30/J XXI.GP
DRINGLICHE ANFRAGE
der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Anti - Atompolitik der Bundesregierung und Schließung des slowakischen
Atomkraftwerkes Bohunice
Die österreichische Bundesregierung scheint in der Atompolitik nicht mehr handlungsfähig.
Nach einem monatelangem, strategielosen Zickzackkurs scheint es sowohl zwischen ÖVP
und SPÖ in der Regierung als auch innerhalb der SPÖ keine klare Atomlinie mehr zu
geben. Die Frage der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung droht im Parteienstreit
und Koalitionsgeplänkel unterzugehen. Insbesondere die von der Slowakei angebotenen
Schließungsdaten für das AKW Bohunice (VI) stellen eine massive Bedrohung für die
Sicherheit der österreichischen Bevölkerung dar.
Das slowakische Atomkraftwerk Bohunice entspricht in keinster Weise international
üblichen Sicherheitsstandards. Sogar die slowakische Atomaufsichtsbehörde verweigert seit
1995 die mehrjährige Zulassung wegen fehlender Nachrüstungen. Bohunice V - 1 ist nach
wie vor eines der gefährlichsten AKW der Welt überhaupt. Die größten
Sicherheitsprobleme sind das mangelhafte Notkühlsystem, die Versprödung des
Reaktordruckbehälters und das Fehlen von Leck - Detektionssystemen. Am
schwerwiegendsten ist jedoch die fehlende Stahl - Beton - Schutzhülle
(„Containment“), die in westlichen AKW üblich ist. Nicht zu unrecht hat die Europäische
Union festgestellt, daß Bohunice nicht auf das erforderliche Sicherheitsniveau
gebracht werden kann und daher so rasch als möglich stillzulegen ist.
Das slowakische Atomkraftwerk Bohunice stellt ein riesiges Gefahrenpotential dar - nicht
nur für Österreich, sondern für ganz Europa. 1998 wurde der erste Reaktor von Mochovce,
trotz internationaler Proteste in Betrieb genommen. Im Gegenzug sollten die beiden V - 1 -
Hochrisikoreaktoren von Bohunice im Jahr 2000 außer Betrieb gehen. Durch den
slowakischen Regierungsbeschluß vom 21. April 1999 wurde dies jedoch verhindert. Für
Ende des Jahres ist außerdem die Inbetriebnahme von Mochovce 2 geplant. Auch Mochovce
3 und 4 sollen fertiggebaut werden.
Das erwiesenermaßen unsichere Atomkraftwerk Bohunice muß so rasch wie möglich
geschlossen werden. Österreich kann eine Schließung mit 2006/2008, wie sie derzeit von
der Slowakei angeboten wird, nicht akzeptieren.
Zu klären ist auch die Frage nach den Kosten, die der Slowakei bei einer früheren
Schließung des Atomkraftwerkes Bohunice entstehen würden. Nach Angaben der Slovenske
Electrarne, die auch von der slowakischen Regierung übernommen wurden, würde eine
frühere Schließung von Bohunice VI eine jährlichen Verlust von rund von 5 Mrd. Kronen
(rund 1,5 Mrd. öS) bedeuten. Aus Sicht
der Grünen sind diese Zahlen jedenfalls
überprüfungsbedürftig. Jedenfalls muß im Zuge der Verhandlungen sichergestellt werden,
daß Zahlungen für den Ausstieg in nicht - nukleare Ersatzoptionen fließen.
Ein kurzer Überblick über die Ereignisse der letzten Wochen:
22. September 1999:
Die slowakische Regierung hat im September die Verlängerung der Betriebszeit des
umstrittenen Reaktors Bohunice VI bis 2008 und 2010 beschlossen. Erweiterungskommissar
Verheugen akkzeptiert das. Bohunice VI zählt zu den gefährlichsten Reaktoren der Welt,
selbst die Europäische Union hat den Block als Hochrisikoreaktor eingestuft und für den
Beitritt die Abschaltung verlangt.
4. November:
am 4. November 1999 erfolgt ein verheerender EU - Kompromiß im Rahmen der
Ratsarbeitsgruppe über das sog. Atomkapitel mit den mittel - und osteuropäischen
Beitrittswerbern: Österreich schwenkt von der Vorgabe „modernster Stand der Technik“ zur
„vorherrschenden Sicherheitspraxis" für Ost - AKW. Damit akzeptiert Österreich Temelin
und Mochovce.
