ersuche Sie, diese sinnvollen Maßnahmen, die wir immer wieder anregen, die Sie bei uns aber ablehnen und dann selbst übernehmen, wie an diesem Beispiel ersichtlich, endlich durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Kostelka: Frau Kollegin Povysil, hätten Sie das auch von einem sozialdemokratischen Abgeordneten akzeptiert?)

23.19

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.20

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Ein Freund von mir ist kürzlich in Amerika blutend in ein Spital eingeliefert worden, nachdem er einen Verkehrsunfall gehabt hatte, und das erste, was man ihn dort gefragt hat, war: Welche Kreditkarte haben Sie? – Er war so empört, daß er dann gleich das Spital verlassen hat. Auch das ist eine Situation, aus der deutlich wird, daß hier ein Patientenrecht nicht vorhanden ist. (Abg. Apfelbeck: So etwas gibt es in Österreich auch!)

Bei uns, so meinen wir, sei alles selbstverständlich. In Amerika hat Bill Clinton erst kürzlich versucht, Patientenrechte zu kodifizieren, und ist damit natürlich im Senat kläglich gescheitert. Dort versucht man, es als ein Patientenrecht durchzusetzen, daß Patienten nach einer Geburt oder nach einer Brustkrebsoperation zwei Tage im Spital bleiben dürfen. So sieht es anderswo aus. Oder: Es werden in Amerika Ärzte dafür bezahlt, daß sie Untersuchungen eben nicht anbieten – die "berühmten" HMOs –, und das ist meiner Ansicht nach eine Fehlentwicklung. Clinton will das einschränken, aber er wird auch da scheitern.

Das heißt, man könnte jetzt sagen: Eine Patientenrechtscharta ist ein No-na-Erlebnis. Ich sage, es ist eine Querschnittsmaterie, die in vielen Gesetzen versteckt ist. Oft kennen sich nicht einmal mehr Insider aus, wo etwas steckt. Ich glaube, es ist wichtig, daß man Patienten signalisiert – und wir alle werden einmal zu Patienten –: So etwas gibt es, diesbezüglich gibt es schon ein hochentwickeltes Rechtssystem.

Zweitens sind Verweise auf das Ausland meiner Meinung nach sehr nützlich. Es gibt sehr viele gute Punkte in der Patientenrechtscharta. Man sollte aber auch darauf hinweisen, daß verschiedene Patientenrechte in Österreich eigentlich verbesserungswürdig sind.

Frau Minister! Ich nenne hier nur die psychiatrische Versorgung, die sogar der Rechnungshof kritisiert hat, oder ich weise zum Beispiel darauf hin, daß die Leute aufgrund der LKF immer früher entlassen werden und draußen die Nachbetreuung fehlt. (Abg. Dr. Pumberger: Fehlende Strukturen!) Erst gestern war ich bei einer Versammlung, in der mir Ergotherapeuten und Logopäden gesagt haben, daß nach einer Schlaganfallbehandlung im Spital die Nachbetreuung draußen oft einfach deshalb nicht möglich ist, weil die Therapeuten fehlen. Auch die gehobene Schmerztherapie bei schwierigen Schmerzzuständen ist draußen de facto nicht möglich, weil es keine Kassenverträge gibt.

Oder: die Intimsphäre. Die Gangbetten sind in Wien und auch anderswo nach wie vor Realität. Die Intimsphäre zu garantieren ist auch ein Patientenrecht. Wenn wir da weiterhin einfach wild mit dem Rasenmäher drüberfahren und Betten sperren, garantiere ich Ihnen: Die Gangbetten werden mehr, und die Intimsphäre wird sicher nicht besser geschützt werden.

Oder: Wie sieht es aus mit Patientenvertretern, wie sie in der Patientenrechtscharta eingefordert werden? Haben sie zum Beispiel, und sei es auch nur ansatzweise, ein Mitspracherecht in der Krankenversicherung? – Sie werden dort nicht einmal gehört, nicht einmal ignoriert. Ich glaube, bei gutem Willen könnte man da sicherlich mehr tun. Sie, Frau Bundesministerin Hostasch, schütteln den Kopf, es ist aber so! Ich denke, wir sollten gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um ein gutes System noch besser zu machen.

Was mir an der Patientencharta gut gefällt, ist, daß der Patient in den Mittelpunkt gerückt wird – wir werden ja alle einmal Patienten werden – und daß man nicht nur das ewige Gerede von der Ökonomie hört. Diese hat meiner Meinung nach in der Gesundheit nicht so viel verloren, wie man ihr derzeit an Rang zubilligt.

Was mir aber fehlt, ist, daß wir auch über Pflichten des Patienten einmal reden sollten. Denn es kann nicht so sein, daß für Patienten gilt, was eine Umfrage ergeben hat. Auf die Frage "Wer ist für Ihre Gesundheit zuständig?" haben die Antworten gelautet: 38 Prozent die Krankenversicherung, 17 Prozent die Ministerin und 16 Prozent der Patient selbst. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.23

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Gredler. – Bitte.

23.24

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich auf die Patientencharta konzentrieren. Ich denke, daß sie es wert ist, sie sozusagen als eine interessante Darstellungsmöglichkeit näher zu betrachten.

Ich glaube aber, man sollte, wenn man schon ein Instrument für Patienten und für Patientenrechte schafft, dieses auch ein bißchen mit Zähnen bestücken. Es ist zum Beispiel im Artikel 9 die Rede davon, daß die Privatsphäre der Patienten und Patientinnen zu wahren ist. Es ist schön, wenn man das so ausdrückt, nur sollte man das auf der anderen Seite präziser ermöglichen beziehungsweise etwas forscher formulieren.

Gemäß Artikel 15 ist in stationären Einrichtungen ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Dieses Sterben in Würde unterliegt einer sehr subjektiven Wahrnehmung, daher sollte man meiner Ansicht nach nicht davor zurückschrecken, manche Dinge beim Namen zu nennen, wenn man schon eine Patientencharta schreibt.

Im Kapitel "Besondere Bestimmungen für Kinder" sehen wir eigentlich viel zu laxe Formulierungen, wenn es zum Beispiel im Artikel 25 Abs. 1 heißt: Unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten ist unmündigen Minderjährigen eine Begleitung durch eine Bezugsperson zu ermöglichen. – Das ist also nicht so formuliert, daß eine Begleitung vorzusehen ist und die räumlichen Komponenten sozusagen, die dazu notwendig sind, zu installieren sind. Statt dessen sagt man nur, daß man das nicht verhindern soll, wenn es irgendwie geht. Aber das ist mir zuwenig.

Ich hatte vor kurzer Zeit Gelegenheit, in einem Spital zu sein, und zwar gemeinsam mit einem kleinen Kind in einem Raum, in dem fünf Kinder und vier Begleitpersonen schliefen. Sie können sich vorstellen, wie das ausgesehen hat. Das Kind ohne Begleitperson hat ununterbrochen gebrüllt, das war ohnehin klar, und im übrigen haben die Leute in diesem Zimmer nur zwei Stunden lang geschlafen. Ob dies das Wünschenswerte für Kinder im postoperativen Zustand ist, wage ich zu bezweifeln. Das heißt, daß Räume, in die man jetzt fünf Kranke mit deren Begleitpersonen hineinpfercht, eigentlich umgebaut werden sollten, daß nicht unter Umständen zehn Personen – und von ihnen fünf Kranke – in einem Raum schlafen müssen. Das ist also etwas, was man sich in der Praxis einmal richtig überlegen sollte.

Ebenso zahnlos ist auch Artikel 28, worin vorgesehen ist, daß schulpflichtigen Kindern bei längerem stationären Aufenthalt nach Maßgabe schulrechtlicher Bestimmungen ein Unterricht erteilt werden kann. Das heißt, daß es im Prinzip der Willkür obliegt, ob der Stationsführende oder der Spitalsdirektor ein Herz für dieses Kind entwickelt und sagt: Okay, du wirst nun einmal ein halbes Jahr lang bei uns sein, weil deine Therapie wahrscheinlich so lange dauern wird, daher müssen wir für dich eine entsprechende Lehrerstruktur aufbauen. – Das ist aber eine Kann-Bestimmung, keine Muß-Bestimmung.

Ich denke, daß Kinder – und das sollte man determinieren –, wenn sie in der Lage sind, einem Unterricht zu folgen, ab einer gewissen Anzahl von Wochen in einem Spital ein Anrecht auf schulische Betreuung haben. Aber es sollte nicht heißen, dies "könnte" ermöglicht werden. Das ist meiner Meinung nach für diese Kinder notwendig, weil sie aus dem Unterricht ohnehin "herausgebeamt" sind. Ich kann Ihnen sagen: Für Kinder, die sehr lange im Spital sind, ist ein Unterricht eigentlich eine der Strickleitern, die sie brauchen, um nicht völlig sozusagen in eine andere Welt abzuheben.

Das sind oft sehr notwendige Kommunikationsmethoden, wodurch sie sich auch wieder mit ihren Schulkameraden in einem positiven Wettbewerb befinden. Das heißt, daß die Schulkameraden dann kommen und mit den kranken Kindern gemeinsame Aufgaben erledigen. Dafür sind wunderbare Möglichkeiten entwickelt worden, unter anderem in Amerika. Dort hat man Computer in Krankenzimmer von Kindern hineingestellt, und die Kinder haben teils vom Krankenbett aus via Internet, via Computer in ihrer Klasse am Unterricht teilgenommen. So haben sie daran partizipieren können, und das ist auch visuell dadurch möglich geworden, daß eine entsprechende Verbindung aufgebaut wurde.

Das sind faszinierende Möglichkeiten, die in Amerika entwickelt worden sind. Es würde mich freuen, wenn wir sie auch in Österreich übernehmen könnten, weil ich glaube, daß die Klassengemeinschaft dadurch eine gewisse Verantwortung gegenüber diesem Schüler oder dieser Schülerin auch im Hinblick darauf entwickelt, wie man diese schwierige Phase für ein einzelnes Mitglied der Klassengemeinschaft auch danach miteinander besser bewältigen kann. Solche Modelle sollten wir uns anschauen, und solche Modelle sollten wir uns wirklich zu Herzen nehmen. Ich glaube, daß das ein konstruktiver Beitrag wäre.

Die Patientencharta ist eigentlich nur der Beginn eines Dialogs, den wir führen sollten. Wir sollten viel präziser sein, und wir sollten uns auch trauen zu sagen, was zumutbar ist und was nicht zumutbar ist. Dadurch gäbe es in der Kommunikation zwischen pflegendem und behandelndem Personal auf der einen Seite sowie Patienten auf der anderen Seite viel weniger Mißverständnisse, und es würden viel weniger Frustrationen aufgebaut werden. Das würde ich mir wünschen. (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Dr. Mock.)

23.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Buder. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

23.30

Abgeordnete Hannelore Buder (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Bei aller Kritik, die manchmal hier vom Rednerpult aus anklingt: Wenn man hier die Beispiele von Herrn Abgeordneten Rasinger hört, dann ist man froh darüber, Patient in Österreich sein zu können.

Mit den heute hier zu behandelnden Regierungsvorlagen 1758 und 1759 hat sich Herr Abgeordneter Kaipel schon ausgiebig befaßt. Es erfolgt damit eine Anpassung an EU-Recht. Die in Österreich geforderte hohe Qualifikation muß nachgewiesen werden. Ist die Ausbildung nicht gleichwertig, muß mittels Ausbildungslehrgängen oder Prüfungen die Qualifikation nachgewiesen werden. Bei Ausbildung in Österreich ergibt sich für EU-Angehörige keine Änderung, da die Ausübung des Berufes nicht an die österreichische Staatsbürgerschaft gebunden ist.

Da Menschen sich die Therapeuten frei aussuchen können, ist nicht anzunehmen, daß ein ausschließlich deutschsprachiger Österreicher sich zum Beispiel zu einem nur portugiesisch sprechenden Psychologen in Behandlung begibt. Daher ist die Voraussetzung entsprechender Kenntnisse der deutschen Sprache unnötig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Regierungsvorlage 1777 werden auch das Hebammengesetz und das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz an EU-Recht angepaßt. Somit ist eine einjährige Spitalsanstellung vor der Niederlassung nicht mehr erforderlich. Daß sehr viele Hebammen direkt nach der Schule Geburten ohne größeres Sicherheitsnetz leiten wollen, bezweifle ich. Diese Hebammen werden zuerst Betreuungsaufgaben übernehmen, obwohl auch die Ausbildung schon sehr praxisbezogen ist.

Der Wunsch des Hebammengremiums, den Mitgliedsbeitrag einmal jährlich am Jahresanfang einzuziehen, ist für dieses eine Erleichterung, aber nicht mitgliederfreundlich. Ich denke nur an die leeren Taschen nach Weihnachten im Jänner oder etwa daran, daß ein Mitglied im März verstirbt. Daher muß sich die Bundesregierung damit befassen. Frau Abgeordnete Dr. Pittermann und Herr Abgeordneter Dr. Leiner haben in der Ausschußsitzung einen diesbezüglichen Entschließungsantrag eingebracht. Ich bin nicht der Meinung von Frau Kollegin Motter, daß das eine Augenauswischerei ist. Daher werden wir auch den Abänderungsantrag von Kollegin Haidlmayr ablehnen. Denn ich bin überzeugt davon, daß die Frau Bundesministerin und ihre Beamten eine gute Lösung finden werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag 1084/A betrifft die Änderung des Apothekerkammergesetzes. Das ASRÄG 1997 hat den Kammern für freie Berufe die Möglichkeit gegeben, ihre Mitglieder aus der gesetzlichen Sozialversicherung herauszuoptieren. Davon machen die Apothekerkammern jetzt verspätet Gebrauch.

