81/A XXI.GP

 

ANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Verzetnitsch, Lore Hostasch

und Genossen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über wirtschaftliche und soziale Rechte

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz

über wirtschaftliche und soziale Rechte

 

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Präambel

 

    In dem Bemühen, die im Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142,

über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger festgelegten bürgerlichen und politischen Rechte

zu sichern, den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, insbesondere durch die Erhaltung und

Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern, die Ausübung sozialer

Rechte ohne Diskriminierung zu garantieren und durch geeignete Maßnahmen den Lebens -

standard zu verbessern und das soziale Wohl zu fördern, hat der Nationalrat beschlossen:

 

 

 

Artikel 1

 

       (1) Die Arbeit, sei sie selbständig oder unselbständig, entgeltlich oder unentgeltlich, steht

als Mittel zur Entfaltung der Persönlichkeit, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur

Entwicklung der Gesellschaft unter dem Schutz der Verfassung.

       (2) Jedermann hat das Recht, seinen Beruf frei zu wählen und sich dafür auszubilden.

 

         (3) Gesetzgebung und Vollziehung haben im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen

Zielsetzungen durch Schaffung entsprechender Bedingungen im Sinne einer Vollbeschäftigung

darauf zu achten, daß Arbeitssuchenden Arbeitsgelegenheiten zur freien Aufnahme zur

Verfügung stehen.

 

         (4) Jeder Arbeitssuchende hat Anspruch auf unentgeltliche Arbeitsvermittlung und

Berufsberatung. Gesetzgebung und Vollziehung haben dafür zu sorgen, daß entsprechende

Einrichtungen ausreichend zur Verfügung stehen.

 

Artikel 2

 

Jeder Staatsbürger, der die zur Ausübung des Berufes erforderlichen gesetzlichen Voraus -

setzungen erfüllt, hat das Recht, dem frei gewählten Erwerb nachzugehen. Beschränkungen der

Berufsausübung sind nur zulässig, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen und zum Schutze

der Gesundheit, der Umwelt, der Moral, der öffentlichen Sicherheit oder zum Schutz der Rechte

und Freiheiten anderer notwendig sind.

 

Artikel 3

 

Gesetzgebung und Vollziehung haben für sichere, gesunde, gerechte und den

menschlichen Bedürfhissen entsprechende Arbeitsbedingungen sowie deren wirksame Kontrolle

zu sorgen.

Artikel 4

 

Gesetzgebung und Vollziehung haben für die wirksame Gewährleistung des Rechts auf

 

1. angemessenes Arbeitsentgelt,

2. ausreichende Arbeitszeitbeschränkungen und Ruhezeiten,

3. bezahlten Jahresurlaub in einer Dauer, die der gesellschaftlichen Entwicklung entspricht,

4. Schutz vor willkürlicher Beendigung oder willkürlicher Unterbrechung des

     Arbeitsverhältnisses

5. Schutz vor unangemessener Inanspruchnahme der Arbeitskraft und

6. angemessene Weiterzahlung des Arbeitsentgelts im Falle der Arbeitsverhinderung aus

     wichtigen Gründen

zu sorgen.

 

Artikel 5

 

         Die Arbeitnehmer haben das Recht, an der Wirtschaftsführung und an der Gestaltung der

Arbeitsbedingungen in einer der Größe und Art des Betriebes angemessenen Weise mitzuwirken.

In Ausübung dieses Rechts dürfen sie und ihre Vertreter weder beschränkt noch benachteiligt

werden. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

 

Artikel 6

 

        (1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben das Recht, ihre gemeinsamen Interessen in frei

errichteten und gestalteten Vereinigungen zu vertreten.

 

        (2) Jedem Arbeitgeber und jedem Arbeitnehmer steht es frei, solchen Vereinigungen

beizutreten, ohne daß ihm daraus ein persönlicher oder beruflicher Nachteil erwachsen darf

      (3) Solche Vereinigungen haben das Recht, ihre inneren Angelegenheiten selbständig zu

ordnen und zu verwalten und insbesondere das Recht, im Rahmen der gesetzlichen

Bestimmungen Kollektivverträge zu schließen.

 

 

 

Artikel 7

 

         (1) Gesetzgebung und Vollziehung haben wirksame Vorkehrungen gegen jede

Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen zu treffen, die geeignet ist, ihre seelische, geistige

oder körperliche Entwicklung oder ihre Ausbildung zu beeinträchtigen.

 

         (2) Gesetzgebung und Vollziehung haben wirksame Vorkehrungen gegen jede

Beschäftigung von schwangeren Frauen und Müttern zu treffen, die geeignet ist, die Gesundheit

oder das Wohlbefinden der Frau oder des ungeborenen und geborenen Kindes zu beeinträchtigen.

Innerhalb eines durch Gesetz zu bestimmenden, angemessenen Zeitraumes vor und nach der

Entbindung dürfen Frauen nicht beschäftigt werden. Während der Schwangerschaft und eines

durch Gesetz zu bestimmenden Zeitraumes nach der Entbindung dürfen Arbeitsverhältnisse

durch den Arbeitgeber nur aus besonders gewichtigen Gründen beendet werden.

 

 

Artikel 8

 

        (1) Gesetzgebung und Vollziehung haben die soziale Sicherheit, insbesondere bei

Krankheit, Unfall, Mutterschaft, geminderter Arbeits -  oder Erwerbsfähigkeit, Arbeitslosigkeit,

Alter und Tod zu gewährleisten.

 

         (2) Gesetzgebung und Vollziehung haben für die wirksame Gewährleistung des Rechts

auf angemessene Sicherung des erforderlichen Lebensbedarfes für jedermann zu sorgen, der sich

rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und der Hilfe durch die Gemeinschaft bedarf.

Artikel 9

 

         (1) Gesetzgebung und Vollziehung haben durch besondere Maßnahmen dafür zu sorgen,

daß allen behinderten Menschen die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Ausbildung,

Arbeit und Teilnahme am politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der

Gemeinschaft ermöglicht wird.

 

         (2) Für jeden behinderten Menschen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, haben

Gesetzgebung und Vollziehung für die wirksame Gewährleistung des Rechts auf

1. notwendige Behandlung und Betreuung sowie

2. Förderung der beruflichen und gesellschaftlichen Eingliederung in einer der Art, und dem

    Ausmaß der Behinderung entsprechenden Weise

zu sorgen.

 

Artikel 10

 

Die Bestimmungen dieses Bundesverfassungsgesetzes gelten ohne jede Benachteiligung,

insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischen oder

sonstigen Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe,

Geburt, des Vermögens oder eines anderen Status.

 

 

Artikel 11

 

        (1) Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. Juli 1997 in Kraft.

 

        (2) Durch die Bestimmungen dieses Bundesverfassungsgesetzes werden die im

Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBI.NR. 142, über die allgemeinen Rechte der

Staatsbürger festgelegten Rechte in ihrem Bestand nicht berührt.

 

        (3) Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

B E G R Ü N D U N G

 

 

A. Allgemeiner Teil

 

Seit mehr als drei Jahrzehnten wird in Österreich die Reform der Grund -  und Freiheitsrechte

diskutiert und getragen vom heutigen Verständnis eines modernen, demokratischen Rechtsstaates

die verfassungsrechtliche Verankerung sozialer Grundrechte gefordert, allerdings bisher ohne

Erfolg.

 

Wenn dem einzelnen zur Sicherung seiner Existenz nur die Verwertung der eigenen, nicht mehr

erneuerbaren Arbeitskraft zur Verfügung steht, dann erwartet er von der Gesellschaft, daß die

menschliche Arbeitskraft als Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Entfaltung der

Persönlichkeit, aber auch als Träger der gesellschaftlichen Entwicklung unter den besonderen

Schutz der Verfassung gestellt wird.

 

Im Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft der Vergangenheit wird heute vom Staat nicht nur

erwartet, daß er dem einzelnen Freiheiten und Freiräume garantiert, sondern der moderne

Sozialstaat hat aktiv beizutragen, die materielle und soziale Basis zu schaffen, daß jedem

einzelnen das Nutzen dieser Freiräume ermöglicht wird.

 

Der Umstand, daß in der österreichischen Bundesverfassung weder soziale Grundrechte noch

eine verfassungsrechtliche Verankerung des Sozialstaatsprinzips enthalten sind, wird vielfach als

Mangel empfunden, auch wenn die Ausgestaltung der sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen

Standards auf einfachgesetzlicher Basis den Vergleich mit anderen europäischen Staaten nicht zu

scheuen braucht. In Zeiten der weltweiten wirtschaftlichen Umstrukturierung ist es aber

notwendig, dem einzelnen durch eine verfassungsrechtliche Untermauerung des erreichten

Standards die aufkeimenden Zukunftsängste zu nehmen. Mit der vorgeschlagenen Verankerung

von sozialen und wirtschaftlichen Einrichtungen in Form von verfassungsrechtlichen Aufträgen

an Gesetzgebung und Vollziehung sollen deshalb jene grundsätzlichen arbeits -  und

sozialrechtlichen Werte verfassungsrechtlich garantiert werden, die schon bisher aufgrund eines

breiten gesellschaftlichen und politischen Konsenses für die österreichische Sozial -  und

Arbeitsgesetzgebung bestimmend waren.

