662/AE XXI.GP

Eingelangt am: 17.04.2002

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Manfred Lackner, Mag. Maier, Eder

und GenossInnen

betreffend die Schaffung von wissenschaftlichen Grundlagen, um die Auswirkungen des

Konsums von psychotropen Substanzen auf die Fahrtauglichkeit eindeutig beurteilen /u

können

Mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung begann in der Drogenpolitik eine Trendwende
zurück zu Strategien, die bereits in der Vergangenheit erfolglos waren.

Es wurde vom bisher erfolgreichen Weg eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen
Prävention einerseits und Therapie und Repression andrerseits abgegangen.

Die zur Verfügung stehenden Mittel für Suchtprävention. Beratung und Behandlung von
Suchtkranken wurden massiv gekürzt, das Modell „Therapie statt Strafe" reduziert und
Maßnahmen eingeleitet, die zu einer verstärkten Kriminalisierung von Drogengefährdeten
und Drogenabhängigen fuhren. Die „neue Drogenpolitik" signalisiert jedoch einen
Rückschritt zu Strategien der 60iger und 70iger Jahre und führt wieder zu einer verstärkten
Kriminalisierung von Suchtkranken.

Zuletzt war die Öffentlichkeit mit politischen Forderungen der Freiheitlichen nach
Drogentests analog zu Alkotests für mehr Sicherheit im Straßenverkehr konfrontiert.
Die FPÖ will zusätzlich zu verpflichtenden Ham- und Bluttests die Möglichkeit für die
Einführung von Drogen-Schnelltests schaffen.

Auch weitere Proben von Körperflüssigkeiten (Speichel oder Schweiß) sollen für
wissenschaftliche Auswertungen genommen werden können.

Obwohl freiheitliche Politiker um die Unseriösität dieser Maßnahmen wissen, fordern sie
diese Tests aus parteitaktischem Kalkül ein. Der Wissensstand der FPÖ-Regierungsmitglieder
Haupt und Waneck ist in einem umfassenden Protokoll über das Expertenhearing vom
23. April 2001, „Maßnahmen gegen Drogen im Straßenverkehr, dokumentiert. Dieses
Protokoll wurde vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen in
Buchform gedruckt und dokumentiert. Nachfolgend ist aus dem Originalprotokoll
auszugsweise zitiert:


STS Waneck:

„Das angestrebte Regelungsziel wirft glaube ich doch eine Reihe von Fragen auf im Bereich
des legalen und illegalen Konsums psychoaktiver Substanzen, der Erkennbarkeit und des
Wirkungsgrades sowie des Beeinträchtigungspotentials solcher Substanzen. Eng
verbunden damit ist auch das Problem der legalen Aufnahme von Wirkstoffen durch
Lebensmittel und Medikamente einschließlich möglicher Überschneidungsreaktionen, das
unter ernährungs- und gesundheitspolitischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sein
wird. So wurde etwa auch entsprechend im Entschließungsantrag ausdrücklich festgehalten.
und da zitiere ich wörtlich: „Andererseits sollte kein Verkehrsteilnehmer, der aus
medizinischen Gründen - z.B. im Rahmen einer Schmerztherapie - Suchtmittel konsumieren
muss und dabei nicht beeinträchtigt ist, kriminalisiert werden.

Die Klärung aller dieser Fragen ist im höchsten Maß vom Stand der Aussagekraft der
verschiedenen Analysetechniken abhängig und den daraus sich ergebenden
pharmakologischen Erkenntnismöglichkeiten.

Der zweite - bisher weitgehend ungeklärte - Fragenkomplex betrifft die
verwaltungsrechtliche, strafrechtliche und verfassungsrechtliche Seite des angestrebten
Regelungsziels, wobei eng damit verbunden ist, dass man auch noch grundrechtliche Fragen
klären muss.

Erst aus den Erkenntnissen des naturwissenschaftlichen Fragenkomplexes ergeben sich
aber die Grundlagen für Lösungsansätze beim rechtlichen Fragenkomplex. Es kann daher
erst eine darauf aufbauende künftige Regelung Ausgangspunkt für etwaige
Kostenschätzungen im Vollzugsbereich für die vier davon betroffenen Ministerien sein. "

Der renommierte Schweizer Suchtforscher Univ.-Prof. DDr. Ambros UCHTENHAGEN

aus Zürich:

„Nun ich gehe aus von zwei Szenarien:

1.       Das eine Szenario lautet: jede Nachweisbarkeit einer illegalen Substanz oder eines
Benzodiazepins im Blut einer betroffenen Person ist mit der Annahme einer aktuellen
Fahrtüchtigkeit nicht vereinbar. Das ist die These der sogenannten Nulltoleranz. Ich
werde diese These nicht besprechen, weil es weder experimentelle noch klinische
Befunde gibt, die zu ihrer Begründung dienen könnten.