12. November: Wirbel um Sicherheitsbericht
Es wird bekannt, daß eine Sicherheitsstudie mit dramatischen inhaltlichen Erkenntnissen
von BM Prammer nicht der österreichischen Öffentlichkeit und auch nicht der EU -
Kommission übermittelt wurde. BM Prammer wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, die
Kommission hätte in Kenntnis der Unterlagen die Schließungsdaten von Bohunice nicht
akzeptiert. Grüne erhielten unter Androhung eines Mißtrauensantrags die Unterlagen und
leiteten sie an Kommissat Verheugen weiter.
13. November: Kein Pickerl für Bohunice
Sogar die slowakische Atomaufsichtsbehörde verweigert seit 1995 die mehrjährige
Zulassung wegen fehlender Nachrüstungen. In diesem Lichte erscheint der nicht
veröffentlichte Sicherheitsbericht noch brisanter.
16. November: Spitzendiplomatin Matzner krisitisiert massiv die Atompolitik der
Bundesregierung
Das vertrauliche Schreiben der österreichischen Botschafterin in der Slowakei, Gabriele
Matzner, bestätigte die schlimmsten Befürchtungen über die Schein - Anti - Atom - Politik der
österreichischen Bundesregierung. Nach Aussage Matzners sei die Atom - Politik der
österreichischen Bundesregierung rein medientaktisch geprägt, ohne Strategie, die
Botschafterin erhalte keine kritischen Unterlagen.
ANFRAGE:
1. Wer hat seitens der österreichischen Bundesregierung den verheerenden EU - Kompromiß
vom 4. November 1999 zu verantworten und welche Konsequenzen hat dieser
Kompromiß auf die in
Bau befindlichen AKWs Mochovce und Temelin?
2. Wie vertreten Sie die Fehleinschätzung der Bedeutung der Sicherheitsstudie des Instituts
für Sicherheitsforschung, die als nicht abgeschlossen eingestuft wurde und deshalb nicht
an die EU - Kommission bis Mitte November weitergeleitet worden ist?
3. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der nicht vorhandenen Genehmigung des AKW
Bohunice bis 2006 + 2008 durch die slowakische Atomaufsichtsbehörde?
4. Ist seitens des Bundeskanzlers ein Treffen mit dem slowakischen Ministerpräsidenten
Dzurinda geplant und wenn ja, wann soll dieses stattfinden?
5. Welche Aktivitäten werden gesetzt, um die EU - Kornmission - vor allem EU -
Erweiterungskommissar Verheugen und Kommissionspräsident Prodi - von der
Wichtigkeit einer frühzeitigen Bohunice - Schliessung zu überzeugen?
6. Welche Termine sind geplant, um den übrigen EU - Mitgliedsländer noch vor der
Helsinki - Konferenz die österreichische Haltung zu erläutern?
7. Welche Position vertritt die Regierung in den entscheidenden Verhandlungen mit der EU
und der Slowakei?
8. Im Anti - Atom - Aktionsplan ist nur festgehalten, dass „das Vorliegen von umfassenden
und überzeugenden Schliessungsplänen Grundlage für die beitrittsrelevanten
Entscheidungen in Helsinki ist“. Ist Österreich bereit, der Slowakei finanzielle
Ausstiegshilfen für eine vorzeitige Bohunice - Schliessung zur Verfügung zu stellen?
Wenn ja, in welchem Ausmass und wann soll der slowakischen Seite dieses Angebot
unterbreitet werden?
9. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Aussagen der österreichischen Botschafterin in
der Slowakei, Frau Dr. Gabriele Matzner und wer ist dafür verantwortlich, daß Sie trotz
wiederholter Bitte und trotz Vorliegen einer US - Studie über die katastrophale
Sicherheitssituation des AKW Bohunice keine kritischen Unterlagen erhalten hat?
10. Welche konkreten Anti - Atom - Aktivitäten sind Ihnen diesbezüglich von BM Schüssel
und BM Bartenstein bekannt?
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf
§ 93(1) GOG verlangt.