 

Auch in der Europäischen Union wird die Frage der gemeinschaftsrechtlichen Verankerung von

Grund -  und Freiheitsrechten seit Jahren diskutiert, sodaß der vorgeschlagene Schritt im Einklang

mit der internationalen Entwicklung steht.

 

Inhaltlich basiert der vorgelegte Entwurf auf den bereits 1993 abgeschlossenen Arbeiten der beim

Bundeskanzleramt eingerichtet gewesenen Grundrechtskommission, die aus Vertretern aller im

Nationalrat vertretenen Parteien bestand, und berücksichtigt auch die danach auf

Sozialpartnerebene akkordierten Ergänzungen und Klarstellungen.

 

Der Entwurf geht von einem Gesamtkonzept der Grundrechte aus, nach welchem sowohl die

klassisch - liberalen, als auch die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Selbstbestimmung aller

Menschen dienen und für das Leben der Menschen in Würde und Freiheit, für die Entfaltung

ihrer Persönlichkeit und für die Entwicklung der Gesellschaft unerläßlich sind.

 

Bei der Ausarbeitung des Entwurfes wurden die internationalen Verpflichtungen, die Österreich

insbesondere aus der Europäischen Sozialcharta, BGBI. Nr.460/1969, dem Internationalen Pakt

über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBI. Nr.590/1978, zahlreichen im Rahmen

der Internationalen Arbeitsorganisation von Österreich abgeschlossenen Übereinkommen und der

Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau BGBI. Nr.443/1982

erwachsen, in Betracht gezogen. Die Grundrechtskommission stützte sich ferner auf die von den

Staats -  bzw. Regierungschefs von elf Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft am 9.

Dezember 1989 angenommene feierliche Erklärung über eine Gemeinschaftscharta der sozialen

Grundrechte der Arbeitnehmer und hatte auch die einschlägigen Bestimmungen des Rechts der

Europäischen Gemeinschaften vor Augen.

 

Vom rechtstechnischen Standpunkt aus betrachtet, enthält der Entwurf neben der Begründung

subjektiver öffentlicher Rechte auch Staatszielbestimmungen und insbesondere

Gesetzgebungsaufträge.

Was die Staatszielbestimmungen anlangt, ist hervorzuheben, daß auch ihnen normative

Bedeutung zukommt. Der Verfassungsgerichtshof hat dies auch in seiner Rechtsprechung zum

Ausdruck gebracht (vgl. z.B. VfSlg. 10.791/1986, 11.294/1987 und 11.990/1989). Im Sinne,

dieser Rechtsprechung werden die in diesem Bundesverfassungsgesetz enthaltenen

Staatszielbestimmungen Interpretationsmaxime für die Auslegung anderer Rechtsvorschriften

sein.

 

Unter Gesetzgebungsaufträgen sind verfassungsgesetzliche Regelungen zu verstehen, die

"Gesetzgebung und Vollziehung" zu einer bestimmten Gestaltung der Rechtsordnung

verpflichten. Der Begriff "Gesetzgebungsauftrag“ ist deshalb ungenau, weil nicht nur die

Gesetzgebung durch eine solche Verfassungsnorm verpflichtet wird, bestimmte Lebenssach -

verhalte im Sinne der verfassungsgesetzlichen Grundordnung zu gestalten, sondern auch die

Vollziehung, d.h. die Verwaltung und die Rechtsprechung, verpflichtet wird, bei ihrer Tätigkeit,

mag sie nun auf die Erlassung von Verordnungen gerichtet sein oder auf die Regelung eines

Lebenssachverhaltes im Einzelfall, die Zielvorgaben der Grundrechtsordnung zu beachten.

 

In einzelnen Formulierungen wurde die Form von verfassungsgesetzlichen Aufträgen an

Gesetzgebung und Vollziehung gewählt, einfachgesetzliche Rechte wirksam zu gewährleisten

(vgl. z.B. Art. 3). Damit wird es dem Gesetzgeber zur Pflicht gemacht, subjektive Rechte

festzulegen und ein verfassungsrechtlicher Maßstab für Gesetzgebung und Vollziehung

vorgegeben. Die Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) erhält den verfas -

sungsgesetzlichen Auftrag, die bestehenden Gesetze in einer diesem Bundesverfassungsgesetz

entsprechenden Weise anzuwenden.

 

Für die Bestimmungen dieses Bundesverfassungsgesetzes ist bedeutsam, daß es auch die

Beziehungen zwischen Privatpersonen untereinander erfaßt.

