Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 222

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

man muß sich nicht alles gefallen lassen, was andere später sagen, nur weil man der erste Redner war! – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum, bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.49

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Er hat das Wort.

22.49

Abgeordneter Mag. Johann Ewald Stadler (Freiheitliche): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Der Österreichischen Volkspartei macht das Freude; Kollege Schwarzenberger hat ja schon gesagt, daß diese Polarisierung für die ÖVP gut ist. Sie hat Freude damit, wenn sie ein bißchen Kulturkampf des 19. Jahrhunderts betreiben kann. Das macht nicht nur jene Fraktion, die Sie gemeint haben, Herr Kollege Khol, sondern das machen Sie selbst, weil Sie damit ein bißchen ideologie- und identitätsstiftend in Ihren eigenen Reihen wirken können!

Man kann zu den Vorschlägen und zur Haltung des Liberalen Forums gegenüber der katholischen Kirche und auch den anderen christlichen Konfessionen stehen wie man will. Ich bin auch Ihrer Meinung, daß sie grundsätzlich eine antiklerikale Haltung an den Tag legen. Ich habe mich auch darüber geärgert, wie die Parteivorsitzende seinerzeit Kardinal Groer behandelt hat.

Herr Kollege Khol! Wenn aber Sie dann von "Scheinheiligkeit" reden – wenn ausgerechnet der Kollege Khol von "Scheinheiligkeit" redet, der seinen eigenen Heiligenschein am liebsten hier zur Schau stellen würde! –, dann entbehrt das nicht einer gewissen Pikanterie, meine Damen und Herren!

Herr Kollege Khol! Wo waren Sie, als Ihr Landsmann und Parteifreund Dinkhauser einen Bischof dieses Landes in unflätigster Weise heruntergemacht hat? Wo war denn da der "heilige Andreas" zu diesem Zeitpunkt? Hat sich der "heilige Andreas" in gleicher Weise dagegen verwahrt, wie er sich seinerzeit gegen die Art und Weise, wie Frau Schmidt mit Kardinal Groer umgegangen ist, verwahrt hat? Wo war die Österreichische Volkspartei in den letzten 25 Jahren bei der Schulpolitik, die Sie mitgetragen haben, zum Teil sogar durch Ihre eigenen Unterrichtsminister? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wo waren Sie denn in den letzten 25 Jahren in der Ausländerpolitik – in Anbetracht dessen, daß wir heute wissen, daß die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in unserem Lande nicht mehr eine christliche ist, lieber "heiliger Andreas", sondern mittlerweile die islamische Religionsgemeinschaft? Das war Ihre Politik! 25 Jahre lang haben Sie diese Politik betrieben! Heute aber stellen Sie sich hier heraus und sagen: Werte sind bedroht, weil der Meldezettel geändert wird.!

Meine Damen und Herren! Werte hängen in diesem Land nicht von Meldezetteln ab! Werte hängen von der tatsächlich gelebten Tagespolitik ab, die Sie in den vergangenen 25 Jahren wahrhaft nicht zum Ruhm Ihres hohen "c" in Ihrem Parteinamen und Ihrer Parteibezeichnung betrieben haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich verstehe Ihre Eifersucht! Jetzt haben Sie Angst! Sie haben Angst, weil eine Partei sagt, daß der Kulturkampf heute auf einer ganz anderen Ebene verläuft, daß der Kulturkampf des vergangenen Jahrhunderts passé ist. Jetzt haben Sie Angst um Ihre Wähler! Das ist ganz klar! Daher wird eifersüchtig darauf geschaut, ob es "wahre" oder "nicht wahre" Christen gibt. Es sagt ex cathedra "Seine Heiligkeit", der Andreas, seines Zeichens ÖVP-Klubobmann, wer wahrer Christ ist und wer nicht wahrer Christ ist. – Herr Bundesminister! Sind Sie wahrer Christ? Haben Sie sich schon die Absolution Ihres Klubvorsitzenden geholt? Ich weiß nicht, wie Sie eingeschätzt werden! Er weiß: Er ist ein wahrer Christ – und alle anderen, die die Absolution von ihm nicht bekommen haben, sind keine Christen.

Meine Damen und Herren! Wahre Christen bekennen sich auf einem Meldezettel. Das Bekenntnisprinzip ist das Prinzip, das unser Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften kennzeichnet. Das Bekenntnisprinzip ist es! Wer sich zu seiner Religionsgemeinschaft und


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite