656/A XXI.GP
Eingelangt am: 17.04.2002
ANTRAG
der Abgeordneten Mag.
Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat wolle beschließen:
Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Strafgesetzbuch, BGBI 60/1974, in der
letztgültigen Fassung wird wie folgt
abgeändert:
Der § 188 wird aufgehoben.
Begründung:
Die aktuelle Kontroverse um Gerhard
Haderers Buch "Das Leben des Jesus" zeigt
einmal mehr die Notwendigkeit der Abschaffung der Strafbestimmung
"Herabsetzung
religiöser Lehren" in Paragraph 188 Strafgesetzbuch (StGB).
Paragraph 188 StGB ist
anachronistisch, weil er weder die politische noch die
soziale Realität zur Kenntnis nimmt. Wenn die Herabwürdigung
religiöser Lehren
unter Strafe gestellt wird, besteht in dieser Hinsicht kaum ein Unterschied zu
Rechtssystemen von Staaten, in denen religiöse Normen hinter den
Rechtsvorschriften stehen. Österreich ist hingegen eine demokratische
Republik, in
der das Recht vom Volk ausgeht. In einer Demokratie, wo die Legitimation zur
Machtausübung von der
Zustimmung der BürgerInnen abgeleitet wird, können,
sollen und dürfen
religiöse Dogmen nicht privilegiert sein.
In einer säkularisierten Gesellschaft
brauchen Glaubensgrundsätze von Religionen
nur begrenzten Schutz. Selbstverständlich hat in einer Demokratie die
Religionsfreiheit als ein Teil der Meinungsfreiheit am Herzen zu liegen.
Die freie Ausübung der Religion ist daher auch mit den
Mitteln staatlicher Gewalt zu
gewährleisten. Dafür sorgen genügend andere Bestimmungen des
Strafgesetzbuches: nämlich die Paragraphen 126 (Schwere
Sachbeschädigung an
Einrichtungen der Kirchen oder Religionsgesellschaften), 128 (Schwerer
Diebstahl
am Eigentum der Kirchen oder Religionsgesellschaften), 189 (Störung der
Religionsübung), 190 (Störung der Totenruhe), 191 (Störung einer
Bestattungsfeier),
283 (Verhetzung gegen Kirchen oder Religionsgemeinschaften etc.) und 321
(Pogromabsicht). Alle diese Verbote sind ausdrücklich zu
begrüßen: So wie der
Hausfrieden eines Privaten gesichert zu sein hat, muss eine religiöse
Gemeinschaft
ungestört ihren Gottesdienst verrichten können.
Paragraph 188 StGB hat jedoch mit der Freiheit der
Religionsausübung gar nichts zu
tun: Er schützt vielmehr religiöse
Dogmen. Einschränkungen der freien
Meinungsäußerung sind jedoch
gemeinhin nur dann hinzunehmen, wenn sie dem
Schutz von Personen dienen; das ist, auch für Gläubige, durch die
Strafbestimmungen über die üble Nachrede und die Verhetzung
garantiert.
Paragraph 188 StGB steht in einem unauflöslichen
Spannungsverhältnis zu den
Grundrechten der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit und ist nicht
seriös
judizierbar. Das
"berechtigte Ärgernis", dessen "Erregung"
vorausgesetzt wird, um
die Strafwürdigkeit zu begründen, ist als juristischer Begriff
untauglich. Festzustellen,
was überhaupt ein Ärgernis sei, was
nicht, welches berechtigt und welches nicht,
wird allein der "freien richterlichen Beweiswürdigung"
anheimgestellt. Die Gerichte
müssen bestehende Bestimmungen anwenden und Entscheidungen treffen, auch
wenn eine Reduzierung des Problems auf sachliche Beurteilungskriterien nicht
möglich ist.
Paragraph 188 StGB führt daher notgedrungen zum
Gutdünken, deutlicher: zur
Willkür, wie die Vorgangsweise gegen Werner Schroeters Film "Das
Liebeskonzil" -
nach dem gleichnamigen Theaterstück von Oskar Panizza zeigt. Der Film
wurde
1985 in Innsbruck noch vor der geplanten Aufführung beschlagnahmt und mit einem
1986 ergangenen Urteil eingezogen: Das Gericht sah den
Tatbestand des § 188 als
erfüllt an. Bücher mit Panizzas Text waren freilich bereits seit
1964 in Österreich
erhältlich, der Film war 1983 in Graz
aufgeführt worden, Film und Theaterstück 1984
in Wien. All dies erregte bis 1985 keines Gerichtes Unwillen.
In den letzten Jahren wurde § 188 StGB fast
ausschließlich gegen KünstlerInnen
angewendet: Gegen die Filme "Das
Liebeskonzil"(Werner Schroeter),"Das
Gespenst" (Herbert Achternbusch), Manfred Deix, Cornelius Kolig und die
Theatergruppe "Habsburg Recycling" wurden Strafverfahren
durchgeführt.
Mit dieser Strafbestimmung wird in der Praxis Zensur ausgeübt. Da die
Freiheit der
Religionsausübung und der Religionsgemeinschaften straf-, medien- und
zivilrechtlich ausreichend geschützt sind, soll das Verbot der
"Herabwürdigung
religiöser Lehren" im Strafgesetzbuch endlich abgeschafft werden.
In formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf eine 1. Lesung die Zuweisung an den
Justizausschuss vorgeschlagen.