 

Die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesverfassungsgesetzes ist vom Verfas -

sungsgerichtshof im Rahmen seiner bestehenden Kompetenzen wahrzunehmen. Es gilt daher der

Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung ebenso wie die Verpflichtung der in Art. 89

Abs. 2 B - VG genannten Gerichte, im Falle von Bedenken gegen ein anzuwendendes Gesetz

dessen Aufhebung nach der genannten Verfassungsstelle beim Verfassungsgerichtshof zu

beantragen.

Was den persönlichen Geltungsbereich dieses Bundesverfassungsgesetzes anlangt, ist darauf

hinzuweisen, daß der Begriff "Arbeitnehmer" umfassend zu verstehen ist und alle unselbständig

Erwerbstätigen, auch die im öffentlichen Dienst Tätigen, umfaßt.

 

Der vorliegende Entwurf enthält kein ausdrückliches Verbot der Zwangs -  und Pflichtarbeit (vgl.

aber die Erläuterungen zu Art. 1). Auf die Aufnahme eines solchen Verbotes im vorliegenden

Zusammenhang wurde aus systematischen Gründen verzichtet, was deshalb möglich war, weil

ein solches Verbot bereits dem geltenden Rechtsbestand angehört (Art. 4 EMRK).

 

Die wirtschaftlichen und sozialen Rechte stehen in einem starken Zusammenhang mit den

verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Berufswahl -  und Ausbildungsfreiheit (Art. 18

StGG) sowie auf Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG). In einer sozialen Marktwirtschaft wie jener

Österreichs ist die Ausübung dieser klassisch - liberalen Rechte faktische Voraussetzung dafür,

daß diese Rechte gewährleistet werden können. Anderseits ist das Bestehen eines Mindestmaßes

an sozialem Standard für die effektive Ausübung von klassisch - liberalen Rechten bedeutsam.

Daher werden auch diese beiden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte im

Zusammenhang mit der Regelung von Grundsätzen für soziale Rechte einer Neuregelung

unterworfen.

 

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des vorliegenden Bundesverfassungsgesetzes

gründet sich auf Art 10 Abs. 1 Z 1 B - VG.

 

 

B. Besonderer Teil

 

 

Zu Art.1:

 

Der Abs. 1 dieser Bestimmung stellt die Arbeit unter den Schutz der Verfassung. Dies bedeutet,

daß der Arbeit als einer besonderen Form der menschlichen Bestätigung auch von Verfassung

wegen ein besonderer Wert zuerkannt wird, zu dem sich der Bundesverfassungsgesetzgeber

ausdrücklich bekennt. Welchen Schutz die Arbeit genießt, ergibt sich im einzelnen aus den

folgenden Bestimmungen dieses Bundesverfassungsgesetzes. Unter den Schutz der Verfassung

gestellt wird aber ein ganz bestimmtes Bild der Arbeit: Einerseits nämlich die Arbeit unabhängig

davon, ob sie selbständig oder unselbständig ausgeübt wird, wodurch insbesondere auch die

unternehmerische Tätigkeit dem Schutze der Verfassung unterstellt wird. Grundsätzlich wird die

Arbeit in ihrer gesamten gesellschaftlichen Dimension, also auch unabhängig davon unter Schutz

gestellt, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Daher ist etwa die Arbeit im Haushalt oder

jene der Betreuung von Kindern, Kranken und Alten auch dann erfaßt, wenn sie nicht auf die

Erzielung eines Entgeltes gerichtet ist. Zum anderen wird die Arbeit als ein Mittel zur Entfaltung

der Persönlichkeit, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur Entwicklung der Gesellschaft

gesehen und werden damit Tätigkeiten, die dieser Vorstellung nicht entsprechen, insbesondere

die Zwangsarbeit, auch nicht dem Bild der Arbeit im Sinne dieses Bundesverfassungsgesetzes

unterstellt. Unter diesem Aspekt kann in dieser Bestimmung auch ein indirektes Verbot der

Zwangs -  und Pflichtarbeit (Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention) gesehen werden.

 

Der Abs. 2 übernimmt den Art. 18 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der

Staatsbürger von 1867 und gewährleistet somit die Berufswahlfreiheit und die

Ausbildungsfreiheit als ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht. Die in der Bestimmung

des Staatsgrundgesetzes enthaltene Beifügung, es stehe jedermann frei sich auszubilden, „wie

und wo er will" wurde aus der Überlegung heraus nicht übernommen, daß in der Freiheit der

Ausbildung auch enthalten sei, wie und wo die Ausbildung erfolgen solle.

 

Abs. 3 steht in Übereinstimmung mit Abs. 1, der der Arbeit zentrale Bedeutung für den einzelnen

und für die Gesellschaft beilegt. Daraus folgt, daß die staatliche Politik durch eine am Ziel der

Vollbeschäftigung orientierte Beschäftigungspolitik und durch Schaffung geeigneter

Rahmenbedingungen für die Möglichkeit von Arbeit sorgen soll. Dieses Ziel ist nicht das einzige

Ziel der Politik, wohl aber ein wesentliches Ziel. Daher stellt es Abs. 3 in den Zusammenhang

mit den anderen wirtschaftpolitischen Zielsetzungen, in deren Rahmen die

Vollbeschäftigungspolitik zu bestimmen sein wird. Der Inhalt des Zieles der Vollbeschäf -

tigungspolitik wird im folgenden Gesetzgebungsauftrag zum Ausdruck gebracht. Danach hat die

Gesetzgebung und die Vollziehung im Sinne einer Vollbeschäftigungspolitik darauf zu achten,

daß Arbeitsgelegenheiten jedermann zur Verfügung stehen, wobei die Freiheit der Wahl des

Arbeitsplatzes ebenfalls gewährleistet sein muß. Mit dieser Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes

steht eine Regelung von Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der

Arbeitslosenversicherung nicht im Widerspruch.

 

In engem Zusammenhang mit einer Politik der Vollbeschäftigung steht auch der Abs. 4 dieser

Bestimmung. Er zielt darauf ab, die Grundlagen dafür zu garantieren, daß Gesetzgebung und

Vollziehung in der Lage sind, Arbeitssuchenden Arbeitsgelegenheiten zur freien Annahme zur

Verfügung zu stellen. Diese Grundlagen sollen auf zweierlei Weise geschaffen werden. Zunächst

dadurch, daß jeder Arbeitssuchende ein subjektives öffentliches Recht hat, sich über die

Arbeitsmöglichkeiten, sei es in Form der Arbeitsvermittlung, sei es in der Form der

Berufsberatung, unentgeltlich unterrichten zu lassen. Zum zweiten dadurch, daß der

Gesetzgebung die Pflicht auferlegt wird, die Einrichtungen zu schaffen und zur Verfügung zu

stellen, die der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung dienen. In diesem Zusammenhang ist

hervorzuheben, daß die derzeit existierenden Strukturen der Arbeitsvermittlung und Berufs -

beratung durch eine derartige Regelung nicht festgeschrieben werden sollen. In welcher Form

dieser Gesetzgebungsauftrag daher erfüllt wird, wird durch diese Bestimmung noch nicht

vorweggenommen. Durch die Bestimmung wird die private Arbeitsvermittlung oder Berufs -

beratung nicht eingeschränkt.

 

 

Zu Art 2:

 

Diese Bestimmung gliedert sich in zwei Teile. Der erste Satz bezieht sich auf die Freiheit des

Berufsantritts, der zweite Satz bezieht sich auf die Freiheit der Berufsausübung.

 

Was die Freiheit für den Antritt des Berufes anlangt, geht die Bestimmung davon aus, daß, wer

die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berufsausübung erfüllt, d.h. die erforderlichen

beruflichen Qualifikationen besitzt, seinem frei gewählten Erwerb auch nachgehen darf. Auch

jene gesetzlichen Vorschriften, die die Voraussetzungen für den Antritt eines Berufes regeln,

müssen anhand der zum bisherigen Art. 6 StGG entwickelten Rechtsprechung des

Verfassungsgerichtshofes am Grundrecht gemessen werden.

In der Grundrechtskommission wurde insbesondere erörtert, ob ein solches Recht den

Staatsbürgern vorbehalten bleiben muß, oder allen Menschen - also auch den Ausländern -

eingeräumt werden kann. Die Grundrechtskommission kam zu der Auffassung, daß eine

Beschränkung dieses Rechtes auf Staatsbürger erforderlich ist, weil eine Ausdehnung dieses

Rechtes auch auf Ausländer, was die Beseitigung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bedeuten

wurde, aus wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gründen nicht vertretbar ist, einen

international offenen Arbeitsmarkt zur Voraussetzung hätte und außerdem darauf hinzuweisen

ist, daß verschiedene Berufe österreichischen Staatsbürgern vorbehalten sind (vgl. im besonderen

die freien Berufe der Rechtsanwälte und Notare, aber auch Beamte) und in diesem Bereich auch

die Frage der Gegenseitigkeit aufgeworfen würde. In Bezug auf Angehörige des Europäischen

Wirtschaftsraumes ist aber Art. 4 des EWR - Abkommens zu beachten, der Verfassungsrang

besitzt und eine Gleichstellung dieser Personengruppe mit Staatsbürgern bewirkt.

 

Bei der Diskussion der zulässigen Beschränkungen der Berufsausübung folgt die vorgeschlagene

Regelung weitgehend jenen Einschränkungen, die die Europäische Menschenrechtskonvention

zuläßt. Neu eingefügt wurde eine Beschränkung, die sich auf die Umwelt bezieht. In dieser

Hinsicht ist jedoch hervorzuheben, daß dadurch kein Präjudiz dafür geschaffen werden soll, daß

in anderen Gesetzesvorbehalten, ebenfalls jeweils auf die Umwelt Bedacht zu nehmen sei. Die

Möglichkeit der Einschränkung der Erwerbsfreiheit aus Gründen der Moral wurde beibehalten.

 

Insgesamt wird davon ausgegangen, daß die in der bisherigen Rechtsprechung des

Verfassungsgerichtshofes zu Art. 6 StGG entwickelten Kriterien auch für die Auslegung der

vorliegenden Bestimmung maßgeblich sind. Nach dieser Rechtsprechung ist eine die

Erwerbsfreiheit beschränkende gesetzliche Maßnahme nur dann zulässig, wenn sie zur

Verfolgung eines öffentlichen Interesses geboten ist, hiezu geeignet, zur Zielerreichung adäquat

und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist. Die vorgeschlagene Bestimmung unterscheidet sich

vom bisherigen Art. 6 StGG somit vor allem dadurch, daß die Ziele, zu deren Erreichung eine

Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit zulässig ist, ausdrücklich im Wortlaut der

Bestimmung genannt werden.

Der Neuregelung der Berufswahl - sowie  - ausbildungsfreiheit mit den Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 2

des vorliegenden Entwurfes wird durch die Aufhebung bzw. Änderung der entsprechenden

Bestimmungen des StGG Rechnung zu tragen sein. Aus legistischen Gründen wird diese

Neuregelung gesondert erfolgen.

 

 

Zu Art. 3:

 

Dieser Artikel enthält einen Gesetzgebungsauftrag, der sich auf die Gestaltung der

Arbeitsbedingungen bezieht. Hier erhalten sämtliche Vorschriften zum Schutz aller arbeitenden

Menschen, also sowohl der Arbeitgeber, als auch der Arbeitnehmer ihre verfassungsrechtliche

Absicherung und zugleich wird ein verfassungsgesetzlicher Auftrag an Gesetzgebung und

Vollziehung erteilt, für deren wirksame Kontrolle zu sorgen.

 

 

Zu Art. 4:

 

In dieser Bestimmung wird der verfassungsgesetzliche Auftrag an die Gesetzgebung erteilt,

durch die Erlassung von geeigneten Vorschriften für die wirksame Gewährleistung der hier

genannten Rechte im Arbeitsverhältnis zu sorgen. Die Vollziehung (Verwaltung und

Gerichtsbarkeit) erhält den verfassungsgesetzlichen Auftrag, die bestehenden Gesetze in einer

dieser Bestimmung entsprechenden Weise anzuwenden.

 

Das in Z 1 normierte Recht auf angemessenes Arbeitsentgelt schließt das der österreichischen

Rechtsordnung ausnahmsweise bekannte unentgeltliche Arbeitsverhältnis nicht grundsätzlich

aus, weil in einem solchen Fall die Zahlung eines Entgelts nicht angemessen wäre. Auch die

Einführung eines Mindestlohnes ist mit dieser Bestimmung vereinbar. Es ist ferner darauf

hinzuweisen, daß auch die Teilzeitarbeit angemessen zu entgelten ist.

 

In Z 2 wird das Recht auf ausreichende Arbeitszeitbeschränkungen und Ruhezeiten

verfassungsrechtlich festgelegt. Dieses dient vor allem dem Schutz der Gesundheit der

Arbeitenden und der Vorsorge vor Unfällen.

Die Z 3 ist eine verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Urlaub, dessen Dauer an den

Stand der gesellschaftlichen Entwicklung geknüpft wird.

 

In Z 4 wird das Interesse des Arbeitnehmers auf Bestand des Arbeitsverhältnisses, somit sein

Schutz vor willkürlicher Beendigung oder willkürlicher Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

verfassungsgesetzlich abgesichert.

 

In Z 5 ist das allgemeine Interesse auf Schutz vor unangemessener Inanspruchnahme der

Arbeitskraft angesprochen.

 

Die Z 6 schließlich sichert die Weiterzahlung des Arbeitsentgelts im Falle der

Arbeitsverhinderung aus wichtigen Gründen - also insbesondere bei Krankheit -

verfassungsrechtlich ab und steht in einem Zusammenhang zu Art. 6.

 

 

Zu Art. 5:

 

Dieser Artikel garantiert die Arbeitnehmermitbestimmung. Der erste Satz regelt einen Grundsatz,

der durch das im zweiten Satz enthaltene Beschränkungs -  und Benachteiligungsverbot ergänzt

wird, dessen nähere Ausgestaltung im übrigen den Gesetzen überlassen bleibt. Die Bestimmung

bezieht sich auf zwei Bereiche, nämlich auf die Mitwirkung an der Wirtschaftsführung und an

der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Das Ausmaß und die Art und Weise bestimmt sich nach

Art und Größe des Betriebes, die Regelung ist also insoferne flexibel, als etwa bei kleinen

Betrieben die Einrichtung von Betriebsräten nicht erforderlich ist. Es ist grundsätzlich auch der

Bereich des öffentlichen Dienstes erfaßt.

Zu Art. 6:

 

Durch diese Bestimmung soll eine Reihe von Rechten - in Ergänzung und spezifizierend zu Art.

12 StGG und Art. 11 EMRK - gewährleistet werden, nämlich

a) die Koalitionsfreiheit,

b) die autonome Gestaltung der Vereinigungen durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber selbst und

c) die Kollektivvertragsfreiheit.

 

Die Koalitionsfreiheit umfaßt zwei Aspekte: Einerseits die Organisationsfreiheit bei der

Gründung von Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wobei die gesetzlichen

Ordnungsvorschriften (Vereinsgesetz) unberührt bleiben sollen und daher uneingeschränkt

anwendbar sind, andererseits die Beitrittsfreiheit zu solchen Vereinigungen. Die negative

Koalitionsfreiheit ist bereits von der positiven Koalitionsfreiheit erfaßt.

 

Das Recht und die Pflicht der Zugehörigkeit zu gesetzlichen Interessensvertretungen bleiben

durch diese Bestimmung unberührt.

 

Was die Kollektivvertragsfreiheit anlangt, so soll mit ihrer Erwähnung das Institut der

Kollektivverträge verfassungsrechtlich außer Streit gestellt werden.

 

 

 

Zu Art. 7:

 

Durch diesen Artikel werden die Grundsätze des geltenden Rechts für den Kinder - ,

Jugendlichen -  und Mutterschutz in die Verfassungsordnung übernommen.

 

In Abs. 1 werden Gesetzgebung und Vollziehung verpflichtet, wirksame Vorkehrungen zum

Schutz von Kindern und Jugendlichen zu treffen. Derartige Vorkehrungen werden vielfach, nicht

aber notwendigerweise in Form von Verboten erfolgen.

In Abs. 2 wird der Mutterschutz geregelt, der zweite Satz enthält ein Beschäftigungsverbot von

Frauen vor und nach der Geburt. Im dritten Satz ist ein besonderer Kündigungsschutz für Frauen

während der Schwangerschaft und nach der Geburt vorgesehen.

 

Sowohl der Kinder -  als auch der Mutterschutz bedarf einer näheren gesetzlichen Ausführung.

Die Abs. 1 und 2 sind daher nicht unmittelbar anwendbares Recht, sondern enthalten einerseits

Gesetzgebungsaufträge und andererseits Leitlinien für den Gesetzgeber wie von diesem der -

Kinder -  und Mutterschutz zu gestalten ist. Gleichzeitig wird dadurch eine Regelung geschaffen,

die für künftige Entwicklungen offen ist.

 

 

Zu Art. 8:

 

In dieser Bestimmung erfolgt die verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips der sozialen

Sicherheit und des Rechts auf Sozialhilfe. Die soziale Sicherheit wird insbesondere durch ein

umfassendes System der Sozialversicherung zu gewährleisten sein, der Wortlaut des Abs. 1

schließt aber grundsätzlich andere Systeme der sozialen Sicherheit nicht aus.

 

Durch die vorliegende Regelung wird lediglich eine Mindestgarantie geschaffen, es erfolgt

jedoch keine strenge Fixierung auf den derzeitigen Standard. Es wird durch sie auch nicht

ausgeschlossen, daß das derzeitige System der Sozialversicherung durch ein anderes ersetzt

werden könnte.

 

Der Umfang dessen, was auf verfassungsrechtlicher Ebene als „Recht auf soziale Sicherheit"

geregelt werden soll, kann grundsätzlich aus internationalen Vereinbarungen - vornehmlich aus

der Europäischen Sozialcharta, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und

kulturelle Rechte und aus dem ILO - Übereinkommen Nr.102, BGBl. Nr.33/1970, abgeleitet

werden. Es umfaßt insbesondere den Schutz gegen Wechselfälle des Lebens wie Krankheit,

Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Alter, Invalidität, Arbeitsunfall, Berufskrankheit und Verlust des

Versorgers. Die Formulierung der Risikenaufzählung stellt klar, daß die genannten Bereiche

jedenfalls abzudecken sind.

Durch Abs. 2 soll ein - insbesondere gegenüber dem System der Sozialversicherung -

subsidiäres, aber subjektives Recht auf Sozialhilfe verfassungsgesetzlich abgesichert werden.

Dieses soll jedermann gewährt werden, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und

hilfsbedürftig ist. Der Begriff „hilfsbedürftig“ bringt den Subsidiaritätscharakter des Rechtes

insoferne zum Ausdruck, als im Sinne der Diktion der Sozialhilfegesetze der Länder

Hilfsbedürftigkeit dann vorliegt, wenn jemandes Lebensbedarf weder von ihm, noch von anderen

Personen oder Einrichtungen (ausreichend) abgedeckt werden kann.

 

Die Sicherung des Lebensbedarfes umfaßt neben der Gewährleistung des notwendigen

Lebensunterhaltes etwa auch Hilfe und Pflege im Krankheitsfall, sodaß auch in diesem Fall

subsidiär ein Anspruch auf öffentliche Hilfe bestehen soll.

 

 

Zu Art. 9:

 

Abs. 1 enthält einen Auftrag an die Gesetzgebung und an die Vollziehung konkrete Maßnahmen

zu setzen, um behinderten Menschen die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen.

Der Grundgedanke besteht darin, daß in allen Bereichen, wo dies möglich ist, besondere, auf die

Bedürfnisse von behinderten Menschen abgestellte Maßnahmen getroffen werden (z.B.

behindertengerechtes Bauen, Maßnahmen im Schulbereich).

 

Um ihre Benachteiligung möglichst zu verringern, müssen behinderte Menschen über das durch

den Gleichheitssatz bedingte Maß hinaus bessergestellt werden. Durch besondere Vorsorgen soll

sichergestellt werden, daß behinderten Menschen die aus diesem Bundesverfassungsgesetz

folgenden Rechte in gleichem Maße gewährleistet sind wie anderen Personen.

 

Der Begriff „Behinderung“ ist weit zu verstehen und erfaßt sowohl körperlich behinderte,

sinnesbehinderte, geistig behinderte als auch psychisch behinderte Menschen.

 

Abs. 2 sieht einen verfassungsgesetzlichen Auftrag an die Gesetzgebung und die Vollziehung

vor, die notwendige Behandlung und Betreuung sowie die angemessene Integration behinderter

Menschen sicherzustellen.

Zu Art. 10:

 

Im Rahmen einer Teilkodifikation wirtschaftlicher und sozialer Rechte ist die Aufnahme einer

solchen Bestimmung über das Diskriminierungsverbot schon deshalb angebracht, weil dadurch

Auslegungsunterschiede über die Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes auch in diesem

Bereich vermieden werden können. Auf die Verfassungsbestimmung des Art. 4 der Konvention

zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl. Nr.443/1982, wonach

vorübergehende Sondermaßnahmen bis zur Herbeiführung der de - facto - Gleichberechtigung von

Mann und Frau zulässig sind, wird verwiesen.

 

 

Zu Art. 11:

 

Abs. 1 regelt das Inkrafttreten.

 

Abs. 2 bezieht sich auf das in der Diskussion um die sozialen Grundrechte beschriebene

mögliche Spannungsverhältnis zwischen den klassischen, liberalen Grundrechten und den

sozialen Grundrechten. Es wird klargestellt, daß durch die vorliegende Positivierung sozialer

Grundrechte der Schutzbereich der klassisch - liberalen Grundrechte nicht eingeschränkt wird.

Das bedeutet, daß Gesetzgebung und Vollziehung bei der Ausgestaltung der sozialen

Grundrechte im Rahmen der Gesetzgebungsaufträge oder bei Verfolgung der

Staatszielbestimmungen die bestehenden Eingriffsschranken der klassisch - liberalen Grund – rechte nicht überschreiten dürfen. Der Sozialauftrag kann daher nicht als eigenständige Rechtfertigung von Eingriffen in bestehende Grundrechte herangezogen werden. Andererseits soll die Formulierung "... werden in ihrem Bestand nicht berührt ..." klarstellen, daß auch der soziale

Gehalt liberaler Grundrechte (wie z. B. der Koalitionsfreiheit oder des Eigentumsgrundrechts)

weiterhin erhalten bleibt.

 

 

Abs. 3 enthält die Vollzugsklausel.