31/A XXI.GP

 

ANTRAG

 

der Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten -

Gleichstellungsgesetz (Beh - GStG) erlassen wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten - Gleichstellungsgesetz (Beh -

GStG) erlassen wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

„Bundesgesetz, mit dem ein Allgemeines Behinderten - Gleichstellungsgesetz

(Beh - GStG) erlassen wird

 

 

1. Abschnitt

 

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

 

§ 1 (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von

Vorschriften, die in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie deren

Vollziehung sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das

Bundes - Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929 etwas anderes

vorsieht.

§ 2 (1) Dieses Gesetz stellt allgemeine Regeln für die Umsetzung des

Grundsatzes des Verbots der Benachteiligung von behinderten Menschen gemäß

Art. 7 Abs. 13. Satz B - VG, BGBl. 1/8711997, auf.

(2) Dem gleichen Zweck dienende Bestimmungen in einzelnen Gesetzen

bleiben unberührt.

§ 3 (1) Behinderte Menschen sind Personen jeglichen Alters, die in einem

lebenswichtigen sozialen Beziehungsfeld körperlich, geistig, sensorisch oder

seelisch dauernd wesentlich beeinträchtigt sind. Ihnen stehen jene Personen

gleich, denen eine solche Beeinträchtigung in absehbarer Zeit droht.

Lebenswichtige soziale Beziehungsfelder sind insbesondere die Bereiche

Erziehung, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Beschäftigung, Kommunikation,

Wohnen und Freizeitgestaltung.

(2) Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen wegen ihrer Behinderung in

der gleichen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft oder in ihrer

selbstbestimmten Lebensführung behindert werden.

(3) Unter einer Diskriminierung ist die Veranlassung, Fortsetzung oder

Aufrechterhaltung von Maßnahmen, Strukturen, Verhaltensweisen oder

Feststellungen zu verstehen, die geeignet sind, Menschen mit Behinderungen zu

benachteiligen.

 

2. Abschnitt

 

GESETZLICH GEREGELTE VERFAHREN

 

 

§ 4 In allen Verfahrensgesetzen ist vorzusehen, daß behinderten Menschen der

gleiche Zugang zu den Verfahren sowie die gleichberechtigte Teilhabe an den

Verfahren gewährleistet ist, wie nicht behinderten Menschen.

§ 5 Es sind Vorkehrungen zu treffen, daß in ihrer Mobilität beeinträchtigte

Menschen jederzeit ungehinderten Zugang zu den Örtlichkeiten haben, an denen

gesetzlich geregelte Verfahren stattfinden.

§ 6 In Verfahren, an denen gehörlose Personen teilnehmen, sind

Gebärdensprachdolmetscher, beziehungsweise andere adäquate Instrumente zur

Herstellung einer gleichberechtigten Teilhabe am Verfahren einzuschalten.

§ 7 Nehmen blinde oder hochgradig sehbehinderte Personen an Verfahren teil,

ist Vorsorge dafür zu treffen, daß schriftliche Verfahrensteile in einer Form

gestaltet werden, daß sie von diesen Personen wahrgenommen und behandelt

werden können.

 

3. Abschnitt

 

BILDUNGSEINRICHTUNGEN

 

§ 8 (1) Bildungseinrichtungen sind so zu gestalten, daß der Zugang für

behinderte Menschen möglich ist.

(2) Die Erhalter und Betreiber von Bildungseinrichtungen haben die

erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, daß die genannten Einrichtungen von

behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten erreicht werden können.

§ 9 Bildungsinhalte sind so zu vermitteln, daß sie von allen Menschen,

unabhängig von ihrer Behinderung, aufgenommen werden können.

§ 10 Bildungsbeschränkungen für behinderte Menschen dürfen gesetzlich

nicht festgelegt und auch durch die Vollziehung der Schul - und

Hochschulgesetze nicht herbeigeführt werden.

4. Abschnitt

 

VERKEHR

 

§ 11 Öffentlich benützbare Verkehrseinrichtungen sind so zu gestalten, daß ihre

Benützung behinderten Menschen in gleicher Weise wie Nichtbehinderten

möglich ist.

§ 12 (1) Die Betreiber von öffentlichen Verkehrseinrichtungen haben ihr

rollendes Material und ihre öffentlich zugänglichen Einrichtungen den

Erfordernissen von bewegungsbehinderten und sinnesbeeinträchtigten Personen

anzupassen.