2.       Szenario zwei lautet: jede psychotrope Substanz kann, muss aber nicht eine

Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit mit sich bringen. Hier geht es mm um die
Diskussion der Kriterien, an Hand derer wir beurteilen können, ob eine solche
Beeinträchtigung vorliegt oder nicht.

Weiter der anerkannte Univ.-Prof. Dr. Arthur KREUZER vom Institut für Kriminologie der
Universität Gießen:

„Ich habe mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass man das deutsche Modell, es
wurde hier schon genannt als „Nulltoleranzmodell" im Ordnungswidrigkeiten - Recht bei
illegalen Drogen, als Vorbild nimmt, und zwar Vorbild in dem Sinne, dass man das
zumindest als Vergleichskriterium mal heranzieht.

Das hat mich deshalb verwundert, weil dieses Modell nun ganz und gar aus meiner
Einschätzung nicht vorbildlich ist und auch nicht ausgereift, auch nicht wissenschaftlich
fundiert, weil es Widersprüche aufweist und weil es einer verfassungsgerichtlichen
Überprüfung harrt, die sicherlich kommen wird."

Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter KRÜGER vom Interdisziplinären Zentrum für
Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg:

Wir sind uns alle irgendwo einig, dass die Drogenkonzentration im Blut keine eindeutige
Aussage über die Fahrtüchtigkeit zulässt und dass die Feststellung einer Beeinträchigung
wahrscheinlich das beste Mittel ist."

Der österreichische Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Heinz MAYER von der Uni Wien:

„Meine Damen und Herren, ich habe den Vorträgen am Vormittag als Jurist zugehört und
danke für die Belehrung. Ich sehe viele Dinge heute anders als ich sie gestern gesehen
habe.

Wenn wir schwere Rechtsfolgen vorsehen, die Entziehung der Lenkerberechtigung und die
in der Straßenverkehrsordnung vorgesehenen Strafen sind schwere Rechtsfolgen, dann muss
zudem eine hohe Richtigkeitsgewähr bestehen, d.h., es müssen die Methoden, mit denen eine
Beeinträchtigung festgestellt wird, in einem hohen Maß zu einem richtigen Ergebnis führen.
Das heißt, es geht nicht darum den Konsum nachzuweisen, sondern die Beeinträchtigung


nachzuweisen. Wenn es zu so gravierenden Rechtsfolgen kommt, dann muss uns die
Naturwissenschaft Methoden zur Verfügung stellen, die es uns ermöglichen, diese
Beeinträchtigungen mit einem hohen Maß an Sicherheit als richtig erkennen :u können.

Blutabnahme ist ein Eingriff in die körperliche Integrität und jetzt komme ich zum zweiten
Grundrecht, das ich vorerst angesprochen habe, das ist der Artikel 8 der
Menschenrechtskonvention. Artikel 8 der Menschenrechtskonvention gebietet, dass die
Staaten verpflichtet sind, das Privatleben zu achten. Zu achten, also nicht nur zu schützen,
sondern auch zu achten.
Das bedeutet nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes
för Menschenrechte, dass Eingriffe in die körperliche Integrität, also der Zwang
Körpersubstanzen für Untersuchungen zur Verfügung zu stellen, prinzipiell nicht zulässig
sind.

Ich habe eher den Eindruck, die Methoden, die uns zur Verfügung stehen, wenn ich das so
Revue passieren lasse, sind sehr unsicher oder sind zumindest nicht so sicher, dass man auf
sie derartig gravierende Eingriffe ohne Bedenken stützen kann.

Ich komme zum dritten Grundrecht und das ist der schon genannte Art. 90 Abs. 2 l'- FG. der
vor allem durch eine, für mich eher fragwürdige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, eine
sehr weite Ausdehnung erfahren hat. Wenn ich diese Judikatur mit einem Satz
zusammenfassen kann, dann lautet dieser Satz: „Niemand darf verpflichtet werden,
Beweismittel gegen sich selbst zur Verfügung zu stellen ".

Nochmals Prof. Dr. Hans-Peter KRÜGER vom Interdisziplinären Zentrum für
Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg:

„Ganz prinzipiell muss man einfach festhalten: genau wissen wir nicht, wie viele da draußen
unterwegs sind mit Medikamenten und Drogen. Aber eines wissen wir ziemlich sicher: die
Zahl derer, die mit Medikamenten unterwegs sind, ist mindestens ebenso groß wie die, die mit
Drogen fahren. Das sollten wir für die künftigen Diskussionen immer im Auge behalten.

Da wir weder wissen, wie viele unfallfrei unter Drogen fahren, noch, wie viele unter
Drogeneinfluss einen Unfall haben, können wir diese Form der Risikoberechnung nicht
durchführen. Das heißt, es gibt bis heute keine richtig verlässliche Risikostudie zu Drogen
und Medikamenten."


Abschließend Univ.-Prof. Dr. Otto LESCH von der Wiener Uni Klinik für Psychiatrie :

„Drogen erzeugen so unspezifische Bilder, dass eine große Zahl anderer Ursachen auch in
Betracht kommen. Sie sind also in keiner Weise suchtspezifisch. Es gibt kein einziges
Symptom, das suchtspezifisch ist Ich denke, das ist eine wichtige Grundlage für eine
eventuelle Gesetzgebung.

Man würde den Nobelpreis erhalten, wenn es gelingen würde, eine Ursachen-
Wirkungskurve zu erstellen." Zitat Ende

Auch Minister Haupt gelangt in der Anfragebeantwortung (1736/AB-BR/2002) zu dieser
Erkenntnis:

Soweit mit den in Rede stehenden Tests Drogenschnelltests gemeint sind, muss auf die damit
verbundenen möglichen Fehlerquoten hingewiesen werden. Es kann daher mit solchen Tests mir
bedingt eine seriöse Aussage darüber getroffen werden, ob die jeweilige Person innerhalb eines
bestimmten vor dem Test liegenden Zeitraumes eine Substanz, die dem Suchtmittelregime unterliegt,
konsumiert hat. Im Falle eines positiven Testergebnisses würden auf Grund der damit behafteten
Unsicherheiten weitere Bestätigungsanalysen mittels geeigneter Laborverfahren samt fachkompetenter
Befundung der Ergebnisse dieser Bestätigungsanalysen jedenfalls notwendig sein." Zitat Ende

Die SPÖ tritt ohne Zweifel für strenge Maßnahmen ein, um das Problem des Drogen- und
Medikamentenmissbrauchs im Straßenverkehr so rasch wie möglich zu lösen. Alkohol,
Drogen und Medikamentenmissbrauch haben im Straßenverkehr nichts zu suchen. Daher
müssen wirksame und sichere Methoden entwickelt werden, um die Auswirkungen des
Konsums von psychotropen Substanzen auf die Fahrtauglichkeit eindeutig feststellen zu
können.

Wie die Aussagen der zitierten Experten zeigen, geben Harn- und Bluttests für Autofahrer
aber keine Auskunft darüber, zu welchem Zeitpunkt der Fahrer unter Drogeneinfluss stand.
Es gibt gegenwärtig keine Schnelltestgeräte oder medizinische Methoden, um die
Beeinflussung durch Drogen zum Zeitpunkt des Anhaltens sicher nachweisen zu können.

Die gutachterliche Beurteilung der Fahrtauglichkeit richtet sich an der Fahrfertigkeit und
Fahreignung aus.

Der Begriff der Fahreignung beschreibt die körperliche und geistige Eignung zum Lenken
eines Kraftfahrzeuges der entsprechenden Gruppe. Somit definiert die Fahreignung die


ausreichende psychophysische (körperliche und psychische) Leistungsfähigkeit eines/einer
FahrzeuglenkerIn, auch bei Dauerbelastung - und gegebener Fahrfertigkeit - ein
Kraftfahrzeug verkehrsangepasst und sicher im Verkehr führen zu können.

Zur Fahrfertigkeit gehören ausschließlich jene Verhaltensweisen, die zur Ausübung der
Fahrhandlung direkt oder indirekt durch Lernprozesse erwerbbar sind.

Die Fahrtüchtigkeit setzt sich zusammen aus den Kategorien Fahrfertigkeit. Fahreignung und
Verkehrszuverlässigkeit. Fahrtüchtigkeit beschreibt die Eignung eines/einer FahrzeuglenkerIn
zur sicheren Führung eines Kraftfahrzeuges im Verkehr.

