Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 179

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19.03

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Die beiden soeben verlesenen Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht, entsprechend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

19.03

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum sogenannten Integrationspaket wurde von den Grünen berechtigt Kritik geübt, und viele Bereiche wurden von meinen KollegInnen bereits hinreichend ausgeführt. Doch einen Bereich, der mir sehr am Herzen liegt und wo eine humane Lösung zu finden wäre, möchte ich noch erwähnen, und das ist der Bereich der Familienzusammenführung. Es ist zu klären, was in Zukunft geschehen soll, wenn Familienangehörige, die über 14 Jahre alt und behindert sind, nicht mehr nach Österreich dürfen.

Herr Minister! Ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Jahren einmal in Rovinj waren, dort, wo viele behinderte Menschen leben und wohin behinderte Menschen zur Kur fahren können, Menschen, die aufgrund des Krieges Behinderte geworden sind oder die von Geburt an behindert sind. Viele dieser Menschen leben derzeit noch in Jugoslawien, weil sie dort die Möglichkeit haben, von den Großeltern betreut und gepflegt zu werden. Aber wie wird die Zukunft dieser Menschen ausschauen, wenn ihre Großeltern gestorben sind und sie dort alleine sind? Wie stellen Sie sich vor, daß Eltern ihre Sorgepflicht für ihre behinderten Angehörigen übernehmen können, wenn diese gar nicht nach Österreich einreisen dürfen, damit sie hier von ihren Eltern gepflegt und betreut werden, obwohl Sie ganz genau wissen, daß diese Menschen in Österreich niemandem – absolut niemandem! – zur Last fallen würden, weil sie ja ohnehin keinen gesetzlichen Anspruch auf Pflegegeld oder auf irgendwelche anderen behinderungsbedingten Leistungen von der österreichischen Gesetzeslage her hätten?

Mir kommt es einfach zu dumm vor, wenn ich sehe, wie man auf der einen Seite mit Projekten in Jugoslawien versucht, für behinderte Kinder Heime aufzubauen und sie dort irgendwie halbwegs menschenwürdig zu pflegen und zu betreuen, diese behinderten Menschen aber auf der anderen Seite in Österreich Angehörige haben, die diese Betreuung sehr gerne übernehmen würden, aber nach Österreich nicht hereindürfen.

Herr Minister! Es bringt alles nichts, es bringt die Aktion "Nachbar in Not" nichts, es bringen auch die Projekte nichts, es bringt auch die Aktion "Licht ins Dunkel" nichts, wenn wir nicht bereit sind, gerade im Behindertenbereich in Österreich für unsere behinderten ausländischen MitbürgerInnen, deren Eltern in Österreich leben, etwas zu tun, wenn wir uns dafür nicht verantwortlich sehen, wenn wir dafür die Verantwortung nicht tragen wollen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist wirklich schlimm: Ich bin am Montag im 1. Bezirk spazierengefahren, und es ist ein älterer Herr beim Stephansdom gestanden und hat mit dem Pfarrer gesprochen, und als ich dort vorbeigefahren bin, hat er mich angesprochen und mich gefragt, wo er für seinen jugoslawischen Freund einen Rollstuhl mit Kinnbedienung bekommen könne, weil er nicht wisse, wie es mit diesem kriegsverletzten Mann in Zukunft weitergehen soll: Der junge Mann lebt in Jugoslawien, seine Großeltern sind gestorben, seine Eltern aber in Österreich, und er darf noch immer nicht nach Österreich.

Wenn das, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, Ihre Familienzusammenführungspolitik ist, Ihre Politik der Humanität, Ihre Politik, die Sie immer wieder betreiben, indem Sie sagen, Familienangehörige müssen für ihre kranken, behinderten Angehörigen sorgen, ihnen aber auf der anderen Seite verbieten, es tatsächlich zu tun, dann frage ich mich, ob Sie nicht in einem permanenten Widerspruch leben. Es ist für mich schizophren, wenn man sich auf der einen Seite zu Weihnachten vor die Kamera stellt und preist, daß man in Österreich für behinderte Menschen sammelt, und auf der anderen Seite für Menschen, die das Recht haben müssen, nach Österreich zu kommen, absolut nichts tut, sie ganz bewußt ausblendet.


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