Nicht unsere Zustimmung im Ausschuß hat der Antrag 1001/A (E) gefunden. Die Ansteckung der Blutplasmaspender von Juli 1986 bis Juli 1987 wäre sicherlich auch bei ordnungsgemäßem Gebrauch von Einmalgeräten zu verhindern gewesen, wie sie damals Standard waren. Mit Einmalgeräten ist eine Infektion mit Hepatitis C nicht möglich. Wenn ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, sind üblicherweise immer Entschädigungen zu zahlen. Soviel mir bekannt ist, ist es bei den Blutspendern des Roten Kreuzes zu keiner Infektion gekommen.

Noch eine kurze Bemerkung zur HIV-Meldepflicht. Eine zwingend im Mutter-Kind-Paß vorgeschriebene Untersuchung halte ich nicht für zielführend. Es werden alle werdenden Mütter darauf hingewiesen, daß ein Test für sie und das Kind von Vorteil ist, sodaß er meist auch durchgeführt wird.

Menschen bei der Einreise auf HIV zu testen, halte ich prinzipiell für problematisch, da sich jeder überall infizieren kann. Sonst könnte man österreichweite Studien machen und alle drei Monate alle in unserem Land lebenden Menschen auf HIV untersuchen. Dies würde sicherlich den Rahmen sprengen und brächte nichts. Soviel bekannt ist, leiden in Österreich anteilsmäßig nicht mehr Ausländer an HIV-Infektionen als Inländer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten werden Diskriminierung auch auf diesem Gebiet zu verhindern wissen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.35

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Haupt. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

23.35

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Frau Bundesminister! Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit einigen der vorliegenden Gesetzesmaterien möchte ich mich auszugsweise und ganz kurz beschäftigen, und zwar zunächst mit dem Verbot des Jodatzusatzes im Speisesalz, das nunmehr aufgehoben werden soll.

Wir Freiheitlichen haben diesbezüglich unsere Bedenken im Ausschuß geltend gemacht, wie sie Kollege Pumberger und Kollegin Povysil hier dargelegt haben. Ich darf daher auch hier in der Öffentlichkeit das wiederholen, was ich im Ausschuß gesagt habe. Ich denke, daß die vorliegende Gesetzesmaterie im Hinblick auf die geänderten Verzehrgewohnheiten der Österreicherinnen und Österreicher als nicht ganz unproblematisch betrachtet werden kann. Im Hinblick auf die Jugend und ihre Lebensgewohnheiten, insbesondere in der Ernährung, muß davon ausgegangen werden, daß, da großindustriell erzeugte Lebensmittel nicht jodiert werden müssen und unter entsprechenden Bedingungen nicht mit Vollsalz versehen sind, eine entsprechende Unterversorgung auftreten kann.

Man sollte nicht vergessen, daß gerade im Hinblick auf die Tschernobyl-Problematik und die dort in letzter Zeit auftretenden Schwierigkeiten – bekanntlich ist die Dachabdeckung des dort vorhandenen Katakombengebildes, das den Reaktor einschließt, nun so undicht geworden, daß in Europa drei verschiedene Varianten zur Sanierung diskutiert werden – in nächster Zeit wieder mit vermehrtem Strahlungsausbruch zu rechnen ist und daher die Lage europaweit für die Schilddrüsen wieder problematisch werden wird. – Daher dieses vorliegende Gesetz.

Die im Zusammenhang damit im Ausschuß versprochenen entsprechenden Begleituntersuchungen über die Auswirkungen von Jodid und Jodat im Speisesalz sollten nunmehr ernstlich angestellt werden, um im Fall einer Katastrophe tatsächlich wissenschaftlich belegte Untersuchungen verfügbar zu haben und nicht, so wie seinerzeit im Fall der Tschernobyl-Katastrophe, den Geschehnissen nachhinken zu müssen. Frau Minister! Ich bitte darum, daß das, was im Ausschuß versprochen wird, in Zukunft auch in entsprechender Form realisiert wird.

Ich möchte Ihnen dafür danken, Frau Bundesminister, daß mit der Vorlage 1777, die sich mit den freiberuflichen Hebammen beschäftigt, im Artikel II § 65 Abs. 9 nunmehr die Grundlage dafür geschaffen worden ist, mit den vorgesehenen Fachhochschulstudiengängen im Bereiche der Fachhochschulen auch für die Gesundheitsberufe eine neue Tür nicht nur der Ausbildung, sondern auch der Berufschance zu öffnen. Ich darf Ihnen dafür ausdrücklich danken, nicht nur des-wegen, weil mein Bundesland in dieser Angelegenheit zwei Anträge beim Fachhochschulrat liegen hat.

Ich hoffe und weiß auch, daß Ihre Versprechungen aus der Vergangenheit hier positiv zu betrachten sind, weil eine entsprechende Nachbesserung des Curriculums auf Ihre Veranlassung hin nunmehr auch die Chance bietet, eine positive Verabschiedung beim nächsten Fachhochschulrat zu erreichen. Aber auch die anderen Bundesländer werden Gott sei Dank in diesen Berufszweigen tätig. Dafür ein herzliches Dankeschön!

Wir Freiheitliche verlangen in bezug darauf eine getrennte Abstimmung, die ausdrücklich § 65 Abs. 9 in entsprechender Form einschließt, um unsere Zustimmung zu den Änderungen, die in dieser Gesetzesmaterie mit verpackt sind, in der zweiten Lesung hier im Plenum deutlich zu signalisieren.

Die anderen Themenkreise aus diesem umfangreichen Paket sind von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern aus meiner Fraktion schon beleuchtet worden.

Ich möchte nur noch ein Dankeschön dafür sagen, daß der Verfassungsmangel, der durch die rückwirkende Inkraftsetzung des Blutsicherheitsgesetzes entstanden ist, nunmehr endlich behoben ist. Wir haben es ja erlebt, daß die Gesetzwerdung an einer entsprechenden Kampagne des Herrn Bundespräsidenten fast gescheitert wäre. Aber schließlich hat die versprochene Reparatur, die wir heute hier durchführen, dafür gesorgt, daß wir diese Reparatur rechtzeitig auch österreichweit umsetzen können. Daher ein herzliches Dankeschön für die Betroffenen, daß die Blutsicherheit nunmehr nicht an der Verfassungsklausel der rückwirkenden Inkraftsetzung gescheitert ist, sondern diese Reparatur heute durchgeführt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

23.39

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Herr Abgeordneter.

Ich möchte folgendes nachtragen: Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat am Beginn dieser Debatte zwei Entschließungsanträge vorgetragen, die geschäftsordnungsgemäß überreicht worden sind. Es ist aber unterblieben, dies mitzuteilen und diese Anträge in die Verhandlung mit einzubeziehen. Ich hole das hiermit nach und stelle fest, daß beide Entschließungsanträge mit Gegenstand der Verhandlung sind.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Donabauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

23.40

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit und der noch vor uns liegenden Tagesordnungspunkte möchte ich in gebotener Kürze einige Beiträge zu den jetzt debattierten Punkten leisten.

Heute ist hier die Meinung vertreten worden, daß die Gesundheits- und Sozialpolitik zuviel Parteipolitik in sich habe. Das ist eine Art der Betrachtung, die jeder für sich haben darf; ich weise dies zurück. Ich glaube sehr wohl, daß Gesundheits- und Sozialpolitik eine sehr politische Materie ist. Wir leisten für diesen Bereich mehr als ein Drittel unseres Bruttosozialproduktes. Es werden in diesem Bereich gesellschaftspolitische Prozesse aufgearbeitet, gelenkt und eingeleitet. Deshalb ist es ganz richtig, daß sich die Politik damit zu beschäftigen hat. So ist es auch bei diesen Tagesordnungspunkten.

Die Patientencharta ist heute schon mehrmals angesprochen worden. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, daß ein Bundesland mit dem Bund gemäß § 15a des B-VG eine entsprechende Vereinbarung trifft. Uns geht es weniger darum, wer diese Charta unterschreibt – ob er Haider heißt, ob er Ausserwinkler heißt oder ob er vielleicht Zernatto geheißen hätte, das ist nicht die Frage (Abg. Dr. Rasinger: Oder Donabauer!) –, sondern uns geht es vielmehr darum, daß sie eine Hilfe für die Menschen ist und eine positive Entwicklung darstellt. Deshalb halten wir diese Maßnahme für vernünftig und treten ihr auch bei.

Ich glaube aber, daß die Patientenrechte auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen sind, daß es nach wie vor an Information mangelt, was eine große Schwierigkeit darstellt.

Dem Entschließungsantrag des Herrn Kollegen Pumberger werden wir sicherlich nicht beitreten, weil die Frau Bundesminister darin aufgefordert wird, noch in der XX. Gesetzgebungsperiode mit allen Bundesländern eine derartige Vereinbarung zu treffen. Das ist bei realistischer Betrachtung nicht möglich. In so kurzer Zeit kann man nichts Produktives durchsetzen. Ich glaube auch, daß sich die Notwendigkeit dazu in Grenzen hält. Jedes Bundesland soll für sich selbst entprechende Lösungen finden.

Mir geht es in dem Zusammenhang um etwas Wichtigeres. Ich möchte hervorheben, daß wir uns auch bemühen sollen, die Standards in den Krankenhäusern zu heben. Wenn man Krankenbesuche macht und noch immer Zimmer mit sechs, acht, zehn, zwölf und was weiß ich wie vielen Betten antrifft, dann muß man sagen: Das entspricht in keiner Weise mehr der heutigen Zeit. Ich meine, daß wir uns diesbezüglich auch bemühen müssen, ohne daß wir die Krankenhäuser – wie es Frau Kollegin Gredler meinte – etwa dadurch überfordern, daß wir eine Internet-Ausstattung für die Patienten und was weiß ich alles verlangen. Das alles kann fallweise geschehen, kann aber nicht zur Standardausstattung der Krankenhäuser werden.

Punkt zwei: Im Antrag 875/A (E) der Kollegin Povysil geht es darum, die Zahl der Langzeitbetten zu reduzieren, indem diese auf Palliativbetten umgebaut werden sollen. Dem ist grundsätzlich nichts entgegenzuhalten, außer daß das ohne eine Bedarfsstudie nicht sinnvoll ist. Diese Dinge muß man sehr gründlich aufarbeiten, man muß umfassende Vorbereitungen treffen und das Ganze auf den Bedarf abstimmen. Ich bin sehr wohl auch dafür, daß man hier Maßnahmen ergreift. Es ist auch richtig und sinnvoll, daß man die ÖBIG und auch die Krankenhausträger hier mit einbezieht. Jedenfalls werden wir in solcher Eile die Zustimmung dafür nicht geben.

Ich möchte diesen Antrag noch in zweifacher Weise kommentieren. Mir gefällt zum ersten an dem Antrag überhaupt nicht, daß im letzten Teil von einem "Qualitätssprung" die Rede ist. Ich kann mir vorstellen, Frau Dr. Povysil, daß man da von einer Verbesserung der Situation in der letzten Lebensphase oder von ähnlichem spricht, aber "Qualitätssprung" ist meiner Ansicht nach so technokratisch, daß ich gerade in dieser bedauernswerten Situation, in der sich Menschen da befinden, jeder anderen Begriff für passender halte.

Zum zweiten erinnere ich mich daran, daß Sie mit diesem Antrag auch folgendes transportiert haben: Sie meinten, daß Sie von den Freiheitlichen der beste Klub, die beste Fraktion sind, weil Sie die meisten Anträge einbringen. Daran kann man die Qualität einer Fraktion oder eines Klubs sicherlich nicht messen.

Der dritte Antrag betrifft das LKF-System. Sie meinen, die vorgelegte Publikation wäre nichts anderes als ein Bericht über den Weltrekord im Krankenhausliegen. Das müssen wir entschieden zurückweisen. Es hat sich gezeigt, daß sich gerade durch die Umstellung die Aufenthaltsdauer reduziert hat. Ich meine, daß es sinnvoll ist, in dieser Hinsicht Angleichungsmaßnahmen zu treffen, aber wir müssen wissen, daß wir es mit verschiedenen Rechtsträgern zu tun haben und daß unterschiedliche Strukturen vorliegen. Da kann man nicht einfach sagen, daß alle nach denselben Vorlagen und Grundsätzen ihre Verrechnung abführen müssen. Die LKF hat sich bewährt, und wir sind dabei, sie weiterzuentwickeln.

Ich glaube, wir sind insgesamt auf einem guten Weg, unsere Krankenhäuser gut zu bewirtschaften und sie auf hohem Standard zu halten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Buder.)