Gemäß § 18 (2) Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung sind für die kraftfahrspezifische
Leistungsfähigkeit (Fahrtüchtigkeit) unter anderem folgende Parameter von Bedeutung:

•       Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung

•        Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung
und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens

•       Konzentrationsvermögen

•        Sensomotorik

Es ist davon auszugehen, dass der Konsum von psychotropen Substanzen die Fahrtauglichkeit
in den genannten Bereichen sowohl negativ als auch positiv beeinflusst.
Nur durch sichere Testmethoden ist auszuschließen, dass unbescholtene Bürger, die
Medikamente nehmen müssen, unverhofft zu Drogenlenkern stilisiert werden.

Obwohl sich viele Expertinnen intensiv mit diesem Themenkomplex auseinander setzen, gibt
es ist es in einer Reihe von fachlichen Schlüsselfragen noch keine klaren wissenschaftlich
fundierten Stellungnahmen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

„Der Bundesminister für soziale Sicherheit wird aufgefordert, umgehend die Erstellung einer
Studie über die Auswirkungen des Konsums von psychotropen Substanzen auf die
Fahrtauglichkeit in Auftrag zu geben und die Ergebnisse der Studie so rasch wie möglich dem
Nationalrat zuzuleiten.


In dieser Studie sind insbesondere folgende Punkte zu untersuchen:

1)   Mit welchen Methoden wird die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit beurteilt?

2)    Ob sich durch den Nachweis einer psychotropen Substanz im Harn eine Aussage über
eine Einschränkung der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit treffen lässt?

3)    Ob sich durch den Nachweis einer psychotropen Substanz im Blut eine Aussage über eine
Einschränkung der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit treffen lässt?

4)   Ob sich über das quantitative Ergebnis eines Harntests eine genaue Aussage über die
Einschränkung der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit treffen lässt?

5)    Ob sich über das quantitative Ergebnis eines Bluttests eine genaue Aussage über die
Einschränkung der aktuellen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit treffen lässt?

6)    Welchen Stellenwert ein Harntest zur Beurteilung der aktuellen kraftfahrspezifische
Leistungsfähigkeit, im Rahmen der gängigen Messverfahren, hat?

7)   Welchen Stellenwert ein Harntest zur Beurteilung der Bereitschaft zur
Verkehrsanpassung, im Rahmen der gängigen Messverfahren, hat?

8)    Welchen Stellenwert ein Bluttest zur Beurteilung der aktuellen kraftfahrspezifische
Leistungsfähigkeit, im Rahmen der gängigen Messverfahren, hat?

9)    Welchen Stellenwert ein Bluttest zur Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung
hat?

10) Ob ein Harn testverfahren geeignet ist, um eine eindeutige Aussage über einen tatsächlich
erfolgten Konsum von psychotropen Medikamenten oder Drogen /// der Vergangenheit
treffen zu können?

11) Ob mit einem Harntest eine Aussage über den genauen Zeitpunkt des Konsums eines r
psychotropen Medikamentes/Droge getroffen werden kann?

12) Ob mit einem Harntest eine Aussage über die konsumierte Menge eines/r psychotropen
Medikaments/Droge getroffen werden kann?

13) Ob bei Ham-(Schnell-)Tests mit einer Fehleranfälligkeit hinsichtlich falsch positiver
Ergebnisse zu rechnen ist und wie hoch diese Fehlerhäufigkeit ist?

14) Ob bei diesen Testverfahren Kreuzreaktionen zu erwarten sind?

15) Ob ein Bluttestverfahren geeignet ist, um eine eindeutige Aussage über einen tatsächlich
erfolgten Konsum von psychotropen Medikamenten und/oder Drogen in der
Vergangenheit treffen zu können?

16) Ob mit einem Bluttest eine Aussage über den genauen Zeitpunkt des Konsums eines/r
psychotropen Medikamentes/Droge getroffen werden kann?

17) Ob mit einem Bluttest eine Aussage über die konsumierte Menge eines/r psychotropen
Medikaments/Droge getroffen werden kann?

18) Ob bei Bluttestverfahren mit einer Fehleranfälligkeit hinsichtlich falsch positiver
Ergebnisse zu rechnen ist?


19) Ob bei diesen Testverfahren Kreuzreaktionen zu erwarten sind?

20) Ob Speicheltestverfahren bekannt sind, mit denen Einschätzung der kraftfahrspezifischen
Leistungsfähigkeit vorgenommen werden können?"

Zuweisungsvorschlag:    Gesundheitsausschuss