(2) Betreiber von Eisenbahn - und Straßenbahnunternehmen haben

zumindest einen Waggon eines jeden Zuges behindertengerecht zu gestalten.

(3) Die jeweils ressortzuständigen Mitglieder der Bundesregierung

haben nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirats durch Verordnung

festzulegen, in welcher zeitlichen Frist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die

Adaptierung bestehender Einrichtungen zu erfolgen hat, wobei unter

Einrichtungen sämtliche Gebäude sowie für den zivilen Personenverkehr

bestimmte Fahrzeuge zu verstehen sind. Diese Verordnungen bedürfen

der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats.

§ 13 Gehsteige sind insbesondere für Rollstuhlbenützer innerhalb eines

Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abzuschrägen, wobei gleichzeitig auf

die speziellen Erfordernisse von blinden und sehbehinderten Personen Rücksicht

zu nehmen ist.

Grundsätzlich sind im Hinblick auf Bestimmungen dieses, aber auch des

5. Abschnittes, Lösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, anzustreben.

 

5. Abschnitt

 

GEBÄUDE

 

§ 14 (1) Bauwerke, die zur öffentlichen Benützung bestimmt sind sowie

Gebäude, in denen eine Beschäftigung ausgeübt wird, sind so zu gestalten, daß

sie für behinderte Menschen zugänglich sind.

(2) Bestehende Bauwerke sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes entsprechend

umzugestalten, wobei bei historischen und denkmalgeschützten Bauten

bewegliche Adaptierungen zulässig sind. § 12 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.

§ 15 (1) Jedes neu errichtete Gebäude, unabhängig von seinem Zweck, ist so zu

gestalten, daß es von behinderten Menschen ohne Schwierigkeiten benützt

werden kann.

(2) Im Falle der Nichtbeachtung des Abs. 1 ist der Baubeginn zu untersagen.

§ 16 Diese Bestimmungen gelten sinngemäß bei Renovierungen und

Umgestaltungen bestehender Bauwerke.

6. Abschnitt

 

BERUF

 

§ 17 (1) Berufszulassungsbestimmungen haben vorzusehen, daß behinderten

der gleiche Berufszugang offen steht, wie nicht behinderten Menschen.

(2) Berufszulassungsbestimmungen dürfen nicht in einer Weise definiert und

ausgelegt werden, daß sich hierdurch Benachteiligungen behinderter Menschen

ergeben.

§ 18 (1) Feststellungen, auf Grund derer Prozentsätze der Erwerbsfähigkeit von

behinderten Menschen ermittelt werden, sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes

unzulässig.

(2) Es ist in jedem einzelnen Fall die Fähigkeit des Bewerbers individuell

festzustellen.

(3) Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.

 

7. Abschnitt

 

 

DISKRIMINIERUNGEN

 

§19 Behinderten Menschen darf der Zugang zu und die Benützung von

Veranstaltungen, Theatern, Kinos, Vergnügungslokalen, Gaststätten, Hotels und

öffentlichen Bädern wegen ihrer Behinderung nicht erschwert werden.

§ 20 Bestimmungen in normierten Verträgen, Allgemeinen

Geschäftsbedingungen, Versicherungsbedingungen und dergleichen, die

behinderte Menschen benachteiligen, sind nichtig.

 

8. Abschnitt

 

RECHTSDURCHSETZUNG

 

§ 21 Ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 19 stellt, sofern keine gerichtlich

strafbare Handlung vorliegt, eine Verwaltungsübertretung dar und ist mit

Geldstrafe von 5.000 bis zu 30.000 S zu ahnden.

§ 22 (1) In Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit Bestimmungen

dieses Gesetzes stehen, haben betroffene behinderte Menschen Parteistellung.

(2) Ob und welchen Organisationen der Behinderten Parteistellung gewährt

wird, bestimmt eine Verordnung der Bundesregierung, wobei nur solchen

Organisationen Parteistellung zuerkannt werden darf, die eine repräsentative

Gruppe von behinderten Menschen vertreten.

§ 23 (1) Jede behinderte Person ist berechtigt, für den Fall der Beeinträchtigung

ihrer Lebensgestaltung durch Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes

Klage vor den ordentlichen Gerichten zu erheben.

(2) Die in dieser Klage geltend gemachten Ansprüche beinhalten sowohl

Erfüllung wie auch Schadenersatz, hinsichtlich dessen § 87 Absatz 2

Urheberrechtsgesetz anzuwenden ist.

(3) Diese Klage richtet sich sowohl gegen die zuständige Gebietskörperschaft wie

auch gegen einzelne Personen, die Bestimmungen dieses Gesetzes verietzt

haben.

Im Zuge dieser Verfahren können Einstweilige Verfügungen gemäß § 24 UWG

erlassen werden.

§ 24 (1) Die ersterhobene Klage wegen einer bestimmten Verletzung dieses

Gesetzes schließt alle weiteren Klagen wegen derselben Verletzung aus.

(2) Allfällige weitere Betroffene können sich jedoch diesem Verfahren als

Nebenintervenienten anschließen.

(3) Auf Verfahren auf Grund dieses Gesetzes sind die Verfahrensbestimmungen

des Amtshaftungsgesetzes (BGBl. 20/1949 i.d.g.F.) nicht anzuwenden, doch ist

die Klage längstens binnen einem Jahr ab Kenntnis der Beeinträchtigung bei

Gericht einzubringen.

 

9. Abschnitt

 

SCHLUSSBESTIMMUNGEN.

 

§ 25 Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, die mit Bestimmungen

dieses Bundesgesetzes in Widerspruch stehen, sind nach Inkrafttreten dieses

Gesetzes nicht mehr anzuwenden.

§ 26 Mit der Vollziehung dieses Gesetzes ist die Bundesregierung betraut.

§ 27 Dieses Bundesgesetz tritt am ...........................................in Kraft."

 

 

Erläuterungen

 

 

Allgemein Teil

 

Mit Verfassungsgesetz vom 13. August 1997, BGBl. 1/87/1997 sind Menschen mit

Behinderungen bekanntlich in den Art. 7 Abs. 1 B - VG aufgenommen worden.

Der Bundeskanzler hat im Dezember 1997 angeordnet, daß im

Verfassungsdienst des BKA eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die die

Bundesgesetze nach Bestimmungen durchforsten sollte, die Benachteiligungen

für Behinderte enthalten.

Diese Arbeitsgruppe hat sich am 8. Jänner 1998 konstituiert und hielt seit Feber

1998 zahlreiche Sitzungen ab. Sie wurde aus Beamten des BKA und einiger

Ministerien, Vertretern von Behindertenorganisationen und Vertretern der im

Parlament vertretenen Parteien gebildet.

Neben der Arbeitsgruppe im BKA gab es noch Arbeitsgruppen im BMAGS, im

BMUK und im BMWV, die ebenfalls jeweils zu mehreren Sitzungen

zusammenkamen.

Das BKA hat am 2. November 1998 einen „Vorläufigen Gesamtbericht“

versendet, der allerdings verschiedentlich kritisiert wurde. Nach einigen

ergänzenden Sitzungen erschien anfangs Feber 1999 ein „Gesamtbericht“, der in

einer Sitzung im BKA am 17. Feber 1999 mit geringfügigen Änderungen von

allen Teilnehmern an den Arbeitsgruppen akzeptiert wurde. Im Zuge der

Durchforstung der Bundesgesetze wurden 60 bis 70 Gesetze besprochen, in denen

Bestimmungen geortet wurden, die als behindertendiskriminierend angesehen

werden können. Eine genaue Feststellung der Zahl der Gesetze bzw. der

diskriminierenden Bestimmungen ist deshalb nicht möglich, weil innerhalb der

Arbeitsgruppe keineswegs Einhelligkeit darüber bestand, ob eine Bestimmung

diskriminierend ist oder nicht. Außerdem ergaben sich zahlreiche Fälle, in denen

eine an sich neutrale Bestimmung im Vollzug diskriminierend wurde. Es ergab

sich daher, daß gesetzliche Regelungen in manchen Fällen gar nicht abgeändert

werden müßten, daß aber ihre Auslegung und der darauf basierende Vollzug zu

Diskriminierungen führt.

Es wurde daher bereits bei den Beratungen der Arbeitsgruppen der Gedanke

geäußert, daß in Ergänzung zu der Verfassungsbestimmung nicht nur

Korrekturen der einzelnen Gesetze zu erfolgen haben, sondern ein Allgemeines

Behindertengleichstellungsgesetz nötig wäre. Weiters muß berücksichtigt

werden, daß trotz intensiver Arbeit bei der Durchforstung wahrscheinlich

Bestimmungen übersehen wurden, sodaß auch in diesem Zusammenhang ein

allgemeines Gesetz erforderlich ist.

 

 

Besonderer Teil

 

 

Die Einteilung in Abschnitte soll der besseren Übersicht dienen und entspricht

auch der von den Arbeitsgruppen eingehaltenen Vorgangsweise.

Zum 1. Abschnitt:

Zu § 1: Dieses Gesetz muß eine Verfassungsbestimmung enthalten, da

anderenfalls infolge der Zersplitterung der Kompetenzbestimmungen der

Bundesverfassung eine Vollziehung des Gesetzes nicht gewährleistet ist.

Zu § 2: Diese Bestimmung stellt die Verbindung mit der Ergänzung des Art 7 B -

VG aus dem Jahre 1997 her. Da in zahlreichen Gesetzen jedoch auf Grund der

Ergebnisse der oben dargestellten Arbeitsgruppen Änderungen werden

vorgenommen werden müssen, soll im Abs 2 zum Ausdruck gebracht werden, daß

die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen als allgemeine Richtlinien

gedacht sind.

Zu § 3: Diese allgemeine Begriffsbestimmung der Behinderung ist dem

„Behindertenkonzept der Bundesregierung“ entnommen und hat auch als

Grundlage für andere Gesetze zu dienen. Um einen Schutz vor Benachteiligung

zu gewährleisten und eine umfassende rechtliche Gleichstellung durch die

verschiedenen legislativen Maßnahmen sowie die Rechtsinterpretation zu

ermöglichen, ist es notwendig, den Begriff der Diskriminierung zu definieren.

Zum 2. Abschnitt:

Bei der Behandlung der diversen Verfahrensgesetze hat sich herausgestellt, daß

in allen die gleichen Probleme auftreten, sodaß eine allgemeine Regelung

geboten erscheint.

Unbeschadet dessen wurde das Problem „Gebärdensprache“ bereits in Novellen

zur StPO und ZPO gesetzlich geregelt. (BGBl. I Nr. 20 und 21/1999)

Zum 3. Abschnitt:

In §§ 9 und 10 wird das Problem der Ausbildung Behinderter in Form

allgemeiner Bestimmungen berührt. Die Regelung edukatorischer Probleme muß

der Schulgesetzgebung und die Probleme der Wissenschaftsvermittlung der

Hochschulgesetzgebung überlassen bleiben.

Im § 8 wird die bauliche Gestaltung von Bildungseinrichtungen geregelt, da die

mangelnde Zugangsmöglichkeit oftmals dazu führt, daß Behinderte in ihrer

Bildung benachteiligt sind.

Zum 4. Abschnitt:

Mit diesen Bestimmungen sollen die oftmals geradezu lächerlichen Hindernisse

beseitigt werden, die den Behinderten die Teilnahme am gesellschaftlichen und

kulturellen Leben erschweren. Ihre generelle Regelung in diesem Gesetz erspart

zahlreiche Bestimmungen in einschlägigen Gesetzen und Verordnungen. Die

Zeitvorgaben für die Adaptierung bestehender Einrichtungen sind durch die

jeweils zuständigen Bundesminister per Verordnung zu regeln, wobei die

vorausgehende Anhörung des Bundesbehindertenbeirats garantieren soll, daß

die zeitlichen Fristen zur Umsetzung im Sinne der Zielvorgaben dieses Gesetzes

maximal beschränkt sind. Es hätte wenig Sinn gehabt, in dieses Gesetz

allgemeine Zeitvorgaben für die Adaptierung aller Einrichtungen

festzuschreiben, da in einigen Fällen die Maßnahmen in kurzer Zeit verwirklicht

werden können, in anderen Fällen jedoch im Hinblick auf die wirtschaftlichen

Gegebenheiten mehrere Jahre veranschlagt werden müssen. Eine Zustimmung

des Hauptausschusses des Nationalrats zu den Verordnungen wird im Sinne

einer raschestmöglichen Umsetzung aller Adaptierungsmaßnahmen für

notwendig erachtet.

Mithilfe einer Art „Stand der Technik“ - Klausel soll in der Frage der konkreten

Verwirklichung der Bestimmungen der §§ 11 bis 16. was die Anwendung

bestehender Standards und Normen (ÖNORM, IS0 etc.) betrifft, ein Spielraum

geschaffen werden. Durch die Determinierung „Stand der Technik“ ist garantiert,

daß die optimalen Normvorgaben zum Einsatz kommen (beispielsweise

Abschrägung der Gehsteigkanten bei gleichzeitiger Kennzeichnung derselben

durch taktile Aufmerksamkeitsfelder). Die Erwähnung einer bestimmten Norm

in diesem Gesetz hätte dies unter Umständen verhindert.

Zum 5. Abschnitt:

Diese Bestimmungen bezwecken das gleiche für den Bereich Bauwesen, wie die

Bestimmungen für den Bereich Verkehr. Die an sich unsinnige Aufsplitterung

der Bauordnungen auf die einzelnen Länder macht diese Bestimmungen

besonders bedeutsam. Die Zeitvorgaben entsprechen dem 4. Abschnitt.

Zum 6. Abschnitt:

Hier muß darauf verwiesen werden, daß das Behinderteneinstellungsgesetz eine

umfassende Regelung für Unselbständige darstellt. Das BEinstG ist zwar in

vielen Belangen unvollkommen und entspricht nicht den Bedürfnissen der

behinderten Arbeitnehmer, doch ist es, wie alle Arbeits - und Sozialgesetze einer

dauernden Novellierung unterworfen, sodaß die Hoffnung besteht, daß einmal

ein besseres Gesetz zustande kommt.

Aus diesem Grund beschränkt sich dieser Entwurf auf die Regelung von

Berufszulassungen, ein Bereich, der im BEinstG überhaupt nicht behandelt

wird.

Zu § 18: Diese Regelung wirkt darüber hinaus auch auf sozialrechtliche Materien

(zB Behinderteneinstellungsgesetz; nicht jedoch Bundespflegegeldgesetz, wo der

Pflegebedarf nach gänzlich anderen Kriterien ermittelt wird). Der Grund, warum

die prozentuelle Bestimmung der Erwerbsfähigkeit abgelehnt wird, liegt darin,

daß sowohl eine Prozentgrenze an sich als auch die anzuwendenden

Feststellungsverfahren willkürlich erscheinen.

Es gibt nämlich zahlreiche Fälle ‚in denen Personen, die als 90% erwerbsunfähig

eingestuft wurden, hervorragende Arbeit leisten, die der eines 100%ig

Arbeitsfähigen um nichts nachsteht und es gibt auch sehr viele Fälle, die nach

ärztlicher und berufskundlicher Begutachtung als mehr als 50%ig arbeitsfähig

eingestuft werden, nichts leisten können. Es mag für die Bürokratie sehr bequem

sein, Menschen schematisch abzustempeln, doch entspricht dieses System nicht

der Wirklichkeit, schadet den Betroffenen und mißachtet ihre Menschenwürde.

Aber auch der Wirtschaft ist nicht damit gedient, daß man Personal falsch

klassifiziert

Die zu erwartenden Einwände werden sicher vor allem Kostenprobleme

anführen.

Nun mag es tatsächlich billiger sein, Menschen nach einem Schablonensystem zu

klassifizieren, als sie richtig zu beurteilen, doch verursacht die Fehlbegutachtung

wirtschaftlich viel größere Schäden, als die zusätzlichen Kosten einer

individuellen Beurteilung.

Zum 7. Abschnitt:

Hier werden zwei weitverbreitete Benachteiligungen der Behinderten verboten,

wobei der § 20 dem Art. IX EGVG (Einführungsgesetz zu den

Verwaltungsverfahrensgesetzen) entnommen ist und der § 21 eine unbedingt

erforderliche Regelung darstellt, da die ausschließliche Regelung mittels

„genereller Normen“ erfahrungsgemäß zu Fehlinterpretationen oder

mißbräuchlicher Handhabung führt.

Absichtlich wurde die hart umstrittene Frage des Notariatszwangs für Verträge

von Blinden hier nicht aufgenommen, weil dieses Problem noch gar nicht gelöst

ist und durch einfache Weglassung im Notariatszwangsgesetz geregelt werden

müßte.

Zum 8. Abschnitt:

Zu § 21: Dieser ist ebenso wie der § 20 dem EGVG nachgebildet.

Zu § 22: Dieser führt die Parteistellung behinderter Menschen ein, was ebenso

gerechtfertigt ist, wie die zahlreichen Nachbarschafts - und Anrainerrechte, die

in letzter Zeit immer häufiger in Verwaltungsverfahren zur Geltung kommen. Ob

es auch eine sogenannte Verbandsintervention geben soll bleibe dahingestellt.

Keinesfalls dürfen die Sozialpartner hier Rechte erhalten, da diese

Behinderteninteressen niemals vertreten, wenn sie dies auch gelegentlich

behaupten.

Zu § 23: Hier ist eine Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für betroffene Personen

vorgesehen, die in Österreich ungewöhnlich ist. Allerdings gibt es bekanntlich im

Sozialversicherungsrecht ein Vorbild, da ablehnende Bescheide der

Sozialversicherungträger in Leistungssachen vor dem Arbeits - und

Sozialgericht, also einem Zivilgericht mit Klage angefochten werden können.

Gegen die Form der Rechtsdurchsetzung im Wege einer Zivilklage wird oftmals

angeführt, daß sie umständlich, langwierig und kostspielig ist, während die

Durchsetzung im Verwaltungswege rascher und billiger sei. Diese Argumente

können leicht entkräftet werden.

Erstens wird das Verwaltungsverfahren im § 23 ausdrücklich zugelassen, sodaß

beide Wege gewählt werden können. Zudem muß leider festgestellt werden, daß

in vielen Verwaltungsverfahren das Wort RASCH ein Fremdwort ist Dagegen

gibt es im Zivilverfahren das Institut der EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG, die

tatsächlich rasch erlassen wird. Aus Gründen der größeren Wirksamkeit wurde

auf die Regelung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

verwiesen.

Ergänzend wäre noch zu bemerken, daß die Einreichung einer im § 23

konzipierten Klage gegen eine Behörde die Problematik des Art. 94 B - VG

(Gewaltentrennung) nicht berührt, das es sich hier nicht um eine Zivilklage

gegen einen Bescheid handelt, sondern um eine Klage auf Beseitigung eines

gesetzwidrigen Zustands und auf Schadenersatz.

Zu § 24 Abs. 2: Diese Bestimmung mußte eingefügt werden, um die Blockade der

Gerichtsbarkeit durch Tausende von Klagen zu verhindern. Eine interne

Aufteilung der Kosten zwischen allen Betroffenen hängt aber von ihrer

prozessualen Stellung als Kläger oder Nebenintervenient nicht ab. Bewußt

wurde in diesem Antrag auf die Einführung einer sogenannten Verbandsklage

verzichtet, weil eine solche eine Entmündigung des einzelnen Betroffenen

darstellt und Verbandsklagen oftmals nicht im Interesse der Betroffenen sondern

im Interesse des jeweiligen Verbandes geführt werden.

 

Kosten:

Die Feststellung, welche Kosten die Vollziehung dieses Gesetzes verursachen

wird, ist schwer abschätzbar.

Die Kosten der behördlichen Vollziehung des Gesetzes werden geringfügig sein,

da keine ausufernden Verwaltungsverfahren zu erwarten sind und die Kosten

allfälliger gerichtlicher Verfahren die Gerichte nicht mehr belasten als andere

Zivilverfahren auch.

Zum Teil hohe Kosten sind für die Betreiber von Einrichtungen zu erwarten,

welche sohin behindertengerecht ausgestattet werden müssen. Dies wird die

öffentliche Hand ebenso treffen wie Private. Ein Blick in die Vereinigten Staaten

beispielsweise zeigt jedoch, daß öffentliche wie private Einrichtungen und

Betriebe es mittlerweile als selbstverständlich betrachten, daß die Herstellung

des verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes gelegentlich

Anstrengungen und Kosten verursacht, denen man sich schlichtweg nicht

verweigern darf, will man die Grundfesten des demokratischen Staates nicht in

Frage stellen. Dieses Bewußtsein gilt es - als Aufgabe aller gesellschaftlich

maßgeblichen Gruppen - in jeder Hinsicht zu stärken.

Als dritte Gruppe von Kostenbetroffenen sind schließlich die behinderten

Menschen selbst zu erwähnen. Wie schon in den Erläuterungen zu § 23

ausgeführt, können die Kosten von Zivilprozessen durch die Verfahrenshilfe und

den in der ZPO vorgesehenen Kostenersatz wesentlich reduziert werden.

Abschließend weisen die unterfertigten Abgeordneten der GRÜNEN darauf hin,

daß das im Art. 7 B - VG normierte Staatsziel der Gleichbehandlung der

behinderten Menschen im täglichen Leben durch das vorgeschlagene Gesetz

entscheidend gefördert würde. Wie die Beispiele Vereinigte Staaten, Kanada,

Australien oder auch die Ansätze im Vereinigten Königreich zeigen, führen

Behindertengleichstellungsgesetze zu einem Quantensprung in der

Durchsetzung eines selbstbestimmten Lebens für alle BürgerInnen in einer

freien und solidarischen Gesellschaft.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuß

vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei

Monaten verlangt.