23.45

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lackner mit einer freiwilligen Redezeitbeschränkung von 2 Minuten. – Bitte.

23.46

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich auch in der gebotenen Kürze zu zwei Anträgen der Opposition Stellung nehmen.

Zum einen dreht es sich um die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung, wo Sie sinngemäß eine Änderung der Kostenrechnungsverordnung fordern. Geschätzte Frau Kollegin Povysil! Es ist natürlich richtig, daß die Kostenrechnung aus dem Jahre 1979 nicht mehr unbedingt auf der Höhe der Zeit ist, es ist allerdings auch richtig, daß sich die Rechtsträger mittlerweile selbstverständlich beholfen und eigenständig Kostenrechnungsmodelle entwickelt haben, die durchaus vergleichbare Daten hergeben.

Nichtsdestoweniger hat sich die Strukturkommission bereits im September 1998 mit dieser Problematik befaßt und Einvernehmen darüber erzielt, daß die derzeit praktizierte Kostenrechnung überprüft, dem neuesten Stand der Wissenschaft angepaßt und – das ist besonders wichtig – um eine einheitliche Kostenträgerrechnung erweitert wird. Daß dies nicht sofort geht, ist klar. Man muß Experten beiziehen, die das nötige ... (Zwischenruf der Abg. Dr. Povysil.)

Ja, genau! Das haben wir aber auch schon erkannt, dafür hätte es nicht unbedingt diesen Antrag gebraucht. Aber ich attestiere Ihnen, daß er sehr angenehm ist. Ja, damit haben Sie völlig recht.

Ähnlich verhält es sich – das hat Herr Kollege Donabauer schon angesprochen – mit dem Antrag betreffend Umstrukturierung von Krankenhaus- und Akutbetten zu Palliativ-Stationen. Auch das ist unbestritten richtig, das hat Herr Kollege Donabauer bereits angedeutet, aber auch für diesen Bereich ist die Möglichkeit im ÖKAP 1999 bereits geschaffen worden. (Abg. Dr. Povysil: Dann können Sie ja zustimmen, Herr Kollege, wenn Sie eh der gleichen Meinung sind!)

Frau Kollegin! Ich muß nicht etwas zustimmen, was bereits im Werden begriffen ist. (Abg. Gaugg: Danke für die Wortmeldung!) Ja, aber dazu hat es Ihren Antrag nicht gebraucht, Herr Kollege Gaugg. Wissen Sie, so gescheit sind wir auch schon, das haben wir auch selbständig hinbekommen. Dazu braucht es sicherlich nicht Ihren Antrag. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch Herr Kollege Donabauer hat bereits angedeutet ... (Abg. Dr. Ofner: Sie haben wenigstens keinen Minderwertigkeitskomplex, Herr Kollege! Das gefällt mir!) Nein, den habe ich sicherlich nicht, mit dem war ich noch nie ausgestattet. Darüber bin ich relativ glücklich, daß ich den nicht vorweisen kann. – Aber wie Herr Kollege Donabauer bereits angedeutet hat, braucht es auch hier ... (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Es ist schön, mit gescheiten Leuten zu sprechen!) Das ist richtig. Sehen Sie, Herr Schöggl, es freut mich, daß ich von Ihnen Lob bekomme. So etwas schätzt man immer.

Das heißt also, wir müssen doch noch einiges tun. Wie gesagt, es geht um eine Bestandsaufnahme. Es geht um eine Charakterisierung der Hospizbetreuung, der palliativmedizinischen Versorgung hinsichtlich der zu erreichenden Ziele. Es geht um die Beschreibung der Standards, und es geht schlußendlich um die Einschätzung des quantitativen Bedarfs. Das heißt, es ist noch einiges zu tun, und dann wird auch dem soweit Rechnung getragen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein.)

23.49

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Konrad mit einer frei-willigen Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Rasinger: 1 Minute!)

23.49

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute beschließen, unter welchen Bedingungen Psychologinnen und Psychologen sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aus anderen Ländern in Österreich ihren Beruf ausüben dürfen, dann ist das zwar eine EU-Anpassung, aber dann tun wir das auch, weil uns eine qualitativ hochwertige psychologische und psychotherapeutische Versorgung in unserem Land wichtig ist.

Durch zahlreiche psychotherapeutische Ausbildungsinstitute und universitäre Institute für Psychologie sind die personellen Voraussetzungen für eine gute Versorgung in unserem Land gegeben. Ich denke, daß wir als Heimat der Psychoanalyse dazu auch eine besondere historische Verpflichtung haben. Deshalb muß es zunehmend leichter und auch selbstverständlicher werden, psychologische oder psychotherapeutische Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn jemand sie braucht und will.

Neben persönlichen Hindernissen, die oft aber einen gesellschaftlichen Hintergrund haben, gibt es auch strukturelle Hindernisse für eine ausreichende vor allem psychotherapeutische Versorgung, wie wir sie uns wünschen.

Es ist deshalb notwendig, daß der Vertrag zwischen Krankenkassen und Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen schnell beschlossen wird, damit Psychotherapie auf Krankenschein möglich ist.

Es ist nicht im Interesse meiner Fraktion, daß derzeit mehr als 1 Milliarde Schilling jährlich für ärztlich verordnete Psychopharmaka ausgegeben wird und im Vergleich dazu zum Beispiel nur 250 Millionen Schilling für verordnete Psychotherapien. Das ist weder eine Dauerlösung im Interesse der Patienten, noch entspricht dies den Zielsetzungen unserer Gesundheitspolitik.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird sich deshalb bemühen und wird alles daransetzen, daß die Gespräche zwischen Krankenkassen und Psychotherapieverband zum Wohle der Menschen rasch zu einem positiven Ergebnis kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

23.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Frau Bundesministerin Hostasch zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Minister.

23.51

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur einige wenige Bemerkungen zu dieser Debatte und zu einigen konkreten Punkten.

Es wurde die Behauptung in den Raum gestellt, daß bei jenen Vorlagen, die unter anderem EU-Anpassungen beinhalten, eine Nivellierung nach unten erfolgt. Ich möchte mit einem oder zwei Beispielen beweisen, daß es keine Nivellierungen nach unten sind, wenn zum Beispiel im Psychologengesetz die Schaffung einer Grundlage für ein Überprüfungsverfahren über die Gleichwertigkeit der ausländischen Bildung eingefordert und verwirklicht wird und damit eine Qualitätssicherung erfolgt und unsere Standards dementsprechend auch beibehalten werden können. Es ist keine Nivellierung nach unten, wenn im Hebammengesetz vorgesehen ist, daß auch eine Berufsreifeprüfung den Zugang zur Hebammenausbildung ermöglichen soll, oder wenn eine Erleichterung des Zuganges zur freiberuflichen Berufsausbildung geschaffen wird, was heißt, daß sich in diesem Bereich mehr Berufschancen eröffnen.

Ich wollte nur diese wenigen Beispiele bringen – man könnte noch andere anführen –, um zu zeigen, daß durch diese Vorhaben eine Weiterentwicklung und keine Nivellierung nach unten in Aussicht genommen ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wurde von Frau Abgeordneter Povysil unter anderem die Frage der Meldepflicht von HIV-Infizierten beziehungsweise HIV-Erkrankten angesprochen. Ich darf aber trotzdem auch dem Plenum ein wenig über die Diskussion, die wir im Ausschuß hatten, berichten, in der seitens der Freiheitlichen auch gefordert wurde, man möge in Fällen, in denen eine Mutter HIV-infiziert ist, dies im Mutter-Kind-Paß verankern.

Ich glaube, allein dieser Ansatz zeigt schon, in welche Richtung die Intentionen einer erweiterten Meldepflicht und Erfassung gehen, und es war richtig, daß die Debatte gezeigt hat, daß man diesen Überlegungen keine Zustimmung geben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Gredler! Sie haben unter anderem die Patientenrechte und die Patientencharta angesprochen. Ohne Sie jetzt mit Kollegin Motter entsolidarisieren zu wollen, darf ich daran erinnern, daß es am 20. Oktober 1993 eine Debatte zum Krankenanstaltengesetz gegeben hat, und in dieser wurde seitens des Liberalen Forums durch die Frau Abgeordnete festgehalten:

"In der Tat enthält dieses Gesetz Reformvorschläge, die auch wir vom Liberalen Forum begrüßen und mittragen. Diese Regelungen und Verbesserungen umfassen neben der Verankerung von Patientenrechten und deren Wahrung durch die Installierung unabhängiger Patientenvertretungen die Weiterbildung nichtärztlichen Personals, Supervision und regelmäßige Dienstbesprechungen zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Personal ..." – Der Text geht dann noch weiter.

Hier war also schon ein klares Bekenntnis zu den Maßnahmen vorhanden und nicht diese Distanzierung – die ich zumindest als solche empfunden habe –, wie sie heute in Ihrem Beitrag zum Ausdruck gebracht wurde.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es wurde in der Debatte auch die Frage der Vorsorgemedizin und die Frage des Lebensstils erwähnt. Zum ersten möchte ich mich bei Ihnen bedanken, daß mein Ressort und ich seit dem vergangenen Jahr die Möglichkeit haben, durch das Gesundheitsförderungsgesetz und den Fonds Gesundes Österreich dem Thema der Gesundheitsförderung einen größeren Stellenwert einzuräumen als bisher und damit auch Bestehendes vernetzen zu können.

Ich glaube aber, daß festzuhalten ist, daß der Lebensstil nur ein Element für die Gesundheit ist und daß es noch sehr viele andere Faktoren sind, die die Gesundheit beeinflussen. Ich denke hier etwa an die Arbeitswelt, an die Umgebungseinflüsse oder auch an die sozioökonomischen Umstände.

Schreiben Sie es bitte der vorgerückten Stunde zu, wenn ich jetzt noch eine Bemerkung zu den Faktoren mache, wie wir sie hier in unserem Hohen Hause antreffen: Wenn wir hier von gesundem Arbeits- und Lebensstil reden wollen, dann sollten wir auch überlegen, ob wir für uns jene Bedingungen schaffen, die uns dazu bringen. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Smolle.)

23.56

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Danke, Frau Bundesminister.

Herr Abgeordneter Dr. Pumberger hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Herr Abgeordneter, beginnen Sie bitte mit dem Sachverhalt, dem Sie dann Ihre Version gegenüberstellen.

23.56

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Die Frau Bundesministerin hat behauptet, daß die Auffassung der Opposition und speziell von mir, daß das Psychologengesetz, das Hebammengesetz und andere im Rahmen der EU-Anpassung verabschiedete Gesetze zu einer Nivellierung nach unten führen, nicht richtig sei. Sie würde das Gegenteil beweisen.

Ich stelle tatsächlich richtig, daß beim Hebammengesetz in etwa dadurch, daß ein Jahr weniger an Ausbildung vor der Niederlassung als freiberufliche ... (Abg. Dr. Schmidt: Das ist doch keine Richtigstellung! Das ist eine politische Meinung, aber keine Richtigstellung!)

Frau Kollegin Schmidt! Ich verstehe, Sie wollen jetzt die Chance noch nützen ...

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, bitte berichtigen Sie jetzt, und lassen Sie sich nicht durch Zwischenrufe irritieren!

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (fortsetzend): Sie kann ja nicht mehr lange reinplappern!

Daß der Wegfall dieses einen Jahres Ausbildung unter der Aufsicht einer erfahrenen Hebamme (Abg. Mag. Barmüller: ... zu tief ins Glas geschaut?) ein klarer Qualitätsverlust ist, das behauptet auch (Abg. Dr. Schmidt: Das hat nichts mit einer tatsächlichen Berichtigung zu tun!) – da das ja auch andere MTD-Berufe betrifft (Abg. Smolle: Wo ist die Berichtigung?) – der Verband diplomierter Ergotherapeuten, der feststellt: Unter den österreichischen Rahmenbedingungen führt dies zu einem deutlichen Qualitätsverlust, was weder im Interesse unseres Berufsverbandes und seiner Mitglieder (Abg. Smolle: Wo bleibt die Berichtigung?) noch im Interesse der Patienten, welche Therapien benötigen, ist. Zusätzlich ...

23.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Herr Abgeordneter, das ist jetzt keine tatsächliche Berichtigung mehr! (Abg. Dr. Mertel: Das ist es schon die ganze Zeit nicht! – Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Nein, die Wortmeldung ist beendet! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nein, das ist keine tatsächliche Berichtigung mehr.

(Beifall bei den Freiheitlichen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Pumberger.)

Es liegt nun keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen. (Unruhe bei den Freiheitlichen. – Abg. Haigermoser: Rasinger! Er hat recht, gell?)

Ein Schlußwort seitens der Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt wird.

Zunächst stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1758 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge ebenso ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1759 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Entwurf ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge dies auch mit einem Zeichen kundtun. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1774 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Entwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in zweiter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen in dritter Lesung ab.

Wer in dritter Lesung dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Jetzt stimmen wir ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1982 der Beilagen.

Die Abgeordneten Haidlmayr, Motter und Genossen haben einen Zusatzantrag eingebracht.

Weiters hat Abgeordneter Mag. Haupt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag, dann über den vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Haidlmayr, Motter und Genossen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung einer neuen Ziffer 7 sowie eine entsprechende Änderung der Ziffernbezeichnung in Artikel I eingebracht.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über Artikel II Ziffer 7 § 65 Abs. 9 in der Fassung der Ausschußberichtes.

Wer hier zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Diese Gesetzesstelle ist einstimmig angenommen.

Schließlich stimmen wir über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschußberichtes ab.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Teil ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer für den Entwurf in dritter Lesung ist, möge ein Zeichen geben. – Auch hier stelle ich die mehrheitliche Annahme in dritter Lesung fest.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Berufstätige im Gesundheitswesen, Vertrauenswürdigkeit und Deutschkenntnisse.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über die dem Ausschußbericht 1982 der Beilagen beigedruckte Entschließung.

Wer dieser Entschließung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Einstimmige Annahme. (E 188.)

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1778 der Beilagen.

Wer für diesen Gesetzentwurf ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem Entwurf in dritter Lesung zustimmt, möge dies kundtun. – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, dem Abschluß der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz (Patientencharta) in 1824 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Wer für die Erteilung dieser Genehmigung ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist einstimmig. Die Genehmigung ist einstimmig erteilt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Pumberger und Genossen betreffend Abschluß von Vereinbarungen gemäß Artikel 15a B-VG mit allen Bundesländern.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt ab über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1985 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Die Zustimmung erfolgt einstimmig. Der Entwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung zustimmt, möge ein Zeichen geben. – Auch in dritter Lesung ist der Entwurf einstimmig angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1986 der Beilagen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen der Zustimmung geben. – Die Zustimmung erfolgt einstimmig. Der Entwurf ist in zweiter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1987 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. – Frau Abgeordnete Langthaler, wie darf ich Ihr Abstimmungsverhalten deuten? – Gut, also mehrheitlich angenommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1988 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1991 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht wird mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1992 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Die Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1993 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit. Die Kenntnisnahme erfolgt mehrheitlich.

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1994 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, möge dies durch ein Zeichen kundtun. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1995 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Dieser Bericht ist mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

35. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsantrag 1063/A (E) der Abgeordneten Dr. Elisabeth Pittermann, Dr. Günther Leiner, Theresia Haidlmayr, Dr. Brigitte Povysil und Genossen betreffend § 17 Fortpflanzungsmedizingesetz (1989 der Beilagen)

36. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1002/A der Abgeordneten Klara Motter und Genossen betreffend Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (BGBl. Nr. 275/1992) (1990 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 35 und 36 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Eine mündliche Berichterstattung wurde nicht verlangt.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Dr. Pittermann das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.08

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wer je junge Tumorkranke behandelt hat, weiß, was es bedeutet, einen jungen Menschen, der voll Hoffnung und Angst einen Arzt aufsucht, in sehr kurzer Zeit über seine schwere, potentiell tödliche Erkrankung aufzuklären, die sofortiger genauer Diagnostik und rascher Therapie bedarf, einer Therapie, die für immer zu Sterilität führen kann. Um noch Kinder bekommen zu können, muß rasch Samen gespendet und tiefgekühlt aufbewahrt werden. Hierfür benötigen wir jedoch eine Änderung des In-vitro-Fertilisationsgesetzes. Heute erfährt dieser junge, verzweifelte, aufgewühlte Mensch, der an einer Spezialstelle unter unerfreulichen Bedingungen seinen Samen spendet, daß dieser nur für ein Jahr eingefroren und dann vernichtet wird. Nach einem Jahr ist niemand sicher, ob der Patient geheilt ist. Nach einem Jahr haben diese jungen Menschen oft keine Lebenspartnerschaft oder wollen so jung und ohne Beruf noch keine Kinder.

Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Hämatoonkologie hat sich in seiner letzten Sitzung mit dieser Problematik befaßt und kam zu dem Schluß, daß der psychische Druck für diese Patientengruppe ein ganz besonders hoher ist, daß man diesen Druck nicht noch dadurch erhöhen soll, daß man zeitliche Limitierungen in der Form setzt, daß man die Frist, bis zu deren Ablauf Samen beziehungsweise Eizellen oder eingefrorenes Ovarialgewebe verworfen werden muß, in Jahren begrenzt, sondern daß es klüger ist, das Ende der Aufbewahrung mit dem 45. oder 50. Lebensjahr, einem Alter, in dem bei einem gesunden Menschen noch eine natürliche Befruchtung möglich wäre, anzusetzen.

Ein kranker Mensch braucht länger für seine Berufsausbildung, findet später zur Partnerschaft und braucht Zeit, bis alles in geordneten Bahnen verläuft. Wenn man bedenkt, daß auch gesunde Menschen ihren Kinderwunsch erst Mitte 30 verwirklichen, dann ist die Verwirklichung dieses Kinderwunsches nicht von einem Kranken unter Zeitdruck zu verlangen.

Frauen müssen, um überhaupt ein halbwegs normales Leben führen zu können, hormonell substituiert werden. In naher Zukunft wird man diese Substitution wahrscheinlich mit Eierstockge-webe durchführen. Dieses Gewebe dann vernichten zu müssen, wäre ein schwerer Schaden für die Patientinnen.

Da heute immer mehr junge Menschen mit malignen Erkrankungen geheilt werden und sich dann die Frage nach einem normalen Familienleben stellt und die Hämatoonkologen verpflichtet sind, Patientinnen und Patienten auf die Möglichkeit der In-vitro-Fertilisation aufmerksam zu machen, ist es dringend notwendig, die Aufbewahrungsfrist zu verlängern. Dem medizinischen Verständnis der Fachgesellschaft, der ich angehöre, und auch meinem eigenen entsprechend bin ich gegen eine Begrenzung auf ein, fünf oder zehn Jahre, sondern für eine Begrenzung auf ein bestimmtes Lebensalter beziehungsweise für eine Vernichtung dieser befruchtungsfähigen Zellen mit dem Tod der Spenderin oder des Spenders.

Ich hoffe sehr, daß die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuleiten werden, der diese Aspekte berücksichtigt.

Die betroffenen PatientInnen, aber auch die behandelnden ÄrztInnen werden es Ihnen danken. (Beifall bei der SPÖ.)

0.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

0.11

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Abgeordnete Pittermann hat schon sehr richtig gesagt, daß diejenigen, die eine schwere Krebserkrankung oder Systemerkrankung überleben, mit völliger Verständnislosigkeit reagieren, wenn der Staat sich anmaßt, zu sagen: Es dürfen deine Eizellen oder deine Samen nur ein Jahr aufbewahrt werden. Ich glaube, das ist in einer Situation, in der Menschen ein hartes Schicksal durchgemacht haben, eigentlich ein Willkürakt. Der hat aber Geschichte.

Warum hat er Geschichte? – Das Fortpflanzungsmedizingesetz ist kein schlechtes Gesetz; es war einfach der Fortschritt der Medizin, der uns da überrollt hat. Es war ja bis vor kurzem gar nicht möglich, dieses Tieffrieren durchzuführen, weil man Angst gehabt hat, daß es durch das Tieffrieren zu einer Auskristallisierung und damit zu einer Vernichtung dieser Zellen kommt. Heute können wir ganze Eierstöcke tieffrieren. Der Fortschritt der Medizin überholt uns einfach.

Das Fortpflanzungsmedizingesetz ist nicht schlecht. Es verbietet zum Beispiel das Klonieren, eine Entwicklung, die vor fünf Jahren auch noch nicht vorhersehbar war. Das heißt, wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun, das ständig mit dem medizinischen Fortschritt in Widerspruch geraten muß.

Ich meine daher, wir sollten auf die Experten hören, und Frau Abgeordnete Pittermann ist eine wirklich ausgezeichnete Expertin auf diesem Gebiet. Wir sollten aber nicht nur auf Experten hören, sondern wir sollten auch auf unsere menschliche Stimme hören und sagen: Nicht alles, was Juristen uns vorgeben, ist das Maß aller Dinge. Vielleicht sollten wir einfach mit, wie der Engländer sagt, "common sense" das erlauben, was menschlich ist und was logisch ist. (Abg. Tichy-Schreder: "Hausverstand" würde ich sagen, nicht "common sense"!)

Ich glaube, ein Parlament, das Signale für ein lebensnahes Leben für Krebskranke an solche Menschen senden will, sollte in dieser Frage rasch einen auf Expertenmeinung gegründeten Gesetzesänderungsantrag beschließen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kostet nichts, es schadet niemandem, und es ist ein Stück mehr Gerechtigkeit. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.13

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Povysil. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.14

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Meine Damen und Herren! Sich fortzupflanzen ist und bleibt bei allen Lebewesen Thema Nummer eins. Das soll aber nicht bedeuten, sich gegenseitig fortwährend zu pflanzen (Heiterkeit des Abg. Dr. Rasinger), und deswegen haben wir heute endlich einmal einen Vierparteienantrag zu diesem Thema zur Abstimmung im Parlament vorliegen. (Abg. Dr. Rasinger: Eine Partei fehlt! – Abg. Schieder: Vielleicht ist das andere schöner!) Das ist durchaus eine Möglichkeit.

Wie ist es zu diesem Antrag gekommen? – Ich habe am 26. November 1998 im Justizausschuß einen Antrag zum Fortpflanzungsmedizingesetz eingebracht, und dieser hat die Gesamtproblematik eines Gesetzes behandelt, das zum derzeitigen Zeitpunkt vorsieht, Samen und Eizellen, die zu einer künstlichen Befruchtung vorgesehen sind, nach einem Jahr wieder zu vernichten.

Was heißt das jetzt für den Patienten? – Stellen Sie sich vor, ein junger Mann im zeugungsfähigen Alter bekommt Hodenkrebs. Er möchte mit seiner Partnerin aber Kinder haben und daher vor Behandlung seiner Erkrankung, die ihn ja unfruchtbar macht, seine Samen einfrieren lassen, um diese nach Beendigung seiner Therapie, aus der er hoffentlich oder mit großer statistischer Wahrscheinlichkeit auch gesund hervorgehen wird, zu verwenden. Das kann er aber nicht, weil die Therapie länger dauert und die Samen daher weggeworfen werden müssen. Die ganze Prozedur war also umsonst.

Oder ein zweites Beispiel: Eine junge Frau kann auf natürlichem Weg kein Kind bekommen. Sie unterzieht sich einer künstlichen Befruchtung mit der hormonellen Stimulierung, mit der Eizellenentnahme, wird schwanger und bekommt ein Kind. Jetzt hätte sie aber gerne ein zweites Kind. Sie kann es auf normalem Weg nicht bekommen, hätte aber gerne ein zweites. Blöderweise ist aber jetzt nach all den Versuchen und nach der bekannterweise neun Monate lang dauernden Schwangerschaft die Einjahresfrist dahin, und sie kann wiederum diese Eizellen nicht mehr verwenden. Das heißt, sie muß sich nun zum einen der ganzen körperlichen und zum anderen auch der seelischen Belastung einer neuerlichen künstlichen Befruchtung unterziehen und sie muß auch noch den gesamten Kostenaufwand über sich ergehen lassen – Sie wissen, daß ein einmaliger Versuch zirka 30 000 S kostet.

Mein Antrag auf Kostenübernahme oder darauf, daß Sie, Frau Minister, dafür sorgen mögen, daß die Kosten in irgendeiner Weise übernommen werden, wurde aber im Sozialausschuß vertagt, wie dies bei allen oppositionellen Anträgen, denen man parteipolitisch nicht zustimmen kann, die man aber sachpolitisch auch nicht ablehnen kann, der Fall ist. Diese bekommen ein "Begräbnis erster Klasse", das heißt, sie werden vertagt. Das bedeutet aber, diesen Frauen zuzumuten, diese ganze Prozedur noch einmal über sich ergehen zu lassen und das Ganze noch einmal zu bezahlen, und das ist einfach unzumutbar! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der jetzt vorliegende Vierparteienantrag ist eine Teillösung eines Themas, welches uns alle in Zukunft noch sehr beschäftigen wird. Zum Wohle der an bösartiger Erkrankung leidenden Menschen trage ich diese Teillösung in diesem Antrag auch mit. Bedauerlicherweise ist es aber keine gesamt- und keine zukunftsorientierte Gesetzgebung.

Wir Freiheitlichen tragen eben in guten Sachentscheidungen eine Teillösung mit Ihnen mit. Es liegt aber jetzt an Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, den Bürgern zu beweisen, daß es Ihnen nicht nur um parteipolitische Pflanzereien geht, sondern wirklich um das Anliegen des Patienten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.18

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. Sie haben noch eine Redezeit von 19 Minuten. – Bitte. (Abg. Scheibner: Wie viele? – Abg. Haigermoser: Klara, darf ich den Einser vorne wegnehmen? – Abg. Motter: Nicht einmal soviel brauche ich!)

0.18

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Frau Ministerin! Herr Präsident! Meine sehr ge-ehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz, ganz kurz.

Zum gemeinsamen Vierparteienantrag von SPÖ, ÖVP, Grünen und Freiheitlichen betreffend das Fortpflanzungsmedizingesetz, der bereits von den Ärzten hier im Hohen Haus ausführlich medizinisch begründet wurde und dem wir zustimmen werden, möchte ich festhalten: Wir Liberalen teilen die Auffassung, daß eine Fristverlängerung notwendig ist. Wir haben daher am 20. Januar 1999 einen eigenen Antrag mit derselben Zielrichtung eingebracht. Der Unterschied besteht allerdings darin, daß unser Antrag darauf abzielt, eine Ausnahmeregelung von der Einjahresfrist bei KrebspatientInnen und bei Patienten mit Störungen der Samenproduktion oder des Samentransportes in einem eigenen Absatz des Fortpflanzungsmedizingesetzes vorzusehen, in der diese Frist auf maximal fünf Jahre ausgedehnt wird. Dem gegenüber steht nun die Vierparteienentschließung, die leider nur eine reine Absichtserklärung ist und eine Verzögerung sinnvoller Maßnahmen befürchten läßt.

Herr Kollege Dr. Rasinger! Warum verzögern Sie, wenn es nichts kostet und wenn es dringend notwendig ist?

Ich bin daher froh darüber, daß unser Antrag, der eine Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes vorsieht und daher weitgehend und konkret ist, erneut dem Justizausschuß zur Behandlung zugeführt wurde. (Beifall beim Liberalen Forum.)

0.20

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist als nächste Frau Abgeordnete Haidlmayr. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.20

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das Fortpflanzungsmedizingesetz viel zu heikel ist, als daß in einem Ad-hoc-Verfahren eine Gesetzesänderung herbeigeführt werden könnte.

Wir müssen uns dessen bewußt sein, daß diese Diskussion weiterhin geführt werden muß, aber nicht nur hier von uns Abgeordneten. Ich halte es für sehr notwendig, zu diesem Thema in der nächsten Legislaturperiode ein Hearing zu veranstalten. Es müssen sehr wohl auch medizinisch-ethische Aspekte mit in die Diskussion einfließen. Ich wünsche mir, daß wir dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode nicht erst an deren Ende, sondern bereits am Anfang diskutieren und daß wir ein anständiges Hearing durchführen, an dem auch Fachexperten teilnehmen, damit wir eine gemeinsame Lösung, die wirklich tragbar ist, erzielen.

Aber es wäre der falsche Ansatz gewesen, jetzt noch irgendwie ein Gesetz zu beschließen, wo sich keine Partei völlig im klaren darüber ist, wie lange die Frist sein soll, welcher Zeitraum zu kurz und welche Frist zu lang ist. Ich halte eine umfassende Diskussion für erforderlich, in die auch medizinische und ethische Aspekte einbezogen werden, denn nur so kann es gelingen, daß wir ein Gesetz zustande bringen, das wirklich die Interessen aller abdeckt und das auch medizinisch und ethisch vertretbar ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

0.22

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Maier. Ich stelle die Uhr für eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten ein. – Bitte.

0.23

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich brauche das Anliegen jetzt nicht mehr zu präzisieren, weil Kollegin Pittermann und Kollege Rasinger, aber auch Kollegin Povysil das in hinreichendem Ausmaß getan haben.

Vielleicht noch eine Klarstellung: Den beiden Anträgen der Opposition – von Kollegin Motter und Kollegin Povysil – konnten wir im Gesundheitsausschuß nicht zustimmen, weil sie nur eine beschränkte Regelung enthielten, nämlich nur eine Regelung bezogen auf die Frage der Aufbewahrungsfristen. Keine Regelung oder keinen Ansatz gab es für die Zulässigkeit, nämlich wann und unter welchen Voraussetzungen welche Personen sich einer derartigen medizinischen Fortpflanzung unterziehen können.

Maßgeblich ist dabei folgendes: Es geht nach derzeitiger Gesetzeslage um die Überwindung einer akuten, gegenwärtig bestehenden Fortpflanzungsunfähigkeit eines bestimmten Paares.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube daher, wir müssen eine grundsätzliche Diskussion darüber führen, die die Kollegin von den Grünen bereits angesprochen hat, eine Diskussion, die aus mehreren Gründen weiter geführt werden muß: Zum einen geht es um Problembereiche, die man auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu diskutieren hat, im nationalen Bereich. Es wäre nämlich die Frage zu klären, ob der Ausschluß alleinstehender Frauen von den Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung weiterhin aufrechterhalten werden kann.

Es geht auch um die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare weiterhin von der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ausgeschlossen bleiben sollen oder ob darin eine Diskriminierung homosexueller Partnerschaften zu sehen ist. (Abg. Dr. Rasinger: "Bravo"! Maier, du hast dich jetzt verirrt!) Es müßte auch die Frage der Leihmutterschaft diskutiert werden.

Aber das Hauptproblem, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehe ich in einem "Fortpflanzungstourismus" im Internet. Sehen Sie sich die Angebote an, die Sie derzeit über Internet erhalten können! Es handelt sich dabei um Angebote, die mit der österreichischen Rechtslage nicht in Einklang zu bringen sind. Wir sehen hier an der elektronischen Realität vorbei. Was wir benötigen, ist, daß menschenrechtliche Rahmenbedingungen in Europa geschaffen werden. Aber gleichzeitig müssen wir auch im nationalen Bereich die Diskussion führen.

Zum Schluß lese ich Ihnen ein Angebot von "European Babies" aus England vor. In dem Text heißt es: Uns geht es ausschließlich um die Familienähnlichkeit. Sehen Sie, Sie haben zum Beispiel als zeugungsunfähigen Mann einen Klaviervirtuosen. Die Frau ist total unmusikalisch. Wenn jetzt der Samen eines unmusikalischen Spenders verwendet wird, wird das Kind mit größter Wahrscheinlichkeit nie Musik im Blut haben. Bei einem musikalischen Spender ist die Chance wesentlich höher. – Ich könnte x andere Zitate dazu liefern, was derzeit im Netz angeboten wird.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte Sie ersuchen, in dieser Hinsicht insbesondere auf europäischer Ebene für menschenschutzrechtliche Rahmenbedingungen einzutreten. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich ersuchen, im nationalen Bereich eine offensivere, liberalere Diskussion zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.26

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Reitsamer. Gleichfalls eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten. – Bitte.

0.26

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich habe seinerzeit am Fortpflanzungsmedizingesetz mitgearbeitet. Wir haben es uns nicht leichtgemacht, wir haben sehr gewissenhaft Für und Wider abgewogen, um bei diesem besonders sensiblen Thema Mißbrauchsmöglichkeiten auszuschließen.

Was § 17 Abs. 1, die Aufbewahrung, anbelangt, haben damals wir, glaube ich, alle miteinander nicht an die bereits angesprochene Problemlage gedacht. Ein Arzt aus Salzburg hat uns vor längerer Zeit massiv darauf hingewiesen. Meine Vorrednerin, Frau Primaria Pittermann, hat eine Aufbewahrungsfrist bis zum Alter der normalen Fortpflanzungsfähigkeit oder bis zum Tod des Betroffenen zur Sprache gebracht. Ich denke, daß das wesentlich sinnvoller als eine Befristung auf fünf oder mehr Jahre ist.

Aber wir sollten uns in diesem Zusammenhang nicht nur mit § 17 auseinandersetzen, sondern auch mit § 2, nämlich der Zulässigkeit. In dieser Hinsicht wird folgendes zu überdenken sein – ich zitiere das derzeit gültige Gesetz –: "Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig."

Ich frage: Wann muß diese vorliegen? Bei der Entnahme, bei der Verwendung? – Dafür ist eine ganz klare Definition erforderlich, da die betroffene Personengruppe bei Auftreten der Krankheit oder Einsetzen der Behandlung manchmal noch sehr jung ist und eher selten über eine stabile Lebenspartnerschaft verfügt – wenn diese Personen überhaupt schon einen Partner haben.

Ich denke, man sollte den § 17 nicht abgehoben vom § 2 novellieren, sondern diese Punkte gemeinsam beraten und verhandeln. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Feurstein.)

0.28

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt weiters eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Pumberger vor. Sie wollen mit 1 Minute auskommen? – Bitte. (Abg. Dr. Rasinger: Seit wann bist du Fortpflanzungsexperte, Pumberger?)

0.28

Abgeordneter Dr. Alois Pumberger (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte abschließend nur die Zuweisungspraxis im Ausschuß kritisieren. Es werden die Anträge der Opposition zum selben Thema, Fortpflanzungsmedizingesetz, vom Gesundheitsausschuß dem Justizausschuß zugewiesen, und für den Vierparteienantrag dieselbe Materie betreffend – nur ohne Frist –, an dem die Regierungsparteien beteiligt sind, liegt ein Zuweisungsvorschlag für den Gesundheitsausschuß vor.

Ich glaube, hier eine gewisse Absicht unterstellen zu müssen, nämlich daß man Oppositionsanträge verschleppen will, wenn sie gut sind, damit man sie nicht ablehnen muß. Also werden sie einfach einem Ausschuß zugewiesen, der dafür gar nicht kompetent ist. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ. – Abg. Parnigoni: Pumberger, das habt Ihr selbst gewollt! Ihr wißt nicht, was Ihr wollt!)

0.29

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Die Frau Berichterstatterin wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Ausschußanträge, und zwar jeweils getrennt.

Zunächst stimmen wir ab über die dem Ausschußbericht 1989 der Beilagen beigedruckte Ent-schließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Entschließung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Diese Entschließung ist einstimmig angenommen. (E 189.)

Jetzt stimmen wir ab über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1990 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch diese Kenntnisnahme erfolgt einstimmig. Sie ist einstimmig angenommen.

Ich weise den Antrag 1002/A dem Justizausschuß zu.

37. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1103/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (1970 der Beilagen)

38. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1102/A der Abgeordneten Annemarie Reitsamer, Dr. Gottfried Feurstein und Genossen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (1971 der Beilagen)

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Wir kommen jetzt zu den Punkten 37 und 38 der Tagesordnung. Die Debatte darüber wird unter einem durchgeführt.

Auf mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Gaugg das Wort. Freiwilllige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte.

0.31

Abgeordneter Reinhart Gaugg (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Bei dieser Gesetzesänderung handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die insofern Bedeutung hat, als sie eine der wenigen Richtlinien ist, die zeitgerecht umgesetzt wird und noch innerhalb der ursprünglich vorgesehenen Frist ihre gesetzliche Behandlung findet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die Sozialpartner der Regierungsparteien im Ausschuß für Soziales ihre Zustimmung für den Abänderungsantrag, den ich nunmehr einbringen werde – den Antrag der Abgeordneten Haupt und Gaugg betreffend den Entfall des "Montage-Privilegs" von drei Monaten –, signalisiert haben.

Wie wir aber jetzt hören, gibt es inzwischen die Zustimmung zumindest eines der Regierungspartner nicht mehr. Deshalb möchte ich dazu appellieren, daß zumindest die Sozialpolitiker in den Reihen der Regierungsparteien, die im Sozialausschuß die Verantwortung für die Arbeitnehmer Österreichs übernehmen wollen, diesem Abänderungsantrag ihre Zustimmung geben, denn es handelt sich dabei um eine wesentliche Verbesserung für die heimischen Arbeitnehmer, weil eine Dreimonatsfrist ein Unterlaufen der österreichischen Sozialrechte mit sich bringen würde.

Daher noch einmal dieser Appell: Ich glaube nicht, daß es die österreichische Wirtschaft allzu sehr treffen würde, wenn man diesem einen Monat – es würde dazu vielleicht ein bißchen Mut brauchen, Herr Abgeordneter Feurstein! – doch die Zustimmung gäbe.

Etwas befremdend ist auch der Passus, wonach Vergehen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer bewertet werden sollen. Das ist auch ein Punkt, von dem ich meine, daß man etwas schärfere Maßnahmen ergreifen sollte. Letztlich sollte sich die heimische Wirtschaft insgesamt an die gesetzlichen Voraussetzungen halten. Es ist doch von Bedeutung, ob es einmal zu einer Übertretung mit einem ausländischen Arbeiter kommt oder ob gleich mehrere davon betroffen sind und es mehr oder weniger schon Usus ist.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Haupt, Gaugg zum Antrag der Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden (1103/A) in der Fassung des Ausschußberichtes (1970 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der im Titel genannte Antrag in der Fassung des Ausschußberichtes wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 Ziffer 2 werden in § 7a Abs. 4 Z 1 die Worte "drei Monate" durch "einen Monat" ersetzt.

2. In Artikel 1 Ziffer 3 werden in § 7b Abs. 2 Z 1 die Worte "drei Monate" durch "einen Monat" ersetzt.

*****

Sollten die Regierungsabgeordneten diesem Abänderungsantrag zustimmen, so würden auch wir uns dazu entschließen, dieser EU-Richtlinie unsere Zustimmung zu erteilen.

Beim zweiten dieser Tagesordnungspunkte geht es darum, daß bei Entfall der Notstandshilfe wegen eines zu hohen Unterhalts die Selbstversicherung zu erleichtern ist. Das ist an und für sich ein richtiger Schritt. Fairer wäre es gewesen, wenn diejenigen, die aus diesem System hinausfallen, auch in Hinkunft eine kostenlose Weiterversicherung hätten, so wie das bei den Arbeitslosen der Fall ist. Das ist anscheinend nicht möglich. Aber da diese Entscheidung ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist, werden wir diesem Punkt zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.34

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der Abänderungsantrag, den Herr Abgeordneter Gaugg vorgetragen hat, ist geschäftsordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und wird in die Verhandlungen mit einbezogen.

Ich erteile jetzt Frau Abgeordneter Reitsamer das Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte.

0.34

Abgeordnete Annemarie Reitsamer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Titel des Gesetzes anhört – Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Ausländerbeschäftigungsgesetz, Bundesvergabegesetz –, so klingt das allumfassend. Aber eigentlich haben wir es nur mit einem Torso zu tun. Eigentlich sollten wir heute hier das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz beschließen. Darüber wurde lange verhandelt. Es wurde Konsensbereitschaft nach allen Richtungen signalisiert, und es war bis auf Kleinigkeiten akkordiert. Dann aber haben wir über die Medien ausgerichtet bekommen, daß wir am Scheitern schuld wären. Tatsächlich gibt es aber darüber einen Konflikt zwischen dem ÖAAB und der Wirtschaftskammer: Was den einen zuviel war, war den anderen zuwenig – und umgekehrt. Das muß hier auch einmal gesagt werden dürfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Daß dieses Gesetz heute nicht zustande kommt, ist nicht nur zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer, sondern geht auch zu Lasten korrekt handelnder Arbeitgeber. Es kommt zu einer Wettbewerbsverzerrung.

Wenn Herr Kollege Feurstein im "Parlamentsmagazin" sagt, die positiven Anreize zur Vermeidung und Minderung von Schwarzarbeit fehlen in dem Gesetzentwurf, dann muß man das auf der Zunge zergehen lassen, meine Damen und Herren! Meint er jetzt, daß es Prämien geben sollte, damit ein Gesetz nicht unterlaufen oder gebrochen wird? Oder haben wir es schon noch mit Sanktionen zu tun, wenn Gesetze nicht eingehalten werden?

Jedenfalls mußten wir ein sehr wichtiges Gesetz zurückstellen. Ich kann nur hoffen, daß das nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag so bleiben wird.

Heute nehmen wir im wesentlichen EU-Anpassungen vor. Hervorheben möchte ich die Haftung des Generalunternehmers. Wir alle wissen, daß Fachkräfte heute mehr und mehr geleast werden. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Zahl verdreifacht. 20 000 österreichische Arbeitnehmer in über 700 Überlasserfirmen sind davon betroffen. Meine Damen und Herren! Um diesbezüglich korrekte Abläufe zu sichern, bedarf es klarer Regelungen. Die Haftung des Generalunternehmers ist dazu sicherlich ein wichtiger Schritt.

Zum "Montage-Privileg" und zur Herabsetzung von drei Monaten auf einen Monat – dem Antrag der freiheitlichen Fraktion – muß ich sagen: Ich gebe ehrlich zu, daß ich das übersehen habe. Die Signale im Ausschuß waren so – das hat Kollege Gaugg richtig gesagt –, daß es noch zu einer positiven Entscheidung in der zweiten Lesung kommen sollte. Leider Gottes bleibt es jetzt bei der Beibehaltung von drei Monaten, obwohl ich keine sachliche Berechtigung dafür erkennen kann.

Einen Satz darf ich noch zum ASVG-Antrag sagen. Wir schließen hiermit eine Lücke im Krankenversicherungssystem für jene Frauen, die wegen Unterhaltsleistung keinen Notstandshilfeanspruch und damit auch keine Krankenversicherung haben. Sie haben jetzt die Möglichkeit, sich mit ganz geringen Beiträgen krankenversichern zu lassen, was ich frauenpolitisch für immens wichtig halte. (Beifall bei der SPÖ.)

0.38

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Ihr Klub hat noch eine Redezeit von 17 Minuten. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

0.39

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Von den zur Debatte stehenden Materien möchte ich mich in erster Linie dem Antrag zum ASVG zuwenden, und zwar deswegen, weil er so harmlos wirkt, aber doch nur ein Nachläufer einer sehr unangenehmen Sache ist.

Ich erinnere dieses Haus daran, daß es der Verwaltungsgerichtshof war, der festgestellt hat, daß monatelang, über eine lange Periode ein Gesetz völlig falsch angewendet wurde. Man gewährte Frauen keine Notstandshilfe, obwohl nach den eindeutigen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes dieser Anspruch bestanden hatte, weil Unterhaltszahlungen nicht als Einkommen im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes auszulegen waren. Das AMS hat das trotzdem so vollzogen, in der Meinung, daß es so schon richtig sein wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgedeckt, daß das Gesetz monatelang falsch vollzogen wurde. Was hat daraufhin die Regierung, was haben die Regierungsparteien gemacht? – Sie haben das mit einer Novelle rückwirkend repariert, indem sie diesen Frauen den gesetzlichen Anspruch rückwirkend wieder genommen haben!

Bei dieser Gelegenheit ist zutage getreten, daß diese Frauen dadurch auch keine Krankenversicherungsansprüche hatten. Wir hatten das seinerzeit thematisiert, und in der Folge wurde eine Ausschußbemerkung gemacht. Das Ergebnis dieser Ausschußbemerkung ist der Antrag, den wir heute zu beschließen haben.

Darin wird jetzt eine skurrile Lösung getroffen, nämlich die Lösung, daß die Frauen, die an und für sich dem Grunde nach Anspruch auf Notstandshilfe haben, diese Notstandshilfe nicht ausbezahlt bekommen, weil sie einen Unterhaltsanspruch haben. Zum besseren Verständnis muß ich hinzufügen, daß sich dies alles unterhalb der Armutsgrenze abspielt.

Diese Frauen bleiben nicht aufgrund der Tatsache, daß sie einen Anspruch auf Notstandshilfe haben, der nur wegen des Unterhaltsanspruchs nicht ausgezahlt wird, trotzdem krankenversichert, nein, man räumt ihnen die Möglichkeit ein, sich freiwillig selbst zu versichern. Dabei hat man nämlich bemerkt, daß dies wegen der Beträge, die dann zu zahlen sind, unbillig werden könnte, daher hat man ein Sonderrecht geschaffen, daß diese Selbstversicherungsbeiträge niedrig sein sollen. Dazu ist es allerdings notwendig, daß zur Festsetzung dieses Betrages jeweils die tatsächlichen Verhältnisse geprüft werden. (Abg. Dr. Feurstein: Einmal im Jahr! Herr Dr. Kier, wir haben es geklärt: einmal im Jahr!)

Wer ein bißchen im Leben steht, weiß, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse von Monat zu Monat verändern können. Bei dem Personenkreis, um den es sich hier dreht, müssen wir leider vielfach in der Wirklichkeit des Lebens beobachten, daß diese Menschen zwar Unterhaltsansprüche haben, die aber nicht regelmäßig bezahlt werden, sodaß ihre wirkliche wirtschaftliche Lage extrem schwankend, sehr unsicher und außerdem so und so prekär ist, auch wenn der Unterhalt bezahlt wird. Im Ausschuß haben wir das thematisiert, aber dies hat wenig Verständnis gefunden. Es wurde uns gesagt, daß diese Frauen nicht mehr als 204 S pro Monat zahlen müssen.

Ich halte fest, daß man offenbar nur deswegen, weil von der Opposition andere Vorschläge gekommen sind, den Weg der freiwilligen Selbstversicherung gewählt hat, der immerhin dazu führt, daß jetzt in kurzen Abständen regelmäßig Beiträge evaluiert, neu festgesetzt, erhöht oder gesenkt werden müssen, sodaß im schlimmsten Fall ein monatlicher Spießrutenlauf beginnt.

Ich wollte das von diesem Pult aus gesagt haben. Wir werden dieser Vorgangsweise nicht zustimmen, obwohl wir froh sind, daß jetzt wenigstens diese Möglichkeit besteht – ich möchte da nicht mißverstanden werden –, aber es sollte eben nicht nur im Ausschuß, im stillen Kämmerlein diskutiert worden sein, sondern hier auch das Licht der parlamentarischen Protokolle erblicken, daß das, was Sie hier machen, von einem zynischen Bürokratismus ist und von einer sozialen Einstellung spricht, die ihresgleichen sucht. Gleichzeitig wird mit der Selbstbehübschung argumentiert, daß sich diese Frauen jetzt selbst versichern "dürfen", obwohl sie – wenn Sie das Gesetz nicht rückwirkend geändert hätten – ihren Notstandshilfeanspruch behalten hätten und daher so und so versichert gewesen wären.

Sie haben also Menschen einen Anspruch genommen – und jetzt belobigen Sie sich selbst, weil Sie diese Menschen zur Kasse bitten, damit sie wenigstens krankenversichert sind! Ich finde, das ist wirklich – ich möchte mir keinen Ordnungsruf einhandeln, aber fast wäre da ein Kraftausdruck angebracht – schleißig; dieser Ausdruck geht vielleicht gerade noch. (Beifall beim Liberalen Forum sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

0.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Feurstein. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten ein. – Bitte.

0.44

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP): Herr Präsident! Drei Punkte zu der Debatte, die wir bis jetzt geführt haben.

Erster Punkt: Es ist richtig, daß eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, aber im Grunde geht es darum, daß ein Gesetz, das am 17. November 1995 von Rot, Blau und Grün beschlossen worden ist – das Antimißbrauchsgesetz –, sich als ein Gesetz herausgestellt hat, das gegen eine EU-Richtlinie verstößt. Es hat sich als ein Gesetz herausgestellt, aufgrund dessen gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden ist. (Abg. Steibl: Sowas!) Es geht hier nicht nur um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie, sondern wir müssen hier einen großen Fehler der blau-grün-roten Koalition reparieren, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kiss: Ein Desaster!) Darum geht es im Grunde, um diese Korrektur.

Frau Abgeordnete Reitsamer! Jawohl, wir bekennen uns dazu, daß wir auch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz in der vorgeschlagenen Form nicht zugelassen haben. Ich sage es Ihnen noch einmal: Mit 200 Zollbeamten und mit Strafbestimmungen ändern Sie an dieser Situation gar nichts. Aus diesem Grunde haben wir dem Gesetz nicht zugestimmt und es verhindert. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin der festen Meinung, daß Fachleute recht haben, die dieses Gesetz, das Sie wollten, ähnlich bezeichnen, wie damals, am 17. November 1995, Herr Dr. Kier das Antimißbrauchsgesetz bezeichnet hat. Er sagte nämlich damals – die liberale Fraktion stimmte damals ebenso wie die ÖVP-Fraktion nicht zu – in bezug auf das Antimißbrauchsgesetz folgendes; ich zitiere: "Es handelt sich um ein Pfuschgesetz." (Abg. Kiss: Ich kann mich noch daran erinnern!)

Kollege Paul Kiss war es, der im Protokoll immer wieder vermerkt hat: Es gab damals zehn Abstimmungen über dieses Gesetz, Herr Kollege Pumberger, und immer haben Rot, Blau und Grün miteinander gestimmt. Sie haben uns also ein Gesetz verursacht, an dem wir jetzt fünf Jahre lang gearbeitet haben. Ich bin sehr froh darüber, daß wir dieses Gesetz endlich so umsetzen können, wie es die EU-Richtlinie vorsieht, meine Damen und Herren! (Abg. Gaugg: Mit den drei Monaten stimmt es ja nicht!)

Auch ein Satz zu den von Ihnen angesprochenen drei Monaten, Herr Abgeordneter Gaugg: Jawohl, es gibt Argumente, die für Ihren Antrag sprechen. Ich habe diese Argumente auch im Ausschuß erwähnt und möchte Sie jetzt noch einmal daran erinnern, daß es diese Argumente gibt. Es gibt aber auch Argumente, die für die drei Monate sprechen, und diese Argumente für die drei Monate waren für unsere Entscheidung maßgebend: Jawohl, wir bleiben ... (Abg. Gaugg: Reden Sie für die Wirtschaft? Dann sind Sie geknechtet von der Wirtschaftskammer!)

Nein, ich rede hier für den Konsumenten. Für den Konsumenten sind die drei Monate günstiger. Für die Wirtschaft wäre ein Monat günstiger gewesen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme schon zum Schluß, meine Damen und Herren. Für uns ist es wichtig, daß die Rechte der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Entsendebestimmungen entsprechend geschützt sind. Ich meine, durch dieses Gesetz schützen wir die Rechte der Arbeitnehmer, wenn sie aus dem Ausland über ein ausländisches Unternehmen nach Österreich kommen. Dazu möchte ich festhalten, daß für die Bauarbeiter selbstverständlich der volle Schutz gilt, und zwar vom ersten Tag an. Nur für Reparaturarbeiten gibt es eine längere Übergangsbestimmung. Das sollte man in diesem Zusammenhang ebenfalls beachten.

Frau Abgeordnete Reitsamer! Ich hoffe, daß wir uns in Zukunft wirklich im vorhinein darauf verstehen, was richtig, was notwendig und was sinnvoll ist. Deshalb haben wir jetzt im Antimißbrauchsgesetz einen Riegel vorgeschoben – der Fehler wird beseitigt –, und beim Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz haben wir die notwendigen Entscheidungen getroffen. (Beifall bei der ÖVP.)

0.48

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Öllinger. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von 8 Minuten. – Bitte.

0.48

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine ganz kurze Bemerkung zu dem Punkt das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und diesen ganzen Gesetzeswust betreffend, weil mich Kollegin Reitsamer durch folgende Feststellung zu einem Widerspruch animiert hat: Sie sagte, eigentlich könnten wir dem Antrag der Freiheitlichen zustimmen, denn er ist sachlich richtig, er ist begründet, und es gibt überhaupt keinen Grund, ihm nicht zuzustimmen – aber wir stimmen ihm trotzdem nicht zu.

Das möchte ich noch einmal festgehalten haben: Das einzige Motiv besteht darin, daß Sie dem Antrag nicht zustimmen können, weil Sie ihm nicht zustimmen können, und das, obwohl er richtig ist. Das muß man auf der Zunge zergehen lassen! Das beschreibt auch eine bestimmte Hilflosigkeit dieser Regierungspartei, Frau Kollegin Reitsamer!

Beim zweiten Punkt ist es gleich oder ähnlich: Da sind Sie jetzt in einer Situation, in der Sie offensichtlich stolz darauf sind, für die Frauen – wie Sie es gesagt haben, Frau Kollegin Reitsamer – eine Lücke zu schließen, Sie verschweigen aber, daß Sie vorher einen Krater gebaut haben, in den die Frauen, wenn sie die Notstandshilfe verlieren, hineinstürzen. Das verschweigen Sie – aber "eine kleine Lücke schließen wir"!

Oder, um ein anderes Bild zu verwenden, Frau Kollegin Reitsamer: Mit der Regelung der Notstandshilfe – damit meine ich nicht das, was Kollege Kier angesprochen hat, sondern die generelle Regelung – wird den Frauen eine Wunde zugefügt, nämlich der Verlust der Notstandshilfe oder deren teilweiser Verlust. Wenn die Frauen dann sagen, wir bräuchten ein Pflaster, dann sagt man ihnen: Du mußt aber für das Pflaster zahlen, dann bekommst du eines!

Das ist die Regelung, die Sie beschlossen haben, und das, meine Damen und Herren, ist – um nicht mit den Worten des Kollegen Kier enden zu müssen, ich würde das eher doch etwas schärfer formulieren – erbärmlich bis schäbig! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten des Liberalen Forums.)

0.51

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Sophie Bauer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.51

Abgeordnete Sophie Bauer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist es auch zu einer Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Arbeitskräfte gekommen. Umgekehrt haben es aber auch Österreicher leichter, wenn sie im Ausland arbeiten wollen. Dazu ist es unbedingt erforderlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, die per Gesetz geregelt werden müssen, und dieser Antrag 1103/A, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Bundesvergabegesetz 1997 geändert werden, beinhaltet Mindestnormen für ausländische Arbeitnehmer.

Wie wichtig das ist, möchte ich anhand eines Beispieles aufzeigen: Wenn in einem Betrieb zwei Drittel Österreicher und ein Drittel ausländische Arbeitnehmer beschäftigt sind, die ihren Urlaub antreten wollen, dann kommt es selbstverständlich zu größeren Diskussionen und Auseinandersetzungen, noch dazu, wenn die Beschäftigungsdauer eine gleich lange ist, aber nur die Ansprüche bis jetzt unterschiedlich gehandhabt worden sind. Das Arbeitsklima, das unter diesen Beschäftigten bis zu diesem Tag ein sehr gutes gewesen ist, funktioniert plötzlich nicht mehr. Dazu kommt noch, daß auch der Arbeitgeber Druck ausübt, indem er ausländische Arbeiter gegenüber den inländischen Arbeitern als billigere Arbeitskräfte darstellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es müßte eigentlich für einen Arbeitgeber, wenn er aus den unterschiedlichsten Gründen ausländische Arbeitskräfte anfordert, eine Selbstverständlichkeit sein, sie auch gleich anzumelden und nicht erst am dritten Tag. Es ist schon vorgekommen, daß ausländische Arbeitnehmer am zweiten Tag einen Arbeitsunfall hatten und nach Hause gebracht werden mußten, weil sie noch nicht angemeldet waren und daher auch keine soziale Absicherung hatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem vereinten Europa sollten wir alle dafür Sorge tragen, daß die Menschen aufeinander zugehen und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb werden wir Sozialdemokraten in der Gesetzgebung weiterhin (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wenn ihr noch in der Regierung seid!) verstärkt für die Rechte ausländischer Arbeitnehmer eintreten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Wenn ihr noch in der Regierung seid! – Ruf bei der SPÖ: Herr Kollege Schöggl, sparen wir uns das!)

0.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Haller. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

0.54

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Sozialausschuß vom 10.6. hatte etwas sehr Atypisches an sich: Es waren nur zwei Tagesordnungspunkte zu verhandeln; auf mehr konnte sich diese Regierungskoalition nicht mehr einigen, wie man sieht: Es geht nicht mehr. Man hat das ja heute auch schon wieder gesehen.

Zum ersten Punkt, zur Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes: Über diverse Unstimmigkeiten hinaus stört mich besonders diese Drei-Monats-Ausnahmeregelung für Montagearbeiten. Herr Kollege Feurstein! Wenn Sie behaupten, daß mit diesem Gesetz EU-Regelungen nachvollzogen worden sind, dann sage ich Ihnen, daß wir, wo wir doch sonst solche EU-Musterschüler sind, in diesem Fall der Montageregelungen die EU-Regelungen unterlaufen haben! (Abg. Dr. Feurstein: Gar nicht! Das ist total falsch! Total falsch!) Wir haben darüber hinausgeschossen. Wenn Sie behaupten, daß das im Sinne der Konsumenten sein soll, dann würde ich Sie bitten, mir das wirklich zu erklären. (Abg. Dr. Feurstein: Das erkläre ich Ihnen!) Das ist für uns alle nicht nachvollziehbar, denn eines steht fest: daß diese Regelung sowohl österreichische Arbeitnehmer als auch die österreichische Wirtschaft, die im Ausland tätig ist, diskriminiert und benachteiligt. (Abg. Dr. Feurstein: Österreichische Arbeitnehmer überhaupt nicht!)

Wenn Sie hier wieder Lobbyismus betreiben, dann ist das einfach nicht akzeptabel. Es sind nämlich im Ausschuß auch von Ihnen wie auch von der Frau Bundesministerin eindeutig positive Anmerkungen dazu gekommen. Ich würde Sie daher schon bitten, sich das zu überlegen und nicht dann immer nur nach faulen Ausreden zu suchen.

Zum zweiten zu behandelnden Tagesordnungspunkt haben meine Vorredner alle schon Stellung bezogen. Auch uns Freiheitlichen wäre es lieber gewesen, wenn man Frauen, die nach der Scheidung wegen Unterhaltsleistungen keine Notstandshilfe mehr bekommen und dadurch ihre Sozialversicherung verlieren, zum Nulltarif in ihrer vorher bestehenden Versicherung weiter behalten könnte. Das ist anscheinend auch nicht möglich. Es wäre nach unserer Vorstellung gerechter. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Es ist nicht recht nachvollziehbar, daß man, während es für Menschen, die freiwillig aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind, eine kostenlose Anspruchsberechtigung nach § 122 ASVG gibt, von solchen, die eigentlich dem Arbeitsprozeß zur Verfügung stehen würden, weiterhin Beiträge verlangt und kassiert.

Es ist kein großer Wurf geworden – das haben Sie, Herr Kollege Feurstein, selbst gesagt –, es ist aber im Rahmen des Erträglichen. Es ist eine eindeutige Verbesserung der derzeitigen Situation, und deswegen werden wir Freiheitlichen in diesem Bereich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

0.58

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Steibl. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 6 Minuten – Bitte.

0.58

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Beim ersten Tagesordnungspunkt heute am Vormittag ging es unter anderem auch darum, daß in Härtefällen Frauen zu einer gewissen Zeit zu einem Unterhalt kommen. Beim letzten Tagesordnungspunkt geht es ebenfalls um Härtefälle: um Personen, die durch das fast flächendeckende Sozialnetz fallen.

Ich denke, daß das, was Kollege Öllinger gesagt hat und was auch von einigen anderen Kollegen angesprochen worden ist, nicht ganz stimmt, denn dank der Hartnäckigkeit unseres Gottfried Feurstein ist es nun gelungen, daß grundsätzlich alle Frauen, die den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz verlieren und deren soziale und wirtschaftliche Verhältnisse eine freiwillige Vollversicherung im Bereich der Krankenversicherung nicht ermöglichen, zu geringen Beiträgen wieder in den Genuß des Versicherungsschutzes kommen. Ich denke, das ist schon ein ganz wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel.) Nein, so ist es auch, wozu es ja lange Verhandlungen gegeben hat, Frau Kollegin Mertel.

Damit ist nun nach der Absicherung von Frauen oder auch Männern, die geringfügig beschäftigt sind, ein weiterer sozialpolitisch wichtiger Punkt seitens der ÖVP erreicht und auch umgesetzt worden.

Eine Einigung über eine pensionsrechtliche Absicherung der Frauen ist leider am Widerstand der SPÖ gescheitert. Wir brauchen langfristig gesehen eine eigenständige Pensionsabsicherung für Frauen. Unser Vorschlag des Pensionssplittings wäre hier umzusetzen, aber es scheitert an Mitstreiterinnen (Abg. Kiss: An der SPÖ!), die das auch mittragen. (Abg. Silhavy: Weil sie etwas Besseres verdienen!)

Frauen verdienen natürlich etwas Besseres, aber als erster Schritt wäre das einmal ein wichtiger Punkt, der umzusetzen wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

Mittelfristig ist auch durchzusetzen und umzusetzen, daß die Zeiten für die Erziehung von Kindern nicht nur bei der Berechnung der Pension angerechnet werden, sondern auch pensionsbegründend sind, und schließlich natürlich auch, daß Frauen eine eigenständige Pensionsabsicherung haben. Ich denke, daß nach diesem einen Schritt noch einiges zu tun ist. (Beifall bei der ÖVP.)

1.00

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dolinschek. Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Redezeit von 5 Minuten zur Verfügung. – Bitte. (Abg. Dr. Mertel: "Dolinschek" mit Betonung auf "o", Herr Präsident! Das ist ein Kärntner!)

1.00

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (Freiheitliche): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorlage zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und zum Ausländerbeschäftigungsgesetz beinhaltet einerseits die Entsenderichtlinien, die ja schon ausführlich erörtert worden sind – auf diese komme ich später noch zurück –, und andererseits auch die Regelung für Generalunternehmer sowie die Bestimmungen bei Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Bei dieser Änderung geht es darum, daß mehrere Delikte für die gleichzeitige illegale Beschäftigung mehrerer Ausländer künftig im Hinblick auf den Ausschluß von öffentlichen Aufträgen nur noch als eine Verurteilung zählen. Was das eigentlich soll, weiß ich nicht. Das heißt, daß ein Unternehmer von öffentlichen Aufträgen nicht von Haus aus ausgeschlossen wird, wenn er nachweist, daß er sich gebessert hat. Das ist für mich keine klare Regelung. Es ist ein Gummiparagraph, es ist eine Wischiwaschi-Regelung und dient im Prinzip nur der Verschleierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Weitergabe von Leistungen durch Generalunternehmer beziehungsweise an Subunternehmen im Ausmaß von über 50 Prozent des Auftragswertes ist ab jetzt nicht mehr erlaubt. Ich glaube auch, daß das sinnlos ist, weil eine Verschleierung der Beschäftigungsverhältnisse dadurch nur unwesentlich erschwert wurde. (Abg. Silhavy: Das ist ein eindeutig verschleierter Zugang zur Thematik!)

Andererseits – Frau Kollegin, ich habe nicht so viel Zeit, daß ich Ihnen jetzt auch noch zuhören könnte – wird ein Einsetzen von Generalunternehmern dadurch erschwert, weil ja nicht einmal ein Baumeister in der Lage ist, bei einem normalen Bauvorhaben mehr als 30 Prozent der Gesamtleistungen selbst zu erbringen, und nur staats- oder bankennahe Industriebetriebe im Baubereich in der Lage sind, mit vielen Konzessionen diese Generalaufträge zu übernehmen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Zudem ist bei öffentlichen Aufträgen zu beachten, daß die oft unabsehbaren Zeitabläufe alle Firmen zu einer Angebotsabgabe und Auftragsannahme auf gut Glück, unabhängig von der Betriebsauslastung, zwingen. Wenn die Ausführung dann zufällig mit vielen anderen Aufträgen zusammenfällt, ist diese Weitergabe an Subunternehmer, die oft einen Großteil des Auftrages betrifft, üblich und für denjenigen, der den Auftrag weitergibt, auch wirtschaftlich notwendig.

Da die Aufnahme großer zusätzlicher Personalmengen für einen kurzen Zeitraum nicht sinnvoll und auch nicht durchführbar ist und dadurch im Prinzip nur das Risiko erhöht wird, glaube ich nicht, daß das notwendig ist. Was bleibt übrig? – Die öffentliche Hand muß, wenn nicht von Ausnahmeregelungen Gebrauch gemacht wird, dann insgesamt damit rechnen, die Entlastung durch ein Generalunternehmen nicht mehr zu erhalten oder mit höheren Preisen bezahlen zu müssen.

Außerdem kommt es jetzt, wie wir gehört haben, weil die Koalitionsparteien unserem Abänderungsantrag nicht zustimmen, zu einer gesetzlichen Schlechterstellung österreichischer Montagearbeiter innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.

Herr Dr. Feurstein, wenn Sie sagen, daß dadurch den Konsumenten geholfen wird, dann ist das eine reine Augenauswischerei und eine Ausrede von Ihnen. Etwas Besseres fällt Ihnen anscheinend nicht ein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist im Prinzip eine Schlechterstellung für die österreichischen Montagearbeiter, weil sie drei Monate lang nicht unter österreichischen arbeits- und sozialrechtlichen Bedingungen, sondern nach EU-Richtlinien arbeiten müssen und damit schlechteren Bedingungen ausgesetzt sind als hier in Österreich.

Man kann eigentlich ohne Übertreibung sagen, daß die österreichische Bundesregierung beim Versuch, hier eine Besserstellung innerhalb der EU zu erreichen, im Prinzip gescheitert ist, weil Sie unserem Abänderungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit der Abg. Rosemarie Bauer.)

1.04

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Silhavy. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

1.04

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine beiden Vorrednerinnen meiner Fraktion haben bereits inhaltlich zum ersten dieser beiden Tagesordnungspunkte gesprochen. Frau Kollegin Reitsamer hat darauf hingewiesen, daß es leider aufgrund der starren Haltung der ÖVP nicht möglich war, ein Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz in der Form durchzubringen, in der es auch von Effizienz gekennzeichnet gewesen wäre. (Abg. Steibl: Damit wurde aber auch etwas Gutes getan, denn sonst wären alle Häuselbauer auf der Strecke geblieben!)

Herr Kollege Feurstein! Nun ein Wort zu Ihnen: Sie haben heute das Antimißbrauchsgesetz in der seinerzeit beschlossenen Fassung so bedauert. Wenn wir auf die ÖVP gewartet hätten, dann hätten wir bis heute keine gesetzliche Grundlage. Daher sollten Sie uns dankbar sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Die vorliegende ASVG-Novelle basiert, wie bereits mehrfach festgestellt wurde, auf einer Ausschußbemerkung anläßlich der Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Ein bißchen muß ich Kollegen Öllinger und Kollegen Kier hier natürlich schon widersprechen, denn warum Alimentation und Unterhaltsleistung andere Einkommensbegriffe sind als sonstige anrechenbare Einkommen, das müssen Sie mir erst einmal erklären.

Es ist uns nicht gelungen – ich habe das bereits seinerzeit anläßlich dieser Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz gesagt –, mit der ÖVP im Zusammenhang mit dem Eherechts-Ände-rungsgesetz eine entsprechende sozialversicherungsrechtliche Regelung auszuverhandeln. Ridi, weil du das bedauerst, darf ich dich schon darauf hinweisen, daß es ja Grundlagen dazu gibt: Schon seinerzeit, als Helga Konrad Ministerin war, haben wir Vorschläge gemacht, wie wir zu einer besseren sozialversicherungs- und pensionsversicherungsrechtlichen Absicherung für Frauen kommen könnten, nur: Das hat die ÖVP leider nie interessiert. Das ist das Problem dabei. (Abg. Steibl: Indem die Frauen 1 500 bis 1 800 S zahlen! Wo sollen sie dieses Geld herbekommen?)

Ich darf auf die Regelung, die wir jetzt getroffen haben, zurückkommen. Diese Regelung – und diesbezüglich verstehe ich die Einwände von Kollegen Kier und Kollegen Öllinger nicht – umfaßt nämlich nicht nur den Krankenversicherungsschutz für Frauen, die jetzt keinen Schutz haben, weil sie aus der Notstandshilfe herausfallen, sondern sie sieht auch für Personen, die nach der Scheidung in nicht so guten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen leben, die Möglichkeit vor, diese begünstigte Krankenversicherung zu beziehen. Ich denke mir, zumindest dies sollte für Sie ein Ansatzpunkt dazu sein – denn insofern geht diese Regelung weit über die Ausschußfeststellung hinaus –, uns Ihre Zustimmung zu geben.

Frau Bundesministerin! Ich möchte mich wirklich sehr herzlich dafür bedanken, daß die Regierungsvorlage, die vom Ministerium gekommen ist, diesen Teil mit umfaßt hat. Sie hat in bezug auf eine große Problematik, die wir auf der anderen Ebene, nämlich beim heutigen Tagesordnungspunkt 1, nicht regeln konnten, eine Regelung geschaffen, gerade für schutzbedürftige Personen.

Ich denke, wir alle, vor allem wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, können mit großer Freude dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

1.07

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die nächste Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Donabauer vor. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 4 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

1.07

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Es stehen zwei Materien zur Verhandlung. Wenn Frau Haller hier meinte, daß wir in der Sozialausschußsitzung vom 10. Juni nichts mehr bewegen konnten und nur mehr zwei Tagesordnungspunkte erledigt haben, kann ich Ihnen beruhigt sagen: Wir haben eben alles aufgearbeitet und nicht mehr zu erledigen gehabt. – So einfach ist die Sache zu erklären. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Haller: Selten so gelacht!)

Daß wir handlungsfähig waren, kann ich Ihnen beweisen, denn daß die Ausschußbemerkung vom 12. Mai bereits in dieser Ausschußsitzung erledigt werden konnte, war nur deshalb möglich, weil Gottfried Feurstein und Annemarie Reitsamer gemeinsam mit der Frau Bundesminister diesbezüglich initiativ geworden sind. Das ist doch eine gute Sache!

Was haben wir gemacht? – Nichts anderes, als einer Gruppe von Menschen – in diesem Fall Frauen – zu helfen, die in einer besonders bedrängten Situation nicht einmal den Krankenversicherungsschutz hatten und die auch nicht das nötige Geld haben, um sich einen Krankenversicherungsschutz nach herkömmlicher gesetzlicher Regelung selbst verschaffen zu können. Das ist eine gute Sache, und sie findet gerade deshalb selbstverständlich unsere Zustimmung. Gleichzeitig soll aber auch ein Dank an all jene, die sich hier engagiert haben, ausgesprochen werden.

Wenn Ridi Steibl meint, daß man in diesem Bereich in den nächsten Jahren noch weitere Maßnahmen zu treffen haben wird, dann hat sie recht. Sozialpolitik ist etwas Lebendes, man muß sich dabei dauernd den Erfordernissen anpassen. Das ist eben so.

So ist es auch beim Gesetzesantrag 1103/A. Hier wurde gesagt, das sei kein besonders großer Wurf, und es wurde auch bedauert, daß das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht zustande gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP.) – Es darf natürlich differente Auffassungen geben, das ist überhaupt nichts Unanständiges. Es gibt eben verschiedene Betrachtungsweisen und verschiedene Standpunkte. Wir haben aber im großen und ganzen das Problem nicht liegengelassen, sondern haben einen Weg gefunden, der einen vernünftigen Schritt hin zu einer entsprechenden Rechtsfindung für die Arbeitnehmer darstellt. Das, glaube ich, ist unser Ziel. In diesem Sinne haben wir uns eingebracht, und deshalb stimmen wir auch dem Antrag zu. (Beifall bei der ÖVP.)

1.09

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gatterer. Freiwillige Redezeitbeschränkung: gleichfalls 4 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

1.10

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auch ich möchte noch einmal zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz sprechen. Ich glaube, die Opposition ist nicht gut beraten, diese Gesetzesänderung für die Frauen mehr oder weniger schlechtzumachen.

Wir sind immer sehr froh darüber, sagen zu können, daß in Österreich 99 Prozent der Bevölkerung krankenversichert sind. Es handelt sich hier Gott sei Dank nur um eine sehr kleine Gruppe. Dieser muß man helfen.

Wir haben heute viel über Scheidung gesprochen, und wir wissen, daß das im seelischen Bereich sehr viele Narben hinterläßt, aber auch im finanziellen Bereich Einbrüche zur Folge hat. Wir wissen heute, daß viele Frauen durch die Anrechnung des Unterhaltes auf den Notstand wirklich Probleme haben. Sie sind nicht weiterversichert. Eine Versicherung muß für sie aber günstig sein, damit die Frauen sie auch in Anspruch nehmen können.

Ich darf anmerken, daß es in Österreich immerhin 44 000 Frauen sind, die sich freiwillig krankenversichern. Wir glauben aber, daß es im Zusammenhang mit einer Scheidung dringend notwendig ist, daß es hier günstigere Tarife gibt, um den Frauen den dringend notwendigen Versicherungsschutz zu gewähren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte hier aber noch einmal urgieren, daß es nicht genug sein wird, daß die Frauen nur den Krankenversicherungsschutz haben, sondern daß wir uns generell über die sozialrechtliche Absicherung der Frauen unterhalten müssen. Das heißt, daß es im Scheidungsfall einen Versorgungsausgleich für Frauen geben muß, die sich selbst keine Pension erarbeitet haben oder nur eine sehr geringe Pension bekommen würden. Ich glaube, hier müssen wir genauso wie im Bereich der Sozialversicherung versuchen, gemeinsam eine Lösung für diese Frauen zu finden. (Beifall bei der ÖVP.)

1.11

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte, Frau Bundesministerin.

1.12

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Nur wenige Sätze zu diesen Vorlagen.

Frau Abgeordnete Haller hat festgehalten, daß nur zwei Tagesordnungspunkte bei der Ausschußsitzung zu behandeln gewesen sind. Ich möchte mich bei der Ausschußvorsitzenden, aber auch beim Kollegen Dr. Feurstein sehr herzlich dafür bedanken, daß bei dieser Ausschußsitzung auf Terminprobleme von mir Rücksicht genommen wurde und daher diese beiden Punkte prioritär behandelt wurden. Es hat am gleichen Tag auch noch der Gesundheitsausschuß stattgefunden, sodaß hier aufgrund dieses zweiten Ausschusses ein gewisser Zeitdruck gegeben war.

Zu der Gesetzesvorlage als solcher: Was den Antrag betrifft, möchte ich insbesondere zwei Punkte herausheben, von denen ich glaube, daß wir damit gerade auch die Arbeitnehmerseite stützen, was sehr wichtig ist. Ich meine jene Punkte, durch die einerseits die Generalunternehmerhaftung im Sinne der Arbeitnehmer besser geregelt wird, als dies bisher der Fall war, und andererseits auch mit jenem – ich erlaube mir, das so zu sagen – Unfug ein Ende sein wird, daß von Generalunternehmungen praktisch gesamte Aufträge oder ein überwiegender Anteil eines Auftrages an Subunternehmen weitergegeben wird. Somit besteht nunmehr eine klare Regelung dahin gehend, daß zumindest die Hälfte des Auftrages in der Verantwortung des Generalunternehmers zu verbleiben hat, wodurch auch mehr Sicherheit gewährleistet ist.

Es wurde in der Debatte auch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz angesprochen. Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich darf nur festhalten, daß bei der Entwicklung dieses Gesetzes, bei der Erarbeitung dieser Regierungsvorlage Experten des Justizministeriums, des Finanzministeriums, des Wirtschaftsministeriums, des Sozialministeriums und auch aus dem Bereich der Sozialpartner sowie auch der politischen Ebene mitgearbeitet haben und daß nach der Beschlußfassung im Ministerrat die Regierungsvorlage auch mit den Experten des ÖVP-Klubs beraten wurde, sodaß diese Regierungsvorlage ein erhebliches Expertenwissen und ein erhebliches politisches Wissen beinhaltet.

Ich bedauere, wie schon gesagt, daß wir voraussichtlich trotzdem nicht in der Lage sein werden, dieses Gesetz heute beziehungsweise noch in dieser Legislaturperiode zu behandeln. (Beifall bei der SPÖ.)

1.14

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir haben kein Schlußwort des Berichterstatters und kommen daher sogleich zum Abstimmungsverfahren. Ich bitte, zu diesem Zweck die Plätze einzunehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die über jeden Ausschußantrag getrennt durchgeführt wird.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1970 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Wir werden daher zunächst über die vom Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Die Abgeordneten Mag. Haupt und Genossen haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der sich auf Artikel I Z 2 § 7a sowie Z 3 § 7b bezieht.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes, nun in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung dazu bitte ich gleichfalls um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist nun die Mehrheit. Angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang, auch in der Fassung des Ausschußberichtes.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dieses erfolgt durch die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Dies erfolgt gleichfalls durch die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1971 der Beilagen.

Im Falle Ihrer Zustimmung bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Dies ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

So Sie dem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung zustimmen wollen, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Auch dies geschieht durch die Mehrheit. Ich stelle fest: Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

Einlauf

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1108/A bis 1144/A eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 6412/J bis 6442/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Donnerstag, den 17. Juni 1999, 9 Uhr ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Die Sitzung wird mit einer Fragestunde eingeleitet werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 1.17 Uhr